Graf Alexei N. Tolstoi
Aëlita
Graf Alexei N. Tolstoi

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Landung

Die silberne, hier und da gleichsam bewölkte Marsscheibe wurde merklich größer. Blendend leuchtete das Eisgebiet am Südpol. Unterhalb dieses dehnte sich eine geschwungene, neblige Fläche. Im Osten erreichte sie den Äquator, ging in der Nähe des Mittelmeridians in die Höhe, umrahmte eine hellere Fläche und teilte sich, am westlichen Rande der Scheibe einen zweiten Vorsprung bildend.

Längs des Äquators lagen deutlich sichtbar fünf dunkle runde Flecken. Sie waren durch gerade Linien verbunden, die zwei gleichseitige Dreiecke und ein drittes, längliches Dreieck bildeten. Die Base des östlichen Dreiecks war von einem regelmäßig geschwungenen Bogen eingefaßt. Von der Mitte desselben ging bis zum äußersten Punkt im Westen ein zweiter Halbkreis. Mehrere Linien, Punkte und Halbkreise lagen im Westen und Osten von dieser äquatorialen Gruppe verstreut. Der Nordpol verschwand im Nebel.

Lossj blickte gierig auf dieses Liniennetz: da sind sie, diese die Astronomen verrückt machenden, sich ewig verändernden, geometrisch regelmäßigen, unbegreiflichen Marskanäle. Lossj unterschied unter dieser scharfen Zeichnung ein zweites, kaum wahrnehmbares, gleichsam verwischtes Liniennetz. Er begann es in seinem Notizbuche zu skizzieren. Die Marsscheibe erzitterte plötzlich und begann durch das Gesichtsfeld des Okulars zu gleiten. Lossj stürzte zu den Rheostaten.

»Wir haben es getroffen, Alexej Iwanowitsch, wir werden angezogen, wir fallen!«

Der Apparat wandte den Hals dem Planeten zu. Lossj bremste den Motor und stellte ihn dann ganz ab. Die Veränderung der Geschwindigkeit war jetzt weniger schmerzvoll. Aber es trat eine so qualvolle Stille ein, daß Gussjew das Gesicht in die Hände drückte und sich die Ohren zuhielt.

Lossj lag auf dem Boden und beobachtete, wie die silberne Scheibe immer größer und konvexer wurde. Sie schien jetzt aus dem schwarzen Abgrund ihnen entgegenzufliegen.

Lossj schaltete wieder die Rheostate ein. Der Apparat erzitterte, die Anziehungskraft des Mars überwindend. Die Fallgeschwindigkeit nahm ab. Der Mars bedeckte jetzt den ganzen Himmel, er wurde dunkler, seine Ränder wölbten sich zu einer Schale.

Die letzten Sekunden waren schrecklich – ein schwindelnder Sturz. Der Mars deckte den ganzen Himmel zu. Die Linsen der Gucklöcher liefen plötzlich an. Der Apparat durchschnitt die Wolken über einer trüben Ebene und begann, zitternd und heulend, zu sinken.

Lossj rief schnell: »Wir landen!« und stellte den Motor wieder ab. Ein starker Stoß warf ihn gegen die Wand. Der Apparat fiel schwer zu Boden und legte sich auf die Seite.


Die Knie schlotterten, die Hände bebten, das Herz erstarb. Lossj und Gussjew brachten schweigend, ohne Übereilung, das Innere des Apparates in Ordnung. Sie steckten durch die Öffnung eines der Gucklöcher die schon halbtote Maus hinaus, die sie von der Erde mitgebracht hatten. Die Maus wurde allmählich lebendig, hob die Nase, bewegte den Schnurrbart und wusch sich. Die Luft war zum Atmen geeignet.

Nun schraubten sie die Eintrittsluke auf. Lossj leckte sich die Lippen und sagte mit einer noch dumpfen Stimme:

»Nun, Alexej Iwanowitsch, ich gratuliere, wir sind da! Steigen wir aus.«

Sie legten die Filzstiefel und Pelzröcke ab. Gussjew befestigte sich am Gürtel eine Mauserpistole (für jeden Fall) und öffnete die Luke.


 << zurück weiter >>