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Vierzehntes Kapitel.

Als die Sonne am anderen Morgen aufstieg, fand sie die Hütte ruhig und still wie das Grab. Mutter und Sohn waren aufgestanden und gingen ihrer Arbeit nach. Hamish putzte seine Waffen, fürsorglich aber tiefbekümmert; Elspat richtete die Mahlzeit her, die beide wegen der traurigen Vorgänge am verwichenen Tage ungewöhnlich lange hinausgeschoben hatten.

Sobald sie das Essen fertig hatte, stellte sie es vor den Sohn auf den Tisch hin mit den Worten des gälischen Sängers:

»Ohne tägliches Mahl rostet dem Landmann die Pflugschar in der Furche. Ohne tägliches Mahl ist dem Krieger das Schwert zu schwer für die Hand. Unsere Weiber sind unsere Sklaven, aber die Sklaven wollen gefüttert sein, sollen sie uns Dienste tun. Also sprach in alter Zeit der blinde Barde zu den Kriegern von Fion.«

Hamish gab keine Antwort, sondern aß, was ihm vorgesetzt wurde, wie wenn er sich Kraft für den Auftritt schaffen wolle, dessen er gewärtig war. Als seine Mutter sah, daß er mit Essen fertig war, nahm sie den Becher und füllte ihn und setzte ihn dem Sohne vor, damit er mit einem Trunk das Mahl schließe. Aber ein krampfhaftes Zucken lief durch seinen Leib und mit einer Gebärde, Scheu und Ekel zugleich zum Ausdruck bringend, wich Hamish zurück.

»Nein, mein Sohn,« sprach sie, »diesmal hast du wahrlich nichts zu fürchten.«

»Reizet mich nicht, Mutter,« erwiderte Hamish, »schüttet Gift in eine Flasche, und ich will es trinken. Aber aus diesem verfluchten Becher und von diesem Schierlingstrank werde ich nie wieder kosten.«

»Ganz wie es dir recht ist, mein Sohn«, sagte Elspat stolz und machte sich, anscheinend mit vielem Eifer, an die Verrichtung ihrer Hausarbeiten. Was in ihrem Gemüt vorging, hätte niemand sagen können, denn aus ihrem Blick und Benehmen schien jede Besorgnis verschwunden. Bloß solche, die schärfer zu beobachten wissen, hätten aus der lauten geschäftigen Weise ihres Hantierens auf eine innere Ursache ihrer Handlungen, auf Erregtheit oder Gereiztheit schließen können; solchen schärferen Beobachtern würde auch aufgefallen sein, wie oft sie, anscheinend ohne es zu wissen, ein Lied anfing und abbrach, um einen Blick durch die Hüttenpforte zu tun.

Hamishs Benehmen wies von dem der Mutter das gerade Gegenteil auf. Als er die Waffen geputzt und in der Wohnung aufgehängt hatte, setzte er sich vor die Tür und hielt die Augen auf den Berg, der neben der Hütte sich erhob, gerichtet, wie eine Schildwache, die den anrückenden Feind erwartet.

Am Mittag saß er noch auf demselben Flecke, in derselben Haltung, mit dein Blick, auf den Berg gerichtet.

Eine Stunde darauf trat die Mutter zu ihm, legte ihm die Hand auf die Schulter und fragte gleichgültig, wie wenn sie von Freunden spräche, auf deren Besuch gewartet würde:

»Wann denkst du, daß sie da sein werden?«

»Bevor nicht der Schatten lang gegen Osten zu fällt, können sie nicht da sein,« versetzte Hamish, »selbst wenn sie den nächsten Posten unter Sergeant Allan Breack Cameron mit Expreßboten von Dunbarton hierher beordert haben sollten.«

»So tritt noch einmal in deiner Mutter Hütte und nimm zum letztenmal von den Speisen, die sie bereitet hat. Dann laß sie kommen, jene anderen! Du sollst sehen, ob deine Mutter am Tage des Kampfes dir unnütze Last sein wird. Dein Arm, so geübt er ist, kann deine Flinte nicht so schnell abfeuern, wie ich sie lade. Ich fürchte mich, wenn Not am Manne ist, auch vor dem Blitz und Knall des Pulvers nicht, und ehedem galten meine Hand und mein Blick für sicher.«

»Um Gottes Christi willen, Mutter, mischt Euch in solche Dinge nicht!« sagte Hamish; »Allan Breack ist ein guter, einsichtsvoller Mensch und stammt aus gutem Hause. Vielleicht kann er mir im Namen der Offiziere versprechen, daß keine schimpfliche Strafe mich treffen solle. Erkennen sie mir Einsperrung im Turm oder den Tod durch die Kugel zu, so mag noch alles hingehen.«

»Kind! Ihren Worten möchtest du trauen? Bedenke, das Geschlecht Dermids war immer falsch und tückisch, und hast du dir erst einmal Fesseln um die Gelenke legen lassen, so werden sie dir den Rücken auch bald mit der Geißel zerreißen.«

»Mutter, spart Euch Euren Rat,« erwiderte Hamish bitter und finster, »ich weiß jetzt, wie ich mich verhalten werde.«

So sprach er wohl, aber nur, um dem Drängen der Mutter zu entgehen, deren Hetzreden ihn dem Tode nahe brachten. Hätte er sagen sollen, worauf er sinne, was er zu beginnen dächte, wenn die Verfolger nahten, so hätte er es nicht gekonnt. Nur über eins war er sich klar: daß er sein Schicksal erwarten müsse, gleichviel wie es sich gestalten würde, und daß er den Wortbruch, dessen er sich unfreiwillig schuldig gemacht hatte, nicht durch Furcht vor der Strafe erschweren dürfe. Dieses Selbstopfer meinte er seiner persönlichen Ehre und der Ehre seines Landes schuldig zu sein. Welchem seiner Kameraden würde man fernerhin getraut haben, wenn er sein Wort brach und das Vertrauen seiner Offiziere mißbrauchte? Und welchem anderen, als Hamish Bean Mac Tavish, würden die Gälen die Schuld aufbürden, daß durch ihn der Argwohn der Sachsen gegen die Treue der Gälen überhaupt bestärkt worden sei? Darum war er fest entschlossen, sein Schicksal zu erwarten. Offen blieb dabei, ob er sich der gegen ihn ausgesandten Schar freiwillig ergeben oder ob er sie durch Widerstand zwingen wollte, ihn auf dem Platze zu töten. Auf diese Frage hätte er sich zur Stunde noch keine Antwort geben können. Das Verlangen, sich mit Barcaldine auszusprechen, ihm die Ursache seines Ausbleibens zu erklären, machte ihn freiwilliger Ergebung geneigt, während die Furcht vor der schimpflichen Strafe und vor den bitteren Vorwürfen der Mutter ihn, trotzdem die Gefahr dabei größer war, zum Widerstande trieb.

Er meinte, die Entscheidung hierüber dem Schicksal überlassen zu müssen, und es ließ ihn nicht lange warten.


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