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Zwanzigstes Kapitel.

Als er vor dieser schönen und bevölkerten Stadt anlangte, sah er eine Meile etwa vor ihren Wällen ein Lager aufgeschlagen – auf dem Gipfel eines Hügels. Zelte aus Seide und Gold und Speere mit vergoldeten Spitzen und Pfähle mit vergoldeten Kugeln boten ein prächtiges Bild.

Dies war das Lager der Begum Muti Mahul, wie die Königin von Saba oder die Madame Montreville bei den Eingeborenen hieß.

Hartley ging traurig im Schatten einiger Magnolien auf und nieder, in Gedanken über seine Geliebte und seine eignen Aussichten. Das Bewußtsein, ihr so nahe zusein, erhöhte noch die Bitternis seines Schmerzes, denn hier erst war es ihm so recht klar, wie gering die Hoffnung war, sie retten zu können. Ein Liebhaber von romantischer Sinnesart wäre vielleicht auf den Gedanken gekommen, sie durch List oder Gewalt zu retten, aber Hartley war zwar ein mutiger Mann, hatte aber keinen Hang zu Abenteuern und würde jeden derartigen Gedanken von sich gewiesen haben.

Wahrend er noch in solche Gedanken versunken, auf und ab ging, riß ihn Geschützdonner, der von den Bastionen der Stadt herunterklang, aus seiner Schwermut. Gleichzeitig sah er von Norden her eine Schar Reiter heransprengen, durch den Staub hindurch erkannte er auch Elefanten und königliche Banner, und konnte nun nicht mehr länger im Zweifel sein, daß er hier die Rückkehr Tippu Sahibs mit ansah.

Aus der Stadt scholl lauter Jubel herüber, während der ganze Schwarm zu den Toren hineinbrauste.

Bald darauf ritten Boten ins Lager der Begum und meldeten ihr, daß der Fürst zum Orte der Zusammenkunft seinen Garten vor der Stadt bestimme und daß die Zusammenkunft stattfinden sollte zur Mittagszeit des folgenden Tages. Dies war die Antwort auf die Anfrage der Boten der Begum, die den Fürsten vor seinem Palast kniend erwartet hatten.

Genau zur Mittagsstunde des nächsten Tages verkündete Kanonendonner, daß Tippu seinen Elefanten bestiegen habe. Der tiefe Klang der Staatstrommel tönte weithin. Dann kam zu den Toren hinaus die feierliche Prozession in all der überschwenglichen Pracht des Orients.

Tippu selber ritt reich geschmückt auf seinem Elefanten in einer aus Silber und Gold kostbar gearbeiteten Sänfte. Hinter ihm ritt die große Schar der Hofschranzen, die alle aufs glänzendste gekleidet waren.

Kaum war der Prinz Tippu, in den fürstlichen Gärten angelangt, von seinem Elefanten gestiegen und hatte in seinem Staatspavillon sich auf den Thron niedergelassen, so nahte auch schon die stattliche Gestalt der Begum sich dem Orte der Zusammenkunft.

Da ihr Elefant an den Toren zurückgelassen worden war, ließ sie sich in einer offnen Sänfte von sechs Sklaven tragen. Sie war in Seide und über und über mit reichem Zierat beladen.

Als General der Begum schritt neben ihrer Sänfte Richard Middlemas. Er war in der Tracht eines indischen Höflings.

Die Sänfte machte Halt, als sie vor dem Throne Tippus angelangt war. Das Geleit der Begum, das einen prächtigen Aufzug bildete, bestand nur aus Männern, und dem Anschein nach war keine Frauensperson in ihrem Gefolge. Nur eine geschlossene Sänfte erregte Aufsehen, die von zwanzig schwarzen Sklaven mit gezogenen Säbeln bewacht wurde.

Als Tippu durch den dünnen Sprühregen des Springbrunnens, der vor seinem Pavillon eine kristallne Säule aufsteigen ließ, die Sänfte der Begum sich nähern sah, erhob er sich von seinem Thron und ging ihr bis zum Fuße seines Sessels entgegen. Dort wurden die üblichen feierlichen Begrüßungen ausgetauscht.

Alsdann geleitete er sie zu dem Kissen, das neben seinem Sessel in seltener Ehrerbietung für sie hingebreitet war. Die Höflinge Tippus machten den Höflingen der Begum Platz, und alle ließen sich auf dem Teppich, die Beine kreuzend, nieder, Middlemas nahm hierbei einen Ehrenplatz ein.

Weiter hinten standen die Leute geringerer Bedeutung, und unter sie hatte Hartley sich gemischt. Unmöglich ließen sich die Gefühle beschreiben, die Hartley beim Anblick des abtrünnigen Middlemas und der Frau Montreville empfand. Er fühlte den Mut in sich, mitten unter die Versammlung zu treten und an eine Gerechtigkeit zu appellieren, die im ganzen Lande sprichwörtlich sei.

Der Prinz hatte inzwischen in leisem Tone mit der Begum gesprochen, jetzt schloß er mit deutlich vernehmbarer Stimme:

»Um die Dienste zu lohnen, die uns die mächtige Begum Matti Mahul, die schön ist wie der Mond und weise wie die Tochter Dschemschids, und ihr General uns erwiesen haben, nehmen wir auf ihr Gesuch hin diesen ihren General als einen unsers Vertrauens würdigen Helden in unsre Dienste und belehnen ihn mit der Würde des Kommandanten in unsrer geliebten Hauptstadt Bangalur.«

Kaum waren diese Worte verklungen, als sich aus dem Haufen des herumstehenden Volkes eine Stimme vernehmen ließ, die laut rief:

»Verflucht sei der, der den Räuber zum Schatzmeister macht und der den Abtrünnigen zum Herrscher über Moslemin erhebt!«

Mit unsäglicher Freude, aber doch vor Angst und banger Spannung bebend, erkannte Hartley die Stimme des älteren Fakirs. Tippu schien sich an diese Unterbrechung nicht zu kehren. Er betrachtete sie als die Verrücktheit eines frommen Eiferers, denen die mohammedanischen Fürsten große Freiheiten gestatten.

Als die Ruhe wieder eingetreten war, erhob sich Middlemas, verneigte sich vor dem Prinzen und sprach in einer auswendig gelernten Rede seine Unwürdigkeit zu dem ihm erteilten Amte aus und erklärte seinen Eifer und seine Hingebung für den Fürsten.

Er war im Begriff, noch etwas hinzuzusetzen, aber die Sprache versagte ihm hier, er stammelte und verstummte.

Rasch fiel ihm die Begum ins Wort.

»Mein Befehlshaber wollte sagen,« rief sie, »daß ich nicht in der Lage bin, für eine so große ihm übertragene Ehre zu danken, ich kann nur bitten, Eure Hoheit möge sich herablassen, eine Lilie aus Frangistan anzunehmen, die in dem fernsten Winkel Eures Harems zu Eurer Lust bereit sein soll. Die Wachen meines Gebieters mögen die Sänfte dort wegtragen.«

Der Schrei einer weiblichen Stimme ließ sich vernehmen. als die Wachen Tippu Sahibs auf seinen Wink hin an die Sänfte traten.

Da erklang von neuem die Stimme des alten Fakirs lauter und grimmiger als zuerst.

»Verflucht ist der Fürst, dem die Gerechtigkeit um Wollust feil ist. Er wird fallen in seinen Toren unter dem Schwerte des Fremden.«

»Das ist zu unverschämt!« fuhr Tippu auf. »Bringt diesen Fakir her, die Peitschen sollen ihm den Rücken zerfleischen!«

Aber die Diener, die hinzueilten, den Befehl des Tyrannen auszuführen, stürzten vor dem Fakir zu Boden wie vor dem Engel des Todes.

Er warf seine Kapuze und seinen falschen Bart von sich, und das wütende Antlitz Tippus zeigte sofort den Ausdruck der Unterwürfigkeit, als es dem finstern und furchtbaren Auge seines Vaters begegnete.


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