Carl Spitteler
Olympischer Frühling
Carl Spitteler

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(Zwölfter Gesang)

                          Inzwischen nahm Apollons Tagfahrt wie vorauf
An Seite seiner Freundin den gewohnten Lauf.
Und in des Metakosmos reinem Ätheroden
Talauf, talab lustwandelnd durch den Blumenboden
Und aus dem tiefen Brunnen hinter Zeit und Raum
Die Urgeschichte schöpfend in erhabnem Traum,
War Kakokles und alle Bosheit unterdessen
Gleich Nachtgespenst am Tag veraltet und vergessen.
Und keine Sorge trübt ihr selig Ungefähr.

Doch eines Abends auf der Reisewiederkehr,
Als sie, die Seele schön vom Wellenwiderhall
Der heut geschauten inhaltschweren Wunder all,
Wie unter einem unsichtbaren Ehrenbogen
In ernstem Glück die fleckenlose Luft durchzogen,
Und schon begrüßte sie von fern das Berggewimmel
Des traulichen Olymp im heimischen Erdenhimmel:
«Was kommt dort», rief Apoll verwundert, «für ein Dunst
Und Dampf und Schwelen wie von Mottenfeuersbrunst?
Und innen aus dem Dunste steigt ein Stoß von Rauch,
Brandschwarz und mauerdick, als wär ein Moor im Schmauch!»
«Und welch ein Tausendstimmentosen überdies
Hörst du vom Tal herauf?» ergänzte Artemis:
«Es jauchzt von allen Höhen, alle Hügel lang.
Auf Erden, mut ich, ist ein Völkerfest im Schwang.»
Mißtrauisch horchte mit den feinen Ohren hin.
Apollon: «Anders deut ich mir des Tosens Sinn.
Kein Fest ists, eine Hetze! Solchen heißen Eifer
Vermag die Freude nicht: so jauchzt der Glaubensgeifer,
Wenn mit der Frömmigkeit die Mordgier lechzt dabei.»
Und während er noch sprach, erscholl ein Warnungsschrei:
«Kehr um, Apoll! Gefahr! Kehr schleunig um! Entflieh!
Die Feinde nahen. Hunderttausend zählen sie.
Das Gangrenopteros mit Oz dem Aftergotte,
Dahinter des Phaulonidas gesamte Flotte
Und aller Plattfußvölker mächtige Heeresstärke.
Dich in den Grund zu stürzen, haben sie im Werke.»
Die Brauen runzelte und auf die Lippen biß
Apoll, und mit der Schulter schräg zu Artemis
Sich wendend, schickt er ihr die Worte, während stete
Er nach dem rätselhaften Qualmgewölbe spähte:
«Sag an, mein Liebling, Freundin und Gefährte mein,
Willst du in Kampfesnot mein flinker Knappe sein?»
«Ei ja, ich will!» «So heb den Deckel ab vom Spind
Und rüste mir die stärkste Lanze, die sich findt.»
Sie tats. Er selber aber steuert in der Nähe
Auf einen Wolkenberg, damit er besser spähe.

Und näher immer quoll die finstre Brodelwand.
Darüber weht ein roter Strauß von Glutenbrand.
Jetzt siehe: aus dem Qualm gespensterhaft erschien
Der Kopf von einem feuerfauchenden Kamin.
Mit dem Kamin im Gleichschritt zog ein Krähenheer,
Das ihn umkreiste wie um einen Galgen her.
Horch! Aus dem Innern schallt ein gläubiger Choral,
Gekeucht von haßerfüllten Kehlen ohne Zahl:
«Dies ist die große Sonne, dieses ist der Oz.
Und ist kein andrer Gott als Oz, genannt Koproz.
Und ist das einzig echte wahre Sonnenlicht.
Denn Oz ist Oz, und andre Sonnen gibt es nicht.
Drum steinigt, liebe Brüder, steinigt, schlagt ihn, stäupt
Den Gottverächter, den verruchten, der nicht gläubt!»
Und als der gläubige Choral verklungen war,
Erzitterte die Rauchwand, kreißte und gebar
Ein scheußliches Gebrüt, an Zahl unabzusehen,
Von Mordgeziefer: Flügelhunden, Elstern, Krähen,
Verblümt mit einem Schwarm blutgieriger Zeloten,
Die selbst die Hunde an Gehünde überboten.
Mit roten Feuerröcklein waren sie geschmückt,
Hielten ein Sonnenlänzlein in der Faust gezückt,
Das schwangen sie als Banner um den Kopf umher
Und schossen hirnlos durch den Weltraum kreuz und quer.
Plötzlich, Apoll gewahrend, hielt die Meute stille,
Und offnen Rachens keckerte ihr Widerwille.

Doch siehe jetzt ein weiß Gesandtenfähnlein lachen!
In einem kleinen königlichen Luftballnachen
Trieb aus dem Schwarm hervor Kyonops der Zelot,
Der feierlich Apollon diesen Gruß entbot:
«Weswegen kommst, Apoll, du mit den andern nicht,
Zu knieen hinterm großen Sonnenwunderlicht
Und mitzusingen: ‹Heilig, heilig ist der Oz,
Und ist kein ander Licht als Oz, genannt Koproz?›»
«Eh daß ich eurem Sonnenlicht Verehrung zahle,
So will zuvor ichs sehn: es zeige, wie es strahle!»
«Wenn gegen Warnung du verhärtest deine Seele,
Vielleicht daß du gehorchst dem deutlichen Befehle,
Im Namen Kakokles' des Priesters steh ich hier,
Und Kakokles durch meinen Mund gebietet dir,
Daß du dein nichtig Sönnlein, das du prahlend zeigst,
Ausblasest, eilends aus dem Dünkelwagen steigst,
Fromm hinterm Ozen in den Schweif des Anhangs schwenkend,
Bescheiden nach der Pauke deinen Wandel lenkend.»
«Wer Kakokles? Ich kenne keinen Kakokles!
Was mir ein Ozenpfaff befiehlt, ich spotte des.
Ich meine Sonne löschen? Ich dem Oz nachlaufen?
Stört euch mein Licht, so mögt ihr Sonnenschirme kaufen!»
«Bedenks! Besinn dich wohl! Ist dies dein letztes Wort?»
Und schaukelte mit seinem Luftschiffnachen fort.

Und näher immerzu und größer immermehr
Wankte das unheilschwangre Qualmgebirg daher.
Schon unterschied man Feldherrnruf und Waffenklirren,
Schon sah man einzelne Pygmäenschifflein schwirren,
Indes von einem Ungetüm, das Donner schnob,
Entsetztes Luftgewoge Sturmgewitter stob.
Jetzt zeigte sich im Schwarzgewölk ein schwärzrer Kern
Von Loderpech mit einem roten Augenstern.
Da unversehens teilte sich das Schwefelhaus,
Und kriegerischen Sprunges aus dem Rauch heraus
Mit Pfeifenschrillen und Maschinenzappeln schoß,
Den Schnabel in die Höh, das Gangrenopteros,
Zwar auf und nieder torkelnd und gefährlich wackelnd,
Darauf der Oz, Rußfahnen aus dem Schornstein fackelnd,
Augias mit seinen Knechten unterhielt das Feuer;
Doch hinten beim Altar, im Heck, zunächst dem Steuer,
Umtanzt vom Salamek der Sonnenpriestersippe,
Stieg Kakokles mit gottbegeistertem Gewippe
Gebetgymnastik auf und ab und her und hin,
Die Augen abgewandt, geblendet, wie es schien.

Apollon aber, kaum den Oz gewahrend, bäumte
In wildem Sprung sich straff empor. Sein Ingrimm schäumte.
Den steilen Wolkenberg hinab auf jähen Stegen
Fuhr er ins blaue Himmelsfeld, dem Feind entgegen.
Und raschen Griffs von ihr, die ihm zur Seite stand,
Die wuchtige Lanze raffend aus der feinen Hand,
Hob er sie trotzig hoch und schüttelte den Schaft,
Und schnaubend schrie sein Zorn mit aller Lungenkraft:
«Zuviel des Hohns! Zuviel der unverschämten Scherze!
Wie? Wegen diesem Nachtlicht, dieser Unschlittkerze,
Ihr Lügenbolde, habt ihr mir befehlen wollen,
Mein edles goldnes Feuer hätt ich löschen sollen?
Vor dieser jämmerlichen rußigen Stallaterne
Müßt ich mich beugen und mich drücken in die Ferne?
Heran, ihr Heuchler, sintemal euch Krieg gefällig!
Ich nehm ihn an, ich halt euch stand! Apoll ist stellig.»

Wenn wer in eines kuglichten Gespinstes Kloß
Mit einer dünnen Nadelspitze stochert bloß,
So platzt dem Staunenden ein Knäuel Kindersegen
Von Spinnenbrut mit wütendem Gesicht entgegen,
Der, je nachdem dem giftigen Wunsch der Mut gelingt,
Blitzschnell entzappelt oder dir ins Antlitz springt:
So ward, als kaum Apoll den trotzigen Hohnruf sprach,
Im Plotz die Luft lebendig und die Hölle wach.
Wohin er blickte: wilde Augen, rote Rachen.
Wohin er hörte: Wolfsgeheul, Hyänenlachen
Und teuflisches Gebrüll aus schäumendem Gemäule.
Vom Himmel bis zur Erde eine Geifersäule.
Erstaunt, aus großen Frageaugen schauend, maß
Apoll des giftbetrunknen Unsinns Übermaß:
«Ich hätte nie gedacht, daß unterm Himmelszelt
Solch eine Sammlung Schurken blühe in der Welt!»
Und während immer wüster tobte das Geschrei,
Ward seine Seele heiter und sein Lächeln frei.
Wider den ganzen Klumpen Bosheit, dummheitsfeist,
Warf er sein Selbstgefühl und setzte seinen Geist,
Stellte die Lanze neben seinen Fuß zur Ruh,
Entwölkte die erzürnte Stirn und schaute zu.
Ob dieses Anblicks heitrer Hoheit aber riß
Bewundrung auf die Knie zu Boden Artemis:
«O Glück, o Seligkeit, o benedeiter Tag,
Daß ich Unwürdige dieses Schauspiel schauen mag!
Schön warst du, Edler, Herrlicher, als still und groß,
Ohn einen Führer, ohne Vorfahr, blindlings, bloß
Auf deinen Hochtrieb, deines Dämons Flügelschwung
Den Willen stützend, aus der Erde Niederung
In Höhen, wo kein Stern und keine Hoffnung grüßte,
Gen Himmel stürmtest durch die spurenlose Wüste;
Schön, als des Metakosmos Tausendwunderschloß,
Das spröde, das noch keinem Auge sich erschloß,
Von dir gemahnt, mit Quellensang und Blumenspiel,
Den Herrn bekennend, lächelnd dir zu Füßen fiel.
Doch schöner, vielmal schöner als das alles noch,
Das ist der Zornesblitz aus deinem Augenjoch,
Das ist der trotzigen Lippe freudiger Übermut,
Den Hohnruf schleudernd in den Haß der Lügenbrut.
O höchstes, hehrstes Schauspiel, das die Welt enthält:
Ein Großer, widerstehend der gesamten Welt!
Ich unnütz Weib! Ich Mißgeburt, von Kraft verlassen!
Wie darf, wie wag ichs, solche Größe zu erfassen!
Nicht knien! Zu wenig: fußtief in den Boden sinken!
Anbetend deiner Taten Ruhm und Abglanz trinken!
Nicht dich, nur deinen Schatten, deine Spur umarmen!
Halt ein, Apoll! Zu reich, zu viel der Gunst mir Armen!
Mit deinem Riesengange, deinem Heldentritt
Hält mein Gedanke, meine Ahnung nicht mehr Schritt.»

Doch weh mir! Was für unheilvolle Klagetöne
Kommen gegurgelt aus dem Ozkamingekröne?
Es ächzt, es stöhnt, es schnauft wie Orgelpfeifensausen,
Und alle Plattfußvölker packt andächtig Grausen.
Das ist der Oz Koproz, der dies Miauen mundet,
Weil von Apollons Gotteslästerung verwundet.
Versteh: kraft einem unsichtbaren Apparat
Am Knie spielt Kakokles das Orgelstück am Draht.
Ein Zuck, so schneuzt es. Während vor Bekümmernis
Zu gleicher Zeit er sich im Haar und Barte riß
Und mit den Fäusten, also stark er es vermochte,
Den Busen vor Entsetzen hämmerte und pochte.
Den Paukenpfaffen winkt er mit den Augen harsch
Ein Zwinkern, da ertönt ein dumpfer Trauermarsch.
Die Priester hieß er sich zum Femgericht vereinen,
Schluckte die Tränen, wimmert und begann zu greinen:
«Hüter des heiligen Feuers, euer Amt verrichtet!
Apollon klag ich an, merkt auf, ermeßt und richtet.
Was ist die Strafe, welches das verdiente Los
Des Frevlers, der ohn Anlaß, aus Verruchtheit bloß,
Weil er nicht Frömmigkeit, noch Scheu und Ehrfurcht kennt,
Die Gottheit lästert und den Ozen Unschlitt nennt?»
Die Priester rasselten mit ihren Sonnenblechen:
«Für solch ein unerhörtes greuliches Verbrechen»,
Urteilten sie, «schafft Wahl und Zweifel uns nicht Not.
Die Strafe solchen Frevels lautet: Fluch und Tod.»
Aufrichtete sich Kakokles, erhob die Stimme
Und rief in alle Welt mit schmerzempörtem Grimme:
«Ich, Kakokles, als Sonnendiener, der ich bin,
Gemäß dem Richterspruch, geschehen über ihn,
Erkläre – kundzutun den Erdenvölkern allen –
Apollon für entthront, verflucht, dem Tod verfallen.
Phaulonidas! Das Urteil ist zu Recht gediehn.
Dein ist das Amt, es scharf und peinlich zu vollziehn.»
Und alsobald begannen auf des Kriegsherrn Zeichen
Die Schifflein der Pygmäen um Apoll zu schleichen.

Da sprach Apoll zu seinem Dämon: «Eine Frage:
Ist auch Vernunft dabei, antworte mir und sage,
Schafherzig mit verschränkten Armen abzuwarten,
Bis diese Frommen insgesamt zum Angriff starten?
Wie wär es, oder würdest du es Sünde nennen,
Dem Oberheuchler Kakokles eins aufzubrennen?»
Der Dämon sprach: «Brenn auf! Ich kanns nicht Sünde nennen!»
Blickfeuer züngelnd aus den Augen, wandte sich
Apoll zu seiner Lanze: «Auf! Die Wahrheit sprich:
Bist du bereit? Hab ich Verlaß? Kannst du mir bürgen
Für sichern Schuß?» Die Lanze flehte: «Würgen! würgen!»
«Doch daß du mir nicht schlinkerst mit dem Schaft – verstehst? –
Und seitwärts trottelst oder Zickzacksprünge drehst,
Gleich einem Buben, dem die ungewohnte Gere
Windschief zum Ziele pendelt, schlottrig, in die Quere!
Fest in der Richtung, strenge federnd, daß es saust!»
Er bog den Arm: aufflog die Waffe mit der Faust
In Waagestellung. «Warte!» flüsterte die Hast
Der Lanze: «Warte! Weiter hinten angefaßt!»
Drum, Ruck um Ruck die Stange vorwärtswürfelnd, fing
Er weiter hinten, bis sie vorn herunterhing.
Dann mit dem Arm nach hinten mächtig ausgerückt,
Die Muskeln strammgestreckt, den Spitz hinaufgedrückt.
«Ich habs! Beide zusammen! Achtung! Herzhaft! Heil!»
Und kräftig nahm der Schuß den Bogen, steif und steil.
Aufsprang, vom Boden schnellend, Artemis, begierig,
Ob ihm der Wurf gelungen. Zweifel. Hoffnung schwierig.
Weit aus dem Wagen lag sie, Mund und Augen offen.
Ein Sprung, ein Jubelruf: «Glück auf, Apoll! Getroffen!
Der Heuchler Kakokles! Sieh, wie er zuckt und stampft,
Wie er den Halt verliert, um den Altar sich krampft!»
So Artemis. Und ihrer Meldung stimmte bei
Vom Gangrenopteros der Truppen Wehgeschrei.
Dann im Geschwindlauf flog die Mär von Mund zu Mund:
«Der Liebling ist gefallen, Kakokles ist wund!»

Erst schlug die Überraschung die Empörung nieder,
Die Zungen lähmend und die schreckerstarrten Glieder.
Dann plötzlich brandete die Rache schäumend auf.
«Tod über ihn, den Mörder!» scholls im Feuerlauf.
Und ungeheißen stürzte sich der ganze Bann
Der Plattfußvölker auf Apollon wie ein Mann.
Pygmäen suchten mit gekrümmten Hakenstangen
Der ihm ein Bein und jener einen Arm zu fangen.
Andre, mit Netzen ausgerüstet oder Schlingen,
Vermeinten hinterrücks den Hals ihm zu umringen.
Die meisten allerdings, von klügerem Kaliber,
Bewiesen ihre Tapferkeit von weitem lieber.
Die warfen nach Apollons Kopf mit Mützen, Säcken
Und Bienenkörben, in den Käfig ihn zu stecken.
Auch Flugsand kam, um ihm die Augen zu verblenden.
Sie konnten ihren pfiffigen Vorsatz nicht vollenden.
Denn öfters zwang Apollons Lanze, da er kühl
Und ruhig äugte durch das tobende Gewühl,
Den Feind zu überstürzter Flucht und stets zur Hut.
Wen er zum Ziel sich auserkoren, traf er gut.
Und lieber als den dreisten Frechling wählt er gerne
Die feigen Hintermänner, keifend aus der Ferne.
Und Artemis, unwillig, daß zum niedern Amt
Des Waffendienstes bloß ihr Eifer sei verdammt,
Griff Bogen, Pfeil und Köcher, übersprang die Schwelle
Des Wagens, und als hochgemuter Kampfgeselle
Half sie dem Freund im Streite, um die Räder kreisend,
Den vordersten den straff gespannten Bogen weisend;
Und ab und zu, zum Beispiel, dem Vermerk zu Handen,
Schoß sie die Eifrigsten, Gefährlichsten zuschanden.
Also mit wenigen Schüssen, aber wohlgezielt,
Erzwangens beide, daß der Ansturm Abstand hielt.

Da zischelte zum Erdenwind der Himmelswind:
«Zeig, komm! Ich muß dir etwas sagen. Komm geschwind!
Meinst du, ich wolle feig und faul mit leeren Backen
Zugucken, wie die Zwerge den Titanen zwacken?
Es ist uns zwar, ich weiß, verboten. Einerlei:
Was mich betrifft, ich nehme für Apoll Partei.
Es geht zuletzt auch uns an. Oder wär dirs gleich
– Mir nicht! – im blauen, saubern, fleckenlosen Reich
Der Lüfte an Apolls und seiner Freundin Statt,
Die anzuschaun man seine Herzeweide hat,
Ein niederträchtig, krötig Sumpfgeschmeiß, pfui Teufel,
Mitanzusehn und einzuatmen ihr Geschnäufel?
Komm, laß uns das Gelichter auseinanderblasen!»
Gesagt, und schnell gefüllt die Backen und die Nasen,
Versetzten sie vereinter Kraft mit Nies und Hust
Den Zwergenschifflein einen sturmgeladnen Pust.
«Hilf, hilf!» Ein Dritteil aller Schifflein umgekehrt,
Die Zwergenware halskopfüber ausgeleert,
Der Rest versprengt wie auf dem Tenn die Spreu der Gerste –
Genug. Vor den Pygmäen hat man Ruh fürs erste.

Da siehe! Überraschung einer neuen Tücke.
Aus einem schlau verborgenen Maschinenstücke
Des Luftschiffs kamen dicke Wasserbombenschüsse
Herangespritzt und schmutzige Regenflutengüsse,
Verziert mit toten Ratten und lebendigen Fröschen,
Ob sie damit die Sonne, hoff ich, möchten löschen.
«Was soll mir», höhnt Apoll, «die kindische Wasserkanne?
Behaltet selber eure Fröschebadewanne!»
Zwei Kolben, eine Kurbel hin und her gerückt,
Hierauf mit weiser Hand auf einen Knopf gedrückt:
Und leuchtend aus der Sonne schoß mit Blitzesschnelle
Dem Feind entgegen eine breite Strahlenwelle.
Welch Hindernis sie traf auf ihrer Feuerstraße,
Dient ihrem heißen Löwenmaul zum spöttischen Fraße.
Die Wasserflut, in Dämpfe aufgelöst zuerst,
Zurückgeschleudert, falls ein Dampfbad du begehrst.
Dann gegen das Besatzungsheer den Strahl gewendet,
Ihnen den Blick verwirrt, das Augenlicht geblendet
Und ihre bleichen Sumpfgesichter braun gebraten.
Da konnte weder Abwehr weder Schutz geraten.
Ein zornig Schmerzgeschrei, ein toller Zappeltanz
Begab sich längs dem Deck vom Bugspriet bis zum Schwanz.
Mit Bitten hier, und dort mit heftigen Drohgebärden
Suchte Phaulonidas des Aufruhrs Herr zu werden.
Umsonst! War niemand zum Gehorsam mehr erbötig.
Ein einziger, tausendstimmiger Ruf: «Zurück ist nötig!»
Man lief ans Steuer, stellte die Maschinen. Stopp!
Ein Ruck, ein Wank, im Kreis herum ein Kuhgalopp –
Dann plötzlich gleich dem Walfisch, der, vom Spieß geritzt,
Kopfüber in die Tiefe taucht und Wasser spritzt,
Entlief das Gangrenopteros, und Ströme Peche
Entwichen seinem Schlot vor Angst und Magenschwäche.
Ihm nach Apoll, dem halber Sieg nicht ganz behagt,
Und donnernd durch den Luftraum raste Flucht und Jagd.

Doch Kakokles, dem schon des Todes Dämmerschatten
Den Blick verdüstert und den Geist umschleiert hatten,
Als er, geweckt vom Notgezeter, das geschah,
Apollons fürstliche Gestalt anstürmen sah,
Im Strahlenglanze, Sieg auf seinem Scheitel schwebend,
Die Freundin ihm zu Füßen, Lieb und Ehrfurcht bebend,
Und hinter ihm am Horizont in blauer Ferne
Der Metakosmosgärten farbige Augensterne:
Da ward der Wunde Schmerz, des nahen Todes Leid
Verdrängt von einem jähen namenlosen Neid.
Und auf den alten pfropfend einen frischen Haß,
Wühlt er jähsputig in des Busens Bosheitsfaß,
Ob er nicht irgendwo in seiner Denkerei
Erfinden möcht ein hübsch getüpfelt Teufelsei,
Womit zum frommen Nachlaß nach dem eignen Sterben
Apoll er schädigen könnt und, wills das Glück, verderben.
«Gefunden! Licht!» Mit flehentlichem Fingerwink
Holt Augias er herbei. Und Augias nahte flink.
«Lauf hurtig, Augias, sput dich! Einen Stöpsel hasche
Aus festem Kork und eine buchtige Weingeistflasche.
Sobald die Seele mir beim jüngsten Atemzug
Entfährt, so fang sie in die Flasche auf im Flug,
Dann augenblicklich mit dem Stöpsel kork sie zu,
Und in den Herd der Sonnenküche wirfst es du.»
Den Spruch vermachte Kakokles. Worauf er jach
Geknickt vornüberstürzt und tot zu Boden brach.
Und Augias heimste mit dem bauchigen Flaschenschlund
Geschwind dem Kakokles die Seele aus dem Mund,
Verkorkte fieberhaft den Flaschenhals im Nu
Und rannte mit dem Schatz dem Sonnenhafen zu.

Kaum daß die Flasche in den Herd geschleudert war,
Ward eine schauerliche Bratenschweize gar,
Und oben aus des Ozen zügigem Kamin
Kam jetzt die fürchterlichste Nasenmedizin,
Die je seit Anbeginn der Welt ein Haupt gerochen,
In unbarmherzigem Strudelstrom hervorgekrochen.
Beschreiben läßt sichs nicht, ein Gleichnis kostet Mühe:
Nicht Rauch, nicht Schlacke, eine zähe Teufelsbrühe.
Und statt sich zu vermindern, kams beharrlich mehr,
Ein unerschöpflich quellend schwarzes Sprudelmeer.
Vor dieser Lava flüchtete das Tageslicht.
Die tapfre Sonne selber leistete Verzicht,
Die zähen Wogen, die den Flammenatem scheuchten,
Mit ihren Strahlen zu durchdringen und durchleuchten,
Zufrieden, daß dem giftigen Gemüs sie rote
Gespenstige Brandmalzeichen spucks ins Wappen lohte.
So wälzten sich mit Nacht vermählt die Pestilenzen
Haltlos bis in den fernsten Weltraum ohne Grenzen.
Du meinst, Plattfüßler und Pygmäen, so beschert,
Wären entsetzt da von gestoben? Umgekehrt!
Gleich wie in einem Nahrungsschleim, wofür ich dankte,
Vor dessen Anblick schon ein braver Mann erkrankte,
Myriaden schwänzelnder Mikroben und Bakteren
Vergnüglich schwimmen und gedeihlich sich vermehren,
So ward in diesem schauerlichen Alkohol
Den sumpfgebornen Unkenseelen innig wohl.
Und turnten mit den Muskeln, protzten mit der Brust
Und schlugen Purzelbaum vor üppiger Lebenslust.
Vergessen war die Niederlage. Trunkner Mut
Berauschte zur Verwegenheit die Tümpelbrut.
Und keckgelaunt begannen sie die zweite Schlacht,
Diesmal im Schutz der Pestilenz und Mitternacht.

Anders Apollon. Kaum daß seine Nüster nur
Den Vorschmack dieses gräßlichen Gerichts erfuhr,
So prallt er, von gewaltgem Ekel übermannt,
Schaudernd zurück, sich klammernd an die Wagenwand.
Dann aber, als er plötzlich in dem Höllenquarke
Ahnend erkannte Kakokles' verruchte Marke
Und witterte die Absicht, wie sie war gemeint,
Und sah den schon geschlagnen und vertriebnen Feind
Aufs neu mit wölfischem Geheul und Fuchsgekicher
Frecher als eh zum Angriff stürmen siegessicher,
Verwandelte sein Ekel sich in Raserei.
Und grimmig forderte sein haßerfüllter Schrei:
«Ihr Feigewichter, Fäulnisbolde, schmutzgeschaffen,
Sind das, ihr neidgeschwollnen Zwerge, eure Waffen?
Mit solchen Stänkern soll ein ehrlicher Titan
Ums Dasein fechten? Komm denn, Arbeit, sei getan!»
Und leidenschaftlich abgeschleudert, zornesheftig
Flog seine Lanze in die Haufen, mordgeschäftig.
Allein weil nun den Feind verbarg die Finsternis,
Zielt er ins Blinde, aufs Gehör hin, ungewiß;
Und allzu häufig gab aus tausendstimmigem Mund
Ein Hohngelächter ihm von einem Fehlschuß kund.
Und jetzt versagt auch schon dem Helden nach und nach
Der Odem, dem der Trank der Lebensluft gebrach.
Oft hielt er inne, seiner Sinne nicht mehr mächtig,
Gelähmt, zu kämpfen nicht, zu atmen nur bedächtig.
Und mit Betrübnis nahm der Freundin Auge wahr,
Wie er mitunter taumelte und wankte gar.
Sonst, wenn des Weibes Herz, zum Mitleid allzeit fertig,
Krankheit vermutet oder Ohnmacht gegenwärtig,
Eilt sie geschwind zur Stelle, ob sie unterstütze
Oder den Dulder hebe oder sonstwie nütze,
Und selbstvergessen auf die Knie zu Boden kauernd,
Jetzt mahnend, jetzt mit sanftem Klagelaut bedauernd,
Weiß sie mit ihren zartgeschäftigen Pflegerhänden
Nicht Hilfe bloß allein, auch Trost und Mut zu spenden.
Nicht also Artemis. Den Glauben ihr zu rauben,
Das konnt ihr Stolz sogar dem Mitleid nicht erlauben.
Ein andres tat sie: ihre Trauer niederzwingend,
Umlief sie lachend, überm Kopf den Bogen schwingend,
In schnellem Sprung den Wagen wie im Siegesreigen,
Und wie zum Tanze ließ sie ihre Kniee steigen,
Bis daß sie, mühsam freilich und geflissentlich,
Ein Lächeln auf des Freundes Lippen sich erschlich.
Doch auch dem Feindesauge blieben nicht verborgen
Apollons Nöte, seine schweren Atemsorgen.
Von jubelndem Triumph ein donnerndes «Glückauf!»
Durchflog das hässige Heer wie Sturm und Feuerlauf.
«Er wankt, seht hin! er ächzt, er taumelt, er verendet!
Drum alle Kräfte zur Entscheidung! Frisch! Vollendet!»

Das war der Lanzen letzte. Ihr vermacht Apoll
Zum Abschied seinen bittern schmerzdurchzuckten Groll:
«Du meine einzige, letzte Waffe, höre mich!
Jetzt keinen Fehlschuß, Mitleid, ich beschwöre dich.
Nichts bleibt dem Manne, welcher, herrschte Maß und Recht
In dieser Welt, und wär sie nicht so feig und schlecht,
An König Zeus' erhabner Stelle drohend säße
Und gnädig allem Leben die Gesetze mäße,
Als noch die Hoffnung, einem dieser Schmutzgesellen
Sein belfernd Hohngelächter gründlich zu vergällen.
's ist ein bescheidner Wunsch, das mußt du selber sagen,
Du kannst es nicht vermögen, mir ihn abzuschlagen.»
Und zielt und zielte . . . konnte doch sich nie entschließen,
Die äußerste, die letzte Notwehr zu verschießen.

Ein neues! Unten von der Erde, aus dem Tal,
Stieg in die Luft von Flößen eine große Zahl,
Und ihren Kriegsruf jauchzten sie in Menschensprache.
Wem gilt die Hilfe? Welchem ihre Widersache?
Pfui Überraschung! Ihm ists, dem sie Feindschaft zollen!
Ihm, dem Bedrängten, den sie mitverderben wollen!

Da fuhr Apoll der Ekel nicht mehr in die Nase:
Ins Herz, und aus dem Herzen in die Gallenblase.
Verachtung übernahm ihn, fühllos ward sein Sinn,
Und weit die Waffe von sich werfend, gleich wohin:
«Wenns also ist, wenns wirklich also ist bestellt
In diesem Gastopf, dieser sogenannten Welt,
Daß ein Friedfertiger einzig deshalb und allein,
Weil er nicht niederträchtig ist und plattgemein,
Dem Haß des ganzen Lebensviehstands ausgesetzt,
Wird wie ein Wild im Wald von Wutgefletsch gehetzt,
Wenn den Titanen übermag der Lumpenhauf,
Wenn Feigheit Trumpf, wenn Bosheit schaukelt obenauf,
Dann kann ich ohne Reue von dem Kumpel scheiden,
Die Ehre dieser Kameradschaft mag ich meiden.
Mein Herz ist müd. Komm her, Vernichtung, hol dein Recht!
Denn die – denn die Gesellschaft wahrlich ist zu schlecht!»
So sprechend stemmt er seine Fäuste in die Hüfte
Und spuckte nach dem Weltall dreimal in die Lüfte.

Da siehe: Artemis, die ihm zur Seite glitt
Und freien Blickes, freudestrahlend: «Halt! Ich mit!
Sonst flieh ich in den tiefsten Schatten demutwillig;
Doch gilts zu sterben, ist der Ehrenplatz mir billig.
O heilige Stunde, andachtschaurig, hochmutreich!
In diesem Augenblick, Apollon, stehn wir gleich!»

Doch welch ein Geist, herrisch das siegestrunkne Heer
Der Feinde teilend, schwebt jetzt riesengroß daher?
Apollons Dämon. Einen Becher in der Hand,
Neigt er sich vor, und, freundlich zu Apoll gewandt,
Sprach er ihm zu und bot den Trank ihm gastlich dar.
Und kaum vom Becherrand gekostet: wunderbar!
Da waren Ekel, Bitterkeit und Atembangen
Vom lebenskräftigen Labetrunk mit eins vergangen,
Und von den Perlengarben, quirlend aus dem Schaum
Des Bechers, puffte Demantsprühlicht in den Raum,
So daß als wie von einer Ätherblitzoase
Umringt, der Held den Hauch der todesschwangern Gase,
Der ihn umwölkte, unbeschädigt jetzt bestand,
Genesung schöpfte und die Hoffnung wiederfand.
Die Hoffnung nicht allein, den grimmen Kampfzorn mit,
Der Rache heischte für die Schmach, die er erlitt,
Und den wie Schlag ins Feuer lichterloh empörte
Das tolle Siegesjauchzen, das er ringsum hörte.
Sein Auge lauerte: nach welcher Richtung schießen,
Daß ihm die Rache möcht am tödlichsten ersprießen?
Da horch! Gesang vom nachtumhüllten Schiff herbei
Und Plattfußreigenstampfen, Dudeln und Schalmei:
«Juchhui! Jetzt kommt das Plattfußregiment in Kraft!
Da wird der Himmel und die Sonne abgeschafft.
Die Hügel und die Berge werden wir entfernen,
Und der Olympier muß den Tümpelplattschritt lernen!»
«Geduld! nicht solche Hast!» hohnlacht Apoll: «Zu frühe
Verkötert ihr die Welt! Spart die Prophetenmühe!»
Und aufs Gehör hin, nach der Richtung, wo der Chor
Der zukunftsseligen Plattfußvölker scholl hervor,
Dreht er das Steuer, daß der Wagenspitz als Keil
Und Ramm entgegenlief dem Luftschiffmittelteil.
«Jetzt Obacht, Artemis! Die Füße aufgestemmt!
Halt fest an mir, den Arm um meinen Hals geklemmt!»
Und früher als vermutet, eher als versehn,
War schon des Feindes nächste Gegenwart geschehn:
Ein riesig Schiffsgespenst, von Feuerodem schwül,
Drin tobte der Besatzung festliches Gewühl,
Unsinnige Siegestänze stampfend auf der Stelle,
Und Augias, lustig feuerwerkend mit der Kelle.
Die Augenlider schloß vor Schrecken unbewußt
Die Jungfrau Artemis. Und an die mächtige Brust
Des Freundes schmiegte sie die bleiche Stirn entsetzt.
«Nicht bangen! Nur den Arm nicht lösen! Mutig! Jetzt!!»
Ein Prall, ein Krach, ein Prasseln. Dann vom Gegenstoß
Ein schwindelnd Auf- und Niederschwanken. «Halt dich bloß!»
Nun Splitterregen, Masten-, Schornsteintrümmerfall,
Durch Feuergarben schmetternd. Dann ein Donnerknall,
Ein Platz, als oh die Welt den Untergang gefunden.

Wo ist das Gangrenopteros? Geh such! – Verschwunden!
Es wäre denn, daß Brander, die zur Erde fuhren,
Bedeuteten des Sonnenstürmers letzte Spuren,
Atome bloß der einstigen prahlerischen Masse . . .
Indessen siegreich aus der wüsten Todesgasse,
Den Wolkenhang durchschneidend, der nach hinten bauschte,
Die Sonne heil mit jungem Strahlenglanze rauschte.
Vor ihrem Atem sprang im Rauchdampf eine Kluft,
Dahinter – Gruß dir! – blüht ein Flecklein blauer Luft.
Darob begann mit wundersamen Glockentönen
Das stumme Sonnengold ein Heldenlied zu dröhnen,
Wie tausend Tuben und Trompeten so gewaltig,
Doch nicht im Dreiklang, vielmal besser: dutzendfaltig,
So daß das fernste Erdental erlöst vernahm,
Daß siegreich aus dem Krieg Apollon wiederkam.

Und jetzt, vom Feind befreit, gerettet, heilsgewiß,
Schauten einander an Apoll und Artemis,
Vermählend ihr Gefühl und preisend ihr Geschick.
Allein kein Händedruck, kein inniger Liebesblick
Beschloß ihr neues Freundschaftsbündnis. Denn zu heiß
Noch wallt ihr Blut vom kriegerischen Mörderfleiß,
Zu stürmisch wogt ihr Atem ob der grimmen Rache.
Der Kampfmut wollte eine kühnre, wildre Sprache,
Die Sprache, die zur Pantherin der Panther braucht,
Wenn er den Willkomm ihr aus blutigem Maule faucht:
Sie tauschten ihren Heldenatem. Beide fanden
Genügen in dem Gruß, weil beide sich verstanden.

Da horch! Trompetenruf. Ein weißgewandet Heer
Von Flügelreitern saust im Sturmgalopp daher,
Die Schwerter hoch, mit schwingendem Gesang und Fahnen:
Von Metakosmos sinds Apollons Untertanen,
Die, weil verspätet, hitziger zum Dienst bereit,
Die Nachtragarbeit leisten zum entschiednen Streit.
Wo ein Geschwader noch bestand, im Weichen träge,
Oder sich sammelte, die warf ihr Schwertgefege
Kopfüber; wo sich Waffen zeigten, Häupter hoben,
Das ritten sie zu Tal, im Sprunggalopp von oben.
Sie litten keine Rottung, sprengten jeden Hauf.
«Ich halt: die Luft muß sauber sein!» Sie räumten auf.
Und als der Feind verjagt, des Trümmerwaldes Lohe
Im Tal verkohlt, verglommen war, umritt die frohe
Gefolgschaft jauchzend das vermählte Siegespaar,
Und Degengrüße brachten sie dem Fürsten dar:
«Heil dir, Apoll, und schuldigen Gehorsam dir!
Aus deinem Mund den Urteilsspruch erwarten wir,
Ob du den Helferdienst, gewollt mehr als getan,
Huldreich mit gnadenvollen Augen schauest an
Oder die späten Freunde unmutvoll verachtest.
Genehm: wir beugen uns, was immer du erachtest.»
«Dank hab ich», gab Apoll zurück, «ein Urteil nicht!
Nie kommt zu spät ein treues Freundesangesicht.
Wohltat dem Herzen, nach dem Tausendschurkengraus
Im gift- und haßerfüllten Höllenhinterhaus
Ein offen Aug und eine edle Stirn zu schauen,
An einer guten Stimme Klang sich zu erbauen!
Drum, liebe Freunde, eine Bitte laßt mir gnaden:
Laßt mich ein Weilchen noch in eurem Anblick baden.»
Demalso ritten ihrem Fürsten sie zur Seite,
Im Schritt des Sonnenlaufs als ehrendes Geleite,
Bis daß des Akrolympos dunkle Wälderkränze
Auftauchten und der grünen Matten duftige Lenze.
Und als sie grüßend heimwärts wendeten den Flug,
Da wars in Adlerhöhn ein Schwanenreisezug.

Doch talwärts schauend auf die brandige Schlachtfeldstätte,
Wo tausend Leichen staunten aus dem Totenbette
Und Klagen jammerten, vom Wind heraufgeweht,
Erhob Apoll die ernste Seele zum Gebet:
«Der König aller Wünsche, die mein Herz geschwungen,
Der Trost, womit ich jede Widerwart bezwungen,
Er hieß, daß meine Hand kein lebend Blut vergieße,
Daß meinetwegen keines Auges Träne fließe.
Es ward mir nicht vergönnt. Als Held im Kampfe, ja.
Das heißt als Lebenstöter steh ich trauernd da!
Den blutigen Makel aber, der mich nun befleckt,
Den werf ich jenem, der die böse Welt geheckt,
Er heiße, wie er mag, ins Antlitz schimpflich zu.
Mein grausam Werk ist dein. Der Schuldige bist du,
Wenn selbst der Friedlichste sich härten muß zum Mann,
Weil der nicht Duldung findet, der nicht töten kann.»

So betet er. Und einen Totensegen sprach
Er über die Gefallnen. Seinen Spruch durchbrach
Ein Jubelsturmgewitter, das den Helden zweien
Entgegengrüßten heimatliche Völkerreihen.
Von allen Höhen des Olympos jauchzten sie,
Von jeder Warte, wo ein Ausblick nur gedieh.
Wohin das Auge schaute, Freunde allerorten!
Sieh: Hermes hier, und Aphrodite, Pallas dorten.
Zeus auf der Zinne seines Schlosses neigte sich,
Die Hand zur Stirne führend, demutköniglich.
Aus einem Maien schickte Hera Zaus für Zaus
Holdlächelnd Blumenblätter in die Luft hinaus.
Und Festgesang und Teppichschwang von allen Enden.
Apollon deutete mit hocherhobnen Händen
Allen den Dank und manchem seinen Wink zurück.
Allein zu heftig schrie das ungestüme Glück,
Zu enge wars im überfüllten Blick gefangen.
Kein Riegel: Tränen stürzten über seine Wangen.
Und tiefen Atemzugs die mächtige Brust geweitet,
Die Freundesarme allumschließend ausgebreitet:
«Wohl mir! Wie sind auf Erden noch der Edlen viel!
Kommt alle, alle! Keiner fehle! Nie zuviel!»


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