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Achtes Kapitel.

Am Abend vor dem für den Aufbruch festgesetzten Tage ging Hamish Zum Flusse hinab, um zu angeln, ein Geschäft, in welchem er sehr geschickt war. Es sollte ihm zugleich ein besseres Mahl bringen, als die Mutter sonst hatte bereiten können. Das Glück war ihm hold, und er fing bald einen prächtigen Salm.

Auf dem Heimweg trug sich ein Fall zu, geeignet, einem Hochländer wie Hamish als schlimme Vorbedeutung zu gelten, der schließlich, wenn er auch eine Zeitlang in der Fremde gelebt hatte, noch immer nicht frei von Aberglauben war. Auf dem zu seiner Hütte hinaufführenden Pfade erblickte er nämlich zu seinem nicht geringen Erstaunen eine Gestalt, die gleich ihm die alte Hochlandstracht und die alten Waffen des schottischen Kriegsmannes trug. Sein erster Gedanke war, er habe jemand von seinem Korps vor sich, weil es, als durch die Regierung angeworben, außerhalb der gegen hochländische Tracht und Waffen erlassenen Verordnungen stand. Unter diesem Eindruck verdoppelte er seine Schritte, um den vermeintlichen Kameraden einzuholen, den er für den kommenden Tag zu sich einzuladen vorhatte.

Aber wie groß war sein Schreck, als er jetzt sah, daß der Fremde die große Kokarde trug, das in den Hochlanden so streng verbotene verhängnisvolle Abzeichen. Die Gestalt war groß; und durch den Schatten, den sie warf, wuchs sie ins Ungeheuerliche. Die Art, wie sie sich bewegte, glich mehr einem Schweben als einem Gehen. Kein Wunder, daß Hamish, dessen erhitzte Phantasie ohnehin zu dem bei seinen Landsleuten so scharf vorherrschenden Hange zum Wunderbaren neigte, von Furcht vor einer übernatürlichen Erscheinung, die im Zwielicht sich vor ihm her bewegte, befallen wurde, und daß es ihm nicht länger mehr eilig war, derselben näher zu kommen oder sie gar einzuholen. Aber dem Aberglauben des Hochländers gemäß, man solle solchem »Mar« oder Gespenst weder nahen noch aus dem Wege gehen, sondern abwarten, ob es reden und Kunde geben oder schweigen und Kunde weigern werde, je nachdem es seine Macht zulasse und seine Bestimmung fordere – diesem Aberglauben gemäß behielt er es im Auge.

Auf einer hohen Stelle seitlich vom Wege, gerade dort, wo der Pfad zu Elspats Hütte hinunterging, blieb die Gestalt stehen, als wolle sie auf Hamish warten, Hamish seinerseits sah, daß er an ihr vorbei müsse, nahm also all seinen Mut zusammen und näherte sich, wenn auch langsam, der Stelle, wo die Gestalt stand.

Zuerst zeigte sie auf Elspats Hütte; dann machte sie mit Kopf und Arm eine Bewegung, daß Hamish ihr nicht nahe kommen solle. Dann streckte sie die Hand nach dem südwärts führenden Wege aus und schien in dieser Richtung weiterziehen zu wollen. Dann noch ein Augenblick und die Gestalt war verschwunden. An Felsen und Unterholz, wohinter sie sich bergen konnte, war sicherlich kein Mangel. Aber Hamish war der festen Meinung, der Geist Mac Tavish Mhors sei ihm erschienen und habe ihn gemahnt, mit seiner Wanderung nach Dunbarton nicht zu säumen, nicht bis zum Morgen zu warten und die Hütte der Mutter nicht mehr zu betreten.

Es konnten wirklich allerhand Vorfälle sich ereignen, durch die sich die Reise verzögerte, zumal er über manchen Strom auf Fähren übersetzen mußte. So faßte er den festen Entschluß, nur so lange noch verziehen zu wollen, bis er Abschied von der Mutter genommen hätte, denn ohne solchen aufzubrechen, dazu konnte er sich nicht entschließen. Der erste Strahl der Frühsonne sollte ihn schon unterwegs nach Dunbarton sehen.

Er stieg den schmalen Pfad hinunter und trat in die Hütte. Hastig, in zitterndem Tone, nur mühsam die Erregung bekämpfend, die in seinem Innern tobte, gab er der Mutter seinen Entschluß, auf der Stelle aufzubrechen, bekannt. Zu seinem Befremden schien die Mutter nichts gegen diese Absicht zu haben. Bloß bat sie ihn, ehe er von ihr gehe, sich durch Speise und Trank noch zu stärken. Er aß von dem, was da war, schnell und schweigend, im Gedenken der nahen Trennung und mit der Zuversicht, daß es dabei ohne einen letzten Kampf mit der Mutter nicht abgehen werde.

Zu seinem Erstaunen füllte sie aber den Becher schweigend zum Abschiedstrunk.

»Geh, mein Sohn,« sprach sie, »da es nun doch einmal dein fester Entschluß ist. Aber trink erst noch einmal am elterlichen Herde, auf dem die Flamme erloschen sein wird, lange bevor du deinen Fuß wieder wirst hierher setzen können.«

»Dir zur Gesundheit, Mutter!« sagte Hamish; »möge es uns beschieden sein, trotz Eurer Rede schlimmer Vorbedeutung, in Glück und Freude wieder zusammenzukommen.«

»Besser, wir trennten uns überhaupt nicht«, versetzte die Mutter, ihn scharf im Auge haltend, als er den Inhalt des Bechers in die Kehle schüttete.

»Und nun geh!« – sprach sie – und leise vor sich hin wiederholte sie: »Geh! wenn du – kannst!«

»Mutter,« erwiderte Hamish, indem er den leeren Becher auf den Tisch setzte, »Euer Trank schmeckt gut, aber statt zu stärken schwächt er.«

»Das ist seine erste Wirkung, mein Sohn«, versetzte Elspat; »leg dich auf dies weiche Lager und ruhe eine Weile! Eine einzige Stunde wird dich kräftiger machen als der gewöhnliche Schlaf von drei Nächten.«

»Mutter,« rief Hamish, bei dem sich schon die schnelle Wirkung des Trankes zeigte, »gebt mir mein Barett! Ich muß jetzt Abschied nehmen und gehen. Aber wie wird mir? Mir ist zu Mute, als sei mir der Fuß an den Boden genagelt.«

»Es wird dir sicherlich schnell wieder besser, wenn du dich ein halbes Stündchen legst. Bloß ein halbes Stündchen! Noch ist es acht Stunden hin bis Tagesanbruch, dann ist noch immer Zeit im Überfluß für deines Vaters Sohn, solche Wanderung anzutreten.«

»Ich muß Euch gehorchen, Mutter,« antwortete Hamish mit schwerer Zunge, »ich fühle, daß ich es muß, aber weckt mich, sobald der Mond aufgeht.« Er setzte sich auf das Lager, sank um und lag bald in festem Schlafe.


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