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Breitbeinig aber standen auf den Bergeskanten, 
          Die Hände auf dem Rücken, grinsend die Giganten. 
          Und wenn die Götter flogen auf die Erde als, 
          So wieherten sie Hohngelächter aus dem Hals. 
          Doch der Giganten Häuptling, der verwegne Thaut, 
          Begann und sprach: «Genossen, wackre Brüder traut, 
          Betrachtet diese neugebacknen Götterscharen, 
          Der Herrschaft ungewohnt, im Weltland unerfahren, 
          Indes ihr sogenannter König Zeus deswährend 
          Im Lotterbette liegt, den Speck der Faulheit zehrend. 
          Was meint ihr: soll man nicht ein klein Versüchlein spassen, 
          Wieviel sie sich von unsereinem bieten lassen? 
          Mag sein, wofern wir herzhaft sind und nicht bescheiden, 
          Daß wir das Erdenfledern ihnen grundverleiden.» 
          Also sprach Thaut. Und die Giganten jauchzten: «Ja! 
          Leidwerken wir den Göttern! Höchste Not ist da.» 
          Und gingen hin, und sonst schon Riesen überhaupt, 
          So pflanzten sie großmächtige Helme auf ihr Haupt, 
          Und auf die Helme, nur zum Trotz und zum Verdruß, 
          Anstatt der Sträuße ganze Büsche Haselnuß, 
          Mit denen sie, auf daß die Absicht werde klar, 
          Hohnspöttische Wink und Zeichen wippten hin und dar. 
          Also geschmückt, zu jeder Widerwart bereit, 
          Stiegen sie eines Abends spät in Heimlichkeit 
          Hinunter auf die Erde, wo die ganze Nacht 
          Sie auf die Götter harrten, lungernd auf der Wacht 
          Und gierig spähend gen Olymp. Und wenn nunmehr 
          Die Götter aller Tage Morgen wie bisher 
          Frohmütig reisten auf die lustige Erdenkehre, 
          So trieben die Giganten ihnen in die Quere, 
          Die einzelnen, die das Gefild zu Fuß durchzogen, 
          In breiten Reihen stoßend mit den Ellenbogen, 
          Sie zwingend, in den Sumpf und in den Bach zu weichen, 
          Den Wagenzügen aber fahrend in die Speichen 
          Geflissentlich und gern, den Rossen in die Beine, 
          Und legten ihnen Balken auf den Weg und Steine.
        Die Götter grollten, daß man ihnen also tat, 
          Und das Orakel fragten schließlich sie um Rat. 
          Mit Blitz und Donner kam die Antwort: «Was von beiden 
          Ist schlimmer: Unrecht handeln oder Unrecht leiden?» 
          Da ließ das Göttervolk den Erdenflug fortan, 
          Nach einem andern Weltteil lenkend Blick und Bahn. 
          Die Hände rieb frohlockend Thaut: «Ihr Brüder, Mut! 
          Der Karren nimmt den rechten Rank, der Has läuft gut. 
          So laßt uns diesen schlaffen Göttlein denn zum zweiten 
          Nach dem Olymp hinüber Ärgernis bereiten, 
          Ein jeder sie verdrießend, wie er kann und weiß. 
          Erfindung gilt; und spart mir nicht Geduld und Fleiß.» 
          «Getrost!» versetzten die Giganten, «ohne Sorgen! 
          Wir wollen diese Arbeit gut und gern besorgen.» 
          Und auf den Trutzberg gegen den Olymp querüber 
          Stieg das Gigantenvolk und lagerte darüber. 
          Und wenn allabendlich die Götter sich beim Feste 
          Mit Tanz und mit Gesang belustigten aufs beste, 
          So johlten die Giganten – greulich klang es schon – 
          Im Gegentakt dazwischen und im Nebenton. 
          Am Tage warfen sie nach den olympischen Hainen 
          Und Halden einen Hagelsturm von klotzigen Steinen. ; 
          Und da den Göttern diese Grüße nicht behagten 
          Und ihre Abgesandten das Orakel fragten, 
          Verkündete mit mächtigem Donnerschlag und Blitz 
          Den Göttern das Orakel dieser Weisheit Witz: 
          «Das Glück wächst nicht im Walde, sondern wurzelt innen. 
          Verachtet stolz den Feind und hebet euch von hinnen.» 
          Demalso ließ das Göttervolk Gesang und Tänze 
          Und hielt sich in der innern Landschaft fern der Grenze. 
          Und hübsch zu Hause bei geschloßnen Fensterläden 
          Beglückt ein still Familienwohlsein einen jeden. 
Empört rief Thaut: «'s ist ihre und nicht unsre Schuld! 
          Merkt ihr die Bosheit? Mit verschmitzter Scheingeduld 
          Versuchen sie uns krank zu ärgern und zu reizen. 
          Wir aber wollen ihnen dies Geschäft verheizen. 
          Mit Macht ans Werk! Es handelt sich um eine Brücke, 
          Darauf man ihnen in die eignen Marken rücke.» 
          Und als nun die Giganten, ohne anzufragen, 
          Begannen, munter einen Brückensteg zu schlagen, 
          Und für die Sparren, die sie in die Balken bolzten, 
          Im Wald und in den Gärten der Olympier holzten, 
          Da machten die Olympier ein verdutzt Gesicht: 
          «Die Weisheit des Orakels, dünkt mich, hilft uns nicht. 
          Giganten sind nicht fühllos, haben auch ein Herz. 
          Auf! Beichten wir dem Thaut persönlich unsern Schmerz.» 
          Und schickten zwölf Gesandte, auserlesne Leute, 
          Den Thaut zu fragen, was der Brückenschlag bedeute. 
Bei Käs und Milch in seiner anspruchslosen Arche 
          Erwartete sie Thaut, der biedre Patriarche, 
          Im Kreise seiner Kinder. Schaukelnd auf den Knieen 
          Durfte der Engel Barbara am Bart ihn ziehen, 
          Indessen auf dem Boden Gog und Mog, die Buben, 
          Die Nase in ein Götzenbilderbuch vergruben. 
          Und eine ungeahnte, väterliche Milde 
          Ging aus von des gefürchteten Giganten Bilde. 
          Und als die Abgesandten nun mit bangem Schlucken 
          Begannen, die Beschwerde stotternd darzumucken, 
          Ihn fragend, was denn eigentlich die Brückenmache 
          Bezwecke und die ganze sonstige Widersache, 
          Sprach Thaut: «Ich bin ein schlichter, ehrlicher Gigant, 
          Im Staatsgeschäft nicht besser als ein Kind gewandt, 
          Verstehe nicht des Vorteils Pfiff, des Truges Kniff. 
          Was ihr da vorbringt, übersteigt mir den Begriff. 
          Doch ob ich nach dem Preis der Schlauheit nie geangelt, 
          Ob mir der Zungenschliff, die Schriftgelehrtheit mangelt, 
          So hab ich meinen unverdorbenen Verstand 
          Zum Glück gesund und wohlbehalten bei der Hand, 
          Wie die Natur, die gütige, ihn mir bescherte.» 
          Worauf er ihnen alles rein und klein erklärte, 
          Wie und wasmaßen der besagte Brückensprung 
          Zur nähern Freundschaft diene und Verbrüderung. 
          Auf daß jedoch zum Wort das Zeugnis sich geselle, 
          Holt er ein altes, ziemlich schmutzig Buch zur Stelle, 
          Woraus er ihnen manches andre überdies, 
          Doch namentlich insonderheit den Satz bewies, 
          Daß der Olymp, wie weit die Nachricht sich verlöre, 
          Seit grauer Urzeit zum Gigantenreich gehöre, 
          Und daß sie mindestens auf alle Uferketten 
          Ein altes Recht und einen billigen Anspruch hätten. 
          Erstaunt bemerkten die Gesandten: «Am Geruch 
          Scheint uns, du predigst Staatsrecht aus dem Stierenbuch. 
          Und ob es noch so trefflich deinen Satz erwährt, 
          Es überzeugt uns nicht: du hältst das Buch verkehrt.» 
          Jetzt schnaubend auf die Hinterbeine wie ein Bär 
          Sprang Thaut, und diese Antwort schnarcht er ihnen her: 
          «Ists bald genug? Ich kriege noch zuletzt die Kränke 
          Von diesem ewigen Mäkeln, Feilschen und Gezänke! 
          Wenn ihr durchaus mit uns Giganten Krieg wollt, sagts. 
          So friedlich wir schon sind, wenns sein muß, uns behagts.» 
          Und paukte seinen Brustkorb, kaute seinen Bart, 
          Bei allen Götzen schwörend – Flüche nicht gespart – 
          Er wolle Spargeln ziehn und Gerstensamen streuen 
          Im Haus des Zeus und in der Stadt der Götter heuen, 
          Weh! einen schwarzen Büffelschädel stülpt er jetzt 
          Sich auf den Kopf, mit Hörnern fürchterlich besetzt, 
          Und einen Drachenstrumpf, gespickt mit Eberklauen, 
          Als Stiefel um die Waden, gräßlich anzuschauen. 
          «Zu trinken, Barbara!» begehrte seine Wut. 
          Was gab sie ihm zu trinken? Einen Eimer Blut! 
          «Zu essen! flink!» Der Engel folgte dem Geheisch 
          Und bracht ihm einen ungerupften Wolf als Fleisch. 
          Und es geschah, ob diesen schauerlichen Szenen 
          Entschlüpften den erschrockenen Gesandten Tränen. 
          Und machten sich gering und bettelten vereint: 
          «Vergib, erhabner Thaut, es war nicht bös gemeint.» 
          Und Barbara der Engel und die Buben zwei, 
          Am Rock des Vaters hangend, heulten ihnen bei. 
          Nun spannte der Gigante die Entrüstung ab, 
          Reckte die Gnadenhand in Großmut und vergab. 
Demalso feierten die beiden Völker zwei 
          Zum ewigen Bruderbunde eine Brückenweih 
          Mit Blumenpforten, Chören, Reigentanz und Fahnen. 
          Und froh umarmten sich Giganten und Titanen. 
          Und ward ein großes Liebesfest. Und auch die Kinder 
          Vermählten sich zum Herzensbund; ob klein, nicht minder. 
          Beglückt, mit stummer Rührung sahn die Eltern zu 
          Und feuchten Blickes: «Weißt, wie damals ich und du.» 
          «Jetzt aber, ihr Giganten», lachte Thaut, «jetzt dreist! 
          Ein Lindwurm, wer noch zaudert und sich blöd erweist. 
          Duckmäuser! die sich niemals mucken, alles schlucken! 
          Was gilts? Ich will dem Zeus noch in den Teller spucken.» 
          Also begannen häuslich mit Gepäck und Kisten 
          Sich die Giganten am Olymphang einzunisten 
          Und taten wie daheim mit unbefangnem Wesen 
          Und fingen emsig an zu keltern und zu käsen. 
          Auf daß man aber ihre Frechheit klar begreife, 
          So schwärmten sie landeinwärts täglich auf die Streife 
          Und schwatzten den Olympiern in die Töpfe: «Seht, 
          Das müßt ihr also kochen! Schweiget und versteht!» 
          Am Abend aber grinsten sie aus langen Hälsen 
          Hohnspöttisch übers Feld, versammelt auf den Felsen, 
          Allwo sie lärmend, rittlings hockend auf den Steinen, 
          Zum Becherlupfe mogelten mit Würfelbeinen. 
          Und wippten trotzig mit dem Strauß von Haselnuß, 
          Denn, ohne wen zu ärgern – nicht wahr? – kein Genuß. 
          War niemand, der im Abendrote sich erging, 
          Der keinen Anwurf oder Schlötterling empfing. 
Im Volk der Götter aber, die vom Hades kamen, 
          War ein gewaltiger Held, Ajax genannt mit Namen, 
          Der Schönsten einer und der kräftigste von allen, 
          Der Männer Liebling und der Frauen Wohlgefallen. 
          Doch Leid und Jammer! Seit dem Unheilstag danach, 
          Daß ihn ein giftiger Sonnenblitz am Mittag stach, 
          Ward ihm die Leber böse und die Galle schlimm, 
          So daß er unaufhörlich kochte bittern Grimm. 
          Und jedes Ding, das sich vor seinem Blick bewegte, 
          Vermochte, daß es seine wilde Wut erregte. 
          Die winddurchwühlten Bäume riß in seinem Wahn 
          Er aus den Wurzeln, Mond und Sonne fletscht er an. 
          Mit Kindern aber und den Fraun und Mägdlein zart, 
          Und was sonst schwächlich von Natur und Lebensart, 
          Ging er geduldig wie ein frommes Schäflein um. 
          Ob sie ihn neckten, ward er nicht verdrießlich drum. 
          Auch von Asklep dem Arzt und seiner Pflegerin, 
          Der keuschen Hawa, nahm er Tadel duldsam hin. 
          Und selbst im Tollzorn konnte liebliche Musik 
          Den Tobenden besänftigen im Augenblick. 
          Einmal allwöchentlich bei gutem Wetter, weil 
          Der Arzt es also wollte zu des Helden Heil, 
          Bewegte man den Ajax um die Abendzeit 
          Ins luftige Freie, gehend ein, zwei Meilen weit; 
          Asklep beständig ihm zur Linken, Hawa rechts. 
          Ein Trüpplein Edelkinder beiderlei Geschlechts 
          Zog sittig ihm voran, in ihren Händen Flöten, 
          Dem Kranken Sanftmut aufzuspielen, wenn vonnöten. 
          Und kaum daß er die Wimper zuckt und spitzt ein Ohr, 
          Hielt ihm Asklep ein Blümlein an die Nase vor, 
          Und Hawa schmeichelt ihm mit ihren linden Händen 
          Um Stirn und Augen, ihm die Aussicht zu entwenden. 
          Und nicht genug damit. Denn weit hinaus ins Land 
          War eine Doppelkette Wächter ausgespannt 
          Dem Volk zur Warnung, daß ein Unheil nicht geschehe, 
          Wenn einer sich verirrte in des Ajax Nähe. 
          Blieb trotzdem ein gefährlicher Gesundheitslauf. 
          Erleichtert atmet alles nach der Heimkehr auf. 
Doch wie sie wieder einmal so wie wöchentlich 
          Den Ajax in die Weite führten, traf es sich, 
          Daß das Gesundheitszüglein, schlendernd um den Rank, 
          Hilf Himmel! unversehens vor die Felsenbank 
          Geriet, wo die Giganten rittlings auf den Steinen 
          Die Becher lüpften, mogelnd mit den Würfelbeinen. 
          Hei, wie den Helden Hawa hurtig heimwärts renkte, 
          Asklep das Blümlein ihm um Nas und Augen schwenkte! 
          Indes die Edelkinder mit erschrocknen Armen 
          Die Flöten drangsalierten, pfeifend zum Erbarmen. 
          Nutzlos! Denn, steif nach hinten drehend das Genick, 
          Ließ Ajax die Giganten nimmer aus dem Blick, 
          Wie sie die Köpfe mit den Haselbüschen wippten, 
          Aus heisern Hälsen wieherten, die Finger schnippten, 
          Die Galle kocht ihm über, und die Leber schwoll. 
          Und als nun wahrlich ihrer einer wahnwitztoll 
          Den grimmen Helden, den sie kaum zu halten wußten, 
          Mit Äpfelschalen zuckerte und Käsekrusten – 
          Sieh, wo ist Ajax? «Fangt ihn! Fangt!» Zu spät. Entsprungen, 
          Blitzschnellen Überfalles dem Gigantenjungen 
          An seinen Hals, mit Fäusten Trommelspiel gemacht 
          Und ihn vom Stein hinunter in den Wald gekracht. 
          Der Wald war steil und stotz, kein Halten schlechterdings: 
          Selbander in die Tiefe kugelkollernd gings. 
          Zunächst im Schlitten, dann als Spielball in die Welt; 
          Jetzt in den Bach, jetzt baumhoch durchs Gezweig geprellt; 
          Zum letzten aus der Schleuder, jupp! ein Himmelflug: 
          Am Fuß des Berges lagen sie. Jetzt halt: genug. 
          Wer von den beiden hat noch seine ganzen Knochen? 
          Wem ist sein Knie geschwollen? Wem der Hals gebrochen? 
          Doch wenig kümmerte den Helden, was an Bresten 
          Und Beulen ihm sein Körper etwa gab zum besten. 
          «Das geht Asklep, nicht mich an», meinte sein Verlaß. 
          Nur nach dem Feinde tastete sein Kampfeshaß. 
          Dort liegt er in der Runse, im Geröll versteckt, 
          Der patzige Gigant, die Beine ausgestreckt. 
          Woran es eigentlich ihm fehlte, war nicht klar. 
          Tot aber war er, maustot unanzweifelbar. 
          Vergebens, daß mit weichem Wort und Händestreicheln 
          Ajax dem Leichnam Atem suchte einzuschmeicheln, 
          Inständig ihn belehrend, Leben tu ihm not, 
          Damit er nochmals gründlicher ihn schlüge tot. 
          Half alles nichts; der Tote gab nicht Schnupf noch Schnauf. 
          «Maultier! Boshaftes!» Und enttäuscht sprang Ajax auf. 
          Doch hinten, von den Höhen, kommt dort Hasenhetzen? 
          Das stürzt vom Berg, das wirft sich von den Felsensätzen 
          Dem gleichen Ziel, der Brücke zu, in Riesensprüngen, 
          Ajax umlaufend in entsetzten Bogenschwüngen. 
          Des Toten Zechgenossen sind es, die Giganten, 
          Die, vor dem Beispiel schaudernd, um ihr Leben rannten. 
          Verschiedne hielten auf der Flucht die Würfel fest, 
          Nicht wenige die Flaschen an die Brust gepreßt. 
          Wohin das Auge blickte, Feld und Wald und Wiesen 
          Statt Käfern oder Hummeln war besprengt mit Riesen. 
          Den Bart, die blutige Stirne schüttelte der Held; 
          Ein Kriegsgeheul entließ er brüllend übers Feld 
          Und wog sein Leichtgewicht auf tanzenden Gelenken, 
          Unschlüssig, wen zuerst von allen zu bedenken. 
          Doch welch Geschrei, welch Volksgemengsel und Gedrücke 
          Vernimmt er vorn am nahen Abgrund auf der Brücke? 
          Zwei Wagen, schien es, lagen quer, die Räder oben, 
          Darunter Stiere zappelten und Rosse schnoben, 
          So daß die wilde Flucht sich auf dem Stege staute, 
          Wodurch ein Leiberknäuel sich zum Turme baute: 
          Ein Turm, gelüpft von Schulterstoß und Fußgestampf, 
          Der Gipfel hin und her bewegt vom Bruderkampf. 
          Von jenseits stürmten Volksgenossen, neue immer, 
          Dem eingeklemmten Hauf zu Hilf und machtens schlimmer. 
          «O Heimat!» seufzte Ajax, «sehnsuchtsüß zu schauen! 
          Dort drin herumzuwühlen! Dort hinein zu hauen! 
          Ach, hätte meine Waffen, meinen Hengst ich da! 
          Kein Eisen rund umher, nicht Schwert noch Lanze nah!» 
          Erleuchtung: den Getöteten als Schlaggewehr 
          Gebrauchen! Hammer oder Keule ungefähr! 
          Ans Werk! Mit Mühe kaum und nicht im ersten Ruck 
          Hob er den Leichnam, dessen toter Gegendruck 
          Zu Boden klebrisch strebte, bis zum Schienbein fast. 
          Nun, hupp, aufs Knie gehißt, ihn um den Leib gefaßt, 
          Hernach, sich bückend, hurtig diesen Arm, dann jenen 
          Unter die Last gewunden, dann mit straffen Sehnen 
          Aus drehenden Gelenken mählich aufgeschroben, 
          Endlich – Triumph! – freischwebend übers Haupt gehoben. 
          Nie war so graus ein Kolben, den ein Kriegsheld schwang. 
          Nun vorwärts, an den Feind! In täppischem Sohlengang, 
          Die Schultern schwankend, doch die Schenkel um so strammer, 
          Stieg keuchend er zum Angriff mit dem Knochenhammer. 
          Obzwar sein eifrig aufwärts starrendes Gesicht, 
          Beschäftigt, seiner Bürde gleitendes Gewicht 
          Zu steuern, schon den Weg nicht sah: der Stimmenchor 
          Des gellen Angstgezeters leitete das Ohr. 
          Doch weiter war der Zwischenraum, als er geschätzt. 
          Sein Arm erlahmte, bebte, zitterte zuletzt. 
          Die Not der übermächtigen Mühsal abzukürzen, 
          Begann sein Fuß im Taumellauf voranzustürzen. 
          «Mag ichs erdauern? Unterlieg ich vor dem Ziel?» 
          Nicht bloß der Leichnam schmetterte, er selber fiel 
          Zugleich mit seiner Ladung riesenhafter Länge 
          Vornüber auf des Feindes kreischendes Gemenge. 
          Ein wilder Walzer stummen Aufruhrs. Plötzlich brach 
          Das linke Holzgeländer, knack! der Länge nach – 
          Und durch die weite Bresche wirbelte der Schuß 
          Der Leiber in die blaue Tiefe Guß auf Guß. 
          Ajax, vom Boden steigend, wischte sich den Schweiß 
          Von Stirn und Wangen: «Gute Arbeit! aber heiß! – 
          Jetzt wacker ins Geschirr! Das Schlachtfeld aufgeräumt!» 
          Und schmiß ins Luftloch, was ihm vorkam, ungesäumt. 
          Was soll der Karren? Weg mit! – Roßgestampf? Wozu? 
          Am Schweif gepackt, zweihändig, und der Hölle zu. 
          Zu welchem Ochsenkopf wohl die Gigantenwaden 
          Gehören? Gleichviel! Such ihn selber! Abgeladen! 
          Bis plötzlich Hades unten aus dem Erebos 
          Die zornige Verwahrung in die Höhe schoß: 
          «Heda dort oben im Olymp! was soll das heißen? 
          Mir Unrat in den saubern Erebos zu schmeißen?» 
          Mit seiner stärksten Stimme, die ihm war beschieden, 
          Schrie Ajax dröhnend in den Stollen: «Du dort nieden, 
          Großherr von Sumpfisweiher, Fürst von Tümpelhausen! 
          Ich lasse dich, laß mich mein Ungeziefer lausen. 
          Ich kratze, wo michs beißt; du, wo dichs brennt, da lösche. 
          Ich striegle die Giganten, kämm du deine Frösche.»' 
Doch stille! Hört den wundersamen Zwiegesang, 
          Der zart und fein, in lieblichem Zusammenklang 
          Herüberflutet, hauchend vom Olympgestade! 
          Verspätet angelangt auf einem Wendelpfade, 
          Stehn Hand in Hand gefügt Asklep und Hawa dort, 
          Und fromme Lieder singen sie in einem fort. 
          Und kaum daß Ajax diese Symphonie vernommen, 
          So kam ihm weiche Sanftmut ins Gemüt geschwommen. 
          Dem Mordgeschäft entsagend, selig und verschwiegen, 
          Begann er sich im Maß des Wohlgesangs zu wiegen, 
          Und linde Schmelzerlaute schickt er dann und wann 
          Hinüber nach der Freunde musischem Gespann. 
          Schon aber hatte Hawa – «Weh! ich fürchte mich!» – 
          Entlang der Brustwehr Zeh für Zeh und Schlich um Schlich 
          Sich hergedreht und Ajax mit der Hand erreicht. 
          Das übrige gelang der keuschen Jungfrau leicht. 
          Ein Weilchen ihn liebkost, ein weniglein liebkraut, 
          Mit Lächeln und mit Augenstücklein ihm gefraut, 
          Wonach sie ihn gelassen wie ein Pädagog 
          Am kleinen Finger sanft zurück ans Ufer zog. 
          Kopfschüttelnd aber, Backen bleich und Nase lang, 
          Nahm hier Asklep den Helden seufzend in Empfang, 
          Betastet ihm den Puls und murmelte dazu: 
          «Das war nicht, was wir brauchen für die Nervenruh!» 
          Mit einem tiefen Atemzuge, grundgefühlt, 
          Stöhnt Ajax ihm die Antwort: «Ha! Das hat gekühlt! 
          Ja, schüttle deinen Kopf nur immer her und hin: 
          Das tat mir wohler als die beste Medizin.» 
          Friedfertig wie ein Lämmlein wendet er hiemit 
          Hinter Asklep und Hawa heimwärts seinen Schritt. 
Wenn sich der Himmel spaltete und in die Hölle 
          Ein Sprudel heiligen Segens durch die Bresche quölle, 
          Der Sud, der Kessel Platzen und der Teufel Toben 
          Gäb einen mindern Lärm als auf dem Trutzberg oben 
          Der Aufruhr, welcher in der Heereslagerwacht 
          Der wütenden Giganten tollte diese Nacht. 
          Mordwaffenwetzen, Racheschrei und Kriegsgesänge, 
          Geführt von Quaktrompeten, deren Schauerklänge, 
          Unheimlich widerhallend in den Finsternissen, 
          Das Herz vom Anker zerrten und das Ohr zerrissen; 
          Indes der Thaut mit blutgesalbtem Schnauz und Maul, 
          Schwertfuchtelnd, rittlings über einem Auergaul, 
          Tripptrapp klippklapp auf seinem Mastodont von Pferde 
          Versprach, daß er den Ajax lebend fressen werde. 
          Auf seinem Helmspitz wippt ein Trauerweidenwedel, 
          Auf seiner Fahnenstange glotzt ein Mammutschädel. 
          Erschrecklich war der Zorn zu hören, den er brüllte. 
          Wehklagen, Jammerruf und Bußgesang erfüllte 
          Den zagenden Olymp. Gen Himmel ihre Hände, 
          Das Angesicht im Staub: «Heut nahet unser Ende!» 
Da kam um Mitternacht mit aufgeregten Lungen, 
          Das Angesicht im Schweiß, Asklep dahergesprungen, 
          Unsinnig schwenkend eine fackelnde Laterne, 
          Und Warnungsrufe schickt er angstvoll in die Ferne: 
          «O höret, ihr Giganten, liebe Nachbarn traut! 
          Verschließ der Warnung nicht dein Herz, großmächtiger Thaut! 
          Hört an und macht im Brüllen eine kleine Pause! 
          Ich komme, wie ich bin, im Hemd, von Ajax' Hause, 
          Allwo der Höllen-Ramtamtam und Schättertätt, 
          Den ihr verführt, vernommen wird bis an das Bett 
          Des Helden, daß sein Schlummer, der doch, wie ihr wißt, 
          Zumal nach solchem Tag ihm bitter nötig ist, 
          Unruhig ihm gerät auf fiebrische Manier: 
          Schlägt mit den Fäusten um sich, atmet wie ein Stier, 
          Ja dann und wann, kaum konnten wir ihn niederzwingen, 
          Will er im Traum vom Bett und aus dem Fenster springen. 
          Und wäre nicht sein Schlaf mit Blei geladen, macht 
          Der Müdigkeit, so war er zehnmal schon erwacht. 
          Was aber dann geschähe, nur daran zu denken 
          Erblaßt mein Blut. Ein gnädig Schicksal mögs uns schenken! 
          Wir haben freilich, euren Lärm zu überlärmen, 
          Des Helden Haus umstellt mit Musikantenschwärmen, 
          Und Hawa spielt ihm ihre feinsten Künste vor, 
          Zischt immerwährend Liebesflüstern ihm ins Ohr 
          Und preßt das andre Ohr ihm zu mit schelmischem Kichern. 
          Allein wie lang das vorhält, kann ich nicht versichern. 
          Drum, liebe Nachbarn wert, den Kampf der Vorsicht kämpft, 
          Ob ihrs vermögt, daß ihr die Höllenhochzeit dämpft.» 
          So rief Asklep. Und einen schnellen Vorsichtsieg 
          Erkämpften die Giganten. Augenblicklich schwieg 
          Ihr Brüllen, leiser quakten die mit Tuch verstopften 
          Trompeten, und die strohumwundnen Hufe klopften 
          Unhörbar schier den Rasen. Aber wegen dessen 
          Blieb ihr gewaltger Zorn und Aufruhr unvergessen. 
          Gespensterhaft, wie Rachegeister anzusehen, 
          Umschnurrten sie den Berg; sie tobten auf den Zehen. 
          Und nicht als ob durch den gelinden Ton etwa 
          Den Völkern des Olymp Beruhigung geschah: 
          Weit ferne. Das Gemunkel schreckte schlimmer noch 
          Als früher der Alarm. Als gar am Brückenjoch 
          Geschäftige Truppen trappelten, geheimnisvoll 
          Und unerklärlich, ward der Schrecken gänzlich toll. 
          «Sie kommen!» «Auf, ihr Brüder, fliehet! Rettung sucht!» 
          Und in die Berge wälzte sich die Völkerflucht. 
          Erst im Gestrüpp der Wälder, möglichst hoch und weit, 
          Hielten sie an und hofften sich in Sicherheit. 
Doch wie am Morgen deutlich nun der Schicksalstag 
          Im hellen Sonnenschein auf allen Höhen lag 
          Und, im Gehölz verborgen hinter Busch und Baum, 
          Die Kühnsten einen scheuen Ausblick wagten kaum, 
          Sieh! welch ein wunderlich unglaublich Narrenspiel 
          Vom Land der Riesen ihnen in die Augen fiel: 
          Allüberall von den Giganten keine Spur. 
          Der Trutzberg reingefegt. Kein Laut, kein Echo nur. 
          Die Brücke abgebrochen. Nichts als Ackerkrähen, 
          Die überm Lagerplatze kreisten, zu erspähen. 
          Ein feines Federwölklein, pfiffigen Gesichts, 
          Beteuerte vom Himmel: «Ich? Ich weiß von nichts.» 
          Ob dieser unerwarteten Gigantenlaune 
          Stierte der Nachbar starr den Nachbar an: «Ich staune!» 
          «Ists möglich?» raunten die Verblüfften, «kann das sein?» 
          Und winkten ihren Brüdern in den Wald hinein. 
          Doch halt! so schaut doch! Drüben auf der Lagerweide, 
          Was hüpft denn dort durchs Gras im Sommervogelkleide? 
          Der Engel Barbara fürwahr, mit Mog und Gog, 
          Die harmlos ins Gebirg zur Alpenfrische zog. 
          Und während beide Knäblein gingen Erdbeern rupfen, 
          So saß sie ab und sang und übte Zitherzupfen. 
          Und alsobald begann ein krampfhaft Saitenklirren 
          Aus allen Gauen des Gigantenreichs zu schwirren. 
          Drob lief ein unauslöschlich Jubelsturmgelächter 
          Durch den Olymp. Und siehe: Zweierlei Geschlechter. 
          Grünt zwecklos vor dem Walde wohl der weiche Rasen? 
          Darinnen tanzten sie und sprangen und genasen. 
Seit diesem Tage zeigte kein Gigantenhaupt 
          Mehr einen Helm, geschweige haselnußbelaubt. 
          Bescheidne Käpplein auf den Köpfen trugen sie, 
          Verziert mit Tausendschönchen und Vergißmeinnie. 
          Und wenn die Götter neuerdings wie früher als 
          Zur Erde zogen, tappt ein Riese allenfalls 
          Mit einem krummen Bückling ihnen schief entgegen 
          Und zeigte sich nach Kräften dienstbar allerwegen. 
          Vor Roß und Wagen räumten sie gelenkig Platz 
          Und sprangen in die Sümpf und Bäch im Fröschensatz. 
          Die Frauen aber luden sie auf ihre Rücken, 
          Sie trocken auf das feste Ufer hinzubrücken. 
          Und alle lauen Sternennächte, wenn Gesang 
          Der Götter vom Olympgebirg herüberdrang, 
          Erstiegen sie den Trutzberg, standen still und lauschten, 
          Weil ihre Ohren sich am Kunstgenuß berauschten. 
          Dann in den Pausen hieben ihre Bärenpatschen 
          Ein stürmisch berg- und talerschütternd Beifallklatschen 
          Und bettelten: «Erbarmen! Wehe! Hungerqual! 
          Oh, singt das, teure Götter, singt das noch einmal!» 
          Thaut aber, heut vom Fenster, morgen durch die Tür, 
          Gab jetzt sein Patriarchenangesicht herfür, 
          Begrüßte die Vorüberzügler leutgesellig, 
          Sein Käpplein lüpfend: «Einzukehren nicht gefällig?» 
          Mitunter schickt er eine Kanne Honigseim 
          Dem Zeus als schwaches Zeichen seiner Freundschaft heim, 
          Anbei ein schüchtern Angebind von Turteltauben 
          Für Hera, bittend, an sein weiches Herz zu glauben. 
So ward die Hochzeitsreise freier als vorher, 
          Und niemand neckte fürder die Olympier mehr.  |