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Achtes Kapitel

Die verkleideten Husaren

siehe Bildunterschrift

Ansicht von Gotha mit Schloß Friedenstein

Ein gewisses sehr reizendes und tugendhaftes Mädchen, namens Maria Flint, diente hier bei dem Rittmeister von D –, der sich alle Mühe gab, sie durch Geschenke, Schmeicheleien und Liebkosungen zu gewinnen; doch nichts war vermögend, ihre Tugend wankend zu machen, als das Versprechen, sie in einem gewissen Falle zu heiraten. Dieser Fall trug sich würklich zu, und der brave Offizier, der das ganze Gewicht seines ihr getanen Versprechens fühlte, setzte sich über das herrschende Vorurteil hinaus und gab sich nun um so mehr Mühe, vom Stockholmer Hofe und seinen Freunden die Erlaubnis zu erhalten, sie zu ehlichen, als er sich vorher gegeben hatte, ihre Standhaftigkeit zu überwinden. Da dieses Mädchen in Stralsund keine Freunde hatte, so wünschte sie ihre Wochen in Wismar zu halten, wo ein Bruder von ihr lebte und Pantoffelmacher daselbst war. Sie wurde also dahin gebracht und Sorge getragen, daß ihr nicht das mindeste fehlen möchte. Dieser Pantoffelmacher war aber der dümmste Frömmling und der ärgste Grobian, der sich denken läßt, und mochte sich wohl einbilden, seine Pantoffelmacherinnung würde dadurch entehrt, wenn in seinem Hause ein Kind auf die Welt kommen sollte, ohne daß der Herr Pfarrer für die Freiheit, es auf die Welt setzen zu dürfen, mit klingender Münze bezahlt sei, und behandelte seine Schwester dieses Fehltrittes wegen außerordentlich schlecht. Ob nun die tölpelhaften Vorwürfe, die sie von diesem hartherzigen Bruder unaufhörlich hören mußte, oder die Hindernisse, die sich ihrer Verbindung von Seiten des Hofes und der Freunde des Rittmeisters entgegensetzten, oder der Gedanke, daß sie durch dieses Versehen ihre Ehre verloren hätte, die sie doch, unter ihren Umständen, bei vernünftig denkenden Personen nicht verloren haben konnte, etwas dazu beitragen mochte: dieses läßt sich nicht wohl sagen; allein, alle miteinander vereint brachten bei ihr eine solche Melancholie hervor, daß sie in einer der schwärzesten Stunden ihr liebes Kind ergreift, es zärtlich küßte, darauf aber umbrachte und diese Tat der Obrigkeit, mit dem Zusatze, daß sie gern sterben wollte, sogleich selbst meldete. Dieses Mädchen wurde also eingezogen und nach Stralsund in die Wagschreiberei gebracht. Man kann leicht denken, was der edle Offizier fühlen mußte, und jedermann bedauerte die beinah unschuldige Verbrecherin. Das Gesetz und sie selbst wollte den Tod; allein der Rittmeister nahm sich vor, alles zu wagen, sie in Freiheit zu setzen, und die Maßregeln wurden so gut genommen, daß man nicht nötig hatte, an dem guten Erfolge der Sache zu zweifeln. Viele Husaren wurden verkleidet, worunter einige mit Brechstangen versehen waren; diese sollten in einem bereitstehenden Schiffe bei Nacht über den Knieperteich fahren, durch die im Wall befindliche Öffnung in die Stadt dringen, die Wagschreiberei erbrechen, die Gefangene befreien und in dem Schiffe über den Teich fahren.

siehe Bildunterschrift

Ansicht von Stralsund

Ein Husar verriet zwar das ganze Unternehmen und wurde zur Belohnung zum obersten Stadtknecht gemacht, welcher Charge er würdig war; die Wache der Brombaren, Nachtwächter, wurde hierauf verdoppelt, und mußten die ganze Nacht um das Gefängnis herumgehen, die Arrestantin wurde enger verwahrt; demohngeachtet aber kamen die Verkleideten des Nachts über den Knieperteich und schlichen sich durch die beim Kniepertor befindliche Öffnung des Walles in die Stadt. Die Schildwache wurde gleich gewonnen, aus der Wachtstube ging niemand heraus, und die bei der Wagschreiberei wachenden Brombaren mußten sogleich die Flucht ergreifen, und die sich zu widersetzen wagten, wurden durch die Säbel der Husaren bald eines Bessern belehrt; nun wurde das Lärm allgemein, das Militär wurde aufgeboten, alle Nachtwächter und Stadtknechte liefen zusammen; allein während daß ein Teil der Husaren letztere zerstreute, so brach der andere alle Türen der Wagschreiberei auf, befreite die Gefangene und brachte sie über den Teich. Jenseits stand eine mit vier raschen Pferden bespannte Kutsche, in diese wurde sie hineingehoben, und nun ging's in vollem Galopp nach D – zu. Da man, und wie es sich in der Folge auch auswies, mit Recht mutmaßte, daß sehr viele und selbst vornehme Offiziere um die Sache wußten, so darf man sich nicht wundern, daß das unter Waffen kommende Militär nicht eher tätig wurde, bis die Beute über das Wasser und in Freiheit war.

Das Frauenzimmer kam wohlbehalten an den Ort ihrer Bestimmung an, wo dafür gesorgt war, daß ihr nichts fehlen konnte. Um sich ein wenig zu zerstreuen, wurde sie in viele Gesellschaften geführt, ja man hatte alle Sorgfalt gehabt, die Ursache ihres Aufenthaltes daselbst äußerst geheimzuhalten; nicht einmal ihre Wirtsleute wußten das geringste von ihrem Vorfall; demohngeachtet fiel sie bald in ihre Melancholie zurück, erzählte alles, was sich mit ihr zugetragen hatte, und äußerte aufs neue den Wunsch, zu sterben. Man gab sich alle Mühe, ihr diese Traurigkeit und Schwermut zu benehmen, indem ihr versichert wurde, daß sie nicht allein nicht schuld an dem Kindermorde, sondern auch außer aller Gefahr sei, der Gerechtigkeit auf irgendeine Art in die Hände zu fallen. Nichts vermochte indessen ihren Trübsinn zu zerstreuen, und sie eröffnete endlich ihrem Wirte, daß sie gesonnen sei, nach Stralsund zu fahren und der Gerechtigkeit ihren Lauf zu lassen. Dieser tat alles, um ihr diese Idee auszureden; allein umsonst war sein Bemühen. Sie nahm Extrapost und fuhr wieder nach Stralsund, wo sie sich meldete und aufs neue festgesetzt wurde. Nun stellte man Untersuchungen an, Offiziere und Unteroffiziere wurden degradiert, von letztern mußten sogar einige nebst einer Menge Soldaten Spießruten laufen, viele Gefängnisse wurden mit Arrestanten angefüllt, und der Rittmeister mußte selbst lange im Arreste sitzen; endlich bekam er Erlaubnis, frei, doch ohne Seitengewehr herumzugehen, und nun erst bei einer gewissen Feierlichkeit, die in Schweden zelebriert wurde, bat er nicht für sich, sondern für alle diejenigen Personen, die dieses Vorfalls wegen noch im Arrest saßen; und alle, so wie er selbst, erhielten sodann die Freiheit wieder. Da das Geständnis der Tat des Mädchens und ihr Wunsch, je eher je lieber zu sterben, viel Verzögerungen aus dem Wege räumten, so wurde sie sehr bald durchs Schwert hingerichtet. Bei ihrer Enthauptung war sie in ganz feinen, mit schwarzseidenem Band gezierten weißen Stoff gekleidet und, da man eine zweite Entführung befürchtete, mit doppelter Begleitung zum Richtplatze geführt.


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