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Zweites Kapitel

Der Andreastag

Was nun meine Wenigkeit anbetrifft, so war ich kaum herangewachsen, als ich mich ganz dem Studieren widmen wollte; allein die Vermögensumstände meiner Mutter und der Mangel eines Freundes, der mir die Kanäle hätte zeigen können, die der unbegüterten Jugend offenstehen, ihre Laufbahn auf hiesigem, mit vielen Wohltaten und Benefizien versehenem Gymnasium mit wenigen Kosten zu endigen, waren die unüberstehlichen Hindernisse, so mich nötigten, eine andere Lebensart zu wählen. Anfänglich wollte ich Kaufmann, dann Buchdrucker, hierauf Barbier und sodann ein Drechsler werden; allein kaum hatte ich einen Entschluß gefaßt, als er auch wieder scheiterte, weil ich im Grunde zu nichts als bei der Schule zu bleiben Lust hatte. Ob ich die zum Studieren erforderlichen Fähigkeiten besaß, diese Frage möchte ich eben nicht bejahen. Da ich aber außer einer Schule und also ohne Anleitung das große und kleine Einmaleins lernte, auch begriff, daß il, la und lo italienische bestimmte und de und à französische unbestimmte Artikel sind, so ist es doch wenigstens wahrscheinlich, daß ich auch das Wie und Warum von einigen andern Dingen gefaßt haben würde, wenn ich den Wissenschaften hätte obliegen dürfen. Genug, ich hatte geraume Zeit in dieser Unschlüssigkeit hingebracht, als ich zufälligerweise einen Schulfreund antraf, der eben im Begriff war, sich als Schuhmacherlehrbursche einschreiben zu lassen. Es war eben der heilige Andreastag, und ich weiß nicht, aus welchem Handwerkseigensinn damals bei Leib und Leben kein Schuhmacherlehrbursche an einem andern als dem Andreastage einregistriert werden durfte, wenn ein löbliches Handwerk nicht etwa zur Absicht hatte, von den Immatrikulationsgebühren den Brauherrn des ersten Weizenbiers, welches zu selbiger Zeit eben auf den Andreastag das erste Mal zu haben war, in Nahrung zu setzen. Gedachter Freund wußte mir meine Unschlüssigkeit, mich zu etwas zu bequemen, so lebhaft vorzustellen und machte mir so reizende Schilderungen von dieser Profession, daß ich, um meine Glückseligkeit nicht bis auf einen andern Andreastag zu verschieben, mich stehendes Fußes entschloß, auch ein Schuhmacher zu werden; und da es nicht schwerhielt, für dreißig Taler einen Meister zu finden, der mich im Schuh- und Pantoffelmachen unterrichtete, so hatte ich noch denselben Tag das Vergnügen, ein Schuhmacherlehrbursche zu sein. Diese seltsame Grille, die Schuhmacherlehrjungen nicht eher und nicht später als an einem Andreastage einzuweihen, trug also wohl das meiste dazu bei, daß ich diese Profession erlernte; denn ich bin überzeugt, hätte ich mir nur einige Tage Bedenkzeit nehmen können, so würde dieser Entschluß das Schicksal der übrigen gehabt haben, und das um soviel mehr, da ich nie die geringste Anlage zu einer meiner Gesundheit gar nicht angemessenen sitzenden Lebensart hatte. Ich erlernte also diese gewiß sehr nützliche Profession, und da gewöhnlich zu einem guten Schuhmacher ein sehr mittelmäßiger Kopf hinreicht und das just mein Fall ist, so getraue ich mir zu sagen, daß ich sie gut erlernte, wovon ich jeden, der daran zweifeln sollte, durch gute Beschuhung seiner Füße überzeugen kann, und ich habe oft gewünscht und wünsche es noch, daß meine körperlichen Eigenschaften ihrer Nutzbarkeit entsprechen möchten.

Von meinen Lehrjahren könnte ich gewiß ein artiges Gemälde entwerfen, welches sogar von einigem Nutzen sein könnte, wenn ich es nicht aus Lokalursachen vermeiden müßte; ich sage also nur so viel, daß mir ein halbes Jahr Lehrzeit geschenkt wurde, ohne daß ich selbst recht weiß, ob ich das Handwerk zu geschwind erlernte oder ob der Lehrmeister sich des schweren Geschäftes, mich länger darin zu unterrichten, gerne entledigen wollte. Doch schien ein dritter Umstand die vorhergehenden aufzuwiegen.


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