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Vierzehntes Kapitel

Am Nachmittage trafen sich Fischer und Lutz gewohnheitsmäßig im Kaffee.

Fischer war ärgerlich. »Ich habe jetzt den Kreß selbst tüchtig ins Verhör genommen, aber es war nichts aus ihm heraus zu bringen. Der Kerl weiß weit mehr, als er zugibt. Er wollte einbrechen, das gesteht er ruhig ein, aber er handelte in keinem anderen Austrage als in eigenem. Der Kerl sagt sich mit einer gewissen Berechtigung, wir können ihm wegen des versuchten Diebstahls nicht allzuviel wollen. Er sitzt seine paar Monate ab und dann Schluß! Der Auftraggeber muß ihm anscheinend ganz besondere Versprechungen gemacht oder dicke Belohnungen in Aussicht gestellt haben, daß Kreß so dicht hält.«

Lutz zog nachdenklich an seiner Zigarette. »Ich empfehle Ihnen, Kreß den Friedberger Zeugen gegenüber zu stellen, ich habe die Ueberzeugung, daß er und kein anderer der Pseudodepeschenbote war. Als ich ihm diese Vermutung als Gewißheit gestern auf den Kopf zusagte, verlor er einen Augenblick lang die Beherrschung und wurde trotz seines frechen Zynismus blaß wie ein Leintuch. Lassen Sie nichts unversucht!«

Fischer war natürlich einverstanden. Nach dem Vorschlag Lutz' wurden die schnell erreichbaren Friedberger Bahnbeamten mit dem Athletenschorsch konfrontiert und erklärten übereinstimmend, daß dieser mit dem falschen Depeschenboten unbedingt identisch sei. Kreß beteuerte seine Unschuld. Er erklärte, an jenem Tage in Frankfurt gewesen zu sein und suchte sein Alibi nachzuweisen, was ihm aber nicht gelang. Die Bahnangestellten blieben bei ihrer bestimmten Behauptung, daß Kreß und kein anderer die Rolle des Depeschenboten gespielt habe.

Fischer redete ihm nun nochmals eindringlichst ins Gewissen, endlich zu gestehen, aber Kreß behauptete achselzuckend, er habe nichts zu gestehen, die Beamten befänden sich in einem Irrtum und er sei nicht in Friedberg gewesen. Was den Diebstahl anbelangt, so sei ihm alles Wurscht, gestohlen habe er bei Degischer nichts. Er habe stehlen wollen, gewiß, das gäbe er zu, aber er kam nicht zur Vollendung, da er vorher hochgenommen wurde. – Der Athletenschorsch wurde abgeführt und die Jagd nach der eigentlichen Täterin in die Wege geleitet.

Lutz vertrat die Ansicht, daß der Briefschreiber in München G. F., ob Mann oder Frau, ein wichtiges Glied in der Beweiskette bilde und schlug vor, die Ermittlungen auch sofort auf diese Person auszudehnen. Fischer war jedoch anderer Meinung, er hielt es für besser, zuerst einmal Marguths Frau verhaften zu lassen, die in einer langwierigen aber systematischen Arbeit als die Mörderin identifiziert wurde. Auf Grund des an Meulenkamp gerichteten Briefes aus Berlin wurden die Ermittlungen auf einen bestimmten Weg hingeleitet, und wenige Tage später stand der Steckbrief der Frau Marguth im Fahndungsblatt, das allen Polizeibehörden des Reiches sowie des benachbarten Auslandes zuging. Sämtliche Polizeidirektionen und die Gendarmerieposten, insbesondere diejenigen Polizeiämter an Orten, die mit C anfingen, wurden angewiesen, nach einer Artistin zu fahnden, die ab 15. Juli an einem Vergnügungsetablissement, Varieté, Zirkus, Kabarett pp. auftrat. Der gesetzliche Name der Frau, deren Signalement soweit bekannt, am Ende des Steckbriefes verzeichnet war, sei Marguth, der jetzige Artistenname unbekannt, früher »La belle Venus«. Ihr artistisches Fach voraussichtlich Jongleuse, Luftakrobatin (Trapezkünstlerin), ferner bestehe die Wahrscheinlichkeit, daß sie mit dressierten Hunden arbeite.

Im großen ganzen eine nicht gerade schwierige Aufgabe für die verschiedenen Polizeidirektionen an Plätzen wie Cöln, Chemnitz, Coblenz, Cassel, Crossen, Cleve und so weiter, denn der Auftrag war ja genau genug umschrieben.

Das nach bestimmten Regeln über das ganze Reich organisierte, zwar ein wenig schwerfällige, aber nichtsdestoweniger exakte Fahndungssystem bewährte sich auch in diesem Falle. Drei Tage nach dem Erscheinen des Fahndungsblattes lief bereits eine Meldung der Polizeidirektion Cassel ein.

»Es wurde hier durch die Kriminalpolizei festgestellt,« hieß es in dem Schreiben, »daß die Artistin Inge Marguth, geborene Schotter, die früher unter dem Artistennamen ›La belle Venus‹ bekannt war, und jetzt unter dem Künstlernamen ›Die schwarze Pantherin‹ arbeitet, ab 15. Juli beim Zirkus Peltrini, der am gleichen Datum eröffnet, engagiert ist.

Sie arbeitet als Kletter- und Trapezkünstlerin und führt auch dressierte Hunde vor. Die Vorführungen finden in der umgebauten Festhalle statt, das technische Personal, der Tierbestand, sowie die ständigen Dauerangestellten des Zirkus treffen am 12. hier ein. Die als Gäste engagierten Artisten, darunter auch die Gesuchte, dürften vor dem Premièrentag selbst nicht herkommen, da sie meist am Abend zuvor im alten Engagement noch aufzutreten haben. Die gegenwärtige Adresse der Marguth konnte der interimistische Geschäftsführer des Zirkus Peltrini nicht angeben. Lange Rückfragen bei der Direktion des Zirkus dürften sich jedoch erübrigen, da eine Verhaftung der Marguth am Tage ihres Eintreffens hier erfolgen kann.« Zum Schluß bat die Casseler Polizei um weitere Verhaltungsmaßregeln.

Nach Rücksprache mit Lutz wurde seitens der Frankfurter Abteilung 7 die Polizeidirektion in Cassel dahingehend beschieden, nichts selbständig zu unternehmen, sondern die Ankunft Frankfurter Beamten abzuwarten, die sich am 15. morgens in Cassel einfänden. – Die Verdächtige, Frau Marguth, sei jedoch unauffällig zu beobachten, falls sie wider Erwarten schon früher als am 15. Juli in Cassel einträfe.


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