Graf Alexei N. Tolstoi
Aëlita
Graf Alexei N. Tolstoi

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Der Sonnenuntergang

Die flammende Sonne neigte sich, schmale, neblige Flügel weit ausstreckend, dem Westen zu.

Lossj und Gussjew liefen über die immer dunkler werdende, jetzt noch ödere und wildere Ebene dem Kanalufer zu. Die Sonne verschwand schnell hinter dem nahen Rande des Feldes. An ihrer Stelle ergoß sich ein blendender, hellroter Lichtschein. Seine grellen Strahlen beleuchteten den halben Himmel und erloschen schnell, als bedeckten sie sich mit grauer Asche. Der Himmel wurde dunkel.

Am aschgrauen Horizont tief über dem Mars war ein großer roter Stern aufgegangen. Er blickte wie ein zorniges Auge. Die Dunkelheit war einige Augenblicke lang nur von seinen düsteren Strahlen erfüllt.

Aber schon traten auf der ganzen Ausdehnung des Himmels die Sterne hervor, leuchtende, grünliche Gestirne – ihre eisigen Strahlen stachen die Augen. Der düstere Stern loderte im Aufsteigen immer röter.

Lossj blieb, als er das Kanalufer erreicht hatte, stehen, wies mit der Hand nach dem roten Stern und sagte:

»Die Erde.«

Gussjew nahm sich die Mütze ab und wischte sich den Schweiß aus der Stirn. Mit zurückgeworfenem Kopf blickte er auf die zwischen den Gestirnen schwebende ferne Heimat. Sein Gesicht war traurig und blaß.

So standen sie beide lange auf dem im Sternenlichte weiß schimmernden uralten Kanalufer.

Da erschien aber hinter dem dunklen, scharfen Horizont hervor eine helle Sichel, kleiner als die des Mondes. Sie stieg über dem Kaktusfelde empor, die lappigen Pflanzen warfen lange Schatten.

Gussjew stieß Lossj mit dem Ellenbogen an.

»Schauen Sie mal, was hinter uns ist!«

Hinter ihnen stand über der hügeligen Ebene, über den Gehölzen und Ruinen der zweite Trabant des Mars. Seine runde gelbliche Scheibe, gleichfalls kleiner als die des Mondes, neigte sich den zackigen Bergen zu. Auf den Hügeln glänzten hier und da die Metallscheiben.

»Ist das eine Nacht,« flüsterte Gussjew, »wie im Traume!«

Sie stiegen vorsichtig vom Ufer in das dunkle Dickicht der Kaktusse hinab. Unter ihren Schritten glitt ein Schatten zur Seite. Ein zottiges Knäuel lief über die Mondlichtflecke. Etwas knirschte. Etwas quietschte durchdringend, unerträglich hoch. Die Lappen der Kaktusse bewegten sich im toten Lichte. Spinngewebe, so fest wie Drahtgeflecht, klebte an den Gesichtern.

Plötzlich wurde die Nacht von einem entsetzlichen, herzzerreißenden Geheul erfüllt. Es brach augenblicklich ab. Alles wurde still. Gussjew und Lossj rannten mit großen Schritten, vor Ekel und Grauen zusammenfahrend, über das Feld und sprangen über die lebendig gewordenen Pflanzen.

Endlich erblickten sie im Lichte der aufgehenden Sichel den Stahlpanzer ihres Apparats. Sie erreichten ihn. Sie setzten sich und holten Atem.

»Nein, nachts gehe ich nicht mehr in diese Spinnengegend«, sagte Gussjew. Er schraubte die Luke auf und stieg in den Apparat.

Lossj zögerte noch. Er lauschte und blickte um sich. Und plötzlich sah er zwischen den Sternen die schwarze, phantastische Silhouette eines Luftschiffes.


 << zurück weiter >>