Gustav Schwab
Schiller's Leben
Gustav Schwab

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Rückfall.

1791.

Die Kantianer, welche Reinholds Vorlesungen nach Jena gezogen, sammelten sich jetzt auch um Schiller und fanden sich bei ihm zu philosophischen Gesprächen ein, darunter der uns seitdem trefflich geschilderte Erhard, und ein Baron Herbart, den noch im Mannesalter Liebe zur Philosophie aus Steiermark nach Jena gezogen. Aber Anfälle von schweren Brustkrämpfen störten dieses heitere geistige Leben, und auf einem Besuche in Rudolstadt führte den Dichter ein harter Anfall dem Tode nahe. Er verlangte die Freunde der Familie zu sehen, damit sie lernten, wie man ruhig sterben könne. Mit männlicher Fassung hieß er die Seinigen sich beruhigen und das Unvermeidliche ertragen.

An seinem Bette saß die Schwägerin, und las ihm Stellen aus Kants Kritik der Urtheilskraft, die auf Unsterblichkeit deuten, vor. »Den Lichtstrahl aus der Seele des ruhigen Weisen, und den tröstenden Glauben meines Herzens,« schreibt sie, »daß solch ein Wesen in der Blüthe seiner Kraft nicht enden, und uns nicht für immer entzogen werden könne, – nahm er ruhig auf.« »Dem allwaltenden Geiste der Natur müssen wir uns ergeben,« sagte er, »und wirken, so lange wirs vermögen.« Als ihm die Sprache schwer zu werden anfing, griff er nach dem Schreibzeuge und schrieb – »Sorget für eure Gesundheit, man kann ohne das nicht gut seyn.« Noch verwahrt die Freundin diese rührenden Worte der Liebe.

Es ist unläugbar, daß das Studium von Kants Kritik der Urtheilskraft den Glauben an den persönlichen Gott und an Unsterblichkeit, dem wir ihn zwei Jahre früher genähert sahen, bei Schiller eher wieder in den Hintergrund treten ließ, und das System der bloßen Immanenz Gottes in der Welt seiner Seele wieder vorführte, sonst hätte er die Todesmahnung in anderer Haltung aufgenommen. Die Worte, welche er seiner Geistesfreundin erwiederte, – es könnte sie nicht nur ein Spinozist, es könnte sie auch ein Encyklopädist gesprochen haben.Im April 1827 ging der Verfasser dieser Biographie im Krankensaale des Pariser Invalidenhauses, von einem Arzte begleitet, an dem Bette eines zwei und neunzigjährigen Kapitäns vorüber, der von Steinschmerzen gemartert, seinem Ende entgegensah. »Je meurs de douleurs, messieurs,« rief er uns mit fester Stimme zu: »mais que faire? La nature le veut: il faut obéir.«


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