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Neununddreißigstes Kapitel

Supplikanten kann vor jetzo nicht geholfen werden

Was mich nun anbetrifft, so nahm mein Geld, trotz alles päpstlichen Segens, nach und nach so ab, daß ich meine in Temiswar ererbte goldne Uhr versilbern mußte. Denn, ohngeachtet ich bei mehrgedachtem Herrn von Martinelli und in der Folge auch bei der Frau von Naschold, geborne Baronesse von Steinberg, beinahe freien Tisch hatte, so mußte ich doch immer einigen Aufwand machen. Ich mußte mich nun zu etwas entschließen. Allein wozu? Mein Vornehmen, nach Rußland zu gehen, war gescheitert; an das Schuhmachen hatte ich seit meiner Abreise von Rom nicht wieder gedacht; daß ich Unterricht in der italienischen Sprache geben konnte, fiel mir in Wien, wo ich doch etwas damit hätte verdienen können, gar nicht ein; und ich wollte, es wäre mir hier in Gotha am allerwenigsten eingefallen. Weil ich den Befehl wußte, daß man bei Besetzung der Zivilämter vorzüglich auf diejenigen Rücksicht nehmen sollte, die beim Militär gedient haben, so kam ich dieserwegen beim hochseligen Kaiser mit einer Bittschrift ein. Denn wenn derselbe in Wien war, so konnte man ihm täglich auf dem Kontrolorgange sein Ansuchen oder Beschwer schriftlich einreichen. Wenn es seine Gesundheit zuließ, so versäumte er es nie, mit dem Glockenschlage neune herunterzukommen. Hier machten Damen, Priester, Soldaten, Edelleute, Kaufleute, Handwerksleute und Bauern, alle bunt durcheinander, ein Spalier von der kaiserlichen Treppe bis zur Kanzlei. Sobald der Kaiser die Treppe herunterkam, so ließ sich die- oder derjenige, so ihn am ersten erblickte, nach spanischer Etikette auf ein Knie nieder (welches gegenwärtig abgeschafft ist), hielt das Bittschreiben so zwischen beiden Händen, daß es ein wenig hervorragte und der Kaiser es sogleich nehmen konnte, und so machten es alle übrigen. Hierauf nahm er selbst die Bittschreiben aus den Händen, steckte solche in seinen Überrock; waren ihrer aber mehrere, daß er sie nicht alle unter dem Rocke verbergen konnte, so nahm er sie auf den Arm und trug sie selbst in die Kanzlei; ob er nun gleich ein großer Kaiser war, so ließ er doch niemanden umsonst auf eine Resolution warten, ja man konnte schon des andern Tages um zehn Uhr erfahren, bei welchem Collegio man seine Sache zu suchen habe, und betraf es nun keine Prozesse, so mußte die Resolution unter drei Wochen erfolgen. Ich wurde mit meinem Gesuche an die böhmische Hofkanzlei angewiesen, erhielt aber von selbiger den Bescheid: Supplikanten kann vor jetzo nicht geholfen werden. Mit diesem vor jetzo war mir nun in der Tat nicht geholfen, und ich war also genötigt, einen andern Weg einzuschlagen. Ich reichte dem Kaiser ein zweites Schreiben ein, worinne ich bat, als Fourier wieder in Dienste zu treten. Der hierauf erhaltene Bescheid lautete: ich sei an den Hofkriegsrat angewiesen. Da ich nun unter drei bis vier Wochen keine Anweisung zu einem Regimente erhalten konnte, so nahm ich mir vor, noch eine Reise nach Treffurt zu meinem Vormunde zu tun, um zu sehen, ob mir der liebe Mann etwas Geld geben wollte, ein welches ich, solange es mir nicht fehlte, nicht dachte. Ich bat also meinen Wirt, die wenigen Habseligkeiten, die ich besaß, bis zu meiner Zurückkunft in Verwahrung zu behalten, mit dem Zusatze, solche, wenn ich in drei Monaten nicht wiederkommen sollte, unter die Armen zu verteilen, machte mich reisefertig, nahm so viel weiße Wäsche mit, als ich in der Tasche verbergen konnte, und ging den dritten Pfingstfeiertag von Wien ab.


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