Carl Spitteler
Olympischer Frühling
Carl Spitteler

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Sechster Gesang
Ankunft

                          Ananke aber mit den gelben Tigeraugen,
Die durch die fernste Heimlichkeit zu spüren taugen,
Vernahm, was auf der Himmelshöhe sich begab,
Mit Ärger und Verdruß. Und mit dem Zauberstab
Ein Zeichen schwingend, herrscht er zu dem nächsten Stein:
«Verbrenne!» Zischend braust er auf mit Feuerschein.
Hernach zur Luft: «Herab zu meinen Füßen!» Winselnd
Und heulend rauschte nebeldampfend, regenrinselnd
In Wolken sie herab, zerfloß, zerrann, verdarrte
Raschelnd zu salzigem Schnee, erkaltet und erstarrte.
Hohnlachend rief Ananke: «Luft und Erde hören
Mein Wort, und eitle Maidlein wollen mich betören?»

Er riefs. Und stampfte grimmig nach dem Schierlingsgarten,
Wo alle Gifte gierig auf Erlaubnis warten,
Köpfte den bunten Schirm von einem Krötenpilz
Und blies den flüggen Samen aus des Hutes Filz,
Samen mit Widerhaken, dornbewehrten Sporen,
Geschickt, sich unvermerkt in jedes Ding zu bohren.
«Hui! Mit den Winden nach der Himmelsfeste reitet»
Befahl er, «und ins Herz der frechen Freier gleitet!
Ich will doch sehn! Fürwahr, das war ein tolles Stück:
Ich glaube gar, die Unverschämten wollen Glück.»

Und also stoben jetzt die Sporen mit den Winden
Zur Himmelsburg empor und wußten wohl zu finden
Das königliche Schloß, woselbst sie auf der Mauer
Des Gartens heimlich sich verlegten auf die Lauer,
Den Stachel wetzend, giftgefüllt und bosheitstrotzend,
Mit Spinnenblicken tückisch nach dem Glücke glotzend.
Hinüber nach der Brunnenhalle flog sodann
Der Schwarm, wo jeder schlau den Augenblick gewann,
Auf unhörbarem Schlitten durch der Freier Schlund
Hinabzugleiten in des Herzens dunklen Grund
Und in der Seele Falten fest sich einzuhaken.
Und kaum daß ihre Krallen in der Seele staken,
War schon der Quell des Glücks versäuert und vergiftet
Und statt der Freundschaft plötzlich Überdruß gestiftet.
So daß der Königstöchter edles Angesicht,
Ihr lockig Haar, ihr großes Auge, schön und licht,
Die sie soeben noch vor einer kleinen Stunde
Verherrlicht und gepriesen mit verzücktem Munde,
Nunmehr den Freiern ward gleich Pestgeruch verhaßt
Und ihres keuschen Leibes Gegenwart zur Last.

Verdrießlich munkelte und ärgerlich der eine:
«O mißverstehe ja nicht, Freundin, wie ichs meine.
Doch kannst du nicht vielleicht ein wenig ferner rücken?
Denn sieh, dein Knie ist spitz, und deine Schultern drücken.»
Mit saurer Miene stöhnt ein zweiter zu der zweiten:
«O welche Wonne zwar, Geliebte, dir zur Seiten!
Doch dulde, daß ich etwas weiter von dir weiche,
Damit mich deines Mundes Atem nicht erreiche.»
«Wir sind ein wenig», ächzt ein dritter, «eingezwängt
In diesem kargen Raum, wo Leib an Leib sich drängt.
Auf! In den freien Garten! Zieht voran einstweilen,
Indessen baldigst wir an eure Seite eilen.»
Gehorsam gingen jene in den Garten wandern.
«Erlösung!» zischelten die einen zu den andern.
«Schau hin, Triumph! Sie biegen in die Fliederhecken,
Schnell! Laßt uns hinter den Holunder uns verstecken.»
Doch kaum daß jene gegen den Holunder bogen,
Als diese schleunig in den Flieder sich verzogen.
Und also fort von Busch zu Busch und Baum zu Baum,
Und niemals kürzer ward der kalte Zwischenraum.

Abseits im Schutt und Unkraut schlief ein Holzverschlag,
Umringt von einem wildverstruppten Dornenhag.
Stechäpfel, hart und spitzig, wuchsen draus hervor,
Und schwierig war der Zugang zu dem einzigen Tor.
In diese Stachelburg entwichen jetzt die Gäste.
Und böse Blicke bohrend durch das Dorngeäste,
Verzehrten sie den Unmut in verstocktem Groll,
Der stumm und unvernünftig immer höher schwoll.
Bis endlich Eris haß- und zornerfüllt begann:
«Ein bittrer Ärger», rief sie, «packt mich grausam an,
Bedenk ich, wie durch dieser falschen Jungfern List
Uns Toren Heil und Hoffnung nun benommen ist!
Wir zogen unsrer Wege ruhig und zufrieden
Nach der olympischen Heimat, die uns ward beschieden,
Zu Heras fürstlichem Palaste, wo wir künftig,
Ein Volk von Königen, der Erdenherrschaft zünftig,
Das Zepter hätten über Land und Meer geschwenkt
Und Mensch und Tier nach unserm Fingerdruck gelenkt.
Wir herrschten ohne Schranken und wir schweiften frei,
Zu Luft, zu Land, zu Wasser, gleich und einerlei.
Statt daß wir hier auf diesen grellen Himmelsspitzen
Gleich Missetätern schmählich nun gefangen sitzen,
Verurteilt, ewig zwischen Paradies und Park
Umherzukreisen um die enge Schloßgemark.
Und wären wenigstens im Kerker wir allein!
Und dürften ungestört und unbelästigt sein!
Doch Berg und Sterne sich erklären lassen müssen
Und diese seelenlosen Jungfern müssen küssen,
Und ihre glatte Schönheit, jedes Geistes bar,
Ihr schales Fleisch ertragen, nein, bewundern gar!
Und nie ein denkbar Wort! Nur Lieb- und Leibesspiel!
Nein, diese Marter, teure Freunde, ist zu viel!
Man nennt sie 'gut'. Schmach über solche faule Güte!
Sie stammt vom Herzen nicht, vom lockeren Geblüte.
Wen nur der Zufall ihnen liefert ins Bereich,
Ob edel ob gemein, sie küssen jeden gleich.
Soll ich, vor falschem Selbstgefühl euch zu bewahren,
Euch ein ertappt Geheimnis grausam offenbaren?
Die Brunnenhalle, drinnen ach! sie uns geherzt,
Die Wand, darein wir unsre Namen eingemerzt,
Wißt ihr, als ich ein wenig mit dem Nagel schabte,
Was für ein hochgemutes Schauspiel mich erlabte?
Die Namen Ungezählter, die der losen Brut
Gleich uns in ihrem allzeit offnen Arm geruht!»
Mit solchen Reden schürte Eris ihren Zorn,
Und gallige Stacheläpfel pflückten sie vom Dorn.

Verwundert aber schauten nach der Dornenwand,
Von ferne stehend, scheu die schönen Amaschpand:
«Herzliebe Schwestern, könnt ihr Auskunft mir gewähren?
Ein seltsam Rätsel seh ich, kann mirs nicht erklären.
Von Frost erkältet scheint mir unsrer Freunde Mut,
Und ihre finstern Blicke, siehe, sind nicht gut.
Als ob ihr armes Herze wäre krank und sehr
Oder verirrt und fände keine Liebe mehr.»

Doch heimlich aus dem schwesterlichen Reigen schlich
Und auf des Schloßhofs Treppe setzte weinend sich
Eos, die heißen Wangen rot vor Schmerz und Scham;
Und als nun Pluto winselnd sie zu trösten kam,
Die unbeholfnen Pfoten ihr entgegenstreckend,
Aufs Knie ihr stehend und ihr Antlitz stürmisch leckend:
«Ja du! Ja du allein, du einzig fühlst Erbarmen»,
Begann sie schluchzend, seinen Hals mit beiden Armen
Umschlingend, «wenn die andern alle mich verlassen,
Der Vater mich vergißt, die Freunde schimpflich hassen.
Was nützt mir aller Fürstenglanz, der mich umgleißt,
Der Schönheit leeres Lob, womit mich jeder preist,
Wenn ich mit alledem als geizigen Ertrag
Ein Körnlein Liebe zu erschmeicheln nicht vermag?
Nach Schmuck und bunten Kleidern strebt mein Sinn mitnichten,
Auf Ehrfurcht und Bewundrung mag ich gern verzichten
Und Gruß und Huldigung des Volks und Dienerschwarmes.
Nur etwas Liebe will ich, etwas Treues, Warmes.
Die Schwalbe, nicht wahr, mit der Schwälbin baut ein Nest?
Im Tode selbst umfängt der Mensch den Menschen fest.
Einzig des Himmelskönigs Kinder schön und licht,
Eos, den Liebling Uranos', die liebt man nicht.
Wer will? wer mag? wer kommt mit mir zu tauschen? wer?
Mein vielgerühmt Gesichtlein geb ich hurtig her
Für eines Scheusals Untierkopf mit Hörnern drauf,
Schenkt einer mir zugleich die Liebe mit in Kauf.»

So klagte sie, die Stirn in Plutos zottiges Vlies
Vergrabend. Aber unten in dem Turmverlies,
Wo er dem Minotaurus, dessen Dummheit währte,
Vernunft und Einsicht mühevoll umsonst bescherte:
«Still! Halt! Mir war, doch will mirs schier unmöglich scheinen»,
Meint Uranos, «beinah, als hört ich Eos weinen.»
Und stracks, der Täuschung Grund und Anlaß zu erproben,
Fuhr er im schnellen Wagenhaus geschwind nach oben.
Und wie er nun den Liebling einsam sitzend fand,
Verweint, die Augen trocknend mit dem Leibgewand:
«Ha, laß doch wissen», knirscht er, «welch ein feiger Wicht
Entstellt mit Tränen meines Kindes Angesicht?
Sprich, teure Tochter, öffne deiner Lippen Pforte:
Wer wars, der sich vermaß und gab dir böse Worte?»
«Ach Jammer!» schrie sie, «möchtens böse Worte sein.
Doch keine guten Worte, wehe, das ist Pein!»
Und mit erneutem Schluchzen hub sie an zu sagen,
Welch plötzliche Veränderung sich zugetragen,
Der Liebe und des Hasses jäher Unterschied,
Und wie des Ekels Abscheu ihre Nähe mied,
Und wie sie überdies verstoßen und verlassen
Beschämt und einsam zogen durch die Gartengassen,
Indes, versammelt in der bösen Stachelfeste,
Mit Feindesblicken sie betrachteten die Gäste.

Sinnend vernahms der Vater. Und mit festem Schritte
Führt an der Hand er Eos in der Schwestern Mitte:
«Schwer, liebe Kinder», sprach er, «wird es mir zu sagen,
Doch sag ichs frank: die Trennungsstunde hat geschlagen.
Anankes Finger seh ich in die Ferne deuten,
Und von dem Turm des Schicksals hör ich Abschied läuten.
Zürnt jenen nicht. Denn mir allein gehört die Schuld,
Dieweil mein allzuschwach Gemüt in blöder Huld
Den ewigen Aufschub, den der Spruch des Schicksals wehrte,
Verführt von euren Bitten, töricht euch gewährte.
Umsonst! Anankes Geißel treibt sie doch von hinnen;
Zwang ers von außen nicht, so peitscht er sie von innen.
Der jähe Abscheu nämlich, dessen seid gewiß,
Rührt nicht von ihnen selbst, das ist Anankes Biß.
Und eure Zwietracht gilt mir einzig als ein Zeichen.
Doch daß wirs richtig deuten, laßt es uns vergleichen.
Erfahrt: der Bote, den ich zum Olymp gesendet,
Hat unverrichtet halben Weges umgewendet,
Weil ihm Anankes Finger Aug und Ohr verwirrte,
So daß er kundig auf bekanntem Pfad verirrte.
Weshalb denn ferner wohl vergaß ich das Gebot,
Das Luftschiff abzurüsten? Er ists, ders verbot.
Drum kommt, wir wollen jetzt zu jenen Toren gehn
Und ihnen den begehrten Abschied zugestehn.
Denn besser auseinanderfliehn in Einigkeit
Als immerdar beisammen sein mit Zank und Streit.»

Er sprachs. Und zu der Stachelburg, vom Zorn besetzt,
Schritt er hinüber mit den Kindern allen jetzt.
«Ich will mit euch, ihr Toren», hub er an, «nicht rechten.
Und ferne liegt mirs, euren Willenswunsch zu knechten.
Wes Neugier nach der Amazonenbraut gelüstet,
Frisch zu! der Weg ist frei, die Reise ist gerüstet.
Und da euch hier solch unerträglich Leid geschieht,
Heida, was wartet ihr? Hussa! Enteilt, Entflieht!
Mag sein, wenn ihr auf Erden, wo die Bosheit heckt,
Der Eifersucht genug und sattsam Streit geschmeckt,
Mag sein, daß ihr nach diesen sieben guten Sternen
Vielleicht mit bittrer Reue mögt die Sehnsucht lernen.
Indessen, was sich soll erfüllen, werde voll!
Den Abschied gebt vor allem eurem kindischen Groll
Und, während ich für euch die Brautgeschenke rüste,
Begebt mit meinen Töchtern euch hinab zur Küste
Und schöpfet Rat, ob ihr für diese letzte Frist
Nicht einen bessern Zeitvertreib zum Schlusse wißt,
Hoff ich, als Hader stiften, Haß und Bosheit üben
Und meiner guten Kinder Herzen zu betrüben.»

Nach diesen Worten schwieg er und entfernte sich.
Und mit beschämten Wangen aus den Dornen schlich
Die Schar der ungetreuen Gäste, schuldbedrückt
Und von der nahen Abfahrt wehmutvoll beglückt.
Doch ewig groß und gut und ohne Groll und Harm
Empfing die Reuigen der schönen Maiden Arm.
Aus ihren sanften Augen blühten Huld und Gnade.
So zogen sie zusammen friedlich zum Gestade.
Weil aber die Verzeihung hoch und heilig war,
Ward enger als zuvor der Bund der Freundschaft gar.

Traulich zum Herold aber flüsterte und sprach
Inzwischen Uranos: «Du weißt das Schatzgemach?
Der Schlüssel paßt zur Tür, die kleinen zu den Schreinen.
Du gehst hinauf und suchst dir von den Edelsteinen
Hurtig ein auserlesnes Häuflein flink zusammen:
Den funkelnden Saphir, des Demants farbige Flammen,
Nimm auch Rubinen eine Handvoll und Smaragd
Und was dir sonst gefällt und deinem Blick behagt
Von Schmuck und Zierat und Geschmeiden und Juwelen,
Doch nur vom Köstlichsten das Beste sollst du wählen!
Nimm nicht die roten, nimm die rosigen Korallen
Und von den Perlen nur die schwärzesten von allen,
Auf daß das Brautgeschenk dem Freiervolk zum Glimpfe
Gereichen mög und meinem Namen nicht zum Schimpfe.
Kurz, wähle mit Geschmack und handle mit Begriff.
Und alles trägst du an den Strand hinab ins Schiff.»

Er sprachs. Und während jener auf geschwinden Sohlen
Von dannen zog, behändigt Uranos verstohlen
Ein beinern Kästlein, eilte nach dem Kleiderrahmen,
Wo die Gewänder hingen, drin die Pilger kamen;
Ersah darunter einen staubigen Wanderschuh,
Versteckt ihn in den Grund des Kästleins, schloß es zu,
Begab sich nach dem Landungssteg hinab damit
Und zu den Freiern, die mit mutverlaßnem Schritt,
Trauer im Herzen und den Abschied in Gedanken,
Er sah gleich Opferböcklein ihm entgegenwanken:
«Hochedle Gäste», sprach er, «da des Urlaubs Frist
Zu Ende und der Augenblick gekommen ist,
Da spurlos ihr entflieht auf unbarmherzigen Bahnen,
Laßt einige wohlgemeinte Worte euch vermahnen.
Ihr ziehet jetzt vom lichten luftgen Himmelshaus
Ins schwüle Land der hitzigen Begierden aus,
Zum farbigen Olymp, der Zwingburg ob der Erden.
Da wird euch Liebeslust und -pein und Unrast werden.
Ferne von mir, fürwahr, euch vor dem unheilvollen
Beginnen warnen oder witzigen zu wollen,
Der Amazonen spröde Fürstin zu begehren.
Hätt ich gleich tausend Zungen, würd ichs euch nicht wehren,
Da ich, auf ewige Erfahrung fest gestützt,
Wohl weiß, daß Warnung niemand jemals hat genützt.
Laß fahren, wen Ananke zwickt und Torheit brennt!
Du hilfst bloß, daß er sehend ins Verderben rennt.
Glückauf denn! Tut, wozu euch Trieb und Schicksal zwingt,
Und jeder sehe, wem der hohe Wurf gelingt.
Nachdem einmal der Wettkampf aber ist entschieden,
Dann, Freunde, lasset euch beschwören, haltet Frieden!
Bequemt euch dem Erwählten, fechtet ihn nicht an!
Die Eintracht will: durch Richterspruch wird Recht getan.
Drum Friede! Sollte doch das tolle Werk geschehn
Und Kriegsgeschrei und Aufruhr zwischen euch entstehn,
Dann, liebe Brüder, öffnet, aber dann allein,
Hier dieses Wunderkästleins wohlverschloßnen Schrein.
Es liegt ein Zauberschatz, ein Heiligtum darin,
Der bändigt allsofort den frevlen Eigensinn.»
Mit diesen Worten hielt er ihnen wichtig zu
Das falsche Kästlein mit dem staubigen Wanderschuh.
Danach geschah des Abschieds herzerstickte Not,
Wo jeder Weh empfing und Weh dem andern bot.
Doch als das Luftschiff endlich sich begann zu regen
Und weg vom Strand die flüchtigen Flanken zu bewegen:
«Ach!» stöhnten schwer die Pilger, «darf denn das geschehn,
Daß wir die sanften Maiden nimmer sollen sehn?
Man trennt kein kleinstes Glied vom Körper ohne Schrei,
Warum denn reißen mitten sie von uns entzwei?»
Und reuevoller Argwohn focht sie grausam an,
Ob sie sich solchen Schmerz nicht unnütz angetan.

Und wie nun kleiner ward und kürzer allgemach
Die Himmelsburg und untertauchte nach und nach
Und der Geliebten Antlitz ob der Mauerwand,
Allmählich sich entseelend, Zug um Zug verschwand:
«Weh!» wimmerten die Pilger, «wars denn so gemeint?
Schaut hin, mein Licht ermattet, und mein Glück verscheint!»

Noch lange sah der Turm, das Fähnlein noch hervor;
Doch als das Fähnlein selber sich im Dunst verlor:
«Herold, du sollst gehorchen!» tobten sie und schrien,
«Steh auf! Kehr um! Wir wollen wieder heimwärts ziehn!
War uns die Torheit unsrer Wegfahrt frei erlaubt,
So sei der Einsicht auch die Rückkehr unberaubt.»
So sprechend wollten sie mit Drohen und mit heißen
Gereizten Bitten schnell das Steuer rückwärts reißen.

Da horch! Vom fernen, unsichtbaren Himmelsgau
Erklang der Maiden Lied herab durchs Ätherblau:
«Nun können unsre Augen länger euch nicht fassen,
Das Herz entbehrt der Hand, es muß euch ziehen lassen.
Ihr kehret fröhlich nun zu Fest und Hochzeit ein,
Wir aber werden, ach wie bald, vergessen sein.
Doch nicht von uns, von euch ja dachten wir zu sagen.
Verzeiht! Der Schmerz, er weiß kein ander Wort als klagen.
Lebt wohl! Der Freundschaft treu Gedächtnis folgt euch mit,
Und Heil und Wohlfahrt hefte sich an euren Schritt.»
So lautete das Lied, durchs Ätherblau gesandt
Von den entschwundnen Maiden ob der Himmelswand.
Und also lieblich sangen sie, daß Trotz und Stolz
Im Busen der beschämten Pilger weinend schmolz
Und das erlöste Leid in Tränen überquoll.
Doch als der holden Zungen letzter Ton verscholl,
Da übernahm sie der Verzweiflung stumme Not,
Und auf den Boden stürzend, lagen sie für tot.

So fuhren blindlings sie dahin in Traurigkeit,
Den Gram verzehrend und vergessend Raum und Zeit.

«Hallo! Erhebet euch und jeder rüste sich!
Wir nahen einem neuen Pol und Himmelsstrich.
Hallo! Hier ist die Grenze, dieses ist die Maut
Der Fürstin des Olympos, eurer stolzen Braut.»
Der Herold riefs. Kleinmütig schauten sie umher.
Und siehe, einsam dort im Wind- und Wolkenmeer
Ein Wachthaus auf dem Stein, das feindlich sie bedroht
Mit eines Drahtgeflechtes schweigendem Verbot.
Und während sie behutsam jetzt mit wohlgezielten
Bedächtigen Zügen langsam an die Klippe hielten,
Kam schon, ein Riesendrache, der in Lüften haust,
Das Staatsschiff des Olympos heulend angesaust,
Mit Donnersturm beladen und mit Blitz umglänzt.
Doch festlich war das ungeheure Schiff bekränzt.
Zwölf war die Zahl der luftgefüllten Schwebeballen,
Und von den Masten hingen Adler an den Krallen.
Jetzt schwang sich aus dem Staatsschiff eine starke Stimme,
Die redete und sprach mit vorgetäuschtem Grimme:
«Im Namen Heras, Königin von Erdenland,
Ich bin der Theopomp, als Führer ausgesandt,
Die Gäste des Olympos festlich zu empfangen.
Doch Wahrheit und Gewißheit muß ich streng verlangen:
Wer seid ihr, meldet, und von wannen kommet ihr?
Zu welchem Zweck, in wessen Auftrag steht ihr hier?»

«Vom Reich des Hades», sprach der Herold, «sind gekommen,
Die das Gebot des Schicksals folgsam angenommen,
Zu fahren gen Olymp, die Königin zu frein.
Ananke wills, sein Wille will vollzogen sein.»

«Fürwahr, das muß ich einen seltnen Freimut nennen,
Mir ohne Stammeln solchen Vorwitz zu bekennen.
Ha, wer die Amazonenfürstin will umwerben,
Des Leib muß göttlich sein und darf nicht müssen sterben.»

«Dein Urteil irrt, ist schon die Forderung gerecht.
Du schaust Titanenblut aus göttlichem Geschlecht.»

«Ei, seh mir einer diese übermütigen Scharen!
Gleich Wandermäusen kommen sie zuhauf gefahren,
Mit windigen Gebärden und mit leerer Hand
Zu frein die reichste Königin von Erdenland.»

«Dein Tadel ist verständig, doch verfehlt das Ziel.
Der köstlichen Gestein und seltnen Schätze viel,
Gespendet von des Himmelskönigs heiliger Macht,
Sind deiner Herrin ehrerbietig zugedacht.»

«Wohlan! Man wird sie ihrem Urteil unterbreiteten.
Da aber Billigkeit sich stützt auf beide Seiten,
So wollet nun hinüber in das Staatsschiff schreiten,
Das Abbild meiner Königin, aus Wachs erstellt,
Zu prüfen, ob die Braut dem Bräutigam gefällt.
Vielleicht, daß euren Augen ihr Gesicht nicht winkt,
Vielleicht, daß ob dem Anblick euch der Mut entsinkt.»

Bei diesen Worten hob sich plötzlich eine Tür
Im Drahtgeflecht, und eine Brücke schob sich für.
«Ihr kühnen Freier alle, tretet ein!» Mit Zagen
Betraten sie des Feuerschiffes schwanken Wagen.
Kaum eingetreten, sahn sie auch mit Bangen schon
Das königliche Bildnis sitzend auf dem Thron.
Ein Schleier zwar verbarg noch Antlitz und Gestalt,
Doch nicht des steilen Wuchses drohende Gewalt.
«Nun schauet auf!» begann der Theopomp und wog
Spielend den Schleier. Wie er ihn von dannen zog,
Gefror dem überraschten Schreck der Schrei und Oden,
Und die besiegten Blicke flüchteten zu Boden.
«Ich sehe», sprach er, «eure Stirne sich verneigen
Und euren Mund verstummen. Deutet mir das Schweigen!
Ists Widerwille, der euch also feindlich stimmt?
Ists, daß des Bildes Hoheit euch die Kraft benimmt?»
«Vor solchem hehren Wunder, wehe, das wir schauen,
Kann unser schwacher Mut auf Hoffnung nimmer bauen.»
«Doch wollet ja nicht», rief der Theopomp, «vergessen,
An Wuchs und Schönheit euch mit Heras Bild zu messen.
Auf! Eurer Männer größter trete frei heran,
Der Frauen schönste zur Vergleichung alsodann.»
Er schwieg. Doch die bestürzte Schar der Freier wich
Zurück, und jeder bückte sich und duckte sich.
«Ei!» rief der Theopomp, «wie soll ich das verstehen?
Ihr wächsern Abbild waget ihr nicht anzusehen,
Und zum lebendigen Urbild kommt ihr dreist gegangen
Und wagts und sprecht zu meiner Fürstin unbefangen:
‹Platz da! An deiner Seite, Liebchen, laß mich thronen!
In deinem Arm, in deinem Bette will ich wohnen!›
Ist solche Kühnheit, frag ich, sprecht, nicht unerhört?»

Doch als sie über diesen Vorwurf nun verstört
Die Tränen schluckten und den scheuen Fuß verlegen
Begannen nach dem Luftschiff rückwärts zu bewegen:
«Nicht also, Freunde», rief er gnädig, «haltet ein!
Bestanden ist der scharfen Prüfung spitze Pein.
Wohl euch! Wer seinen Unwert ehrlich eingestand,
Bestätigt, daß dem höchsten Wert er anverwandt.
Wollt nun vor meinen Ohren laut und deutlich schwören,
Treu und ergeben meiner Herrin zu gehören,
Olympischem Brauch und Recht gutwillig zu genügen
Und der Geronten Spruch im Wettkampf euch zu fügen.»

Und als der Treueid nun geschworen laut und klar
Und alles übrige zudem erledigt war:
«Ahoi! Nun soll olympisches Feuer sich erwahren.
Ahoi! Laßt sehen, wie die Amazonen fahren!»
Da donnerte das Schiff. Von heißem Wassersturm
Zischt in die Luft ein weißer Dampf- und Wolkenturm,
Von allen Wänden zuckten Blitze, krachten Feuer,
Und in die Ferne griff das hurtige Ungeheuer.
Wild tanzte das Verdeck von Stößen tief und dumpf,
Und schwarzen Rauches Mitternacht umschlug den Rumpf.
Hör ich Dämonen schrillen, seh ich Schemen schweifen?
Die Adler sind es, die das zornige Schiff umpfeifen.

So jagten heulend sie dahin in Gischt und Schaum,
Und unersättlich fraß das gierige Schiff den Raum.

Der Theopomp, den Arm erhebend, herrschte: «Halt!»
Da bäumte sich das Fahrzeug vor des Rucks Gewalt.
Das Heulen schwieg. Ausstöhnend ruhte das Gestampf,
Und stille Wolkenberge wirbelte der Dampf.
Da horch! Ein fernes Tosen wie von Volksgemunkel,
Und eine Stimme heischte hell durch Dampf und Dunkel:
«O Theopomp, wen bringst du über Luft und Meer
Zum farbigen Olymp im stolzen Staatsschiff her?»
«Ich bringe, wen zu bringen ihr mich ausgesandt:
Die edlen Freier bring ich aus dem fremden Land.»
«Hast alles du geprüft und wohl und recht befunden?
Und haben Treue sie geschworen unumwunden?»
«Ich hab es alles wohl geprüft und scharf erprobt,
Und Treue haben unumwunden sie gelobt.
Demütig nahen sie mit zagenden Geschenken.»
«Wohlan, ists also, magst du in den Hafen lenken.»

Jetzt flog der Wolkenvorhang links und rechts zur Seite,
Und ihrem Blick enthüllte sich in stolzer Breite
Das Hochgebirge des Olympos, wälderprangend,
Mit Städten, Schlössern, Gärten, an den Halden hangend.
Glutheißer Tannenodem schlug an ihren Mund,
Und rot von Golde funkelte des Golfes Rund,
Doch nicht von eines fremden Feuers Strahl gebadet:
Mit eignem Sonnensafte schien der Berg begnadet.
Jetzt gleich wie wenn am Markttag früh beim Morgengrauen
Der Fährmann stadtwärts steuert den beladnen Nauen
Und aus des Unterdeckes Käfigen und Pferchen
Erklingt von sangeskundigen Ammern, Wachteln, Lerchen,
Verliebten Tauben, muntern Span- und Faseltieren
Ein mannigfaltig Gurgeln, Zwitschern, Tirilieren:
So grüßten jene die olympischen Wälderhallen
Mit kindischen Turteltönen und verzücktem Lallen.
Sie mochtens schreien, mochtens seufzen, hüpfen, singen,
Doch Worte wollten ihrem Rausche nicht gelingen.
Und als nun all die tausend Wunder näher kamen
Und groß und majestätisch aus dem goldnen Rahmen
Der Berg mit Silberkrone, Schwert und Purpurschuh
Ihnen zum Gruß entgegentrat, dem Ufer zu,
Verstummten gänzlich sie und starrten traumestrunken,
Im Anblick des gewaltigen Gebirgs versunken.
Bis daß die Neugier endlich schüchtern brach den Bann
Und hob mit ehrfurchtsdumpfem Ton das Fragen an:
«Wes ist, o Theopomp, verkünde, längs der Küste
Die Stadt, wie ich im Traume keine schönre wüßte?»
«Das ist die Wohnstatt der Gemeinen und der vielen,
Die nicht mit Wert und Namen, nur mit Zahlen spielen.»
«Wer aber ist in jenen Schlössern angesessen,
Umkränzt von Gärten und von fürstlichen Zypressen?»
«Das ist der unterlegnen Freier Angebind,
Die nicht zum Herrschen, zum Genießen tüchtig sind.»
«Dort oben aber in dem finstern Walde, schau,
Auf einer Felseninsel, welch ein düstrer Bau?
An äußerm Anschein einem Kerker zu vergleichen.
Fast will bei seinem Anblick Trauer mich beschleichen.»
«Das ist die schwere Burg der königlichen Sorgen,
Des ruhelosen Heute und des düstern Morgen.
Da haust der bleiche Ruhm, da gähnt die Einsamkeit,
Und nächtens durch die Fenstergitter zischt der Neid.»
Und wieder huben schweigend sie zu träumen an,
Bis daß ein zweites Mal die Wißbegier begann:
«Von jenseits hinterm Berge seh ich Rauch entschweben,
Als Wolkenfederhut sich auf den Gipfel heben.
Aus welchem Herd, sag an, o trefflicher Berater,
Entstammt das Feuer? Und der Rauch aus welchem Krater?»
«Auch der Olymp beschattet seinen Hintergrund.
Dort raucht des Riesenkraters schauerlicher Schlund,
Dort liegt der Bergsturz, mündet der Lawinengang,
Der das entthronte Volk des Kronos jüngst verschlang.»

Und als sie längs dem häuserreichen Ufersaum
Nun langsam bogen in den innern Hafenraum,
Begrüßt von Pauken und Posaunensymphonieen,
Vom Volk umjauchzt, umtobt, umjubelt und umschrieen,
Indes von tausend Gondeln, die das Schiff umschwärmten,
Mit Zimbelrasseln wilde Dithyramben lärmten
Und schwimmende Mänaden mit verwegnem Griff
Die weißen Leiber schäkernd schleiften mit dem Schiff:
Sieh da, Melissa, der Mänaden schönste, schau,
Erklomm das Bord, schrob sich empor an einem Tau,
Und in den Mastkorb steigend, löste sie der roten
Perlengeschmückten Mähne bänderreiche Knoten,
Daß weithinleuchtend ihr Gelock im Winde strich,
Streute Geschmeid und Gürtel jauchzend hinter sich,
Und also blank und bloß warf sie in üppigem Tanze
Die kecken Worte lachend von der hohen Schanze:
«Haji! Ich will euch Symbolon und Banner sein.
In diesem Zeichen fahret zum Olympos ein.
Stark ist Ananke, aber stärker ist die Gier.
Die Erde unter euch, doch Schönheit über dir!»

Nach diesem fand die feierliche Landung statt
An der granitnen Hafenwehr der Unterstadt.
Zwei Reihen junger Amazonen dienten hier
Der Treppenmauerwand zum blühenden Spalier.
Sie hoben grüßend die gekreuzten Degen hoch.
Dazwischen duckten sich die Freier unters Joch
Und stiegen durch die kriegerische Frühlingsgasse
Empor ans Ufer, wo des Volkes wirre Masse
Den Willkomm ihnen bot mit donnerndem Geschrei,
Mit stummem Gruße der Behörden Polizei.
Am Ufer nahm sie auf ein Maultierwagenzug,
Der sie die Stadt hinan durch Fahnenwälder trug.
Indessen aus der Menge, die sich wimmelnd mehrte,
Der Willkomm wilder immer brodelte und gärte.
Und wie sie so vergnüglich im geschmeidigen Wagen
Die liebe Seele schaukelten mit Wohlbehagen:
«Gelobt! Allhier im Sonnenrost, vom Volk umtost,
Wird meinem Herzen warm und wonniglich getrost.
Ein unbekannter heißer Lebensbienensaft
Durchlodert mein Gebein mit Traubenfeuerkraft.
Nun bin ich gänzlich heil, an Mut und Willen jung,
Und alle meine Geister kauern sich zum Sprung.»

Und als nunmehr zur Oberstadt die Schillerschlange
Des farbenreichen Zuges kroch im Wendelgange
Und zwischen langen Reihen flacher Pinienwipfel
Der obern Stadt entschlüpfte nach dem letzten Gipfel
Und schwenkte vor das königliche Herberghaus:
«Wir sind zur Stelle, edle Gäste, steiget aus!»
Es riefs der Theopomp. Sie folgten seinem Worte.

Sieh: Archelaos, stehend vor des Hauses Pforte,
Der Obmann der Prytanen, welcher Salz und Brot
Den Gästen und der Fürstin Willkommgruß entbot:
«Es spricht durch meinen Mund die Königin der Erde:
‹Eh daß ich euer einem einzigen eigen werde,
Ihm alles überlassend und den andern nichts,
Gemäß dem Spruch, danach am Tage des Gerichts
Einer befunden wird der Tüchtigste und Beste,
Empfang ich alle euch als meine werten Gäste.
Noch liegt der Zwietracht struppiger Knäuel unentrollt,
Nicht mehr dem einen wie dem andern bin ich hold,
Der fremden Freunde kenn ich weder Bild noch Namen.
Drum gleich wie über Radenkeim und Weizensamen,
Wenn sie der Zufall mischt und Nachbarschaft vereint,
Mit ungeteiltem Strahl die Gunst der Sonne scheint
Und einerlei erfreut der Lorbeer und der Buchs
Den Blick, solange niedrig ist der beiden Wuchs,
Bis daß sich, wenn der Große durch die Kleinen steigt,
Was Baum und was Gesträuch gewesen, offen zeigt:
So laßt den Frieden dieses Zeitenfrühlings walten,
Die Leidenschaften ruhn, die Freundschaft sich entfalten.
Zwölf Tage gönnt das Schicksal uns die Friedensfrist:
Benutzt sie ohne Argwohn, ohne Hinterlist
Und Eifersucht in brüderlicher Einigkeit,
Der frisch erworbnen Heimat junge Neuigkeit
In freiem Wandel über Berg und Tal genießend
Und mit des Landes Art und Sitte Bündnis schließend;
Bis euch und mir des Schicksals Weckruf klingt.
Dann sehe jeder, wem der hohe Wurf gelingt.›
So spricht durch meinen Mund in ihrem gnädigen Sinn
Hera zu euch, der Amazonen Königin.
Mich aber lasset huldigend die Kniee beugen,
Dem künftigen König meine Ehrfurcht zu bezeugen.
Unwissend, welchem sie gebührt und wem sie gilt,
Bin ich euch sämtlichen sie schuldig und gewillt.»

Mit diesen Worten beugt er huldigend die Knie,
Reicht ihnen dar das Salz und Brot und führte sie
Das Haus empor in den geräumigen Schlummersaal,
Des Fenster gegen Blendelicht und Hitzestrahl
Mit purpurfarbigen Segeln waren los verhüllt.
«Ihr seid daheim. Mein Amt und Auftrag ist erfüllt»,
Beschied mit ehrerbietiger Stimme der Prytan,
«Dies Haus und sein Gesinde sind euch untertan.
Gestattet mir, in meiner Fürstin Namen nun
Den Gruß euch zu entbieten, daß euch sanft zu ruhn
In ihrem Haus beschieden sei und wonniglich.
Friede mit euch!» Mit diesem Gruß entfernt er sich.

Jetzt, während aus der Tiefe, wo die Menge hauste,
Des Festes Lärm von ferne durch die Stille brauste,
Bequemten seufzend sie die reisematten Glieder,
Das Haupt, den Leib auf das erlesne Lager nieder.
«Wohl mir! Gelobt! Nun laßt uns Red und Antwort tauschen.»
Und jeder schloß die schweren Lider, um zu lauschen.
Da senkte sich der Schlummer auf ihr Haupt herab,
Entwand mit leichtem Griff dem Geist den Herrscherstab.
Nachtwandelnd glitt die Seele staunend durch den Raum,
Und ihre gläubigen Schritte gängelte der Traum,
Das Altverwundne mit dem Jüngsterlebten mischend,
Die Grenzen fälschend und der Dinge Spur verwischend,
Daß ihrer mancher zweifelnd mit verschlafner Hand
Ob seinem Haupt betastete die Zimmerwand,
Damit des klügern Fingers Urteil ihn belehre,
Welches von beiden Traum und welches Wahrheit wäre:
Ob in der Regennacht der erebinischen Tiefe,
Ob auf dem hohen farbigen Olymp er schliefe.
Mit froher Antwort kam der Finger freudig dar:
Sie schliefen auf dem farbigen Olymp fürwahr.


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