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Zwei Federwölklein reisten früh beim Morgengrauen 
          Von Osten heimwärts über die olympischen Auen. 
          Und es begann und sprach die eine zu der andern: 
          «Schau doch, dort unten im Olymp, welch spaßhaft Wandern! 
          Gleich Bienen oder Emsen schlüpfts aus allen Schlüften, 
          Es wimmelt aus dem Wald, es wumselt aus den Klüften.» 
          «Ei, schäm dich!» rief die andre, «sag, wo kommst du her? 
          Oder verstellst du dich? Wie? Weißt du denn nicht mehr? 
          Das ist ja heut der Allerweltenfeiertag, 
          Da man um unsre Jungfer Fürstin freien mag. 
          Siehst du denn nicht Gebirg und Tal mit Blust bekränzt? 
          Und wie im Funkelsonntagskleid der Adler glänzt?» 
          Unwillig aber kehrten zu den Morgenstunden; 
          Sich um die Dämmerstunden: «Sachte! he! dort unten! 
          Was ist das für ein dummes unvernünftig Drängen 
          Mit Fäusten und mit Füßen und nach oben Zwängen? 
          Könnt ihr denn nicht ein Weilchen ruhig stillestehn? 
          Wir wollen auch wie ihr die Jungfer Hera sehn.» 
          Da stieg die Morgensonne durch den Buchenstand, 
          Scheinwerfer drehte zielend sie mit kundiger Hand. 
          Sie traf des Gipfels Wolkenhut beim ersten Streich: 
          Da wippt er mit der rosenroten Feder gleich. 
          Die Berge, säbelte der zweite, breitre Strich: 
          Mit reinem Gold und Silber panzerten sie sich. 
          Das Tageslicht entzündete der dritte Strahl: 
          Da lächelten die Farben über Berg und Tal. 
          Inzwischen schwenkte durch die Stadt der stolze Zug, 
          Der Heras heilige Hoheit nach dem Schauplatz trug. 
          Zuvorderst schritten der Behörden Ehrenwächter: 
          Erlesne Söhne autochthonischer Geschlechter. 
          Auf ihren Fahnen, Schildern, auf dem Wams der Knappen 
          Sah man den Adler, das olympische Landeswappen. 
          Dann folgten unter goldgewirktem Purpurdach 
          Im hochgetürmten Wagen die Prytanen nach. 
          Drauf, mit den königlichen Schätzen schwerbeladen, 
          Keuchte das Sklavenheer, gestemmt die kräftigen Waden: 
          Gebirge köstlichen Metalls, ein Wald von Seide, 
          Becher und Schalen, Dolche, funkelnde Geschmeide, 
          Die Früchte des Olymp, der Erde Spezereien 
          Und der Geschenke unabsehbar lange Reihen. 
          Hernach, der Weltenmacht zum Zeugnis und zum Lobe, 
          Erschien von sämtlichen Geschöpfen eine Probe. 
          Halbgötter: Nymphen, Satyrn, Musen und Bacchanten 
          Und all die andern fernen Götteranverwandten. 
          Darauf die Sterblichen: das Ungetier der Erde, 
          Der eitle Aff, der Mensch mit wichtiger Gebärde. 
          Doch gleich als wollten diese mißgestalten Schemen 
          Mit ihres Wuchses Ebenmaße sie beschämen, 
          Trat hinter ihnen ein olympischer Edelchor 
          Von Knaben und von Mädchen anmutvoll hervor. 
          Mit züchtgem Anstand setzten sie die feinen Glieder, 
          Und mit dem Maß des Schrittes flogen ihre Lieder. 
          Doch wie beschaffen ist das künftige Schauspiel jetzt, 
          Daß sich die Neugier bäumt und klein und groß sich setzt? 
          Von Haus zu Haus bis an der Zinnen Peristyl 
          Blitzt Waffenschein und lustiger Farben Widerspiel. 
          Berittne Amazonen sinds auf mächtigen Rossen. 
          Sie sitzen nicht, dem Sattel scheinen sie entsprossen. 
          Ihr sieggewisser Blick verrät: sie sind die Herrn, 
          Und wo sie nahen, ist die Königin nicht fern. 
          Schon nimmt der Jubel in der Amazonenschar 
          Die Fürstin Promachos und Iphikleia wahr. 
          Und näher immer jauchzt des Zuges Kern herbei, 
          Unsichtbar noch, doch dann und wann durchglänzt vom Schrei 
          Ohnmächtiger Trompeten. Oh! ein Blumenmeer 
          Lebendigen Schrittes flutet wogend jetzt daher. 
          Der Blick trinkt Blütenflor, der Atem saugt Arom, 
          Und schöner Frauen Füße wandeln in dem Strom. 
          Keusche Parthenier sind es, schlank und mädchenhaft, 
          Der Amazonen Nachwuchs, Saft zukünftiger Kraft. 
          Gereicht der Blust dem Leib, der Leib dem Blust zum Ruhme? 
          Und sprich: was ist hier Kelch? und welches ist die Blume?
        Ein Blick: der Jubel schweigt, die Menge fällt aufs Knie, 
          Und alle beten an in stummer Enthusie. 
          Aufrecht und stolz im Schiff des Pfauenwagens steht 
          Sie da in ihres Riesenwuchses Majestät. 
          Errötend aber auf dem Thron des Wagens liegt 
          Das schmucke Zwillingspaar, der Herrin angeschmiegt. 
          Sechs weiße Zelter ziehn den königlichen Wagen. 
          Von einem Heroldtrüpplein wird vorangetragen 
          Von Goldstoff eine mächtige Kugel, leicht, weil hohl, 
          Der Erdenherrschaft majestätisches Symbol. 
          Ein Ächzen stöhnt, ein wilder Schrei erscholl: «Erbarme 
          Dich unser, Herrin! Hebe, hebe deine Arme!» 
          Ein Weilchen widerstrebte sie. Dann gnädig hob 
          Sie lächelnd hoch die lilienweißen Arme. Drob 
          Schlug Raserei ins Volk, kein Volk mehr, eine Horde, 
          «Heil dir! Vernichte deine Feinde! Schlag sie! morde! 
          Wo sind sie? Sprich ein Wort! Wes Blut ist dir vonnöten? 
          Nenn ihn, zeig ihn, den Schelm, den Schalk, daß wir ihn töten.» 
          Doch draußen vor dem Pinientor der Oberstadt, 
          Wo man die Stadt zurück, die Landschaft vor sich hat, 
          Zerfiel des Zuges Wurm in zwei getrennte Teile: 
          Unnütz und nütze. Jene schwenkten heim in Eile. 
          Doch die zum Nutzen oder Nutzesnutz gehörten, 
          Zogen die Straße weiter hinter den Behörden. 
Indessen auf dem bergumkränzten Feld Agon 
          Harrte das Volk mit Ungeduld seit langem schon. 
          Kundschafter hatten sie zu äußerst um das Feld, 
          Der Fürstin Ankunft vorzumelden, hingestellt. 
          Und als sie nun, gewarnt von ihrem Händewinken, 
          Trompetenstoß vernahmen, dann Standarten blinken 
          Und Fahnenjubel leuchten, Lanzen glitzern sahn, 
          Stimmt alles Volk den altolympischen Hymnus an: 
          «Den Menschenkindern unten dort im Menschenland 
          Ist ihre eigne Gottheit ihnen unbekannt. 
          Sie schreien nach den Wolken: ‹Hilf uns, lieber Gott!› 
          Sie sehn ihn nicht, er hört sie nicht, du lieber Gott. 
          Doch uns hier oben im Olymp ist Heil geschehn, 
          Wir dürfen unsrer Göttin Stirn mit Augen sehn. 
          Das ist die wunderfeine Jungfer Königin, 
          Der wir mit Freuden geben Leib und Leben hin. 
          Wo bleibst du, heiliges Kind? O komm doch, komm doch balde! 
          Weh uns! Entflieht! Dort naht sie strahlend aus dem Walde.» 
          So sangen die Olympier, als sie auf den Plan 
          Hera im königlichen Wagen steigen sahn. 
          Verwundert aber auf die Zehenspitzen stellte 
          Die Sonne sich, indem sie jäh vom Sitze schnellte: 
          «Halt ein! was seh ich? Halt, ihr edlen Rosse, halt! 
          Dort unten reitet ja der Morgen in Gestalt. 
          Schlägt Weltenfrühling heut denn auf des Schöpfers Uhr, 
          Daß solch ein Wunder jüngt die alternde Natur?» 
Und als die Fahrt nun auf dem Kampffeld angekommen 
          Und jeder seinen anberaumten Platz genommen, 
          Schwieg die Erwartung. Archelaos aber brach 
          Das Schweigen, da er also zu der Herrin sprach: 
          «Großmächtige Königin, erlauchtes, heiliges Kind, 
          Du schönste aller schönen Jungfern, die da sind: 
          Ich bin dein schlichter Diener, gelte nichts aus mir, 
          Und alle Macht, die ich vermag, leit ich von dir. 
          Leih mir aus freier Gnade deinen Herrscherstab, 
          Den geb ich redlich und gewißlich jenem ab, 
          Ich schwörs vor allem Volke klar und unumwunden, 
          Der als dein Gatte deiner würdig wird befunden.» 
          Dann, als mit abgewandtem Blick sie das getan, 
          Bot er Themiurg das Zepter also redend an: 
          «Das Zepter, das aus unsrer Herrin Händen stammt, 
          Verleiht, Geronten, euch hiermit das Richteramt. 
          Aus ihrer unumschränkten Allmacht ziehts die Kraft, 
          So daß ihr keinem irgend schuldet Rechenschaft. 
          Des Wettkampfs Art und Weis, die Tage, die er zählt, 
          Es steht bei euch. Und wen ihr nennt, der ist erwählt.» 
          Und wie nun die Geronten angeschritten kamen 
          Und mit andächtger Hand das Zepter übernahmen, 
          Da schaute mit gespanntem Blick das Volk nach ihnen 
          Und lernte jedes Haupt und las in ihren Mienen. 
          Gleich wie an eines Kranken Brust, drin Fieber kocht, 
          Der Arzt bedächtig horcht und mit dem Finger pocht, 
          Indes die ängstlichen Verwandten still und stumm 
          Mit bangen Blicken ihn verfolgend stehn herum, 
          Und ob er noch so häßlich wäre von Natur 
          Und klein und alterssteif und unansehnlich nur, 
          Muß jedes Auge unablässig an ihm haften, 
          Zählt seine Runzeln, merkt sich seine Eigenschaften, 
          Und alles schmeichelt ihm und schafft ihm eifrig Ehre, 
          Als ob er nicht ein Mensch, ein höher Wesen wäre, 
          Um seinetwillen nicht, allein des Spruches wegen, 
          Womit sein mächtger Mund verkündet Fluch und Segen: 
          So wurden die Geronten der Versammlung wichtig, 
          Und jeder fühlte sich den Greisen ehrenpflichtig. 
Dann schritten zum Altare der Gerechtigkeit 
          Geronten und Prytanen. Und zu gleicher Zeit 
          Kamen verschleiert die getrosten Freier dar. 
          Die Hände legten alle über den Altar 
          Zum feierlichen Bundesschwure in der Runde. 
          «Sagt an», sprach Archelaos, «gebt uns deutlich Kunde, 
          Prytanen, steht ihr dessen unsrer Herrin Bürge, 
          Daß keiner sie verletze noch ihr Recht erwürge?» 
          «Wir stehen ihr für Recht und Macht und Ehre ein. 
          Wo nicht, so wollen wir des Todes schuldig sein.» 
          Themiurg, der Obmann der Geronten, drauf begann: 
          «Ich frag euch, würdige Richter, sprecht und schaut mich an, 
          Wollt ihr den edlen Kämpfern, schwörts mit Mund und Händen, 
          Ein gleiches Maß und ein gerechtes Urteil spenden?» 
          Sie sagten: «Spräche unser Spruch im Widerspruch 
          Mit Recht und Billigkeit, so treff uns Tod und Fluch.» 
          Und das beschworen sie. Und als nun ebenfalls 
          Die Freier eidlich zugesagt bei Kopf und Hals, 
          Daß keiner etwa seinem ungeschickten Glücke 
          Mit Frevel in den Sattel helfe oder Tücke, 
          Und jeder seinen Sitz und Standort eingenommen 
          Und Andachtstille herrschte, feierlich beklommen, 
          Hob Archelaos, der Prytan, die Beterhände: 
          «Gestrenge Moira, unvernünftigen Zufall wende! 
          Laß nicht den schlausten, laß den besten Mann gewinnen! 
          Ihr Völker schaut daher, der Wettkampf wird beginnen.» 
«Der Wettkampf, der bestimmt war diesem ersten Tage», 
          Begann der Herold Hermeneus, «begreift die Sage. 
          Wer also, frag ich, wagt es von den edlen Helden, 
          Zum Wettgesang der freien Dichtkunst sich zu melden?» 
          Er riefs. Und wie nun der geschäftigen Weibel Mund 
          Ihm gab die Namen der Bewerber treulich kund: 
          «Den Wettstreit des Gesanges wagen kühn und frei», 
          Verkündet er, «der hochgemuten Helden drei: 
          Zeus, Hermes und Apoll. Das Los wird nunmehr küren, 
          Welch ihrer einem mag der erste Sang gebühren.» 
          Und als das Los der Halme nun gezogen war, 
          Bracht er mit lauter Stimme das Ergebnis dar: 
          «Den Vorrang hat Apoll. Er nahe ungescheut. 
          Es wäre denn, daß ihn der schnelle Vorsatz reut.» 
          Apoll erschien. Und siehe da, beim ersten Schritt 
          Zog er die Freundschaft und Bewundrung aller mit. 
          Wer aber ist der Jüngling, der voran ihm schreitet? 
          Ein Siegesdämon, der ihn überall begleitet; 
          Von Glanz umhüllt, den andern allen unsichtbar. 
          Nur Heras lauernd Auge nahm den Dämon wahr. 
          «Der ists», bestätigte der Haß der Königin, 
          «Doch wehr ich dir den Preis, dein Dämon her und hin!» 
          Indessen zu Apoll erhob Themiurg die Frage: 
          «Ist dir vielleicht, Apoll, zum Frommen deiner Sage 
          Erwünscht, daß wir zuvor mit Saitenspiel und Singen 
          Die freie Seele dir dem niedern Staub entschwingen?» 
          «Der Töne Krücke», sprach Apoll, «bedarf ich nicht. 
          Im Blicke fliegt mein Geist, mein Führer ist das Licht. 
          Der unbegrenzte blaue Äther, hoch und hell, 
          Der Erd und Himmel eint, ist meines Liedes Quell.» 
          Und nach der Stelle schauend, wo den kühnsten Sprung 
          In ahnungsweite Fernen tat des Himmels Schwung: 
          «Von Hohem her, von einem Dämon unbekannt», 
          Hub an Apoll, «wird diese Sage mir gesandt. 
          Mit Namen Psyche lebt ein stummes Hirtenkind, 
          Einfältig, aber schön von Wuchs und fromm gesinnt. 
          Da wo ein See am stillsten und am tiefsten war, 
          Kam jeden Morgen sie vom Wald mit Blumen dar 
          Und drohte mit dem Finger: ‹Ei, was spiegelst du 
          Die Berge alle mir und Wald und Flur dazu? 
          Kosmos, den Sohn des Königs, soll dein Spiegel zeigen, 
          Von dem mein Herze jauchzt und meine Lippen schweigen.» 
          Und als im Wasserspiegel Kosmos' Bild erschien, 
          Warf sie ihm Küsse zu und all die Blumen hin 
          Und wiegte sich und tanzt und zierte sich davor, 
          Bis daß beim Abendwind das Bildnis sich verlor. 
          Hienach zum Walde heimwärts schwang die Einfalt sich 
          Und sang im Herzen: ‹Wer ist seliger als ich?› 
          Doch eines Wintermorgens, wehe, siehe da, 
          Verändert war der Blick des Bildes, das sie sah. 
          Die jugendroten Wangen schauten blaß und bleich, 
          Die Augen traurig und die Lippen schmerzensreich. 
          Die Tasche warf sie um und nahm den Hirtenstab 
          Und wanderte zur Stadt und Königsburg hinab. 
          ‹Weint nicht und laßt das Klagen›, sprach sie durch Gebärden, 
          ‹Von mir wird Kosmos Heilung und Genesung werden.› 
          Verächtlich ward dem König Vater angesagt: 
          ‹Vor deiner Schwelle kauert eine junge Magd, 
          An Kleidung einer Hirtin ähnlich, rauh und schlicht; 
          Zwar lieblich wie der Tau des Morgens von Gesicht, 
          Doch ihre Lispelzunge lahmt ein stumm Gebrechen. 
          Und deines Sohnes Heilung scheint sie zu versprechen.› 
          Gebeugten Hauptes trat der König vor die Pforte, 
          Begann und sprach, und seine kummervollen Worte 
          Benetzte wiederholt der Tränen bittre Flut: 
          ‹Gruß dir und Dank, du gläubig Mägdlein fromm und gut! 
          Doch was den Weisesten und Klügsten nicht gelang, 
          Was selbst mein Zepter nicht um goldnen Lohn erzwang, 
          Wo Königsmacht, Arznei und Witz vergeblich sind, 
          Was will vor meiner Tür ein stumm, einfältig Kind? 
          Denn sieh, an meines Sohnes Beinen nagt ein Fluch, 
          Und also kündet des Orakels düstrer Spruch: 
          Nicht eher wird Genesung seine Kräfte wecken, 
          Eh nicht im Badesaal das tiefe Marmorbecken 
          Vom Wunderwasser Lyson quellend überläuft, 
          Das einzig in dem Haus des Todes spärlich träuft. 
          Von tausend Todesqualen wird ein Tröpflein gar, 
          Das sickert aus der Erde jedes Weltenjahr. 
          Äonen spenden eines winzigen Näpfleins Fülle. 
          Nun sehet, wer das tiefe Marmorbecken fülle.› 
          Doch Psyche lächelte. ‹Mein Weg ist mir befohlen›, 
          Glänzt es aus ihrem Blick, ‹die Tröpflein will ich holen. 
          Ich will hinuntersteigen in die Todesgruft. 
          Führt mich zu Kosmos›, schrieb ihr Finger in die Luft. 
Im Hof, im Mittagssonnenscheine nächst der Mauer, 
          Lehnte der kranke Königssohn im Fieberschauer, 
          Und seine trüben Dulderblicke, müd und alt, 
          Über den goldnen Weinberg sendend: ‹Mir ist kalt!› 
          Er sagt es leis, und in besonnte Wollendecken 
          Mocht er die kraftverlaßnen Knie und Füße strecken. 
          Den königlichen Mantel aber, groß und schwer, 
          Drauf Mond und Sonne prangten und das Sternenheer, 
          Legt ihm der Vater um die Schultern, dessen Falten 
          Vom Kopf zum Boden schimmernd die Gestalt umwallten. 
          Und traurig schaut aus Mond- und Sternenglanz der Kranke 
          Wie durch den Tanz am Hochzeitsfest ein Todgedanke. 
          Doch als nun Psyche vor den Kranken knieen kam, 
          Ins Aug ihm schaut und seine Hand zum Kusse nahm, 
          Zerschmolz das Frösteln, Wärme quoll durch seine Glieder, 
          Und mählich fand er das verlorne Lächeln wieder. 
‹Du also mochtest, einen fremden Mann zu heilen, 
          Die Heimat lassend, über Berg und Wälder eilen? 
          Und untertauchend in des Todes finstres Haus 
          Willst du für mich ertragen irdischer Qualen Graus?› 
          Mit leiser Zunge flüstert es der Königssohn. 
          ‹Doch welchen Dank begehrst du›, fuhr er fort, ‹zum Lohn?› 
          Und segnend koste seine Hand um ihren Scheitel. 
          Doch Antwort strahlt ihr stummer Blick: ‹Aus Liebe eitel.› 
Und eine Ampel nahm das Mägdlein in die Linke, 
          Daß in der Todesnacht ihr Licht und Hoffnung blinke. 
          Ein winzig Näpflein aber hielt sie in der Rechten, 
          Aus Schmerz und Qual ein heilig Tröpflein zu erfechten. 
          Also gerüstet schritt sie durch das Todestor . . . 
          Wann schwingt sich Psyche wiederum zum Licht empor? 
          Das Lyson in der Hand, in Dulderschönheit prangend? 
          Als einzgen Lohn ein dankbar Lächeln nur verlangend? 
          Wann wird im Marmorsaal das Becken überfließen? 
          Und wann dem kranken Kosmos endlich Heilung sprießen?» 
Mit diesen Worten schloß Apoll. Und lang noch rauschte 
          Der Nachhall seines Liedes, welchem jeder lauschte. 
          Doch anders Hera, die beständig, allsolang 
          Apollons Mund die wehmutvolle Sage sang, 
          Unruhig, gleich wie wer sich nach dem Ende sehnt, 
          Sich links und rechts gedreht, geschwatzt, geseufzt, gegähnt. 
          Jetzt rümpfte sie die Nase: «Pfui der kindischen Märe! 
          Von Tiefsinn spür ich nichts, nur eine lange Leere.» 
«Als zweiter», rief der Hermeneus jetzt feierlich, 
          «Sprang Hermes aus dem Lose. Dieser nahe sich.» 
          Und als nun Hermes leichten Fußes kam gegangen, 
          Blieb aller Wohlgefallen an dem Helden hangen. 
          «Der scheint mir», lautet es im Volk, «Apollons würdig, 
          An Anblick ebenschön, an Adel ebenbürtig.» 
          «Ist dir», begann Themiurg in Gnaden, «Saitenspiel, 
          O Hermes, überflüssig und Gesang zuviel?» 
          «Ein Wandrer ist mein Geist, er pilgert in die Ferne. 
          Der Töne liebliche Geleitschaft mag ich gerne. 
          Manch ein geheimnisvoller Zauberborn entspringt 
          Plötzlich dem Seelengrunde, wenn die Saite klingt.» 
          Zwölf edle Autochthonensöhne, tongewandt, 
          Nahmen die veilchenförmige Laute jetzt zur Hand; 
          Aus Zedern des Olympos war das Holz gebaut, 
          Von kundgen Satyrn; lieblich säuselte der Laut, 
          Bald wie der Wind im Walde, bald wie Frauenzungen, 
          Doch als der Harmonieen letzter Ton verklungen, 
          Erhob sich Hermes und beschattete sein Haupt: 
          «Ich schaue hell. Die Wahrheit naht. Hört an und glaubt. 
Elysion heißt ein stilles, bergumschloßnes Tal, 
          Nahe der Welt, ihr ähnlich, doch erlöst von Qual. 
          Gebirg und Wälder, Dörfer, Städte, Bach und Auen 
          Nicht besser als auf Erden sind daselbst zu schauen. 
          Was du erblickst, erscheint gewöhnlich und alltäglich, 
          Verdroßnen Murrens ist Elysions Inhalt säglich. 
          Was staunen die verstorbnen Seelen denn? Warum 
          Umstarren sie so gierig, gläubig, andachtsstumm 
          Mit feuchtem Blick den feilsten Umstand? Welch Gemüt 
          Ists, das aus diesem Stein, aus jenem Holze blüht? 
          Versteh, die Bilder, die du siehst in diesem Tal, 
          Sind des vergangenen Geschehens Widerstrahl; 
          Zu unauslöschlichem Gedächtnis abgestreift 
          Den Dingen, die die harte Wirklichkeit begreift. 
          Und jeder kann dahier getreu und deutlich lesen, 
          Wie damals ihn die Welt umstand, als er gewesen. 
          Auf breiter Straße kommen brüderlich gegangen 
          Die Völker, die des Todes Taufe jüngst empfangen. 
          Gleich einem heiligen Festzug wallt daher ihr Wandeln, 
          Und wichtige Dinge scheint die Rede zu verhandeln. 
          Doch dünnen Denkens Blaßgespinste sind es nicht, 
          Wovon der nimmermüde Mund geschäftig spricht. 
          Sie spüren auf verborgenen Erinnerungsschlichen 
          Nach den erlebten Erdenmärchen, die verwichen; 
          Jeder erzählend seine kleine Lebensfahrt 
          Durch Einen Raum und Eine selbe Gegenwart. 
          Und freudig siehst du dankerfüllte Blicke glänzen, 
          Kann wer das eigene Gedächtnis ihm ergänzen. 
          Also Vergangnes schauend, erdwärts abgewendet, 
          Sind für Elysions Ebenbilder sie verblendet. 
          Gleichgültig wandelnd auf der breiten Völkerstraße, 
          Betrachten sie zerstreut der Berge Form und Maße. 
          Doch halt! Mir ist, als ob ich jenen Hügel kennte, 
          Als ob der Wald, die Hecke meinen Namen nennte. 
          Das Auge starrt, die Lippe zuckt: ‹Halt ein! Halt ein! 
          Die Ortschaft ist mein eigen, dieser Fleck ist mein. 
          Hier ward von mir gelitten, ward von mir gelebt, 
          Hier hab mein Herz ich, meine Hoffnung angeklebt. 
          O laßt mich meiner Kindheit Träume geizig sammeln, 
          Vor dieses Hauses Tür das Wörtlein Heimat stammeln! 
          Laßt ewig lesen mich in diesem heiligen Buch 
          Und mich berauschen an des Gärtleins Feldgeruch!› 
          Vom engsten Winkel, hinten in Elysions Tal 
          Erhebt sich ein gewundner Fußpfad, steil und schmal, 
          Der über eine Hügelwelle hurtig schreitet 
          Und jenseits nach dem Land der Erde niederleitet. 
          Einsam dort oben siehst du einen Ahorn grüßen, 
          Ein Abschiedszüglein wankt vorbei auf Pilgerfüßen. 
          ‹Wohin, ihr lieben Brüder? Saget an: wohin?› 
          ‹Hinab nach Erden, unsrer Heimatdichterin.› 
          ‹Warum denn von Elysions seligen Gründen scheiden?› 
          ‹Um abermals zu leben, abermals zu leiden, 
          Auf daß aus rohem Weh und gröblichem Erfahren 
          Erinnrungswehmut wir gewinnen und ersparen.› 
          Das also ist es, was Elysions Tal enthält, 
          Vom Nachglanz flüchtger Zeiten eine ewige Welt. 
          Die Rede schildern nicht, sie sagts genau und grau. 
          Versuchs, mit Dichtersehnsuchtsaugen geh und schau.» 
Hermes nach diesen Worten endete hiemit. 
          Indes der Hörer Geist ergänzend weiterschritt, 
          Zu Ende träumend, was der Seher vorgedichtet. 
          Und jedes Auge blieb auf seinen Mund gerichtet. 
          Huldvoll in Gnaden aber vor den Thron beschied 
          Hera den Sänger: «Heil dir, Hermes! Welch ein Lied, 
          Gedankenschwer und mächtig, hast du uns gesungen! 
          Sieh mein gerührtes Herz, von deiner Kunst bezwungen. 
          Nicht weiß ich, wen der Urteilsspruch zum Sieger kürt, 
          Doch wär ich Richter, wüßt ich, wem der Preis gebührt. 
          Nimm meinen Dank inzwischen als Ersatz zum Pfand.» 
          Und reicht ihm lieblich lächelnd ihre weiße Hand. 
Zum drittenmal begann der Hermeneus und sprach: 
          «Ein letzter von den Sängern mangelt uns hienach: 
          Der edle Zeus. Er nahe sich von seinem Stand.» 
          Und alle spähten, nach dem Künftigen gespannt. 
          Doch gleich wie wenn beim Dämmerzwielicht früh am Morgen, 
          Vom Hahnenschrei gemahnt und der Geschäfte Sorgen, 
          Der träge Knabe taumelt mit verschlafnem Sinn 
          Blinzelnd und gähnend nach dem Faselstalle hin 
          Und lockt mit weichem Ton und schmeichelnder Gebärde 
          Das Hühnervolk und der Kaninchen sanfte Herde, 
          Und ohne Argwohn tastet er entlang den Wänden, 
          Bald hier, bald dorthin greifend mit den blinden Händen, 
          Doch zähnefletschend statt der trauten Tierchen glotzt 
          Ein Iltis ihm entgegen, der ihm fauchend trotzt: 
          So prallten die Versammelten enttäuscht zurück 
          Als Zeus erschien; und keiner bot ihm Gruß und Glück. 
          Gewöhnlich von Gestalt, das Antlitz ungefähr, 
          Wankt er mit Adlertritten ungeschickt daher. 
          Ein jeder spürt ein Etwas, das sich nicht gehört, 
          Und alle fühlten sich beleidigt und empört. 
          Ein tausendstimmig feindlich Murren, unmutvoll, 
          Das war der Willkommgruß, der Zeus entgegenscholl. 
          Doch Hera biß sich in die Lippen, wandte sich 
          Ergrimmt zum Theopomp und schalt ihn ärgerlich: 
          «Ei du verwegner Gaukler, falsch und ehrvergessen! 
          Welch einer frechen Täuschung hast du dich vermessen! 
          Meine Geduld ist lang, doch nicht von ewiger Dauer. 
          Von wannen, sprich! bekenne! kommt mir dieser Bauer?» 
          Ins Mittel aber legte sich der Hermeneus: 
          «Erhebe ruhig deine Stimme, edler Zeus! 
          Und wolle mit des Volkes Unverstand nicht fechten. 
          Vertraue dem Gericht, es wird dich billig rechten.» 
«Ich will erzählen einen königlichen Traum», 
          Sprach Zeus, «doch daß er euch behage, höflich kaum. 
          Mir war, wir ständen, unsern Willen zu erproben, 
          Unten vor einem Berge und die Fürstin oben. 
          Die andern rollten aufwärts nach der Königin, 
          Mit schwachen Händen schiebend, ihren Willen hin. 
          Doch arme mitleidwürdige Willen waren das, 
          Die blöden Füße brüchig und der Rumpf von Glas. 
          Ich sprach: Nun sollt ihr meinen eignen Willen sehn, 
          So könnt ihr meine Überlegenheit verstehn. 
          Ich warf ihm Zorn; im Zorne einzig mag ich werben. 
          Die fremden Willen schmiß ich allesamt zu Scherben, 
          Doch meine Kugel flog bergan im Siegeslauf. 
          Moira erschien und peitschte sie zum Ziel hinauf. 
          Ananke gab mir diesen Traum und hieß michs wagen, 
          Ihn zu bekennen. Weitres hab ich nicht zu sagen.» 
So Zeus. Doch der Verachtung frostige Eisesnadeln 
          Umstarrten ihn ringsum, vernichtender als Tadeln. 
          Der Herold aber sprach: «O Zeus, was zögerst du? 
          Hast du ein Übriges zu sagen, setze zu! 
          Doch hast du deinen Spruch geschlossen und geendet, 
          Was stehst und wartest du, zur Königin gewendet?» 
          «Ich warte, ob die Königin mich nicht erkenne, 
          Ob ihr nicht Moiras Zunge meinen Namen nenne. 
          Ich stehe, bis ihr Mund zu den Geronten spricht: 
          Da, wo ein Zeus erscheint, bedarfs des Wettkampfs nicht. 
          Schaut hin: um seinen Scheitel blitzt Anankes Strahl. 
          Willkommen Zeus, mein Herr und ehlicher Gemahl!» 
          Die Fäuste ballte gegen Zeus die Königin: 
          «Ein Bauer bleibt, was Bauer war von Anbeginn. 
          Das Brandmal, das dich merkt, ist nicht Anankes Strahl. 
          Das Mal der Frechheit ists und Niedrigkeit zumal. 
          Nimm eine Klingel in die Hand, du Widerhold! 
          Und hier, was ich dir schenke, dies gemünzte Gold, 
          Und zieh hinab vors Schloß und mit der Klingel schell, 
          Und meinen Mägden in den Schoß die Münzen prell. 
          Wenn um dein Gold sich eine einzige von allen, 
          Die Augen schließend, deine Küsse läßt gefallen, 
          Dann wags und komm und geh zum zweiten Male hin 
          Und wirb um Hera, die olympische Königin.» 
          «Ich kam», versetzt erbleichend Zeus, «ein schlichter Wandrer 
          Vom finstern Erebos, nicht anders als ein andrer, 
          Klein und bescheiden, Überhebung lag mir fern, 
          Zufrieden als ein unnütz Göttlein lebt ich gern. 
          Anankes strenger Wahlspruch hat mirs nicht erlaubt, 
          Er maß mir eine Herrscherbinde um mein Haupt 
          Und zwang mir einen rücksichtslosen Selbstmut ein. 
          Drum muß ich anspruchsvoll und groß und traurig sein. 
          Du aber, Jungfer, nimm mein gnädig Mitleid jetzt: 
          Ich hatte dich an Wert und Maß zu hoch geschätzt, 
          Da ich die unverdiente Ehre dir getan, 
          Zu glauben, deine Ahnung reich an mich hinan. 
          Torheit! Sei Göttin oder Fürstin noch so groß, 
          Im Kernhaus sitzt ein unbedeutend Weiblein bloß. 
          Ich fände leicht dein Wohlgefallen, wög ich nichts. 
          Nun weiß ich, daß ich wichtig bin: dein Abscheu sprichts. 
          Doch da du einen Bauern mir ins Wappen malst, 
          Den Mägden mich verwirfst und Schimpf mir offen zahlst, 
          Wohlan, so schwing ich auf dein Haupt des Schicksals Grimm. 
          Vernimm, was ich dir schwöre, Königin, vernimm: 
          Wenn einst dir bittre Reu im Herzen aufersteht, 
          Zu spät, hochmütige Jungfer Königin, zu spät! 
          Von mir, den du verwirfst, von mir wirst du verschmäht. 
          Es wäre denn, daß du zuvor dich schimpflich büßest, 
          Mit knechtischen Gebärden meinen Groll versüßest, 
          Als Bettlerin demütig vor mein Lager schleichend, 
          Mit untertänigem Kniefall meinen Stolz erweichend.» 
Wie wenn ein Feuerkorn, dem Felsen eingezwängt, 
          Aufbrüllend die gezackte Küste plötzlich sprengt 
          Und zischend schlagen wildempörte Wasserflammen 
          Über des unvorsichtgen Schiffers Boot zusammen: 
          Also umtobte Zeus der Autochthonen Wut. 
          Der rief nach Ruten, jener forderte sein Blut. 
          Und von den Bänken stürzten gleich Gewitterbächen 
          Die Amazonen, ihrer Herrin Schimpf zu rächen. 
          Mit Mühe konnte kaum, die Nähe flink benützend, 
          Die Heroldschar ihn retten, mit dem Leib ihn schützend. 
          Gen Himmel aber blickte dankend Zeus: «Gelobt! 
          Der ist fürwahr der Herr, um den der Aufruhr tobt.» 
          Doch Archelaos hob den königlichen Stab 
          Und gab das Urteil der Prytanen also ab: 
          «Ihr Völker, euer Zorn ist löblich, doch zu eilig, 
          Auch des Verbrechers Antlitz vor Gericht ist heilig. 
          Der Fürstin Hoheit hat zum Hüter die Prytanen, 
          Die den erlittnen Unglimpf also hiemit ahnen: 
          Kraft dieses Zepters, das die Königin mir lieh, 
          Verkünden sie durch meinen Mund und wollen sie: 
          Dieweil der edle Zeus, von Übermut gebläht, 
          Der Fürstin heilig Haupt mit frevlem Wort geschmäht, 
          Erklären wir ihn aus der Zahl der Kampfgenossen 
          Getilgt und ewiglich vom Wettspiel ausgeschlossen. 
          Ihr Weibel, führt den Unberufenen hinaus!» 
          Ein wildes tausendstimmiges Jubelsturmgebraus 
          Belobte Archelaos' Wort. Und Beifall dröhnte 
          Dem strengen Spruch, der Heras Majestät versöhnte. 
          Also geschahs. Geleitet von der Weibel Führung 
          Schied Zeus. Und alle mieden seines Hauchs Berührung. 
Zum Urteilsspruch verzog sich jetzt die Richterrunde. 
          Als sie beraten hatten eine kleine Stunde, 
          Erschloß der Hermeneus den stimmgewaltgen Mund 
          Und gab das Richterurteil weithin also kund: 
          «Hört an, ihr Völker, was das würdige Gericht, 
          Vernimm, erlauchte Fürstin, was das Urteil spricht: 
          Die Meinung ist geteilt, die Stimmen zählen gleich. 
          Apoll wie Hermes schätzen wir erfindungsreich. 
          Je nun, nicht jedes gute Ding hat einen Gipfel, 
          Der Baum hat einen, jener hat verschiedne Wipfel. 
          Treff ich statt eines wackren Meisters ihrer zwei: 
          Des besser, denn ich sehe nur Gewinn dabei. 
          Darum als Sieger sind ernannt im Streit der Sage 
          So Hermes wie Apoll. Genug an diesem Tage. 
          Urlaub gewähr ich. Wer da mag nach Hause eilen, 
          Glück auf! Wer aber will, der darf beim Fest verweilen.» 
          Da brachen mit der Fürstin auf die Amazonen. 
          Die andern aber mochten gern beim Feste wohnen 
          Und weilten sämtlich auf dem grünen Felde dort. 
          Und ein umfassend Fest eröffnete das Wort 
          Des milden Archelaos, so mit Tanz als Singen 
          Und Markt und Gaukelei. Die Wasser ließ er springen, 
          Und Speisen liefert er, aufschließend seine Schätze, 
          Damit das Herz sich labe und der Mund sich letze. 
          Das schauend, schied der Ernst. Behagen stieg zu Thron, 
          Und fröhlich schmausend witzelte der Autochthon. 
          Drob lachte der olympische Tag in Glück und Glanz, 
          Bis daß die Sonne sank in Gold und Mückentanz. 
          Doch als die letzten Strahlen blitzten durch die Äste, 
          Brachen sie auf und kehrten singend heim vom Feste. 
Inzwischen irrte Zeus, von bitterm Gram zernagt, 
          Ruhlos von den Gedanken vor sich her gejagt, 
          Im finstern Waldgebirge einsam hin und wieder. 
          Auf einer kahlen Höhe fiel er traurig nieder. 
          «Dich klag ich, Moira», stöhnt er, «dich, Ananke, an! 
          Was habt ihr mir, dem Unglückseligen, getan! 
          Weh mir! Der Zorn ist aus dem Herzen mir gehüpft! 
          Ein töricht Wort ist von der Zunge mir geschlüpft. 
          Ich wollt es wahrlich nicht, es kam unabgesehn, 
          Doch da ichs einmal tat, so gilts und bleibt bestehn. 
          Laß schauen, Moira, leg es offenkund zutage, 
          Ob Lüge oder Wahrheit spricht die schöne Sage, 
          Daß die Beschimpften du erhöhest aus dem Staube, 
          Und der Beschämung gibst die Üppigen zum Raube. 
          Erhöre mich: Laß Hera ihre Hoffart büßen! 
          Laß sie die Schande kennen und die Demut grüßen! 
          Laß heimlich sie zur Nachtzeit an mein Lager schleichen, 
          Kniefällig bettelnd meine Gnade zu erweichen!» 
So betete der Held im Schmerzensübermaß. 
          Einsam im schwarzverhängten Welttheater saß 
          Moira, indem ihr Auge auf die nachtumgraute 
          Geheimnisvolle Bühne ernsten Blickes schaute, 
          Darauf der flüchtigen Lebensbilder Zitterschimmer 
          Erregt vorüberzog in schwirrendem Geflimmer. 
          Ein Diener überreicht ihr Zeus' Gebet. Sie blickte 
          Nachlässig hin, verstand, bewilligt und benickte.  |