Gustav Schwab
Schiller's Leben
Gustav Schwab

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Studien und Arbeiten.

1785 bis 1787

Die reizende Lage Dresdens am großen Elbstrom und die anmuthige Umgebung kann nicht ohne Einfluß auf Schillers Dichtergeist geblieben seyn. Auch wissen wir, daß er die meiste Zeit dort im Umgange mit der Natur zugebracht. Am Ufer der Elbe, bei Loschwitz, in einem von Reben umschlossenen Thale besaß Körner einen Weinberg mit einem angenehmen Wohnhause, in welchem der Dichter in der Familie seines Freundes lebte. Ein Gartensaal auf der Anhöhe, wo die Weinpflanzung an ein Fichtenwäldchen gränzt, war ihm eingeräumt. Hier arbeitete er an seinem Don Carlos und gab dem schon gedichteten Theile des Drama's eine ganz neue Gestalt. Der Entwurf zu dem Fragment gebliebenen Schauspiele, der Menschenfeind, die Materialien zum Abfall der Niederlande, der Band von Geschichten der merkwürdigsten Revolutionen und Verschwörungen, die Idee zum unvollendeten Geisterseher, durch Cagliostro's abentheuerliche Gaukelspiele hervorgerufen, – das Alles, nebst einigen lyrischen Gedichten, entstand und sammelte sich hier und in Dresden. War nun der Dichter des Sinnens und Schaffens müde, so wandte er sich an die Natur. Eine seiner liebsten Erholungen war dann, auf einer Gondel den Strom hinabzufahren, und charakteristisch ists, daß, wie einst der Knabe zu Lorch in einem Lindenwipfel die Wolkenwerkstatt der Blitze belauschte, so jetzt der Mann am liebsten seine Wasserfahrt bei Gewittern anstellte, wenn der Strom sich schäumend erhob und die ganze Natur im Kampfe lag. Ein schmetternder Donnerschlag soll ihm hier ein Bravo! an die Natur abgelockt haben, das in den Räubern von Effekt gewesen wäre. Weniger scheint ihn das gesellige Leben, in welches Fremde aus allen Weltgegenden Bewegung brachten, berührt zu haben, und die Kunstsammlungen und wissenschaftlichen Anstalten, der Umgang mit Künstlern und Künstlerinnen der Hauptstadt warfen ihm keinen bedeutenden Gewinn ab. Ja, messen wir einem strengen Worte Schillers selbst Glauben bei, so fehlte ihm das Interesse und der Sinn für die bildenden Künste.Schillers Briefwechsel mit Humboldt S. 449. Hoffmeister I, 280. Ueberhaupt scheute jetzt sein nach Innen gekehrtes Auge alle Zerstreuung und Zersplitterung, die von Außen drohte, und recht launig machte er, als schon an den ersten Akten des Don Carlos bei Göschen in Leipzig gedruckt wurde und den Dichter die Vollendung des Werkes drängte, seinem Unmuth über eine verdrießliche Unterbrechung in komischen Versen Luft. Die Körnersche Familie hatte eine Herbstfahrt gemacht, und die Appellationsräthin, unter der Voraussetzung, daß Schiller mitfahre, den Keller und alle Schränke verschlossen. So saß der Zurückgebliebene über seinem Trauerspiel ohne Speise und Trank und unter seinen Fenstern plätscherte eine große Hauswäsche. Da dichtete er in lustiger Verzweiflung »die Bittschrift eines niedergeschlagenen Trauerspieldichters an die Körner'sche Waschdeputation,« welche mit dem Humor, der im Schwabenlande und unter seinen Sängern noch auf den heutigen Tag zu Hause ist, so verwandt klingt, daß man einem Schwaben, der seines Landsmanns Leben schreibt, es verzeihen wird, wenn er es hersetzt:Aus Dörings älterem Leben Schillers S. 112 ff. und Boas I, 66.

Dumm ist mein Kopf und schwer wie Blei,
Die Tabaksdose ledig,
Der Magen leer – der Himmel sey
Dem Trauerspiele gnädig!

Ich kratze mit dem Federkiel
Auf den gewalkten Lumpen;
Wer kann Empfindung, wer Gefühl
Aus vollem Herzen pumpen?

Feu'r soll ich gießen aufs Papier
Mit angefrornem Finger –
O Phöbus, hassest du Geschmier,
So wärm' auch deinen Jünger!

Die Wäsche klatscht vor meiner Thür,
Es plärrt die Küchenzofe,
Und mich, mich führt das Flügelthier
Zu König Philipps Hofe.

Ich steige muthig auf das Roß,
In wenigen Sekunden
Seh' ich Madrid; am Königsschloß
Hab' ich es angebunden.

Ich eile durch die Gallerie
Mit schnellem Schritt, belausche
Dort die Prinzessin Eboli
Im süßen Liebesrausche.

Jetzt sinkt sie an des Prinzen Brust
Mit wonnevollem Schauer,
In ihrem Auge Götterlust
Und in dem seinen Trauer.

Schon ruft das schöne Weib: Triumph!
Schon hör' ich – – Tod und Hölle!
Was hör' ich? – Einen nassen Strumpf
Geworfen in die Welle.

Und hin ist Traum und Feerei,
Prinzessin, Gott befohlen!
Der Henker mag die Dichterei
Bei'm Hemdewaschen holen.

Schiller, Haus- und Wirthschaftsdichter.Eine andere Version dieser ganzen Geschichte und ganz anders lautende Verse des Gedichtes finden sich in der »Skizze, Friedr. Schiller,« Leipzig bei Tauchnitz 1805 (S. 35), aus der sie wahrscheinlich Hinrichs (II, 158) hat. Dieß muß einigen Zweifel gegen das Ganze erregen. – S., Febr. 1840.


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