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Zweiundzwanzigstes Kapitel

Etwas von Mehadia

Ich komme zum Bade zurück. Als ich dieses drei Monate gebraucht hatte, konnte ich schon so gerade gehen, als ob mir nie etwas gefehlt hätte; demohngeachtet blieb ich noch ganzer zwei Monate daselbst, brauchte das Räuber- und Schindelbad wechselsweise, und da ich es im Juli verließ und zur Compagnie ging, konnte ich schon auf einem Ball, den der Oberst von Hübel gab, mittanzen. Manchem dürfte die Etikette, daß ein Fourier an dem Balle eines so vornehmen Stabsoffiziers, als genannter Herr Obrist ist, der außerdem auch Kommandant des ganzen Unterdonaustroms war, teilnehmen darf, sonderbar scheinen. Diesem dient zur Nachricht, daß man es im Banat Temiswar nicht so genau nimmt; denn oft ist ein Offizier in einem Distrikte von vier und noch mehr Meilen ganz alleine. Selbst in Mehadia, welches doch eine Stadt ist, befand sich außer mehrgedachtem Herrn Obristen niemand von Belang als unser Hauptmann nebst zwei Oberlieutenants; deswegen wurde oft der Einnehmer des Orts und die Prima-Planisten der daselbst garnisonierenden Compagnie mit eingeladen.

Mehadia ist eine zwischen zwei sehr hohen Bergen liegende kleine, jetzt unbefestigte Stadt, denn die oberhalb derselben liegende Festungswerke sind vermöge Vergleichs geschleift worden; allein unterhalb der Stadt, nach Döplitz zu, befindet sich ein vortrefflicher Paß. Der zur Linken liegende Berg reicht bis an die Bellarega und läßt nur einen etwa zwei Schuh breiten Weg, so um die Felsenspitze herumgeht. Um nun demselben die zum Fahren erforderliche Breite zu geben, hat man am Fuße des Gebürges starke Pfeiler untergesetzt, ja einige stehen sogar in der Bellarega selbst. Werden diese nun hinweggerissen, so bleibt nur soviel Raum, daß Mann für Mann vorbeigehen muß, und diese enge Passage kann von den unter der Kaserne neben dem Strome errichteten Batterien bestrichen werden. Das eine halbe Stunde von der Stadt entfernte Schloß ist jetzo aller Festungswerker, die sehr beträchtlich waren, beraubt, doch kann es so wie die Stadt ihrer Lage nach bald befestiget werden. Außer der Kaserne, dem Verpflegungsamt, in welcher im vorigen Kriege der Großwesir sein Quartier hatte, und der Wohnung des Kommandanten befindet sich kein ansehnlich Gebäude in der ganzen Stadt, denn selbst die Kirche ist sehr unbedeutend. Als der Kurfürst von Köln als Erzherzog diese Stadt in Augenschein nahm, frug er beim Aussteigen einen Herrn seines Gefolges, wie ihm diese Gegend gefiel; »recht wohl«, antwortete derselbe, »nur wohnen möchte ich nicht hier.« In dieser Stadt befindet sich außer einem Schneider, welcher der Hahnrei und Küster von Mehadia ist, einem Schuster, einem Metzger und einem Weißbäcker kein deutscher Einwohner; letzterer ist ein Mann, der mehr als hunderttausend Taler im Vermögen hat. Da nun die Türken im letzten Kriege bei der Einnahme dieses Ortes niemanden beim Leben ließen als die, so sich ungarisch trugen, und sich außer dem Metzger niemand dieser Kleidung bediente, so hat auch dieser brave Mann sein Leben einbüßen müssen, wenn er sich nicht etwa mit der Flucht gerettet hat. Wenngleich die hiesige Kirche, wie gesagt, sehr klein und unbedeutend ist, so wird sie doch durch zwei Geistliche bedienet, welche in keine geringe Verlegenheit gerieten, als sich die österliche Beichte nahete. Wir hatten nämlich 37 Italiener bei unserer Compagnie, die ebensowenig deutsch als die Geistlichen italienisch verstanden.

siehe Bildunterschrift

Das Cerna-Tal bei den Warmen Bädern

Da ich dem Regimente jährlich die Beichtzettel von allen Katholiken einsenden mußte, so frug ich den Pater, so Marcellus hieß, ob er es möglich machen könnte, diese Leute Beichte zu hören, oder ob ich meine Zettel einschicken und dem Regimente melden sollte, daß aus Mangel eines der italienischen Sprache kundigen Geistlichen die Beichte der Italiener für dieses Mal nicht statthaben könne. Nachdem der gewissenhafte Pater die Sache mit seinem Kaplan in reife Überlegung gezogen hatte, fiel der Schluß dahin aus, daß ich diese Leute, wie es mehr zu geschehen pflegt, in ihrer Sprache anhören und es sodann dem Pater verdeutschen oder verwalachen sollte. Als diese Sache abgetan schien und ich soeben nach Hause gehen wollte, fiel es dem Pater ein, mich zu fragen, aus welcher italienischen Provinz ich gebürtig sei. Weil ich ihm nun sagte, daß ich kein Italiener, sondern ein Deutscher und in Sachsen-Gotha zu Hause sei, wandte er sich zu seinem Kaplane und sagte unter andern zu ihm: »Hic non est a nostra fide.« Weil er mich nun als einen quasi Ketzer nicht zum Mittelsmanne in einem so heiligen Geschäfte haben wollte, so wurde das ganze Beichtplänchen verworfen, und Pater Marcellus nahm sich vor, diese Leute auf italienisch Beichte zu hören, ohngeachtet er kein Wort von dieser Sprache verstand. Da es mir einerlei sein konnte, ob meine halben Landsleute, im Fall sie sterben sollten, ihren Himmelsweg leer oder beladen antreten möchten, so bekümmerte ich mich nicht weiter um die ganze Beichtgeschichte, ging nach Hause, um die Zettel, so ich hatte, einzuschicken. Allein den Tag darauf kam der Kaplan, brachte mir ein Kompliment vom Pater Marcellus und einen Bogen Papier, auf welchem eine ganze Litanei von Sünden in Frag und Antwort verzeichnet stand, mit angehängter Bitte, solche, doch ohne es jemandem zu zeigen, ins Italienische zu übersetzen. Ich gestehe es, daß ich über einige dieser Fragen, welche er an die Soldaten tun wollte, erstaunte, weil ich mir nie die Möglichkeit solcher moralischen Verderbnis, welche zuweilen im Schwange gehen muß, vorgestellt hätte. Weil alle diese Fragen so beschaffen waren, daß sie jedem gesitteten Menschen nicht anders als beleidigend sein konnten, so bat ich die Gemahlin unsers Adjutanten Vigna, ihre Beichte so lange zu verschieben, bis sie nach Temiswar kommen könnte, wo außer dem Dompropste die Herren Canonici Neumann und Globoschitz der italienischen Sprache vollkommen mächtig sind, schickte eine Soldatenfrau, unter dem Vorwande, ihren Zettel verloren zu haben, noch einmal zum Pater im Beichtstuhl und legte diesen Zettel im Namen der Madam Vigna bei. Doch diese war eine gute Italienerin, glaubte beichten zu müssen und ging, ohne ihrem Manne oder mir etwas davon zu sagen, zum Pater Marcellus in die Beichte. Weil nun aber sein Wörterbuch sehr arm und, wie gesagt, mit anstößigen Fragen angefüllt war, so hatte sich gedachte Madam Vigna, als eine Frau von sehr feinem Gefühl, natürlich mehr geärgert als erbauet, und sie schwur, daß ihr der Pater nie wieder unter die Augen kommen sollte; weil sie nun glaubte, ich möchte etwas zu dieser drollichten Beichte beigetragen haben, so hatte ich Mühe, mich wieder bei ihr in Kredit zu setzen. Kommende Ostern überhob der Tod und der Hauptmann den guten Pater die Mühe, sein Beichtformular hervorzusuchen, denn ersterer hatte von siebenunddreißig nur noch neun am Leben gelassen, und letzterer schickte die Übriggebliebenen auf die Schartaque Allion und Woititz, welche wir von Mehadia aus zu besetzen hatten. Von siebenunddreißig neunundzwanzig in einem Jahre zu sterben, das ist zu viel! Freilich, allein ich kann auf Ehre versichern, daß von unserer Compagnie, welche in 208 Mann bestand, wöchentlich sieben bis acht Mann starben, welches so lang dauerte, bis wir unsern Zuwachs von den ungarischen Regimentern erhielten, welche das dasige Klima besser vertragen konnten als die Italiener und Deutschen.


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