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5.
Lisbeth Morells Bericht

»Ja – Herr Präsident – die Margot und ich – wir waren doch von klein auf dick befreundet – nicht? Wo wir doch schon zusammen in die Schule gegangen sind ... Ja – und nun – so als junge Frauen – da haben wir erst recht jeden Tag zusammengesteckt ... Ich kann wohl sagen: Ich war der Margot ihre einzige wirkliche Vertraute. Ich hatte vollen Einblick in ihre Ehe ... «

»Und wie war denn die Ehe?«

»Da – da kann ich nur die Hand aufs Herz legen und beteuern, Herr Präsident: Fabelhaft glücklich! Wie das Unheil passierte – da war die Margot gerade ein Jahr verheiratet – nicht? Noch kein Baby in Sicht. Sie konnte alles auf ihren Mann konzentrieren. Na – und das tat sie ja wohl! Angebetet hat sie ihn. Er erschien ihr wie ein Wunder der Schöpfung. Da muß man ja nun sagen: Die Margot hatte immer eine abenteuerliche Phantasie. Bei der wurde immer alles im Handumdrehen romantisch. Nun gar ihr Mann!«

»Aber er war doch eine fesselnde Persönlichkeit?«

»Das muß ihm der Neid lassen! Sehr elegant und sehr liebenswürdig. Und das kann man ja wohl gestehen: er sah sehr gut aus. Geld spielte bei Sandner überhaupt keine Rolle. Damit hat er seine Frau überschüttet. Er gönnte ihr jeden Luxus. Überhaupt: Er war immer direkt riesig nett zu ihr!«

»... so daß es sich daraus erklärt, daß Frau Sandner einen wahren Kult mit ihm trieb?«

»Sie hatte ja auch enormes Glück – nicht? – mit der Partie! Sie war doch schon gehörig über die Mitte der Zwanzig – kein Geld – der Vater Gymnasiallehrer – das Mädel hatte doch nichts als ihr bißchen Kunstgewerblerei – na – damit lockt man doch heutzutage auch keinen Hund vom Ofen – ja – und wenn man auch Freundin ist –, aber das wußte die Margot ja schließlich selber am besten: Sie war doch nur gerade so noch knapp hübsch – mehr nicht. Das Schönste an ihr waren die großen dunklen Augen. Vielleicht haben die's dem Herrn Sandner angetan? Also, jedenfalls hat er sie geheiratet. Er hätte ganz andere Partien machen können – in der Stadt – sehr reiche Partien – ich könnte Namen nennen – aber ich will diskret sein. – Da ist zum Beispiel die eine junge Witwe – die kann sich heute noch nicht trösten – die Trude Jürgens ... «

»Sie wollten ja diskret sein, gnädige Frau!«

»Ja – richtig! Also – gewundert haben wir uns schon alle, daß Sandner gerade auf Margot verfallen ist. Aber gegönnt habe ich ihr als meiner Freundin natürlich das große Los von Herzen!«

»Kannten Sie Sandner schon früher?«

»Nein. Er hat ja, wie ich noch ein Backfisch war, die Stadt verlassen und ist ins Ausland gegangen. In Amerika – da soll er doch tolle Reichtümer gesammelt haben – nicht? Denn von Haus aus hatte er doch wohl nichts. Sein Vater hat ja hinter dem Postschalter gesessen und Briefmarken verkauft.«

»Also von irgendeiner auch nur leisesten Trübung der Ehe war Ihnen bis zu dem fraglichen Abend nichts bekannt?«

»Von Trübung kann man da wohl nicht reden, Herr Präsident, wenn ich das untertänigst sagen darf. Nur von den regelmäßigen Gewittern!«

»Gewittern?«

»Ja doch, Herr Präsident! Ich meine die Eifersuchtsszenen. Darin war die Margot groß. Sie hat ihren Mann wahnsinnig geliebt. Gerade darum war sie noch wahnsinniger eifersüchtig. Das kam von ihrer Überspanntheit. Rein verdreht war sie dann – nicht?«

»So ... so ... «

»Sie hatte dann einen reinen Todeskummer im Gesicht. Halb hat man lachen müssen und halb tat sie einem leid. Ich hab' immer getan, was ich konnte, um die nervöse Frau zu beruhigen! Ich bin doch mehr auf das Praktische angelegt – nicht? Da wurde sie dann allmählich wieder Mensch.«

»Gab ihr Sandner denn wirklich Grund zur Eifersucht?«

»Gott – Herr Präsident: Ein bißchen leichtlebig – ja – das war er ja wohl. Das lag in seiner Art. Er hat den Frauen gefallen und war ja selber auch kein Unmensch. Er war ja auch oft auf weiten Geschäftsreisen. Aber trotzdem, Herr Präsident: Ich bin heute noch felsenfest davon überzeugt: Die Margot hat in ihrer Phantastik immer nur Gespenster gesehen!«

»Von wirklichen – hm – sagen wir Seitensprüngen Sandners ist Ihnen nichts bekannt?«

»Nicht das geringste! Die Margot darf man da nicht ernstnehmen. Die ist viel zu exaltiert. Die macht immer gleich aus einer Mücke einen Elefanten. So war es ja auch an dem Unglückstag!«

»Bitte – erzählen Sie, gnädige Frau, was sich da ereignete.«

»Also ich bin daheim und putze gerade Handschuhe mit Benzin und denke mir nichts Böses – nicht wahr? –, da klingelt's, und die Margot schickt ihren Chauffeur und ihren Wagen und einen Zettel – in der Aufregung ganz schief gekritzelt: ›Komm sofort zu mir!‹ Na – ich kenne doch meine Margot! Also ich telephoniere nur schleunigst meinem Mann ins Büro: ›Du – Schatz – ich muß fort! Die Margot hat wieder einmal ihren Anfall!‹ – und dann spornstreichs hin zu ihr. Natürlich – das kannt' ich doch schon –, da liegt die Margot auf dem Sofa, blaß wie eine Leiche, mit ganz starren, verzweifelten Augen und in der geballten Faust einen zerknitterten Brief! Mit denen werden wir ja seit Jahr und Tag in der Stadt behelligt. Ich weiß nicht, wozu die Polizei eigentlich da ist. Es gibt doch Schreibsachverständige. Freilich: Heutzutage tippen sie die anonymen Briefe auf der Schreibmaschine. So der auch!

Ich hab' nun wirklich eine strafende Miene aufgesetzt, Herr Präsident, als die gesetzte und vernünftige Freundin, und zu der Margot gesagt: ›Schäm' dich! Auf der Stelle zerreißt du das Ding und schmeißst es in den Papierkorb. So was liest ein anständiger Mensch gar nicht erst!‹ Aber sie gibt mir den Wisch wortlos zu lesen. Ich weiß noch genau, was darin stand: »Liebe arme gnädige Frau! Heute abend um elf Uhr sind Herr Sandner und seine Freundin Luise Heidebluth draußen in Ihrer leeren Villa. Vielleicht überzeugen Sie sich selbst! Eine, die es gut mit Ihnen meint!«

»Hm ... hm ... Ja ... Sie kennen dies Fräulein Heidebluth, gnädige Frau?«

»Na – die kennt jeder! Ich meine: Alle Damen kennen sie. Sie hat doch den elegantesten Modesalon der Stadt. Sie räubert einen aus mit ihren Preisen. Die halbe Stadt sitzt bei ihr in der Kreide. Aber sie hat einen Schick ... «

»Was ist das nun für eine Persönlichkeit?«

»Na – wie eben die Inhaberinnen von solchen ganz feinen Modesalons sind. Sie ist selbst sehr elegant und weltsicher ... Sie hat eine Liebenswürdigkeit, einem die Sachen aufzuschwatzen ... Schmeicheln kann sie – na, ich danke! ... Ganz jung ist sie nicht mehr – so Anfang dreißig – auffallend hübsch und distinguiert und fabelhaft gewachsen. Eine große schlanke Person. Sie hat ja wohl auch als Mannequin angefangen!«

»Die Luise Heidebluth hat bei ihrer Vernehmung angegeben, daß sie von der ganzen Sache nichts wisse und an dem fraglichen Abend ihre Wohnung überhaupt nicht verlassen habe. Diese Aussage hat sie vor Gericht beschworen. Sie scheidet also aus dem Fall aus. Aber wie ist denn sonst ihr Ruf?«

»Ja – da kann man mich totschlagen, aber ich habe nie etwas Nachteiliges von ihr gehört. Ich habe es auch gleich der Margot gesagt: ›Nun stelle dir doch bloß die Heidebluth vor! Die ist doch viel zu gerissen! die ist doch viel zu vorsichtig für so wilde Sachen! Die wird doch nicht wegen solcher Abenteuer ihr schönes Geschäft und ihre feine Damenkundschaft aufs Spiel setzen!« Aber die Margot war nicht umzustimmen. Wenn sie in ihrer blinden Eifersucht einmal etwas im Kopf hatte, dann war sie unzurechnungsfähig! Nicht?

Sie ahne das schon lange, sagte sie. Letzte Weihnachten – da habe ihr Mann ihr bei der Heidebluth einen pompösen Sealskinmantel gekauft, und die Heidebluth habe solche guten Kunden wie sie persönlich bedient – ja – und da habe sie, die Margot, wohl bemerkt, daß diese gewandte, liebenswürdige, bildhübsche Heidebluth alle Minen springen ließ und daß Blicke hin und her Feuer fingen. Sie habe damals schon in einer verzweifelten Stimmung den Laden verlassen und sich erst allmählich im Lauf der Zeit beruhigt. Aber nun sei es ja sonnenklar: Damals habe es angefangen, und nun sei es glücklich so weit.«

»Luise Heidebluth hat unter Eid erklärt, sie habe Herrn Sandner als gelegentlichen Kunden in ihrem Laden gekannt, sonst gar nicht!«

»Ja – aber erzählen Sie doch mal das der Margot, Herr Präsident! Die war gar nicht zu beruhigen. Sie blieb dabei: Nun müsse sie Gewißheit haben! Sie werde heute nacht nach der Villa hinausfahren. Und ich, ihre beste Freundin, müsse sie begleiten! ... Herr Präsident: Sehen Sie mich an! Ich bin, weiß Gott, keine abenteuerliche Natur! Mir war es direkt graulich – nicht? –, daß wir zwei jungen Frauen allein bei Nacht und Nebel in die verlassene Vorstadt hinausfahren sollten! Ich konnte der Margot dort auch wenig helfen. Denn ich kannte mich in der Villa gar nicht aus. Ich war sehr selten da draußen gewesen. Die Villa liegt ja am Ende der Welt. Viel zu weit von unserer Wohnung in der Altstadt, wo mein Mann sein Büro hat. Man braucht förmlich eine Tagereise dorthin, wenn man nicht einen eigenen Wagen hat. Und den haben wir doch nicht. Mein Mann hat doch keine Zeit, viel herumzufahren. In den Sommermonaten, wenn die Margot da draußen war, ist sie doch jeden Tag in die Stadt gekommen zu Einkäufen und zur Schneiderin und ins Kino und so, und da haben wir uns dann immer getroffen!«

»Also Sie rieten Frau Sandner ab?«

»›Draußen stehst du dann glücklich vor einem verschlossenen, stockdunklen und totenstillen Haus, in dem natürlich keine Menschenseele ist‹, habe ich der Margot gepredigt, ›und wir können froh sein, wenn wir nicht noch tot daheim wieder ankommen!‹ Bei der Margot nur ein eigensinniges Kopfschütteln! Sie bleibt nun mal dabei! Eine andere als mich, ihre nächste Freundin, nahm sie auf diese Expedition nicht mit! Das wußte ich. Allein konnte ich die aufgeregte Frau doch die Fahrt ins Schwarze nicht machen lassen. Also fuhr ich am Abend in Gottes Namen mit. Wohl war mir dabei von vornherein nicht zumute! Das darf ich wohl sagen, Herr Präsident! Es war überhaupt noch ein Glück, daß ich mich ohne weiteres für die späte Nachtstunde frei machen konnte. Mein Mann war nämlich mit dem Abendzug nach Berlin gefahren, um dort am nächsten Morgen einen gerichtlichen Termin wahrzunehmen. Auf dem Kreuzplatz, ein paar Minuten von der Villa, ließ die Margot ihren Wagen halten und stieg aus. Ihr Chauffeur ist solch ein neugieriger Peter. Der braucht nicht alles zu wissen. Wir mummten uns in unsere Pelze und gingen zu Fuß weiter. Es war eine kalte, taghelle Vollmondnacht. Alles um uns war ausgestorben. Im Winter wohnt kein Mensch draußen. Da kamen wir nun an Ort und Stelle.

Ich bitte um Verzeihung! Ich rede immer so umständlich. Aber das liegt nun einmal in meiner Art. Mein Mann ist auch manchmal verzweifelt. Aber es ist doch wichtig, daß Herr Präsident die Örtlichkeit genau kennen – nicht? –, wo Sie doch nicht selber dort waren?«

»Ja, bitte, gnädige Frau! Ich bin ganz Ohr!«

»Nämlich – also die Villa – wie soll ich da sagen – das ist ein Eckhaus! Nach vorn, mit dem Haupteingang, geht sie auf die Gartenstraße. Neben der Rückseite und dem großen Park dahinter läuft die Elisenstraße, so daß die beiden Straßen einen rechten Winkel bilden – nicht? –, in dem die Villa liegt. Ja – wir marschierten nun längs des Parkgitters die Elisenstraße hinauf. Kein Mensch weit und breit. Nur weiter oben in der Elisenstraße, nahe der Ecke, zu meiner großen Beruhigung zwei Schutzleute. Die hielten da Wache. Ehe wir an die herankamen, sagte die Margot: ›Ich will allein in das Haus. Bleibe du hier in dem Mondschatten von dem dicken Baumstamm da stehen und warte, bis ich zurückkomm'?‹ – Gut! Ich machte halt, wo ich war – die Schutzleute haben mich da überhaupt nicht gesehen – und die Margot ging an ihnen vorbei und um die Ecke nach dem Vordereingang der Villa. Da schlug es drüben von der Johanniskirche gerade elf!«

»Einen Moment, gnädige Frau! Von Ihrem Standpunkt aus konnten Sie die Rückseite der Villa und den Park deutlich überblicken?«

»Es war fast so hell wie am Tag. Der Vollmond stand ganz mächtig am Himmel. Ich stehe und schaue nach den dunklen Fenstern der Villa und denke mir noch: ›Margot – wann wirst du endlich vernünftig werden? Und deswegen holt man sich hier eiskalte Füße?‹ – da steht mir, ungelogen, plötzlich das Herz still! Auf der rückwärtigen Seite der Villa werden, gerade wie es elf schlägt und die Margot eben wahrscheinlich von vorn in das Haus tritt, zwei Fenster hell, und hinter den Scheiben steht ein Mann – und das ist Leopold Sandner!«

»Sie haben ihn ganz unzweifelhaft erkannt?«

»So wahr ich hier sitze, Herr Präsident! Ich habe es ja auch vor Gericht beschworen, daß er es war!«

»Die beiden Schutzleute weiter oben in der Elisenstraße konnten die Fenster nicht sehen?«

»Nein. Die standen schon zu nahe an der Hausecke.«

»Wie lange sahen Sie Sandner?«

»Ach – ganz kurz! Es war, als hätte er nur schnell Licht gemacht, um die weißen Vorhänge an den beiden Fenstern herunterzulassen, wahrscheinlich weil er im Dunkeln die Schnurquasten nicht finden konnte. Gleich darauf knipste er wieder aus, und das Zimmer lag dunkel!«

»Und blieb nun so?«

»Nur etwa fünf Minuten. Dann wurde es plötzlich wieder hell, und hinter den Scheiben bewegte sich manchmal ein Schatten. Ich sah deutlich, daß es der Schatten eines Mannes war!«

»Aber nicht, wer es war?«

»Da fragen mich Herr Präsident zuviel. Ich bin mir der Bedeutung meiner Aussagen bewußt. Ich sage nur, was ich absolut mit gutem Gewissen verantworten kann! Da muß ich nun also sagen: Und wenn man mich totschlägt – ich weiß nicht, ob das Sandner war oder ein anderer Mann!«

»Einen zweiten Schatten – etwa den einer Frau – haben Sie nicht bemerkt?«

»Weiß Gott nicht! Dabei mußte doch die Margot längst im Hause sein! Komisch – nicht? Und womöglich auch die Heidebluth! Ich muß sagen – ich hab' dagestanden und am ganzen Leib gezittert – nicht nur vor Kälte –, sondern was in dem Haus noch passieren könnte! Nun gingen zu allem Unglück auch noch die beiden Schutzleute weg ... «

»Wann war das?«

»Da war inzwischen ja wohl eine gute Viertelstunde verstrichen. Da hatte es schon längst von den Kirchtürmen ein Viertel nach elf geschlagen. Das war mein Kummer, daß ich nun mutterseelenallein da in der Nacht gestanden bin. Ich schaute sehnsüchtig den beiden Schutzleuten nach, wie sie langsam in ihren dicken Mänteln um die Ecke in die Gartenstraße geschlurft sind, wo – das habe ich ja schon gesagt – nicht wahr? –, also wo doch der Vordereingang der Villa ist ... Und in demselben Augenblick – Herrgott – ich bin doch sonst gar nicht nervös – ich bin das gerade Gegenteil von der Margot – deswegen wirke ich doch so beruhigend auf die – ihr Mann war mir immer direkt dafür dankbar ... «

»Also in dem Augenblick, in dem die Schutzleute den Vordereingang passieren mußten ... «

»... da kracht doch durch die totenstille Nacht aus der Villa heraus ein Schuß ... Gott ... bin ich erschrocken ... ich stand wie gelähmt ... «

»Sie verließen Ihren Platz nicht?«

»Ach – konnt' ich denn? Die Beine hätten mich ja gar nicht getragen. Ich hab' gestanden und nach der Villa gestarrt und mir gedacht: ›Um Gottes willen – was hat die Margot nur da drinnen angestellt?‹ Dann hörte ich das Trillern von den Schutzmannspfeifen, und es kamen neue Schutzleute angerannt, und zwei von ihnen stellten sich gleich hinten im Park vor der Villa auf!«

»Und in der Zeit zwischen dem Schuß und dem Eintreffen dieser Schutzleute haben Sie die Rückseite der Villa nicht aus den Augen gelassen?«

»Aber auch nicht eine Sekunde! Ich war ja doch wie hypnotisiert – nicht? Ich bebberte doch vor Angst um die Margot!«

»Und in dieser Zeit ist niemand irgendwie hinten aus dem Hause in den Park herausgekommen?«

»Es hat sich doch nichts gerührt, Herr Präsident! Das war ja so unheimlich, daß nach dem Schuß gleich wieder alles still war!«

»Sie hätten es sehen müssen, wenn jemand herausgekommen wäre?«

»Man hätte eine Katze auf hundert Schritte in dem Mondschein gesehen! Das habe ich auch vor Gericht beschworen! Mein eigener Mann, wie er da sitzt, war doch der Verteidiger der Margot. Wenn ich irgend mit gutem Gewissen gekonnt hätte, hätte ich ihm doch geholfen, die Margot zu retten und gesagt: ›Es ist möglich, daß ich mich geirrt habe!‹ Aber jeder Irrtum meinerseits ist ausgeschlossen. Ein Eid ist doch eine heilige Sache. Da muß man bei der vollen Wahrheit bleiben – nicht?«

»Und was geschah nun, gnädige Frau?«

»Plötzlich wurde es auf den Straßen lebendig. Es wurde gelaufen und laut geschrien: ›Mord! Mord!‹ Und ein dicker Schutzmann – der hat den Vorhang von dem einen hellen Fenster weggezogen und es aufgestoßen und den beiden Polizisten im Park zugerufen: ›Wir haben sie schon festgenommen!‹ Nun kriegte ich es mit einer neuen Angst – nicht nur um die Margot – der hab' ich ja doch nicht mehr helfen können –, sondern um mich selber, daß sie mich hinter meinem Baum finden und als Mitschuldige verhaften und auf die Wache schleppen würden! Da bin ich blindlings die Straße hinuntergerannt bis zu dem Kreuzplatz und in der Margot ihren Wagen gesprungen und hab' gerade noch so viel Atem gehabt, daß ich ihrem Chauffeur sagen konnte, die gnädige Frau sei verhaftet, und er solle mich um Gottes willen so schnell wie möglich heimfahren! Halb tot bin ich angekommen! Mein Mann da kann es bezeugen! Nein – einmal so eine Nacht und nicht wieder! ... Ja – und mehr weiß ich ja wohl von der Nacht nicht, Herr Präsident!«

»Ich danke Ihnen, gnädige Frau, daß Sie sich zu mir bemüht haben! Ich will Ihre Güte nicht weiter in Anspruch nehmen. Gute Nacht!«


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