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Siebentes Kapitel.

Elspat hatte jetzt die Überzeugung gewonnen, daß außer anderen Eigenschaften des Vaters auch dessen stolzer männlicher Geist auf den Sohn überkommen sei, und daß sie nicht rechnen dürft, ihn von einem freiwillig gefaßten Schlusse abzubringen. Sie gab sich zufolgedessen das Ansehen, als schicke sie sich in diese unvermeidliche Trennung, und wenn sie auch dann und wann noch einmal zu klagen anfing, so geschah dies nur, weil sie ihr ungestümes Temperament nicht zügeln konnte oder weil sie denken mußte, es möchte ihrem Sohne auffällig sein, wenn sie sich so ohne weiteres fügen und ihn veranlassen wollte, auf seiner Hut zu sein und ihr alle Mittel, durch die sie ihn noch immer bei sich zu halten hoffte, aus der Hand zu winden. Die heiße, eigensüchtige Liebe, die sie für den Sohn fühlte und die sie unfähig machte, das wahre Interesse desselben zu erkennen, glich der dem Tiere vom Instinkt eingegebenen Liebe zu seinem Jungen, und wenn sie auch weiter in die Zukunft sah als Geschöpfe, die auf niedriger Daseinsstufe stehen, so hatte sie im Grunde doch keine andere Empfindung, als daß Trennung von Hamish für sie gleichbedeutend mit Tod sei.

In der kurzen Zeit, die noch blieb, erschöpfte sich Elspat in der Kunst, die nur Liebe eingeben kann, ihn auf alle erdenkliche Weise zu erfreuen und zu unterhalten. Sie suchte in ihrem Gedächtnis nach Erzählungen und Sagen, die seit jeher für den Hochländer, wenn er Muße hat, die angenehmste Kurzweil bilden. Eine ungemeine Kenntnis bewies sie mit den Liedern der alten Sänger und mit den Märchen der berühmtesten Erzähler. Ihre Aufmerksamkeit gegen den Sohn kannte fast keine Grenzen, und wenn er ihr wehren wollte, blühendes Heidekraut für sein Lager zu sammeln oder ihm ein leckeres Mahl zu bereiten, dann sagte sie:

»Laß mich, Hamish, laß mich! Wenn du deine Mutter verläßt, so handelst du nach deinem eigenen Willen, laß nun auch deiner Mutter den Willen, wenn sie dir Freude machen will, so lange sie dich noch hat!«

Es schien, als sei sie nun mit den Anstalten, die er für ihren Unterhalt getroffen, zufrieden, denn, sie hörte ihn ruhig an, wenn er davon sprach, daß er sie zu Green Colin hinüber bringen wolle, auf dessen Grund und Boden er ein Asyl für sie ausbedungen hatte. In Wahrheit aber war sie weit entfernt davon, sich mit solchem Gedanken zu befreunden. Aus den feindseligen Worten, die während ihrer ersten Unterhaltung gefallen waren, hatte sie entnommen, daß er sich der Gefahr einer körperlichen Züchtigung aussetzte, wenn er zur festgesetzten Frist von seinem Urlaub nicht zurückkehrte. Aber sie wußte nun, daß er sich solcher Schmach auch nie unterziehen, also gewiß nicht zum Regiment zurückkehren werde. Ob sie die weiteren Folgen ihres Planes überdachte, ob sie sich gutes oder schlimmes für ihren Sohn daraus ersah, läßt sich nicht sagen. Aber soviel steht fest, daß sie als Frau des Mac Tavish Mhor, den sie auf allen Raub- und Kriegszügen begleitet und in keiner Gefahr im Stich gelassen hatte, hunderte, von Mitteln und Wegen zum Widerstand oder zur Flucht kannte, durch die ein braver Kerl in einem Landgebiet voll Felsen, Seen, Bergen, gefährlichen Pässen und dichten Wäldern sich der Verfolgung Hunderter entziehen könne. Für die Zukunft des Sohnes bangte ihr also nicht. Der einzige Gedanke, der sie beherrschte, war, ihren Sohn daran zu hindern, daß er seinem Vorgesetzten sein Wort halte.

Zufolge dieses geheimen Planes suchte sie den Vorschlag, den Hamish ihr wiederholt machte, nach der für sie gemieteten Hütte zu Green Colin hinüberzuziehen, zu hintertreiben durch allerlei Gründe und Ausflüchte, die bei ihrem Charakter so natürlich waren, daß sie bei dem Sohne weder Mißfallen noch Unruhe erregten.

»Laß mich nicht auch noch von dem Tale, in welchem ich so lange gelebt habe, in der gleichen Woche Abschied nehmen, in der ich dem einzigen Kinde Lebewohl sagen muß. Gönne meinen Augen, wenn sie von den Tränen um dich sich trüben, noch eine Weile Zeit, über den See Uwe und auf den Ben Cruachan zu blicken!«

Hamish fügte sich in die Launen der Mutter um so williger, als verschiedene andere Leute, deren Söhne sich gleichfalls bei Barcaldine hatten anwerben lassen, auf dessen Gütern verteilt werden sollten. Es wurde also beschlossen, daß sich Elspat an sie anschließen solle, wenn sie in ihre neuen Asyle zögen.

Auf diese Weise glaubte Hamish sowohl die Launen der Mutter berücksichtigt, als für ihre Bequemlichkeit und Sicherheit gesorgt zu haben. Die Mutter aber leiteten ganz andere Pläne!

Hamishs Urlaub nahte sich seinem Ende. Mehr denn einmal faßte er den Entschluß, aufzubrechen, um noch früh genug nach Dunbarton, der Stadt, in welcher sein Regiment in Quartier lag, zu gelangen. Aber die Bitten der Mutter, die eigene erklärliche Gemütsstimmung, die Liebe zu der ihm so teuren Heimat, vor allem aber das Vertrauen in sich, auf seine Schnelligkeit und Körperkraft, bestimmten ihn, den Aufbruch bis zum sechsten Urlaubstage, hinauszuschieben, dem letzten, den er bei der Mutter zubringen durfte, sofern er nicht gegen die Bedingungen seines Urlaubs verstoßen, also für fahnenflüchtig angesehen sein wollte.


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