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Dreiundzwanzigstes Kapitel

Der doppelte Fund

Unsere Compagnie hatte beim Einmarsch nach Mehadia eine Kiste, in welcher 8000 scharfe Patronen sein sollten, in Empfang genommen, ohne solche nachzusehen. Als wir nun anfingen, der Wache von diesen zu geben, fand sich's, daß die meisten ohne Kugeln und sehr viele anstatt des Pulvers mit Sand und Asche angefüllt waren, und man behauptete, daß ein gewisser Herr sich von diesem Blei, welches gegen den Erbfeind gebraucht werden sollte, ein zinnern Service, um mit seiner Freundin darauf zu speisen, habe machen lassen. Wir hoben daher alles alte Blei und Zinn auf, was wir nur finden konnten. Da wir das ganze Magazin voll Montierungen liegen hatten, so wechselte ich den Leuten die zu sehr abgetragenen zuweilen aus und gab ihnen von den Verstorbenen ihren. Einst kam ein sehr alter Mann, mit Namen Zani, und bat mich, ihm die seinige auszutauschen, weil ich eben im Magazin etwas zu tun hatte; ich nahm ihn mit hinein und suchte lange herum, bis ich eine recht gute fand. Als ich ihm solche geben wollte, fühlte ich, daß die eine Tasche sehr schwer war, griff hinein und fand ein sehr fest zusammengenähtes Päckchen darin, welches ich, in der Meinung, daß Kugeln darin wären, in ein Fenster legte. Hier mochte es einige Monate gelegen haben, als ich es einst, weil ich auf den Hauptmann warten mußte, zum Zeitvertreib mit dem Federmesser auftrennte und zu meiner Verwunderung anstatt der vermeinten Kugeln lauter Geld, nämlich einen ganzen und zwei halbe Souveraindor, einen Doppellouisdor, fünf Gigliati, einen Konventionstaler und für zwanzig Gulden Kopfstücke darinnen fand. Ich war ganz erstaunt über diesen so unvermuteten Fund, nicht sowohl wegen der Summe selbst, sondern weil ich es in eines gemeinen Soldaten Rock fand; weil ich den Hauptmann eben kommen sah, steckte ich es einstweilen ein und überlegte bei mir, was allenfalls damit anzufangen sei. Daß dieses Geld einem Deutschen gehört hatte, war ziemlich gewiß, weil ich es in einer deutschen Montur gefunden hatte, allein ebenso ungewiß, wer der Eigentümer gewesen sein mochte. Dem gewöhnlichen Laufe der Dinge nach konnte dieses Geld keinen andern Erben als das Regiment oder vielleicht auch den Hauptmann haben, und in diesem Falle hielt ich mein Recht, darüber disponieren zu können, für ebenso groß. Vielleicht hatte ich unrecht; allein der Gebrauch, den ich davon machte, hat mich bis jetzo noch nicht gereuet, und wer weiß, ob es das Regiment oder der Hauptmann so gut angewendet hätte, als ich es getan oder wenigstens getan zu haben glaubte. Ich hielte nämlich dafür, daß ich dieses Geld dem gedachten Zani, welcher die Bewegursache dieses Fundes war, schuldig sei, und das um soviel mehr, da er ein alter, schwächlicher und dabei sehr guter Mann war. Ich nahm mir also vor, ihm die letzten Tage seines Lebens zu versüßen, und besorgte daher, daß er bei einer Unteroffiziersfrau, bei der ich selbst in die Kost ging, zu Mittag eine Suppe, Zugemüse und Fleisch, Braten und Salat nebst einem Maß guten Wein und abends wieder ein Maß Wein, eine Suppe nebst eingemachtem Fleische erhielt. Dieses führe ich bloß deswegen an, um zu sehen, wie wohlfeil man an solchen Orten leben kann, denn in eilf Monaten, so er noch lebte, betrug die Zahlung nicht mehr als 36 Gulden; hierzulande würde wahrscheinlich das ganze gefundene Geld nicht hingereicht haben. Den Tag vor seinem Tode ließ er mich rufen und dankte mir für die ihm erwiesene kleine Gefälligkeit auf das rührendste. Als ich ihn bat, mir zu sagen, ob ich noch etwas für ihn tun könne, so antwortete er mir mit einem tiefen Seufzer; ich gab ihm hierauf zu verstehen, daß es mir zum größten Vergnügen gereichen würde, wenn ich mich in dem Fall befinden sollte, ihm noch einen Dienst zu erweisen, allein ein zweiter Seufzer unterdrückte den Wunsch, den er soeben äußern wollte. Weil ich wußte, daß ihm in Ansehung der Pflege und Wartung seines Körpers nichts zu wünschen übrigblieb, so mutmaßte ich gleich, daß er noch etwas für sein Seelenheil zu tun willens war und es vielleicht nicht zu sagen wagen wollte. Ich gab ihm hierauf noch fünf Gulden, um sich zehn Messen lesen zu lassen. Dieses war mehr, als er erwartete, er drückte mir die Hand so sehr, als es seine ihn verlassenden Kräfte erlaubten; eine Träne der Dankbarkeit glänzte in seinem Auge, und ich war so froh, als es nur immer ein menschliches Geschöpfe sein kann, daß ich seinen sehnlichen Wunsch erfüllen konnte; denn es war nicht meine Sache, Untersuchungen anzustellen, ob ihm die Messen helfen würden oder könnten, sondern soviel als möglich beizutragen, einem Menschen den Übergang zu seiner Bestimmung soviel als möglich zu erleichtern.

Einige Zeit darauf bekam ich wieder Gelegenheit, etwas von diesem Gelde recht wohl anzulegen. Ich traf nämlich einen jungen Mann von unserer Compagnie im Spital auf dem Bette liegend und in einem Buche lesend an; weil ich sehen wollte, was es für eins wäre, so ging ich zu ihm und fand, daß es Homer war. Als ich mich einige Zeit mit ihm unterhielt, konnte er seinen Unwillen über die Sorglosigkeit des Feldschers nicht verbergen und klagte mir, daß er sehr von ihm vernachlässigt werde. Da nun seine Krankheit eben nicht gefährlich war, so nahm ich ihn, mit Erlaubnis des Hauptmanns, mit zur Compagnie und ließ ihn von mehrgedachtem Geld kurieren. Dieser junge Mann, so Tannert hieß, mußte gewiß von keinen geringen Eltern und durch einen widrigen Zufall als gemeiner Soldat an die türkische Grenze gekommen sein; denn er hatte eine sehr gute Erziehung erhalten und war überhaupt in seinem Umgange der artigste Mann. Nach seiner Genesung gingen wir fast alle Tage über die Bellarega, wo ein ganzer mit walachischen Hütten überstreuter Wald von Obstbäumen liegt und wo wir unsere Zeit recht artig vertrieben. Er war außer dem Adjutant Vigna der einzige, dem ich etwas von dem gefundenen Gelde sagte, und bat ihn zuweilen, einige Gulden davon zu nehmen. Doch es dauerte nicht lange, so starb er an einem hitzigen Fieber.

Auch einem sehr alten Walachen gab ich von oftgedachtem Gelde alle Tage einen und des Sonntags drei Kreuzer, welches er gewöhnlich alle acht Tage selbst abholte; ja als ich schon in Schuppaneck war, kam er noch zuweilen und holte es; doch endlich blieb er aus, vielleicht mochte ihm der Weg zu beschwerlich gefallen oder er selbst zu seinen Vätern gegangen sein; denn er war beinahe hundert Jahr alt.

Nachdem wir über zwei Jahr in Mehadia gelegen hatten, bekamen wir den Befehl, nach Schuppaneck, welches die letzte, aber auch die schlechteste von allen kaiserlichen Garnisonen ist, zu marschieren. Dieses mußte uns um soviel mehr befremden, weil wir auf eine bessere und keine schlimmere Garnison gerechnet hatten; allein, es geht ja überall nicht immer gleich zu.


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