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Zweites Kapitel.

Elspat hatte, wenn auch ihr Alter in untröstlichen Gram und Kummer versunken war, auch glückliche Tage gekannt. Einst war sie des Hamish Mac Tavish, dem Körperkraft und Kriegstaten den Titel Mac Tavish Mhor gebracht hatten, schönes und glückliches Weib. Mac Tavish Mhors Leben war voll Unruhe und Gefahr, denn er war ein Hochländer vom alten Schlage und führte das Leben eines solchen. Etwas zu entbehren, was daß Stehlen verlohnte, hielt er für Schande. Niederländer, die in seinem Bereich wohnten und ihr Hab und Eigentum mit Ruhe genießen wollten, verstanden sich gern dazu, ein Schutzgeld in Gestalt einer freiwilligen Gabe an ihn zu leisten, des alten Sprichworts eingedenk: »Besser dem Teufel das Maul schmieren, als mit ihm raufen.« Andere, die solche Abfindung für schimpflich hielten, wurden zuweilen von Tavish Mhor und seinen Anhängern überfallen und gefangen hinweggeführt, bis sie sich zur Zahlung eines Lösegeldes verstanden. Wer sich des Lösegelds weigerte, wurde nicht bloß am Leibe, sondern auch am Besitztum gestraft. Noch vor wenigen Jahrzehnten war Mac Tavish Mhors Raubzug nach Monteith in aller Leute Munde, von wo er 150 Kühe an einem einzigen Morgen wegtrieb, und wo er den Gutsherrn von Ballybugh zur Strafe für die Drohung, ein schottisches Wachtkommando zum Schutze seiner Person und seines Eigentums aufzubieten, nackt in einer Jauchengrube aufhing, so daß er bloß mit Mund und Wasser über die ekle Flüssigkeit hinausragte.

Aber zu den Siegen dieses verwegenen Freibeuters gesellten sich auch Niederlagen, und oft solche, welche die Siege reichlich aufwogen. Wie oft es ihm gelungen sei, drohender Gefahr zu entrinnen, wieviel verzweifelte Fluchtversuche ihm geglückt waren und welches Unmaß scharfsinniger List er aufzubieten wußte, um sich aus schlimmen Situationen zu befreien, wurde von Mund zu Mund erzählt und von allen, selbst seinen Feinden im Lande, bewundert. Im Glück und im Unglück, bei allen Mühsalen, Schwierigkeiten und Gefahren war Elspat seine treue Kameradin, die ihm durch ihren starken Geist, ihre Besonnenheit und Ausdauer, ihren Mut und Eifer zum besten Beistand wurde.

Die Eheleute Mac Tavish Mhor und Elspat Mac Tavish führten ein Eheleben nach altem Hochländerbrauch: Ein Leib, ein Geist, ein Leben! dem Freunde treu, dem Feinde trutzig. Herden und Ernten des Niederlandes sahen sie an für ihr eigen, sobald sie die Mittel hatten, die Herden wegzutreiben und die Ernten einzuheimsen. Nie kam es vor, daß sich bei solchen Anlässen die geringsten Bedenken über mein und dein geltend machten. Hamish Mhor dachte, wie Hybrias, der kretische Krieger, in dieser Hinsicht gedacht hat, als er das Gastmahl bei Athenäus mit dem Rundgesange schloß:

Mein Reichtum ist mein Schwert und langer Speer,
Und der den Leib mir schützt, mein Schild!
Mit Schwert und Speer und Schilde pflüge ich,
Mit Schwert und Speer und Schilde ernte ich –
Mit Schwert und Speer, und Schilde keltre ich
Auch Weinstocks süßen Traubentrank!

Durch Schwert und Speer und Schild gelt ich als Herrscher,
Und wer nicht Schwert und Speer und Schild zu führen wagt
Der beugt vor mir als Herrn demütiglich sein Knie
Und grüßt und preist als seinen König mich!

Mit Mac Tavish Mhors gefahrvollen, wenn auch glückliche« Raubzügen begann es karger zu werden seit dem unglücklichen Kriegszuge des Prinzen Karl Eduard, »des Prätendenten«. Hamish Mac Tabish, genannt Mac Tavish Mhor, hatte es bei solchem Anlaß nicht zu Hause gelitten. Er war zum Prätendenten gestoßen und wurde deshalb geächtet als Staatsverräter sowohl wie als Freibeuter und Räuber. Es wurden Garnisonen gelegt in Orte, wo man nie zuvor einen Rotrock erblickt hatte, und die Sachsentrommel erklang jetzt bis zu den fernstem Schluchten der Hochlandsgebirge.

Mac Tavish Mhors Lage wurde von Tag zu Tag gefahrvoller; sein Schicksal drohte sich zu erfüllen; Anstalten zur Verteidigung oder Flucht ließen sich um so schwieriger treffen, als Elspat seinen Hausstand durch ein Kind vermehrt hatte: ein Umstand, der seine Beweglichkeit begreiflicherweise hemmte.

Endlich kam der Tag des Verhängnisses!

Am Fuße des Ben Cruachan, im Engpaß am Gietzbach, wurde der berühmte Mac Tavish Mhor von einem Kommando der Rotröcke überfallen. Sein Weib leistete ihm heldenhaft Beistand und lud ihm die Büchsen. Wohl wäre es möglich gewesen, über den Paß zu entkommen, dessen die Rotröcke sich nicht zu bemächtigen vermochten, wäre ihm nicht die Munition ausgegangen. Wer als die Kugeln, als auch all die blanken Knöpfe von Jacke und Weste verschossen waren und die Rotröcke nicht länger mehr durch die Furcht vor dem nie fehlenden Schützen gebannt wurden, da wurde die Feste gestürmt, da wurde Mac Tavish Mhor, der sich lebendig nicht fangen ließ – erschlagen – erschlagen nach dem verzweifeltsten Widerstande.

Elspat war ihm zur Seite bis zum letzten Augenblick; sie aber wurde geschont, geschont um des Kindes willen, und um des Kindes willen, das ihrer als Stütze bedurfte, verschmähte sie den Tod.

Wie sie ihr Leben fristete, ist nicht leicht zu sagen. Ein paar Ziegen waren die einzige Habe, die ihr blieb. Sie ließ sie frei auf den Hutweiden im Gebirge äsen, und niemand jagte sie weg von seinem Grund und Boden. Im Land herrschte Armut und Elend; da konnten die alten Bekannten ihr wenig geben: was von dem eigenen Bedürfnis erspart wurde, nahm freilich gern den Weg zu anderen hin, aber der anderen, die auf Unterstützung angewiesen waren, waren viel.

Von den Leuten im Niederland forderte sie lieber statt zu betteln: Tribut statt Almosen! Denn nie vergaß sie, daß sie des Mac Tavish Mhor Witwe war, und sie wähnte, ihr Kind, das ihr noch am Schoße hing und dem Vater so ähnlich sah, werde dereinst dem Vater nacharten und die gleiche Macht üben wie dieser.

So wenig pflegte sie Umgang und so selten und widerwillig verließ sie die wilden Schlupfwinkel ihrer Berge, daß sie von dem großen tiefgehenden Wandel im Lande nichts spürte, daß sie nichts erfuhr von der bürgerlichen Ordnung, die an Stelle von Clansgewalt trat, und davon, daß die Anhänger von Recht und Gesetz die Macht gewannen über diejenigen, die im gälischen Liede als »des Schwertes stürmische Söhne« gepriesen werden.

Freilich wohl fühlte sie persönlich die Minderung von Ansehen und Gewalt, freilich wohl fühlte sie, daß die Mittel zum Unterhalt für sie knapper und knapper wurden, daß mancher den Tribut weigerte, der ihn bislang entrichtet hatte; aber hierfür war ihrem Begriffe nach Mac Tavish Mhors Tod ausreichender Grund, und ganz außer Frage stand es ihr, daß sie Zu ihrer alten Bedeutung und Wichtigkeit zurückgelangen müsse, sobald Hamish Bean oder, wie sie ihn mit Vorliebe nannte, »ihr Hamish mit dem schönen Haar« alt genug sein werde, die Waffen des Vaters zu führen.

Deshalb kam es nicht selten vor, daß, wenn Elspat mit ihren Anliegen um Lebensmittel für sich und um Futter für ihre Ziegen von einem mürrischen Pächter abgewiesen wurde, die Pächters-Frau durch den finsteren Ausdruck von Elspats Gesicht und durch Furcht vor ihren Drohungen und Verwünschungen sich bestechen ließ, ihr die vom Manne verweigerte Gabe heimlich zuzustecken, freilich nicht ohne den stillen Wunsch, die finstere alte Hexe möchte recht bald den Weg zu ihrem verstorbenen Manne finden, und mit Bedauern darüber, daß sie nicht am selben Tage schon, da dieser seinen Lohn erntete, mitverbrannt worden sei.


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