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Fünfzehntes Kapitel.

Es war Abend geworden. Die gewaltigen Schatten der Berge bedeckten weithin gegen Osten das Tal, während die westlichen Gipfel noch in dunklem Golde erglühten.

Von der Hüttenpforte aus ließ sich die Straße, die sich am Ben Cruachan hinzieht, weithin übersehen.

Plötzlich tauchte am äußersten Punkte, wo die Straße hinter dem Berge verschwindet, ein Kommando von fünf hochländischen Soldaten auf. Ihre Waffen glitzerten in der Sonne. Dem Kommando schritt einer vorauf, die vier anderen folgten im Gliede. An ihren Flinten, Plaids und Mützen war zu erkennen, daß sie zu Hamishs Regiment gehörten. Die Absicht, die sie herführte, war leicht zu raten.

»Sie kommen schnell heran«, sprach Elspat Mac Tavish Mhor; »warten wir ab, ob sie so schnell auch wieder abziehen. Es sind ihrer fünf; für offenen Kampf also sind sie dir überlegen, Hamish. Komm herein in die Hütte, Sohn, und schieße durch das Guckloch neben der Pforte. Zwei kannst du niederstrecken, ehe sie von der Straße den Steig erreichen. Dann sind es ihrer bloß drei noch, und dein Vater hat, wenn ich bei ihm war, oft gegen ebenso viel standgehalten.«

Hamish Bean nahm der Mutter die Flinte ab, ohne indes von dem Flecke wegzutreten, auf dem er stand. Das Kommando hatte ihn schon, wie sich an ihrem schnelleren Marsch erkennen ließ, erkannt. Indessen liefen sie noch scharf im Gliede, wie zusammengekoppelte Windhunde, kamen aber eilends heran.

Rasch klommen sie den Steig hinunter. Schnell wären sie zur Hütte bis auf Pistolenschußnähe gekommen. Unbeweglich wie eine Bildsäule, mit der Büchse in der Hand, stand Hamish an der Pforte. Hinter ihm die Mutter. Vom Zorn dem Wahnsinn nahe gebracht, warf sie ihm in den härtesten Ausdrücken der Verzweiflung seine Unschlüssigkeit und Feigheit vor, den Grimm und Zorn verstärkend, der in seinem Gemüt aufloderte, als er die einstigen Kameraden auf sich zustürmen sah, wie Hunde auf den Hirsch im Garne. Ob dieses Anblicks fing die nüchterne Besonnenheit, die ihn bis jetzt geleitet hatte, an, von ihm zu weichen und dem wilden, von Vater und Mutter ererbten Kampfesmut das Feld zu räumen.

Jetzt rief ihm der Sergeant zu:

»Hamish Bean Mac Tavish, streck das Gewehr und ergib dich!«

»Bleibt, wo Ihr seid, Allan Breack Cameron, »der es ist unser aller Unglück.«

»Stillgestanden!« kommandierte der Sergeant seinen Leuten, ging aber selbst weiter. »Hamish, bedenke was du tust, und gib dein Gewehr ab! Du kannst wohl noch Blut vergießen, aber der Strafe entgehst du darum nicht!«

»Die Rute, mein Sohn, die Rute!« zischelte die Mutter ihm zu. – »Hüte dich vor der Rute!«

»Allan Breack Cameron, seht Euch vor!« rief Hamish, »ich tu Euch nicht gern Schaden, aber freiwillig ergebe ich mich nicht, sofern Ihr mir nicht Sicherheit gewährt vor der sächsischen Peitsche.«

»Hamish, du Tor!« entgegnete Cameron; »daß ich das nicht kann, weil ich keine Befugnis habe, weißt du! Aber ich will tun, was ich kann, und will rapportieren, ich hätte dich unterwegs getroffen. Dann ist die Strafe gering. Aber gib dein Gewehr ab, Hamish! Kommando, marsch heran!«

Mit vorgestrecktem Arme drang er vorwärts, in der Absicht, Hamish die Flinte von der Wange zu reißen. Da rief Elspat:

»Jetzt schone nicht deines Vaters Blut, um deines Vaters Herd zu verteidigen!«

Hamish drückte ab, und Allan Breack Cameron stürzte tot nieder.

Dies alles geschah in einem einzigen Augenblicke.

Die Soldaten stürzten vor und ergriffen Hamish, der, ob seiner Tat wie versteinert, sich nicht zur Wehr setzte. Anders die Mutter, die, als sie sah, daß die Männer ihrem Kinde Handschellen anlegten, mit solchem Ingrimm sich auf die Soldaten stürzte, daß ihrer zwei notwendig waren, um sie zu halten, während die anderen, beiden Hamish fesselten.

»Bist du nicht ein ganz erbärmliches Subjekt,« sprach der eine Soldat zu Hamish, »deinen besten Freund über den Haufen zu schießen, der auf dem ganzen Hermarsch von nichts anderem gesprochen hat, als wie sich ein Mittel ausfindig machen lasse, dich der Strafe zu entziehen?«

»Mutter, hört Ihr das?« rief Hamish und drehte sich, soweit es die Fesseln ihm erlaubten, nach ihr herum.

Aber die Mutter sah nichts und hörte nichts. Sie war ohnmächtig zu Boden gesunken.

Ohne abzuwarten, ob sie die Besinnung wieder bekäme oder nicht, marschierte das Kommando mit seinem Gefangenen ab in der Richtung auf Dunbarton. In Dalmally, dem nächsten Dorfe, wurde Rast gemacht, um die Leiche des unglücklichen Sergeanten durch ein paar Bauern holen zu lassen und den Vorfall beim Ortsrichter anzuzeigen.

Von diesem bekam das Kommando Weisung, weil das Verbrechen an einem Soldaten begangen worden, unverzüglich mit dem Mörder nach Dunbarton zu marschieren.


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