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Zwanzigstes Kapitel

Die Räuberhöhle

In dem hinter letztbeschriebenen Bädern sich erhebenden Berge befinden sich die dort so berühmten Räuberhöhlen. Um zu denselben zu gelangen, muß man den Berg, der, von unten betrachtet, perpendikulär aufzusteigen scheint, über dreihundert Schritte hinanklettern, wo man die Öffnung antrifft, durch welche man hineingeht. Das erste Gewölbe, in welches man tritt, ist ein Saal, wo vierhundert Personen stehen können, auf dessen rechter Hand der Berg gespalten, die Öffnung aber mit einer drei Schuh dicken, aus Bruchstücken aufgeführten und mit Malter überworfenen Mauer verschlossen ist. Doch fällt durch ein 2½ Schuh in Lichten habendes unregelmäßiges Fenster so viel Licht hinein, daß man wenigstens einigermaßen darin sehen kann. Der Boden ist ziemlich eben und gibt, wenn man stark darauf tritt oder einen Stein dagegen wirft, einen starken Schall von sich, welches ein Zeichen ist, daß unter dieser Höhle noch andere sein müssen. Das ungeheure Gewölbe läuft oben in einen spitzigen Winkel zu, und die Wände sind an den meisten Enden so glatt, als wenn sie mit dem Meißel bearbeitet wären. Auf der linken Seite trifft man auf dem Boden eine zwei Schuh breite, 1½ Schuh hohe Öffnung an, die zur zweiten Höhle führet. Auch diese bildet einen solchen Winkel als die erste, doch ist sie nicht so groß. Hier trifft man viel Feuerstätten an, woraus sattsam erhellt, daß die Räuber diesen genug verborgenen Ort oft zum Aufenthalte gewählt haben müssen, und es scheint überhaupt, als ob die Natur eine Freistatt für Verbrecher hier habe anlegen wollen. Diese Höhle endigt sich in einen weit durch den Felsen durchsetzenden Gang, welcher im Anfange hoch genug ist, um gerade darin gehen zu können; doch zieht er sich endlich so sehr zusammen, daß man durchkriechen muß. Durch diesen unterirdischen Gang fließt ein Bach klaren, kalten Wassers, dessen Bette mit Steinen übersäet ist, auf welche man mit den Knien fußen kann, um dem Wasser auszuweichen. Von dem Gewölbe hängt eine große Menge dunkler Toffstein, und an den Wänden sieht man verschiedene im Felsen eingegrabene Namen derjenigen, so sich hineingewagt haben. Dieser Stollen leitet zu einer beinahe runden Öffnung, welche der Eingang zu einer dritten und noch größeren Höhle ist. Diese liegt etwa drei bis vier Schuh tiefer als der gesagte Stollen, und der Boden gibt, wenn man einen Stein darauf wirft, einen solchen starken Widerhall, daß man glauben sollte, der ganze Berg sei unter der Höhle hohl und die Dicke des Gewölbes könne nicht viel über zwei Schuh betragen. Diese dritte Höhle bildet ebenfalls einen spitzigen Winkel, der aber von einigen Seiten stumpf wird. Weil der Boden hier sehr ungleich ist, unsre mitgenommenen Fackeln und Kienholz verbrannt war und wir befürchten mußten, in eine Tiefe zu fallen, so beschlossen wir, zurückzugehen, besonders als unsre Walachen versicherten, daß es ohne Beispiel sei, weiter vorzudringen, als wir schon waren; ob man gleich bemerken konnte, daß ein Spalt, der breit genug war, daß drei Personen nebeneinander darin gehen konnten, tief in denselben hineinging, so Gemeinschaft mit andern Höhlen und diese mit dem auf einem Felsen liegenden alten Bergschlosse haben sollen. Es fehlte nicht viel, so wäre uns die Neugier, diese Höhlen zu sehen, sehr teuer zu stehen kommen. Wir hatten nämlich einen Offizier vom Grenzregimente, den Oberlieutenant D–er, welches ein sehr wilder Herr war, bei uns, die übrige Gesellschaft bestand in dem Adjutant Vigna und dem Feldwebel Schinagel. Als wir durch den Stollen durch waren und die zur äußeren Höhle führende Öffnung suchten, löschte der Lieutenant seine Fackel aus und tat das nämliche mit der, so ich ihm gab, um die seinige wieder damit anzuzünden. Das war noch nicht genug! Des Hauptmann von Oberlings Wirtschafterin, ein munteres und herzhaftes Mädchen, hatte sich vorgenommen, in unserer Gesellschaft diese Höhlen in Augenschein zu nehmen, doch hatte der Anblick der erstern ihre Herzhaftigkeit so erschöpft, daß sie es nicht wagte, einen Schritt weiterzugehen; wir ließen sie daher in Gesellschaft zweier mit Fackeln versehener Walachen in der vordern Höhle, bis wir wieder zurückkommen würden. Diese zwei Fackeln ließ sich gedachter Lieutenant durch die Öffnung durchstecken, löschte sie gleichfalls aus und fing, um uns furchtsam zu machen, aus vollem Halse »Räuber! Räuber!« zu schreien an, welches die von ihm unterrichteten Walachen nachtaten. Ob ich gleich nie einer der Furchtsamsten war, so muß ich doch gestehen, daß mir die unbeschreibliche Finsternis und der grausenvolle Widerschall, den dieses Geschrei in den Eingeweiden des Berges hervorbrachte, recht fürchterlich vorkam. Wir tappten lange im Finstern herum, ohne die Öffnung finden zu können, und oftgedachter Lieutenant wollte sie uns nicht zeigen, sondern sagte lachend, wir könnten uns einstweilen vorbereiten, wenn wir etwa im entstehenden Türkenkrieg die ebenso finstere und grausenvolle Tamantische Höhle zu verteidigen bekommen sollten. Endlich legte ich mich auf den Bauch nieder, wo ich nach langem Suchen fand, daß beim Ausgang dieser in die äußere Höhle der Grad von Finsternis etwas merklich heller war; als ich dieses dem Lieutenant sagte, erwiderte er, daß dieses die einzige Art sei, den Ausgang ohne Licht zu finden, und setzte hinzu, daß man diesen Unterschied sogar in der jenseit des Stollens liegenden Höhle bemerken könne. Doch wir verbaten uns für dieses Mal die Ehre eines solchen Versuches, krochen heraus und entschädigten uns für die gehabte kleine Angst durch eine Lustpartie nach Pesaneska.


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