Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Siebenundvierzigstes Kapitel

Das Letzte

Nachdem ich nun durch die Veritalienisierung des gedachten »Not- und Hülfsbüchleins« die erste Hälfte des Titels erprobt hatte, so suchte ich die Erfüllung der zweiten durch die Fußfutteralmacherei zu erreichen. Ich ließ mich also beim löblichen Handwerke, von dem ich ein ebenso löbliches Mitglied war, wieder einschreiben, welches mit einigen Reichstalern Ungeld und einer Obermeistermoral, die freilich bei mir in den Wind ging, abgetan wurde. Einige Personen, die die Sache nur einseitig betrachten, können diesen Entschluß nicht genug loben und sehen diese Reimmatrikulationsepoche als die glückseligste meines dreiundvierzigjährigen kümmerlichen Lebens an. Wäre meine erlernte Profession der Gesundheit meines Körpers angemessener, so würde ich unter meinen jetzigen Umständen würklich ebenso denken. Denn ein Handwerker hat oft Vorzüge vor manchem Beamten, der in vielen Fällen weniger sein eigener Herr und zuweilen der Laune eines Obern ausgesetzt ist, der in Ansehung des Kopfes unter ihm zu stehen verdiente. Der Professionist im Gegenteil kennt weniger Schikanen, lebt würklich viel freier und ungezwungener, hat mit seinen Vorgesetzten nicht soviel zu tun, und wenn in dem wohlverschlossenen Versammlungssaale über die wichtigsten Handwerksangelegenheiten, als etwa über die Wahl eines oder mehrer ihrer Oberhäupter, deliberiert wird, so hat er eben das Recht, sein gültiges Votum zu geben, als ein im Konklave verschlossener Kardinal bei Erwählung eines römischen Bischofs, ohne daß er nötig hat, erst eine Messe des Heiligen Geistes anzuhören, und vielleicht interessiert diesen eine Wahl nicht mehr als die andere; denn wie hätte sonst die Wahl eines Oberhauptes der katholischen Kirche auf so viel höchst unfähige und schwache Menschen fallen können? Doch um 's Himmels willen! wie komme ich nach Rom, da ich doch nur meiner gothaischen Reimmatrikulationsepoche gedenken wollte? Ich gestehe es, daß sie mir sogar eine Art von Beruhigung gewährte, weil ich soviel Beschäftigung voraussetzte, um durch Haltung eines oder mehrern Gehülfen meine Familienbedürfnisse zu bestreiten und mich zu gleicher Zeit für ein krüppelhaftes Alter zu sichern; allein, nun muß ich freilich auch gestehen, daß ich diese Beruhigung nur als vorübergehend ansehen muß, weil der Erfolg meiner Erwartung bis jetzt gar nicht entsprochen hat und vielleicht nie entsprechen wird, denn hierzulande heißt Meisterwerden oft nichts anders, als einen Mann ins Arbeitsjoch spannen, welches bei mir der Fall zu sein scheinet. Habe ich jetzt einen ganzen Tag krispinisiert, so braucht es beim Aufstehen einige Stunden, bis sich die Rückschmerzen legen und die Glieder wieder in Gang kommen; und was kann ich anders daraus abnehmen, als daß diese Lebensart meine Gesundheit untergräbt und untergraben muß; verdient man nun obendrein damit nichts mehr, als eben hinreichend ist, sich des Hungers zu erwehren, so kann ein Mann, der sich imstande fühlt, der menschlichen Gesellschaft auf eine andere Art zu dienen, eine solche Lebensart unmöglich erträglich finden. Um also den schädlichen Folgen einer anhaltenden sitzenden Lebensart zuvorzukommen, suchte ich um ein mit viel Bewegung verbundnes Ding, das man ein Ämtchen – Dienstchen nennt, nach, das, wenn ich den ehrlichen Mann voraussetze, nichts als einen schlichten Alltags-Menschenverstand und ein Feierkleid erfordert; allein wenn sich die Aspekten nicht ändern, so habe ich mit allem Grunde den Gang aller meiner übrigen Plane, ich meine den Krebsgang, zu erwarten, weil es seit sieben Jahren, die ich darum nachgesucht habe, schon mehrmalen vergeben worden ist, ohne daß man an meine Wenigkeit gedacht hätte.

Nun dächte ich doch, alles getan zu haben, um dem mir drohenden Übel, nämlich dem Verlust meiner Gesundheit, zuvorzukommen, und gleichwohl bin ich meinem Zwecke um keine Handbreit näher gekommen, und ich muß sagen, daß ich mehrmalen auf dem Punkt stand, mich förmlich mit meinem Schicksale zu überwerfen, daß es mich in so viel Jahren auf einem ziemlichen Teile unsers Weltballs, und das mehrenteils in ganz behaglichen Lagen, herum und nun wieder zum Schusterschemmel geführt hat und hartnäckig darauf zu bestehen scheint, daß ich einer Profession obliegen soll, zu der ich in mancher Hinsicht nicht passe.

Hier wäre ich nun wohl an dem Orte meiner schon allzu langen Schusterbiographie, wo ich, da man doch in weltlichen Angelegenheiten nicht Amen zu sagen pflegt, das Wörtchen Ende, worauf schon mancher hoffen wird, hinsetzen sollte: allein, da ich noch ein paar Worte zu sagen habe, so dürfen ja diese nur selbst Ende sagen und das Buch zumachen, wenn sie es nicht schon getan haben, ohne auf solches zu warten. Man wird dieses Gewäsche gar nicht lesen, höre ich einige sagen. Nicht? Ja wenn man die zum Glücke aller Buchhändler, Bücherschreiber, Buchdrucker und Bücherverleiher aufs höchste gestiegene Lesesucht nicht kennte. Gelesen wird es doch, und sollte es auch nur von manchem guten Wirte, um den Taler nicht unnützerweise auszugeben, im Buchladen in piedi oder von einigen Großen an dem Ort, wo auch sie à piedi hinzugehen pflegen, geschehen; und im entstehenden Falle wäre dieses gewiß nicht das erste bedruckte Papier, das ungelesen der hohen und niedern Deutenmacherzunft zu einem bekannten Bedürfnis oder den hungrigen Würmern zur Speise gedient hätte. Doch zum Zweck.


 << zurück weiter >>