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Elftes Kapitel

Leutnant Eberhard Ludwig von Halder-Egger, der Regimentsadjutant des 11. bayrischen schweren Reiterregiments »Kurfürst Maximilian vom Rhein und von der Pfalz«, betrat mit einer Visitenkarte in der Hand das Zimmer seines Chefs, des Obersten von Bodansky.

»Verzeihung, Herr Oberst, der Frankfurter Kommissar ist soeben angekommen!«

Oberst von Bodansky, ein kleiner, sehniger Fünfziger, erhob sich gelenkig von seinem Schreibtischsessel.

»Dann lassen Sie den Schnüffler in Gottes Namen hereinkommen,« sagte er wenig freundlich, »und bleiben Sie selbst anwesend, Halder-Egger. Ich werde die Sitzung auf ein Minimum zu beschränken wissen.«

Dr. Lutz trat ein und verbeugte sich leicht vor den beiden Offizieren. Der Oberst deutete auf einen Stuhl neben seinem Dienstschreibtisch und sagte reserviert: »Sie wurden mir bereits heute vormittag von Ihrer vorgesetzten Behörde avisiert. Darf ich bitten, Platz zu nehmen, Herr Kommissar.«

Lutz legte gemächlich das linke Bein leicht über das rechte.

Ein feines, beinahe unmerkliches Lächeln huschte über seine Lippen. »Sie irren, Herr Oberst,« sagte er leichthin. »Ich bin kein Kommissar. – Einfach Dr. Lutz, ohne jede Würde, ohne jedes Amt. Ich lege ferner Wert darauf, gleich zu Beginn unserer Unterredung festzustellen, daß das Frankfurter Polizeipräsidium nicht meine vorgesetzte Behörde ist, sondern daß ich gewissermaßen als Privatmann vor Ihnen zu sitzen die Ehre habe.« –

Der Oberst wechselte mit seinem Adjutanten schweigend einen kurzen Blick, er wußte nicht, was er Lutz im Augenblick antworten sollte, dieser fuhr fort:

»Warum ich diesen, anscheinend unwichtigen Umstand rektifizieren möchte, wird Ihnen, meine Herren, sofort klar werden. Sie wissen – oder ahnen vielleicht – ich kenne die Fassung des Telegramms nämlich nicht, – daß das Frankfurter Polizeipräsidium – genauer die Abteilung 7 – in Ingolstadt einige Ermittlungen anstellen muß in der Mordsache des ehemaligen kgl. bayrischen Leutnants Leopold von Marguth, der in Ihrem Regimente stand. Ich weiß wohl, daß derartige amtliche Ermittlungen, die möglicherweise wenig Erfreuliches für ein feudales Regiment im Gefolge haben, Ihnen außerordentlich peinlich sein müssen und verstehe nur zu gut, daß mein Besuch durchaus unerwünscht ist – bitte, meine Herren, sparen Sie sich jegliche Entschuldigung – sie wäre überflüssig. Ich möchte Ihnen deshalb nochmals betonen: Ich bin kein amtliches Polizeiorgan, es liegt in meinem Ermessen, was und wieviel ich von Ihren Aussagen verwerte und verwende, und vor allem mir, dem Privatmann Dr. Lutz dürfen selbstverständlich Mitteilungen rein vertraulicher Natur gemacht werden, die bei dem Kommissar Dr. Lutz doch im gewissen Sinne bedenklich sein könnten. Ich hoffe, meine Herren,« schloß Lutz mit einer leichten Verbeugung, »Sie haben mich verstanden.«

Die ernste Miene des Obersten hellte sich sofort auf. Impulsiv streckte er Lutz die Rechte hin und sagte:

»Ich danke Ihnen. Selbstverständlich bin ich vollkommen im Bilde und stehe Ihnen in jeder Weise zur Verfügung. Haben Sie gegen ein Verbleiben meines Adjutanten etwas einzuwenden?«

»Keinesfalls, Herr Oberst. Ich nehme sogar an, daß der Herr Leutnant als ungefähr gleichaltriger Kamerad des Leutnants von Marguth über manche Fragen besser orientiert ist, als der ihm doch mehr oder weniger fernstehende Kommandeur des Regiments.«

»Das mag sein, Herr Doktor, umsomehr, als Herr von Halder-Egger bereits damals Regimentsadjutant war; aber ich kenne den Vorfall auch genau.« –

»Darf ich fragen, Herr Oberst, wie lange Sie das Regiment führen?«

»Drei Jahre.«

»Dann sind Sie ja wohl über die unerquicklichen Vorfälle im Winter des vorigen Jahres aus eigener Anschauung genau genug orientiert?«

»Vollständig. Darf ich bitten, Ihre Fragen zu stellen?«

»Vor allen: muß ich Ihnen die Mitteilung machen, daß Herr von Marguth nicht mehr am Leben ist. Er wurde vor vier Tagen von Mörderhand erschossen.«

»Donnerwetter!« – rief der Oberst fast erschrocken aus. »Ein – Mord – – Marguth selbst – –? Kennt man den Täter?«

»Ja. Aber er befindet sich noch in Freiheit. Es besteht die Möglichkeit, daß Zusammenhänge existieren zwischen Marguths Tod und der Tat hier in Ingolstadt. Es liegt uns daher viel daran, etwas über die hiesigen Vorfälle aus kompetentem Munde zu erfahren. – Ich hätte einfach die Gerichtsakten studieren können, wollte aber aus Gründen der Diskretion zuerst bei Ihnen vorsprechen. Ich nehme an, daß die Auskünfte, die Sie mir geben können, und wie die Dinge liegen, wohl auch gerne geben werden, voll und ganz genügen. Vielleicht erzählen Sie mir den ganzen Hergang der damaligen Mordsache, die ja nie richtig geklärt wurde, in dem Ihnen bekannten Zusammenhang, ich würde mir dann erlauben, eventuell noch einige Fragen zu stellen.«

Der Oberst nickte schweigend.

»Ich weiß darüber eigentlich nicht viel mehr, als alle Welt weiß, und das wenige sollen Sie natürlich gerne erfahren. Vor allem meine rein persönliche, unmaßgebliche Ansicht, die dahin geht, daß ich Marguth nie eines derartigen Verbrechens für schuldig gehalten hätte, ihn auch heute nicht für den Mörder des Rittmeisters von Wrede halte, damals mußte ich mich allerdings vor den Tatsachen beugen. – –

Marguth stand sechs Jahre beim Regiment, er war kurz vor der Beförderung zum Oberleutnant, als sich die gottverdammte Schweinerei! – – pardon, Herr Doktor – aber die Galle läuft mir über, wenn ich dran denke, – mit dem Rittmeister von Wrede ereignete.

Beide standen in der 3. Eskadron. Wrede und Marguth! Ein Unterschied wie Tag und Nacht! Wrede war unbedingt ein besserer Offizier. Er kam zu uns von den Leibdragonern aus München, Weibergeschichten, Saufereien, Jeu veranlaßten seine Versetzung in die Provinz. –

Ich ließ ihm deutlich genug durchblicken, daß mir seine Anwesenheit durchaus nicht sympathisch war und nahm ihn gehörig an die Kandare, ich konnte ihm dienstlich aber nicht beikommen, denn er tat seine Pflicht, korrekt und exakt.

Daß er auch hier toll hinter den Frauenzimmern her war, dem Wein und den Karten nicht aus dem Wege ging, mein Gott, ich konnt's nicht ändern! –

Auf einen zwanzigjährigen Leutnant kann ich vielleicht in gewissem Sinne noch ein wenig erzieherisch einwirken; bei einem 38 jährigen Rittmeister versagen erstens meine Kompetenzen und dann auch mein eigener Wille. Marguth stand als Leutnant in Wredes Schwadron. Die beiden kamen leidlich zusammen aus. Daß ein herzliches Verhältnis nicht leicht aufkommen konnte, lag in der Verschiedenheit der beiderseitigen Charaktere wohl genügend begründet. – Wrede war ein Lüderjahn, ein Schürzenjäger, aber ein strammer Offizier. – Marguth ein verträumter Idealist, eine Künstlernatur, dabei ein miserabler Soldat.

Gewiß, er tat seinen Dienst korrekt und pünktlich, aber ohne jede Lust und Liebe zur Sache. Sein Rittmeister, der bei allen schlechten Eigenschaften ein guter Soldat war, kanzelte ihn manchmal gehörig herunter, aber es nützte nichts – Marguth war kein Soldat und wurde keiner. –

Sein Onkel hatte ihn seinerseits zu dieser Laufbahn gezwungen, ob der Neffe wollte oder nicht, danach wurde nicht gefragt. – Sind Sie mir bis hierher gefolgt –?«

»Mit dem größten Interesse.«

»Ich komme jetzt zu den tragischen Vorfällen, die damals Marguth vor Gericht brachten.

Draußen vor der Stadt stand seit Jahren eine Villa leer, ein kleines, nettes Schlößchen. Es wollte sich kein Mieter oder Käufer finden, weil der Zins zu hoch war. Plötzlich hieß es, die Villa Isolde habe einen neuen Mieter bekommen, und zwar sprach die Fama von einer schwerreichen Ausländerin, einer jungen, feschen Witwe, Brasilianerin oder Portugiesin. Jedenfalls war es etwas Exotisches. – –

Das ganze Interesse des Städtchens konzentrierte sich natürlich auf die Person der jungen Frau, die, wie alles, was vom Ausland kommt, mit offenen Armen empfangen wurde.

Sie nannte sich Baronin von Rottsieper, war von Geburt Portugiesin und Witwe eines deutschen Legationssekretärs, der sie in Lissabon kennen gelernt und sich sterblich in sie verliebt hatte, so daß er ihr seine Hand und seinen alten Namen zu Füßen legte.

Lange genoß er die Freuden der Ehe nicht. Er starb wenige Monate nach der Heirat an chronischer Tuberkulose – solche Leute begehen eigentlich ein Verbrechen, wenn sie heiraten. – –

Die trauernde Witwe, – sie soll ihren vornehmen Gatten aufrichtig geliebt haben, – fühlte sich in der geräuschvollen Großstadt München nicht wohl, zog nach unserem ruhigen Ingolstadt und bildete bald den Mittelpunkt unserer guten Gesellschaft.

Jeder, der etwas war oder sein wollte, drängte sich dazu, bei ihr eingeladen zu werden, auch unser Offizierskorps verkehrte viel in ihrem Hause, denn die Frau Baronin war eine blendende Erscheinung. Nicht groß, aber von junonischen Formen, ein Gesichtchen, wie eine Gemme, und tiefschwarze, leidenschaftliche Augen, wie ein kochender Kratersee.

Ich muß einschalten, Herr Doktor, daß der Verkehr der Offiziere mit der Zeit nachließ und bald einschlief. – Warum?! Tscha – eine bündige, klipp und klare Erklärung abzugeben, wäre schwer, – sehr schwer. Es wurde in ihrem Hause gespielt, hoch gespielt! Viel gewonnen und viel verloren, das geschah anderwärts aber schließlich auch.

Es wurde geflirtet und überhaupt ein etwas freier Ton eingeführt, aber alles war nicht derart, daß es dem guten Ruf Frau von Rottsiepers hätte Schaden tun können.

Vielleicht trug der Umstand dazu bei, daß die Frau Baronin endlich aus der Schar ihrer zahlreichen Anbeter eine feste Wahl getroffen hatte, und zwar Leopold von Marguth. – Man konnte diese Wahl wohl verstehen. Marguth war ein hübscher Bursche, ein Ehrenmann von untadeligem Benehmen, als einziger Erbe seines alten Onkels, den jeden Tag das Zeitliche segnen konnte, auch durchaus nicht unvermögend, und – die Geldquellen der Frau Baronin schienen bei allem Reichtum doch keine unerschöpflichen zu sein. Daß niemand eigentlich so recht wußte, wovon sie ihren kostspieligen Lebensunterhalt bestritt, mag vielleicht mit ein Grund gewesen sein, weshalb die Offiziere nach und nach ihren regelmäßigen Verkehr im Hause von Rottsieper einstellten.

Nur Marguth hielt aus. – Er galt bei Militär und Zivil – beileibe nicht als Liebhaber der schönen Frau – sondern man rechnete sehr stark mit einer baldigen öffentlichen Verlobung.

Da erhielt Marguth einen schwerwiegenden Rivalen in der Person seines Rittmeisters von Wrede. – Wrede, der sonst jeder Schürze nachlief, hatte sich zuerst seltsamer Weise auffällig von der Frau ferngehalten. Plötzlich schien aus irgendwelchen unbekannten Gründen sein Interesse geweckt zu sein, und das Verhältnis der beiden Offiziere wurde dadurch begreiflicherweise in nichts gebessert. – –

Marguth ging seinem Rittmeister soviel als möglich aus dem Wege, aber man merkte, daß unter seiner ruhigen Außenseite ein Vulkan schlummerte, der eines Tages spontan zur Eruption drängen mußte.

Ich befürchtete, wohl nicht mit Unrecht, einen Skandal, und ließ durch den Rittmeister der vierten Schwadron, Baron von Heimerdinger, Wrede kameradschaftlich nahelegen, sich für seine bekannten erotischen Betätigungen möglichst ein anderes Objekt zu wählen, als eine Dame der Gesellschaft, die zudem noch als die Braut eines Kameraden galt.

Wrede lachte ihn aus. Seine Beziehungen zur Baronin von Rottsieper seien die denkbar reinsten und lediglich gesellschaftlicher Art. Er verstünde nicht, warum es Heimerdinger für notwendig erachte, diese Angelegenheit, die schließlich nur seine eigene Sache sei, zur Sprache zu bringen. Schließlich sei er doch kein Casanova und er danke ein- für allemal entschieden für Belehrungen, von welcher Seite sie auch kommen mögen. Kurz und gut, die in meinem direkten Auftrag erfolgte Warnung Heimerdingers hatte nicht den geringsten Erfolg. – –

Was ich Ihnen jetzt weiter berichte, Herr Doktor, sind keine bewiesenen Tatsachen, nur Vermutungen, die aber aus mancherlei Gründen, deren Erörterung hier zu weil führen würde, als Wahrscheinlichkeiten gelten können.

Ich glaube – wohlgemerkt Herr Doktor – ich habe dafür keinen Beweis, daß Marguth seinen Rittmeister bei Frau von Rottsieper in einer Situation überraschte, die jegliches Mißverständnis ausschloß. – Die Folge davon war – dies ist natürlich wieder eine Tatsache, – eine Forderung Marguths an den Rittmeister von Wrede.

Am Abend des 17. Januar – am folgenden Morgen in aller Frühe sollte das Duell ausgefochten werden, – vernahm eine Schutzmannpatrouille aus der Richtung der Gertraudenstraße, wo Wrede eine Junggesellenwohnung von drei Zimmern innehatte, einen scharfen Schuß. Sie ging der Richtung des Schalles nach und konstatierte, daß sowohl die Garten- als auch die Vorplatztür des Wredeschen Hauses offen stand.

Nichts gutes ahnend, betraten die beiden Polizisten die Wohnung, und im Schlafzimmer fanden sie, quer über das Bett geworfen, die halbentkleidete Leiche des Rittmeisters; er hatte eine absolut tötliche Kugel in der linken Brustseite und war bereits verschieden, als die Beamten auf dem Schauplatz erschienen.

Während der eine der beiden Schutzleute zurückblieb, eilte der andere auf die Wache, den Fall zu melden und – er erinnert sich dessen ganz genau – auf einer Bank an der Ecke der Gertrauden- und Ludwigstraße saß der Leutnant von Marguth barhäuptig, den Kopf in die beiden Hände vergraben. Dieser Umstand führte später zur Verhaftung Marguths. – Die Verhandlung bedeutete für Ingolstadt eine Sensation. Marguth leugnete, irgendwie an der Mordtat beteiligt zu sein, oder auch nur eine Vermutung in Bezug auf den Täter zu haben. – Er wollte sich am Tage nach dem Mord mit dem Rittmeister duellieren, das Duell beschäftigte ihn, was begreiflich scheint – den ganzen Tag. Er hatte unerträgliche Nervenkopfschmerzen, und nahm auf dem Nachhauseweg einige Minuten auf der bewußten Bank, die in unmittelbarer Nähe seiner eigenen Wohnung, Ludwigstraße 15, lag, Platz. Belastungszeugen konnte der Staatsanwalt nicht beibringen, auch die Mordwaffe fand man nicht, und die wenigen Indizien reichten nicht aus, Marguth, der seine Unschuld bis zum letzten Augenblick beteuerte, des vorsätzlichen Mordes zu überführen. Er mußte aus Mangel an Beweisen freigesprochen werden. Er wurde natürlich sofort auf unbestimmte Zeit beurlaubt und kam um seinen Abschied ein, der ihm auch auf dem schnellsten Wege gewährt wurde.

Zwei Tage nach der Freisprechung verließ er Ingolstadt und ging später ans Varieté, das ist Ihnen ja bekannt.« – –

»Noch eine Frage, Herr Oberst,« sagte Lutz, der mit großem, unverhohlenem Interesse dem klaren Bericht des Offiziers gefolgt war. »Was wurde aus Frau von Rottsieper?«

Der Oberst zuckte leicht die Achsel. »Sie wurde natürlich von der Staatsanwaltschaft als Zeugin vernommen, behauptete aber, nicht einmal eine Ahnung gehabt zu haben, daß die beiden Offiziere die Absicht eines Duelles hatten. Am Abend der Tat befand sie sich ununterbrochen zu Hause, was ihr Diener bestätigte. – Das ist alles, Herr Doktor, was ich Ihnen über den Vorfall erzählen kann, wohlgemerkt nicht, weil ich nicht wollte, sondern weil ich tatsächlich nichts mehr weiß. In den Gerichtsakten, die man Ihnen selbstverständlich vorlegen muß, werden Sie aber weitere Aufklärungen auch nicht finden, ebensowenig dürfte irgend jemand am Platze sein, der in der Lage sein wird, Ihnen einen ausführlicheren Bericht zu liefern als ich, der ich mich als Marguths Regimentskommandeur gewissermaßen selbst zu verantworten hatte, und – das kann ich Ihnen ehrlich zugeben – eine Nase einsteckte, die sich gewaschen hatte. Wenn ich nicht, ganz oben, so vorzüglich angeschrieben wäre – säße ich heute vielleicht auch in Wiesbaden und ginge in Zylinder und Regenschirm spazieren. – Haben Sie sonst noch Fragen?«

»Ja, Herr Oberst, ich möchte gerne noch einige Auskünfte über Frau von Rottsieper haben. Kannten Sie die Frau Baronin persönlich?«

»Gewiß, sie war eine charmante Dame, ein wenig geziert und überspannt wie die Romaninnen alle sein mögen, aber von untadeligem Benehmen.«

»Sprach Sie gut Deutsch?«

»Vortrefflich, geradezu erstaunlich gut für eine Ausländerin.«

»Frau von Rottsieper hatte wohl schwarze Haare?«

»Nein, im Gegenteil!« erwiderte der Oberst ein wenig erstaunt. »Rotblond. Wissen Sie, jenes rote Tiziangold, das man bei den Romaninnen häufiger findet, dabei besaß sie eine unnatürlich weiße, blasse Hautfarbe, die zu ihren tiefschwarzen, prachtvollen Augen wunderbar kontrastierten.«

»Und was ist später aus Frau von Rottsieper geworden? Wohnt sie noch hier?«

»Nein! Zwei Tage nach der Verhandlung verließ sie Ingolstadt, was für uns alle als unanfechtbarer Beweis galt, daß sie in die Duellgeschichte in irgend einer mehr oder weniger kompromittierenden Weise verwickelt war. Kein Mensch hat Frau von Rottsieper wieder gesehen, es hieß, daß sie in ihre Heimat zurückgekehrt ist.«

Lutz erhob sich. Die beiden Offiziere folgten seinem Beispiel.

»Haben Sie vielen Dank, Herr Oberst,« sagte der Detektiv, »für Ihre freundliche Unterstützung. Ich kann Ihnen meinerseits die Versicherung geben, daß amtlich weder ein Angehöriger des Regiments in die Untersuchung verwickelt wird, noch sonst irgendwelche Scherereien oder sonstige Unannehmlichkeiten für Sie entstehen.«

Der Oberst reichte dem Detektiv herzlichst die Rechte.

»Sie würden mir eine Freude machen, wenn Sie mir zum Mittagessen die Ehre geben. Sans façon – ohne jede Umstände, es wird ein Teller mehr aufgelegt, und damit basta.« –

»Herzlichen Dank, Herr Oberst. Ich fahre mit dem 12 Uhr-Schnellzug wieder zurück. Meine Mission hier ist erledigt.«

Ein nochmaliges Händeschütteln, ein Zusammenklappen der bespornten Absätze und Oberst von Bodansky geleitete seinen zuerst wenig willkommenen Gast höflichst bis zur Türe.


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