Gustav Schwab
Schiller's Leben
Gustav Schwab

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Häuslicher Jammer. Uebersiedlung nach Weimar.

1799.

Mit der Erwähnung dieses alten Herzensfreundes kehren wir auch wieder in Schillers Hause ein. Hier war die Frau im Herbst 1799 mit ihrer ältesten Tochter CarolineJetzt an den Bergrath Junot in Thüringen verheirathet. niedergekommen, die am 15. Oktober getauft ward. Auf diese Niederkunft folgte ein Nervenfieber, das den Gatten und alle Angehörigen in die schmerzlichste Sorge versetzte. Ihre Phantasien gingen Schillern durchs Herz, und er brachte manche schlaflose Nacht an ihrem Bette zu. Als die Gefahr vorüber schien und das Fieber fast ganz aufgehört hatte, war immer die Besinnung noch nicht da, und öfters traten heftige Accesse von Verrückung des Gehirns ein. Die Geschicklichkeit des Hausarztes Starke, Schillers sorgsame, zarte Pflege, die Wartung der guten Mutter, und der treuen, immer gleich hülfreichen Hausfrau und Freundin GriesbachNach ihrem Zeugnisse war Schiller ein unvergleichlicher Krankenpfleger. H. Voß S.  41 f. bewirkten indessen nach langen Wochen eine vollkommene Genesung.

Längst hatten Schillers Aerzte, bei seinem unverkennbaren Lungenleiden, die Bergluft von Jena für gefährlich erklärt, und schon vor der Krankheit seiner Frau stand sein Entschluß fest, nach Weimar, wenigstens für die Winter, sich hinüber zu siedeln. Zugleich wollte er der musenlosen Einsamkeit, der trockenen Gelehrsamkeit, dem Schauplatze der Spekulation, die ihn so lange geängstigt hatte, entfliehen. »Die wenigen Wochen meines Aufenthalts zu Weimar und in der größern Nähe Eurer Durchlaucht« – so hatte er schon am 1. September 1799 an seinen Herzog geschrieben – »haben einen so belebenden Einfluß auf meine Geistesstimmung geäußert, daß ich die Leere und den Mangel jedes Kunstgenusses und jeder Mittheilung, die hier in Jena mein Loos sind, doppelt lebhaft empfinde. So lange ich mich mit Philosophie beschäftigte, fand ich mich hier vollkommen an meinem Platz; nunmehr aber, da meine Neigung und meine verbesserte Gesundheit mich mit neuem Eifer zur Poesie zurückgeführt haben, finde ich mich hier in eine Wüste versetzt. Ein Platz, wo nur die Gelehrsamkeit, und vorzüglich die metaphysische, im Schwange gehen, ist den Dichtern nicht günstig; diese haben von jeher nur unter dem Einfluß der Künste und eines geistreichen Umgangs gedeihen können. Da zugleich meine dramatischen Beschäftigungen mir die Anschauung des Theaters zum nächsten Bedürfnisse machen, und ich von dem glücklichen Einfluß desselben auf meine Arbeiten vollkommen überzeugt bin, so hat alles dieß ein lebhaftes Verlangen in mir erweckt, künftighin die Wintermonate in Weimar zuzubringen.« Da seine ökonomischen Mittel eine doppelte Einrichtung nicht erlaubten, bat er nun seinen Landesherrn um die gnädige Beistimmung zu dieser Ortsveränderung.

Der Herzog kam dem Dichter, der seit dem März 1798 Professor Ordinarius in Jena war, gütig entgegen, bestimmte ihm einen Gehalt von jährlich tausend ThalernSo Göthe bei Eckermann I. 308. Aber zuverlässige Nachrichten belehren mich, daß diese Angabe irrig ist.
                          Oktober 1840.
und erbot sich, ihm das doppelte zu geben, im Fall er durch Krankheit verhindert seyn sollte, zu arbeiten. Schiller lehnte dieses letzte Anerbieten ab und machte nie davon Gebrauch. »Ich habe das Talent,« sagte er, »und muß mir selber helfen können.«

In Weimar sorgte Göthe vor allen Dingen für ein Quartier; er hätte den Freund gar zu gern in der Nähe des Schauspielhauses gehabt. Das durch Gespenster berüchtigte gräflich Werther'sche Haus war zu vermiethen; »es wäre wohl der Mühe werth, das Gebäude zu entzaubern,« sagt Göthe. Endlich wurde durch die Bemühung der Frau von Kalb eine Wohnung ausgemittelt.

Als nun aber Schiller nach seiner Frau Genesung, am 4. December wirklich nach Weimar hinübergezogen war, stürzte er sich, im Eifer für die Kunst und in der Sorge für seine Familie, die sich in den letzten Jahren wiederholt vergrößert hatte, in Arbeit auf Arbeit, und Göthe scheintEckermann I, 308 f. es zu bedauern, daß er von der, wahrscheinlich durch ihn, den treuen Freund, eingeleiteten Großmuth seines Fürsten nicht einen umfassenderen Gebrauch gemacht. »Der Existenz wegen,« sagt Göthe, »mußte er jährlich zwei StückeAls Göthe früher dem Freund eine solche Thätigkeit prophezeite, dachte er nicht an dessen Gesundheit. schreiben, und, um dieses zu vollbringen, trieb er sich, auch an solchen Tagen und Wochen zu arbeiten, in denen er nicht wohl war; sein Talent sollte ihm zu jeder Stunde gehorchen und zu Gebote stehen. Schiller hat nie viel getrunken, er war sehr mäßig; aber in solchen Augenblicken körperlicher Schwäche suchte er seine Kräfte durch etwas Liqueur oder ähnliches Spirituose zu steigern. Dieß aber zehrte an seiner Gesundheit, und war auch den Produktionen selbst schädlich. Denn was gescheidte Köpfe an seinen Sachen aussetzen, leite ich aus dieser Quelle her. Alle solche Stellen, von denen sie sagen, daß sie nicht just sind, möchte ich pathologische Stellen nennen, indem er sie nämlich an solchen Tagen geschrieben hat, wo es ihm an Kräften fehlte, um die rechten und wahren Motive zu finden. Ich habe vor dem kategorischen Imperativ allen Respekt, ich weiß, wie viel Gutes aus ihm hervorgehen kann, allein man muß es damit nicht zu weit treiben, denn sonst führt diese Idee der ideellen Freiheit sicher zu nichts Gutem.«


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