Carl Spitteler
Olympischer Frühling
Carl Spitteler

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Dritter Teil: Die hohe Zeit

Erster Gesang
Moiras Gnade

                  Frühmorgens trippelte vom Gärtlein Unbekannt
Das Knäblein Eidolon, mit Namen 'Glück' genannt.
Ein Puppenfahrzeug schleift es, wonnigen Gesichts
Die Locken wiegend, hinter sich, gefüllt mit nichts;
Sang leise vor sich hin, verträumt, im Trällerton,
Des Wegs nicht achtend. Ob auch hin und wieder schon
Das Fuhrwerk kenterte, die Fracht litt keinen Schaden:
Geduldig ward es aufgerichtet, neu beladen
Mit Schein und Schemen; nun ein höher Lied zum Preise
Der Mühetat, und weiter stolperte die Reise.
Und alle Völker eilten auf das Feld geschwinde,
Mit feuchten Augen seufzend nach dem seltnen Kinde.
Und Sehnsucht schmolz, und Güte taute rings umher.

Vom höchsten Himmel, drohend von der Mauerwehr,
Blickte die Schicksalsgöttin, Moira die Gestrenge,
Die Jagd des Lebens musternd und den Markt der Menge.
Obschon sie steif und starr, ein Stein auf Steinen, stand,
Ihr finstrer Schatten, kletternd von der Weltenwand,
Verriet die Schreckliche; und winselnd floh das Grauen.
Denn furchtbar war der Göttin Richterhaupt zu schauen:
Da blüht kein Mund, da spielt kein farbig Augenlicht,
Denn eine Eisenmaske hehlt ihr Angesicht,
Mit Hörnern aus dem Helm, wo in verborgnen Schlitzen,
Zehnfach von Erz umschlossen, ihre Ohren sitzen,
Auf daß das Betteln sie nicht höre und die Schreie
Der Erdgebornen und der Flüche schwarze Reihe,
In dichten Massen hinter ihrem Haus versammelt,
Heftig die Pforte rüttelnd, Tag und Nacht verrammelt.
Als kaum ihr Blick das Knäblein Eidolon vernahm,
Das arglos in die schlimme Welt getändelt kam,
Ließ sie die Hörnermaske fallen, wand ums Haupt
Zum Friedensgruß ein knospend Kränzlein, zart belaubt,
Umgab die Schultern mit dem weißen Kleid der Gnade,
Erhob den Fuß – und stieg hinab die Weltenpfade.
Am Kreuzweg hielt sie, dann mit leichtem Achselstoß:
«Der Erde hilft kein Arzt, der Bresten ist zu groß.»
So sprechend bog sie seitwärts zum Olymp empor.
Erbarmen trug sie mit, Gewährung schwebt ihr vor.

«Was stehst du, Königin, im goldnen gütigen Tag
Einsam mit düsterm Blick, versteckt am Gartenhag,
Die Augen rollend und die Lippen blutig beißend,
Mit heftiger Hand die Rosen von den Büschen reißend?»
So grüßte Moiras milde Frage. Hera sprach:
«Wie mir geschieht, nicht wahr, ist auch mein Mut danach.
Hörst du vom Hofe das Gelaufe, Waffenklirren
Und Hufgestampf, wie sie die Reiserosse schirren?
Wer fragt nach mir? Die Fürstin zählt für nicht vorhanden.
Zeus hat zu tun, Zeus hat Geschäft in Menschenlanden.
Die andern Fraun, die dreimalglücklichen, befreit
Vom Joch des Throns, genießen eine Gnadenzeit,
Ein Stündchen Freud und Frieden, eine kurze Frist,
Da ihr Gemahl, der noch ihr Freund und Diener ist,
Nicht ihr Gebieter, ihnen sich ergibt zu eigen.
Die nüchternen Geschäfte läßt er billig schweigen,
Das Weltall ist ihm feil, nur ihr mag er gehören,
Und seine Schwüre, seine Seufzer darf sie hören.
Ich aber, am Altar geopfert, nicht getraut,
Was hab ich von dem königlichen Gatten traut?
Vielleicht ein karges Schmeichelwort, gewährt mit Hast,
Und ab und zu ein Lächeln, aus Versehen fast.
O ich begreif und schweige, ich beklag mich nicht.
Geh nur! geh! geh! ich weiß: vor allem kommt die Pflicht.
Der Herr hat sein Geschäft, der Herr hat halt zu tun.
Ich aber steh verlassen und vergessen nun.»

«Du bittre Königin, gesteift mit Stolz und Trutz,
Sag Dank, des heutigen Tages Huld kommt dir zu nutz.
Ich habe deinen Wunsch vernommen und gewährt,
Den Willen deines hohen Gatten umgekehrt,
Daß er nicht reist nach Erden fern ins Menschenland,
Sondern die Fahrt verjährt und Zug und Zeug entspannt
Und lenkt zu dir zurück den sehnsuchtsvollen Schritt.
Nach Liebe dürstend, selber Liebe bringt er mit.
Ein weitres gönnt dir meine Gnade über das:
Nimm dieses Zauberreiflein hier von schlichtem Glas,
So oft dein Finger, mit dem Zauberring bereift,
Über die Stirn des königlichen Gatten streift,
Kann er der ernsten Weltgeschäfte nicht gedenken,
An dich allein nur muß er Herz und Seele henken.
Doch willst du dir ein dornenloses Nestlein betten,
Laß ihn nicht spüren, rat ich, deine Liebesketten:
Freiwillig schlüpf er und mit Freudigkeit hinein.
Darum bezwing dich, merk den Mann und führ ihn fein.
Untätig allezeit sich nach dem Weib zu strecken
Ertragen nur die allerwindigsten der Gecken.
Ein Mann kann anders nicht als willenstätig ruhn,
Mit einer kräftigen Kurzweil muß er sich vertun.
Das Bauspiel ist der königlichen Herren Zier:
Darum vergaum ihn mit dem Bauspiel, rat ich dir,
Beginnend mit dem Dachstuhl, folgend mit dem Erker.
Je mehr er baut, je mehr wird seine Baulust stärker.
Bis er die Stirn sich wischt und jammert spät und frühe
Mit seligem Blick: ‹O weh der übermächtigen Mühe!›
Dann lobe seine Kunst; herzhaft, du darfst es wagen.
So schafft ein kluges Weib dem hohen Herrn Behagen.
Und willst du nach des Urlaubs Frist und Ende fragen,
Vernimm die Antwort, grab sie ins Gedächtnis ein:
Zeus bleibt dem Zepter fern, gehört nur dir allein,
So lang das Reiflein deinen Finger noch umringt.
Doch sieh dich vor! Das Zaubergläslein, wisse, springt,
Wenn deine Bosheit reizt den ersten Ehezwist.
Nun frag dich selber, was dein eigner Vorteil ist.»
Zufrieden meinte Hera: «Wohl mir, denn fürwahr
Mitnichten reich ich meinem Gatten Bosheit dar.»
Blinzelnd erwiderte die Schicksalsgöttin: «Offen
Gesagt, ich glaub es nicht, einstweilen mag ichs hoffen.»

Und als nun pünktlich also, wie ihr Mund gesprochen,
Geschehen war, der Zug nach Erden abgebrochen
Und zu der ungeduldigen Gattin der getreue
Gemahl zurückgeeilt, geführt von Lieb und Reue,
Begann und sprach nach einem Stündchen Kuß und Kosen,
Vollbracht im Seelenvollen und Gedankenlosen,
Die Listige: «Der Dachstuhl, wehe! wisse, wässert.»
Und als er kurzerhand den Schaden ausgebessert,
Glitt sie zur Mauer, von der Mauer nach dem Erker:
Je mehr er baute, wurde seine Bauwut stärker.
Bis er den Schweiß sich wischte und die saure Mühe
Des schweren Werks verwünschte, selig spät und frühe.
Sie aber lobte seine Kunst; er konnts vertragen.
So schuf die kluge Frau dem hohen Herrn Behagen.

Doch Moira sprach zu sich: «Zum Haupt gehört der Kranz.
Und hast du etwas angefangen, schaff es ganz!»
Dieweil doch Liebesleuten Zudrang nicht vonnöten,
Ließ sie die Klingelzüge sämtliche verlöten
Und Tür und Tor verrammeln, außer einem Pförtchen
Hinter der Küche, das sich auftat auf ein Wörtchen.
Damit dem Frieden aber auch kein Brieflein schade,
Schrob Moira vor den Eingang eine Wunderlade,
Mit einem Siebe, welches jede Sendung seihte.
Vernünftige Briefe freilich, fröhliche, gescheite,
Beförderte das Sieb mit Schmunzeln flugs ins Haus,
Dagegen unwillkommne Schreiben würgt es aus.
Allein wer schützt des Königspaares freien Wandel
Vor lästiger Leute Luftgeschwätz und Weisheitshandel?
Drum legte sie an Hundes Statt zwei grimme Greifen
Vors Tor, die mußten mit dem Königspaare schweifen.
Zum Schluß, als dies geschehen, pflanzte sie hernach
Die grüne Fahne Olbia auf des Schlosses Dach,
Die seidne, deren Wimpelvorhang, zwiegespalten,
Bauschend das Haus umzitterte mit stolzen Falten.
Darunter schwebten Tag und Nacht im Gleichgewicht.
Den Vorhang schürzt ein Wind: da sprühte spritzend Licht.

Doch sieh: was Zartes trippelt da auf Kindersocken
Zum fahnenschattigen Schloß im Mantel goldner Locken?
Bangt dir nicht vor den argen Greifen, Eidolon?
O Graus! Da schwankt es durch die bissige Gasse schon,
Fiel über eins der Ungetüme Stolperdings.
Unglaublich! Sieh: die Greifen wichen rechts und links,
Liebheulten vor Vergnügen, geiferten in Gnaden:
«Entschuldige, verzeih!» und stupften ihm die Waden,
Gern ward dem Kind das Hinterpförtchen aufgetan.
Im Schlosse trällerte sein Singelsang fortan.
Und siehe, seiner Morgenstimme rosig Lächeln
Vertrug sich mit dem waldesdüstern Fahnenfächeln.

Also, von Mühsal schwer, im frohen Reich des Schönen
Fand Zeus ein Schöpferglück in ruhigem Gewöhnen.
Hinaus aufs Baufeld trieben ihn mit jedem Morgen
Die aufgesparten lieben, ungeduldigen Sorgen,
Wo er mit meisterhaftem Blick den Handwerksleuten
Mocht einen Rat vergönnen, einen Wunsch bedeuten,
Leutselig, sich als Gleicher zwischen Gleiche stellend
Und zum verhüllten Tadel offnes Lob gesellend.
Und aus des Urteils nie befriedigtem Genüge
Wuchs herrlich himmelan des Wunderwerks Gefüge.
Dann, heimgekehrt beim letzten Abendfeuerblitz,
Nahm er das Weltenbuch, das vom gebäumten Sitz
Der Adler Brontiphor behütet, jetzt zur Hand,
Das schwere, wichtige, worin geschrieben stand,
Was seit Beginn der Welt im wechselvollen Leben
Sich alles hat auf Erden und Olymp begeben.
Ein weniges nur las er. Doch mit großem Schwung
Die Seele werfend, schöpft er aus Erinnerung
Und Ahnung in vertieftem, tauchendem Versenken
Vergeßne Geister; und ein Schauen wars, nicht Denken.
Mitunter hob er, wenn von ernsten Bildern voll
Das Herz ihm überflutete, das Haupt. Dann quoll,
Entsendet von der Fensterscheiben Widerschein,
Die Gegenwart in die verträumten Augen ein.
Der Adler, auf des Herren Schulter kauernd, hackte
Zum Spiel nach seinem Finger, den er schonend packte,
Und stellte seinen zottigen Fuß, aus Freundschaft eitel
Und Zärtlichkeit, vorsichtig auf des Königs Scheitel.
Da rauschten Frauenschritte. Feindlich blasend wich
Der Adler auf den Baum zurück und sträubte sich.
Und Hera bog sich auf des Gatten Schulter, wand
Der schmeichlerischen Arme flaumigweiches Band
Ihm um den Hals. «Lies fleißig weiter», haucht ihr Mund.
Doch andre Meinung gab ihr feuchtes Auge kund.
Und nach verscheuchten Sorgen fand die Liebe Raum.
Allein des Nachts im Schlafe führt ein stolzer Traum
Den König ins Gebirge. Zacken hoch und hehr
Verschlossen rings das Tal, und neben ihm einher
Bewegte sich von Säulen ein lebendiger Gang.
«Herbei!» befahl er. Links und rechts dem Weg entlang
Entwimmelten die Blöcke aus dem Felsenbruch.
«Auf!» Und sie türmten sich nach seinem Willensspruch.
Kaum aber, daß er drohend mit den Brauen nickte,
Erbebte rundum das Gebirge, schwankte, knickte
Und sank in sich zusammen. Aber langsam, schau,
Stieg es verjüngt empor, geformt, gefügt zum Bau.
Nicht eine Wildnis mehr: es hatte Herz und Seele,
Und dichtend schritt der Geist durch die erhabnen Säle.
Den Finger zeigte Zeus und kehrte sich im Kreise:
«Jetzund vergleich, du Wicht, und deine Werke weise,
Ananke! Zwing das Weltall, meistre die Natur!
Ich bin der König. Du: dich grüß ich 'Häuptling' nur.»

Und als nun Moiras Rückschau von der Himmelswacht
Das Werk betrachtete, das ihre Huld vollbracht,
Und sah das minniglich verbundne Königspaar
Einhellig, gegenwartvergnügt, der Sorgen bar,
Kein Unheil schleichend, keine Arglist sie umgehend,
Die grüne Fahne Olbia hoch vom Dachstuhl wehend
Und durch das Haus treppauf, treppab den Silberton
Des inzufriednen seligen Knäbleins Eidolon:
Da kam von all dem Lieblichen, das sie getan,
In schönem Rückschwall sie erneute Rührung an.
«Der guten Stunde Wahrspruch lautet 'Überfluß'.
Auf alle Welt erstrecke sich der Gnadenguß!
Das Glück soll nicht vor einer einzigen Schwelle ruhn.»
Und eine frohe hohe Zeit beliebt ihr nun:
«Ich will ein großes Weltenfrühlingsfest beschließen,
Die Götter vom Olymp hinab auf Erden gießen,
Den alten Tränenboden freundlich zu verjüngen,
Das ausgelebte Feld mit Mut und Geist zu düngen,
Zwar ohne Schranken, frei, in wilder Anarchie,
Daß niemand sie zur Rede stelle, was und wie.
Den Göttern aber einen Anfangsschwung zu leihen,
Will ich dem Weltraum einen neuen Anstrich weihen,
Der Luft ein wärmer Blau, dem Wald ein frischer Grün,
Und lodernd Lebensfeuer soll die Sonne sprühn,
Singvögel, neue, um die Höhe zu verschönen,
Mit einem Glockenspiel, den Frühling anzutönen.»

Und in den Weltenwerkhof mit dem Schlüsselbunde
Begab mit festen Schritten sie sich jetzt zur Stunde.
«Hinweg mit dem verbrauchten Rumpel, abgenutzt!
Huida! die Welt mit jungen Farben aufgeputzt!»
Gesagt, gehorcht. Das gab ein Waschen und ein Scheuern.
Gebirg und Tal und Himmel ließ sie schön erneuern.
«Sagt selbst: ists jetzt nicht wahrlich eine andre Schau?
Dem Horizont dort hinten noch ein bläuer Blau!»
Singvögel aller Gattung ließ sie dann befehlen,
Sah ihnen in die Schnäbel, spülte Kröpf und Kehlen.
Endlich die Wendeltreppe nach dem Glockenzimmer
Erstieg sie mit Harmonidas, dem Glockenstimmer.
«Laß einmal diese hören! Dort an jene poch!
Hast du», frug sie entmutigt, «keine andern noch?
Die hier, die quaken einen niederträchtigen Ton.»
«Die Kenner sagen: Üb dich, so gefällt dirs schon!
Es ist noch eine irgendwo an einer Stelle,
Allein die Kenner sagen: Ech! zu hoch! zu helle!»
«Geh hin und such sie immer. Schaff die Glocke dar! –
Wohl mir! o Wonne! tönt die Glocke wunderbar!»
«Mir schiens am Anfang auch so. Doch dem äußern Erz,
Sagten die Kenner, fehlt die Seele, mangelt Herz.»
«Zeig, laß mich nochmals hören, wies geklungen hat.»
Gehorcht. Und nie ward Moira des Gehöres satt.
Und als die letzten Töne sangen «sim» und «sum»,
Hielt sie ihr Herz daran und schlang die Arme drum:
«Wie trübt nur deinen sonnigen Sang nicht Dunst und Dampf!
Kennst du nicht auch der Leidenschaften Qual und Kampf?»
Die Glocke sprach: «Ich dachte, mich triffts, ob ich leide.
Den andern, dacht ich, schuld ich heitre Ohrenweide.»
«Begriffen», sagte Moira, «Größe stimmt dich schön.
Die Glocke», rief sie, «sollt ihr auf den Turm erhöhn!»

Und als nun schöngekämmt und spiegelblank, wie neu,
Gleich einem jungen Fräulein stand das Weltgebäu,
Kamen zwölf Schicksalsboten gen Olymp geritten,
Und eine Tafel hielten sie empor inmitten.
«Den Göttern sämtlich», schrieb die Tafel, «kund zu wissen:
Moira, die Schicksalsgöttin, gnad- und huldbeflissen,
Erlaubt der Königin zu Ehren und gewährt,
Solang die Fahne Olbia auf dem Schloßdach währt,
Euch allen eine unumschränkte Anarchie,
Keinem befehlend noch verbietend, was und wie.
Die weite Welt steht offen. Wählt nun! Wer da mag,
Liege daheim. Doch morgen früh beim ersten Tag,
Sobald ihr werdet obenher vom Weltenturm
Die Frühlingsglocke läuten hören Freudensturm,
Darf jedes Laune auf beliebigen Geleisen
In alle Winde oder nach der Erde reisen.
Einzig der Menschengau auf Erden vorbehalten,
So ob als nid dem Wald: des wird der König walten.
Nun tue jeder, was ihm gut dünkt und bequem.
Glück auf! Flieg aus! Der Frohmut ist mir angenehm.»

Wie wenn am mittagheißen Tannenwaldesrand,
Der Eltern Ruf mißachtend, eines Knaben Hand
Den Stecken grausam stochert in den Emsenhaufen
Und zornigen Gewimmels rennt empörtes Laufen
Des Kriegervolks dem Feind entgegen, Haß verheißend
Und todverachtend in die Waffe sich verbeißend,
Indes die angsterfüllten Mütter eibeladen
Entfliehn, zu retten der geliebten Kinder Maden:
So rüttelte der frohen Botschaft Jubellauf
Die glückverschlafnen Götter des Olympos auf.
Denn niemand dünkt es lästige Unmuß und Beschwerde,
Daß er die liebe Seele schaukle nach der Erde.
Bündnisse, Brüderschaften wurden flugs geschlossen:
«Wir gehn zu Fuß!» «Wir fahren!» «Wir auf Flügelrossen!»
Da gab es viel zu sorgen und zu rüsten viel.
Doch gern geschah die Arbeit zum willkommnen Ziel.

Und als am Morgen früh, des Zeichens bloß gewärtig,
Auf allen Hügeln wanderfroh und reisefertig
Die Götter nach der tiefen Erde spähten: «Schau,
Nie sah den Wald ich je so grün, die Luft so blau!
's ist wie ein Schmuck, ein Kram, ein Leckergut zum Naschen,
Und alles glänzt und glitzert wie in Schmelz gewaschen.»
Horch! Stille! Was ist das? Das Volksgemurr verstummt.
Ein Ton schlägt an. Ein majestätisch Dröhnen brummt.
Das Auge frägt den Nachbarn . . . Großen Schwalles schwang
Der Glockenmund vom Turm den Frühlingseinzugssang.
Jetzt stürzte jauchzerfrohen Jubels alt und jung,
Ein überschäumend Strombett, auf die Wanderung.

Moira vernahms im Stübchen überm Glockenhaus,
Zwei Handvoll Vögel warf sie in den Raum hinaus.
Die Sehnsucht ihnen nach. Laß sehen, welches eh!
Danach geschah mit Sturmgeschrei ein Rennen jäh.
Und als nun Lust und Lärm von allen Hängen tollte:
«Gelobt!» rief Moira. «Nun ists also, wie ich wollte.»


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