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27.
Niederschrift des Hausverwalters Sebastian Ranft

Der Wachtmeister hat gesagt: »Na – nur dreist wieder 'rein, Vadder Ranft! Und keine Bange! Ihnen tun die Herren ja nichts. Die haben da drinnen ja, scheint's, schon den Richtigen geklappt! Ich glaube: dem Bruder schunkelt schon bedenklich der Kopf auf den Schultern!«

Innen im Saal waren die Herren von vorhin und noch ein Herr. Der war wohl fünfzig und hatte einen grauen Bart und ebensolch einen Mantel. Das war aber auch alles.

Ich meine mit die Ähnlichkeit. Denn der Herr von vorhin hat mich gefragt:

»Herr Ranft – haben Sie diesen Herrn schon einmal in Ihrem Leben gesehen?«

»So Herren habe ich schon viele gesehen!« antwortete ich. »Da ist doch nischt Besonderes bei! Ich meine«, habe ich hinzugefügt, um nicht unschicklich zu sein, »so Geschäftsherren, die schon etwas Besseres sind, die trifft man ja nu wohl häufig auf der Straße oder so!«

»Es handelt sich um einen einzigen Herrn!« habe ich da weiter gehört. »Um den grauen Herrn!«

»Ich bin nicht der graue Herr!« hat der Herr mitten im Saal geheult.

»Still, Herr Nottebohm!« hat der andere gesprochen, und dann zu mir: »Uns interessiert nur der graue Herr, den Sie nach Ihrer Aussage zuletzt des Nachts mit Ihrem Mieter, dem Doktor im zweiten Stockwerk, wenige Stunden vor seinem Selbstmord gesehen haben wollen.«

»Ich wollte, der graue Kerl hätte sich selber umgebracht!« hat der Herr, den sie Nottebohm geheißen haben, voll Wut geschrien, und der andere Herr hat sich nicht darum gekümmert und mich gefragt:

»Herr Ranft: Sie sind ein alter Mann! Sie werden gewiß schon im Hinblick auf das Jenseits jetzt der Wahrheit die Ehre geben, akkurat so, als wenn Sie jetzt zwei Finger höben und einen Eid leisteten: War dieser Herr und jener nächtliche Herr bei dem Doktor ein und derselbe?«

»Nie nich!« sagte ich.

»Besteht eine solche Ähnlichkeit, daß die beiden vielleicht doch wesensgleich sein könnten?« bleibt der Herr bei seiner Frage. Aber ich habe gesagt:

»Gebückt halten sich ja beide. Aber der damals war ja gut drei Zoll größer. Wenn auch die beiden grau von Ansehen waren ...«

»Von morgen ab trage ich nur noch schwarze Sachen und lasse mir die Haare schwarz färben, damit ich meine Ruhe habe!« hat der Herr Nottebohm erbittert dazwischen gezetert! Ich habe geschlossen:

»Das Gesicht ist auch ganz anders! Das ist ganz unmöglich, daß der Herr hier der Herr von damals war!« Ich habe die Hand aufs Herz gelegt und beteuert: »Das kann ich jederzeit vor dem Kriminal beschwören!«

Da habe ich wieder weggehen können und habe im Weggehen noch gehört, wie der arme Herr Nottebohm noch gesagt hat und sich dabei den kalten Schweiß von der Stirn gewischt:

»Ich verlange Schadenersatz! Ich bringe alles ins Blättchen. Ich bin nicht die Dame ohne Unterleib. Ich bin keine Attraktion für den Jahrmarkt! Ich verwahre mich dagegen, daß man mich hier von Staats wegen vor Krethi und Plethi zur Schau stellt. Es fehlt nur noch, daß Eintrittsgeld erhoben wird. Kinder und Soldaten vom Feldwebel abwärts die Hälfte! ... Was kommt denn da schon wieder für eine Trine angerückt?«


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