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Dreizehntes Kapitel

Der Pfahl im Fleische

Sobald ich in dieser Stadt ankam, wählte ich meine in Livorno geführte Lebensart, ging zu einem im Quartier del Borgo wohnenden Schuhmacher namens Maggi in Arbeit. Weil ich mich schon ziemlich verständlich machen konnte, so kam ich mit ihm überein, wöchentlich drei Tage bei ihm zu arbeiten. Dieses hatte für mich den doppelten Nutzen, daß ich die Sprache lernen, alles mit ansehen und meine paar Taler Geld sparen konnte; denn weil ich mich meistens mit Brot und Früchten begnügte, so verdiente ich in zwei bis drei Tagen so viel, um die andern mit übertragen zu können.

Das erste, wonach ich in Rom frug, war die Peterskirche. Schon die prächtige, aus 284 Säulen bestehende Kolonnade, welche den heiligen Petersplatz auf beiden Seiten umfaßt und ihm ein vortreffliches Ansehen gibt, setzte mich in Erstaunen. Der Hauptaltar in dieser Kirche wird von vier mit Bienen übersäeten und mit Festons gezierten prächtigen Säulen unterstützt; auf jeder steht ein sechzehn bis zwanzig Schuh hoher Engel von vergoldetem Metall. In einer unter diesem Altare befindlichen und durch mehr als hundert silberne Lampen erleuchteten Kapelle liegt der halbe Petrus sowie auch die Hälfte des Apostels Paulus. Der Stuhl Petri wird von den vier Kirchenlehrern Augustino, Gregorio, Ambrosio und Hieronymo getragen, welche von vergoldetem Metall und von kolossalischer Größe sind. In der Kirche zu San Paul befinden sich die andern zwei Hälften der Apostel Petri und Pauli, nebst den zwei Statuen, in welche sich zwei Spanier verliebten und durch dieses Ärgernis verursachten, daß sie mit Tüchern behängt wurden, um niemanden mehr zur Liebe zu reizen.

Unter den römischen Reliquien sind die vornehmsten das Christusbild zu San Silvester, welches von Christo selbst gemalt sein soll. Die Wiege, worin Christus gelegen, nebst ein wenig von dem darin gewesenen Stroh, zu Santa Maria Maggiore. Der Nabel Christi zu Santa Maria del Popolo. Dessen Vorhaut sowie auch die Rute Aarons nebst der Bundeslade zu San Giovanni al Laterano. Der Pfahl im Fleische des Apostels Pauli, der Schwanz von Bileams Esel, die Laterne, derer sich Judas bediente, als er Christum verriet, nebst dem Kreuze, woran der gute Schächer gekreuzigt wurde, zu La santa croce de Gerusaleme.

Die aus 28 Stufen bestehende heilige Treppe ist durch das viele Auf- und Niederrutschen schon sehr abgenutzt. Auf den Seiten sind noch zwei kleine Treppen, so zu einer Kapelle führen, welche santa santissima genennet wird und von der bessern Hälfte des Menschengeschlechts nicht besucht werden darf. Unter mehr Säulen, so man in Rom sieht, sind die beiden des Kaisers Trajan und Antonini die schönsten; auf ersterer steht der heilige Petrus, von vergoldetem Metall, und auf der antoninischen der heilige Paulus.

Der Pasquin ist eine an einer Ecke angelegte Statue; allein man kann nicht sehen, ob sie einen Kaiser, Papst oder Soldaten vorstellen soll; ich habe einige darum gefragt und erhielt zur Antwort, daß es ein schwatzhafter Schneider gewesen wäre. Die Statue des Marforius hat sich besser erhalten, doch ist sie auch an Händen und Füßen verstümmelt.

Der Vatikan oder des Papstes gewöhnliche Residenz ist ein außerordentlich großes, aus vielen Stücken zusammengesetztes Gebäude, welches 12 000 Zimmer, Säle und Kabinette haben soll; aus diesen kann der Papst durch unterirdische Galerien in die Engelsburg kommen.

Das Amphitheater ist ein erstaunlich großes, ovales, 581 Schuh langes, 481 breites und 160 Schuh hohes Gebäude, von dem sich die Seite gegen Norden noch ganz erhalten hat; allein der innere Platz ist mit heruntergefallenen Steinen ganz übersäet. Die ungeheuren großen Steine sind mit sehr dicken metallenen Nägeln befestiget, von denen die Goten so viel herausgeholt haben, als sie nur immer bekommen konnten. Ja sie hatten soviel Geduld, die Steine zu zerschlagen und entzweizusägen, um sie zu gewinnen. Ohngeachtet der prächtige Farnesische Palast, die ganze Kanzlei und der Markuspalast von den Steinen des Coliseums gebaut sind, so ist es doch noch groß genug, um sechs bis acht ähnliche Paläste daraus aufzuführen. Anjetzo ist ein Altar in der Mitte sowie auch einige längst den Mauern angebracht.

Das, was mir in Rom besonders auffiel, war der berüchtigte Pater Garnet, Garnet und Oldecorn waren die Rädelsführer der im Jahr 1605 angezettelten Pulververschwörung in England. Ihr Plan ging auf nichts kleiners, als den König Jakob I. nebst dem ganzen Parlament in die Luft zu sprengen, welches auch beinah geschehen wäre. welcher auf einer Galerie im Jesuiterpalaste unter den Märtyrern dieser Gesellschaft Parade machte. Ihm zur Seite steht ein Engel, welcher ihm Mut einzuflößen scheint und ihm den offenen Himmel weiset; mich wunderte, daß sein Gehülfe, der Oldecorn, nicht gleiche Ehre erhalten hatte. Wunderlich! dachte ich bei dieser seltsamen Erscheinung, in England als der größeste und abscheulichste Bösewicht auf dem Rade und in Rom unter den Märtyrern. Nach einem Aufenthalte von achtzehn Monaten verließ ich Rom und wollte nach Neapel gehen, allein ich mußte gewisser Ursachen wegen mein Vorhaben aufgeben, und so nahm ich meinen Weg über Viterbo, Orvieto, Chiusi und Siena nach Florenz.

siehe Bildunterschrift

Die Trajanssäule in Rom


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