Gustav Schwab
Schiller's Leben
Gustav Schwab

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Vorerinnerung zum zweiten Drucke

Die Oktavausgabe war im Drucke ziemlich vorgeschritten, als obiges Vorwort geschrieben wurde, und stimmt soweit mit der Sedezausgabe überein. Im spätern Theil ist nur hier und da ein kleiner Beisatz, welcher durch immer neu zu Tage kommende Notizen nöthig wurde, theils im Texte, theils in Noten hinzugekommen. Die bedeutendste Beigabe ist das französische Bürgerdiplom mit den zugehörigen Aktenstücken, das jetzt S. 388–391 dieses Drucks in genauer Abschrift zu lesen ist. Auch am Styl hat der Verfasser auf's sorglichste nachgebessert, wie eine Vergleichung mit der Sedezausgabe, von der Mitte des zweiten Buches an, darthun muß. Wesentlicheres zu ändern erlaubte weder die Zeit, noch die Rücksicht auf die Besitzer der eben erst unter das Publikum gekommenen Sedezausgabe, noch die Stimmung des vom Geschick in diesem Augenblicke gelähmten Verfassers.

Ganz am Schlusse dieses neuen Abdrucks hat der Verfasser noch von einem kleinen Lustspiele Schillers Kunde erhalten, das der Dichter im Körner'schen Hause zu Dresden, als Scherz im Familienkreise, verfaßt hat. Das Original besitzt ein Handschriftensammler, dem dasselbe, weil darin Persönlichkeiten auf eine Art berührt sind, die es zur öffentlichen Bekanntmachung nicht eignen, nur unter der Bedingung cedirt worden ist, das Lustspiel nicht zu publiciren. Mit Recht kommt er diesem Vorbehalte gewissenhaft nach, und der Biograph kann deßwegen über jene bisher ganz unbekannte Reliquie Schillers nicht einmal in gegenwärtiger Vorerinnerung berichten.

Nicht verschwiegen bleibe eine kleine Entdeckung, die dem Verf. durch Herrn Pfarrer Carl Moser, den Enkel des Pfarrers Philipp Ulrich Moser, der Schillers Lehrer zu Lorch war, als Berichtigung kürzlich mitgetheilt wurde. Dieser hatte nämlich keinen Sohn, welcher Carl hieß; von seinen drei Söhnen war Christoph Ferdinand der Jugendfreund Schillers, und mit ihm theilte der letztere den Jugendunterricht. Es ist klar, daß Schiller, dem ohne Zweifel sein Carl Moor schon frühzeitig im Kopfe steckte, dem Gespielen diesen poetischen Namen nur geliehen hat. Der jüngere Sohn Philipp Ulrichs, der als Pfarrer zu Gültlingen auf dem Schwarzwalde noch lebende, im 80sten Lebensjahre stehende Vater des Herrn Carl Moser, Herr M. Philipp Heinrich Moser, weiß sich Schillers von seinem elterlichen Hause zu Lorch her noch wohl zu erinnern, denn er ist nur zwei Jahre jünger als Schiller. Der alte Pastor Moser zu Lorch war ein würdiges Motiv zu des Dichters Räubern, ein jüngerer Freund Johann Albrecht Bengels, ernst und fromm, aber milde gegen Andersdenkende, und ohne Manier in seinem Betragen. Wenn er zu Dettingen bei Heidenheim, wo er seit 1767 Pfarrer war, über die Straße ging – so erzählten seine Töchter dem Enkel – so blieb Jung und Alt stehen, und bückte sich vor der ehrwürdigen Gestalt, »als wäre es ein Prälat.« Wahrscheinlich flößte seine würdevolle Persönlichkeit dem jungen Schiller jene nachhaltige Neigung zum geistlichen Beruf ein. Pfarrer Moser in Lorch war ein guter Orientalist und Verfasser eines hebräischen Lexicons, das sein noch lebender Sohn Philipp Heinrich gefeilt und zum Drucke gefördert hat. Christoph Ferdinand, der Pseudo-Carl Schillers, war mit diesem nie in Ludwigsburg auf der Schule. Ob er später dort sich aufgehalten und nach Mannheim und Weimar mit Schiller korrespondirt hat, ist nicht ausgemittelt und könnten die an ihn vermeintlich gerichteten Briefe an Hoven oder an einen andern Freund daselbst geschrieben seyn. Die älteste Tochter des Lorcher Pfarrers erinnerte sich Schillers auch noch: »er sey ein zwar etwas bleich aussehender und geschnäderter [schwäbisch, für zartgebauter], jedoch gesunder und munterer Knabe gewesen.«

Der Jugendfreund Schillers wurde Pfarrer zu Lautern und Wippingen bei Blaubeuren, nachher zu Herbrechtingen, wo er um 1800 starb. Der frühvollendete Philosoph G. F. Bockshammer war sein Schwiegersohn. Philipp Ulrich Moser, der Lehrer Schillers, starb, nach dem Lebenslaufe, den wir Schillers Freunde verdanken, am 6. August 1792.

Erfreulich wäre es, wenn durch diese Biographie hier und da eine weitre theure Erinnerung an den großen deutschen Dichter aus dem Dunkel, in welchem sich noch immer manches bergen mag, hervorgelockt würde.

G., den 55, Dezember 1840.

G. S.


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