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»Ich bin jetzt, wonach ich mich so oft gesehnt habe, in Weimar und wähne in Griechenlands Ebenen zu wandeln. Der Herzog ist ein vortrefflicher Fürst, ein wahrer Vater der Künste und Wissenschaften, von denen ich hier auch keine einzige verwaist getroffen habe, du müßtest denn das steife Ceremoniell der Höfe in die ernste Reihe der Künste und Wissenschaften aufnehmen wollen.d. h.: Nur das Hofceremoniell ist als Wissenschaft in Weimar nicht anzutreffen. Er denkt dabei an den Hof des Herzogs Karl zu Ludwigsburg. Du kennst die Männer, auf welche Deutschland stolz seyn kann: einen Herder, Wieland und andere; und Eine Mauer umschließt mich jetzt mit ihnen. Wie vieles Treffliche hat nicht Weimar! – Ich denke hier, wenigstens im Weimarischen, mein Leben zu beschließen, und endlich einmal ein Vaterland wieder zu erhalten.« So schrieb Schiller bald nach seiner Ankunft in Weimar an einen Freund zu Ludwigsburg, und sprach freudig eine Ahnung aus, die in Erfüllung gegangen ist.
Er war durch seine Freundin, Frau von Kalb, welche ihren bisherigen Aufenthalt zu Mannheim mit Weimar vertauscht hatte, dorthin eingeladen worden und im Juli 1787 daselbst eingetroffen, nachdem er seine Geliebte zu Dresden, wenn die Fabel wahr ist, mit dem schwärmerischen Versprechen abgefunden, entweder zu sterben, oder bald nach Dresden zurückzukehren.
Durch seinen Besuch in Weimar war ein längst gehegter Plan zur Ausführung gekommen; denn schon am 24. Mai 1786 hatte sein alter Freund Schwan, der auf einer Rückreise von Leipzig nach Mannheim Weimar berührte, einen Brief des Dichters an Wieland mitgenommen, in welchem dieser klagte, wie sein gutes Glück bisher nicht gewollt habe, daß er den Wunsch verwirklichte, ihn persönlich kennen zu lernen, und daß diese Freude noch in der Zukunft für ihn aufbehalten liege.
Was inzwischen Schiller vom Fürsten und Hofe zu Weimar rühmt, lernte er erst allmählig und zum Theil ziemlich spät kennen. Früher war er im Kreise der dortigen schönen Geister aufgenommen und willkommen geheißen. Göthe zwar war damals noch in Italien; Herder zog ihn, doch ohne Wärme, an; mit väterlicher Zuneigung kam ihm Wieland zuvor: Schiller hoffte schöne Stunden bei ihm. »Wieland ist jung, wenn er liebt,« schrieb er damals an einen Freund.Fr. v. Wolzogen I, 223.
Ueber das literarische Leben am Hofe zu Weimar mag die Schilderung einer scharf zeichnenden, beredten Feder an unserer Statt sprechen.Theodor Mundt, K. F. v. Knebels Leben, in dessen von Varnhagen u. Mundt herausgegebenem Nachlasse, I. XXI ff. »In Weimar wehte seit Jahrzehenden eine Luft, die einem dichterischen Gemüth wohlthuend entgegenkommen mußte. In stiller Pflege regte sich hier ein geistiges Gedeihen, das immer bedeutsamer in das Leben des übrigen Deutschlands übergriff, und unter den Schutz einer großgesinnten, geistvollen Frau gestellt war, die das nicht geringere Talent, Talente auf die rechte Art zu begünstigen und um sich zu versammeln, mit so seltenem Erfolg auszuüben verstand. Aus einem kleinen, zusammengedrängten Blüthenpunkt in Deutschland sollte ein Gipfel der Nationalcultur erreicht werden, der, nach der unglücklichen historischen Organisation der Deutschen, freilich nur ein literarischer war. – In einer frühen Zeit des deutschen gesellschaftlichen Lebens war Herzogin Amalie eine feine und anmuthige Gestalt, die mit einer ungewöhnlichen Gründlichkeit der Bildung, Geschmack, Sinn für das Schöne und Grazie in den Lebensformen vereinigte, wie es in Deutschland, besonders unter den Frauen, noch etwas selten Gesehenes war. Von ihrem Liebling Wieland hatte sie viel gelernt und angeeignet. Einen thätigen und umsichtigen Geist bewährte sie schon in ihrem neunzehnten Jahr, wo sie als Wittwe des Herzogs Ernst August Constantin die vormundschaftliche Regierung für ihren Sohn übernahm und mit einem praktischen Sinn, der ihr unter größern Verhältnissen eine weltgeschichtliche Wirksamkeit hätte verschaffen können, die glücklichsten Anstalten für das materielle Wohl und die geistige Bildung und Veredlung ihres Ländchens traf. Von Wieland, den sie zum Erzieher ihres Sohnes Carl August gewählt hatte, erlernte sie selbst noch in spätern Jahren das Griechische, und mit dem Lateinischen war sie so vertraut, daß sie mehrere Elegieen des Properz übersetzte, die noch handschriftlich vorhanden sind. Der Kreis der ausgezeichnetsten Männer, die sie durch den Reiz ihrer Persönlichkeit gewiß nicht minder als durch ihren verstehenden und eindringenden Geist um sich versammelte und festhielt, erweiterte sich bald immer glänzender. (Knebel war im Jahr 1773 nach Weimar gekommen.) Herder kam im Jahre 1776, etwas früher Göthe, nachdem kurz zuvor der nachherige Großherzog Carl August die Zügel der Landesregierung übernommen. Schiller war der Späteste, der sich diesem auserlesenen Verein anschloß. Andere Geister, wie Böttiger, Musäus, Bode, Seckendorf, Einsiedel fanden sich abwechselnd hinzu und rundeten den schönen Kreis aus. Diese Verhältnisse schienen zugleich einigermaßen wichtig für die Begriffe von den Ständeunterschieden in Deutschland; denn das geistige Verdienst hatte hier auch in seiner Beziehung zur Gesellschaft eine Geltung zu gewinnen angefangen, die bis dahin ihm nichts allgemein Zugestandenes war, und man sah es in eine vertraute Nähe zu Fürsten und Thron treten, in der es auf die siegreichste Weise die Vermittelung sonst noch so scharfgetrennter Lebensverhältnisse unternahm.«
Was uns übrigens Schillers Schwägerin von dem anfänglichen Verhalten unsers Dichters zu diesem Kreise erzählt,A. a. O. I, 224. beweist, daß der Schilderer, der uns eben verlassen, sehr Recht hat, wenn er hinzufügt, daß aus solchen Verhältnissen dennoch mehr hätte werden können, als wirklich daraus wurde, und daß der aristokratische Geist dieser Zeit noch zu mächtig war. Nach der Versicherung dieser Biographin »wirkte die weimarische Welt im Ganzen mehr bildend als belebend auf Schiller. Der Ton der Gesellschaft war kritisirend, mehr ausweichend als entgegenkommend. Von rheinländischer Liberalität und schwäbischer Herzlichkeit war wenig zu finden. Im Hause der Herzogin Amalia war man mit Studien und Zurüstungen zur italienischen Reise beschäftigt, der Herzog, viel abwesend, scheint damals keinen besondern Antheil an Schiller bezeigt zu haben, und der eigentliche Hofcirkel war abgeschlossen. Die vorzüglichsten Geister übten so großen Einfluß, daß überall Literatur Gegenstand der Unterhaltung war; aber im Grunde ward mehr darüber geschwatzt als gedacht, und das eigentliche Leben, dessen Schiller bedurfte, um sich heiter zu erhalten, fehlte.«
Wirklich zeigen auch die lebensvollen prächtigen Briefe des Herzogs Carl August und die ebenso anmuthigen als natürlichen seiner Mutter, der Herzogin Amalie, an Knebel, jene gar keine Spuren von Schiller, diese weder vor dem 20. Dez. 1790 noch nach demselben irgend eine Spur: doch geht so viel daraus hervor, daß im Laufe des Jahres 1787 die Herzogin und ihr Sohn beide häufig von Weimar abwesend, und der leztere auch durch Kränklichkeit gestört war. Aber die Herzogin Amalie blieb überhaupt vermöge ihrer Geistesrichtung dem Genius Schillers fremd. »Seitdem ich wieder in Deutschland bin,« (d. h. seit dem Schlusse des Jahres 1789,) schreibt sie an Knebel aus Weimar vom 7. Februar 1791, »habe ich leider gefunden, daß die deutsche Literatur nicht an Geschmack und Feinheit zugenommen, sondern vielmehr verloren hat; das Wenige, was ich davon gesehen habe, ist kaum zu verdauen.« Eben damals aber machte Schillers dreißigjähriger Krieg das allgemeinste Aufsehen, und die Herzogin selbst kannte diesen, und hatte vom »Kalender Schillers« einige Wochen zuvor gesprochen.
Indessen scheinen die Herrschaften doch freundliche Blicke schon im Jahr 1787 auf Schiller geworfen zu haben, denn dieser schreibt muthmaßlich aus derselben Zeit, obgleich das Datum fehlt, an seinen Freund nach Ludwigsburg etwas gnadentrunken: »Unbeschreiblich glücklich bin ich, wenn anders die Bekanntschaft mit Großen der Erde ein Glück zu nennen ist. Doch, ich habe ja nicht große, ich habe weise und gute Menschen gesehen; ich habe gefunden, daß Künste und Wissenschaften, Weisheit und Tugend, auch von den Thronen herab Kenner und Verehrer finden. Die Herzogin Amalie von Weimar (du kennst sie gewiß auch, sie, die geistvolle Dame und gepriesene ehemalige Regentin) – ich habe sie gesehen – habe mich mit ihr unterhalten dürfen; und – rathest du wohl, wer mir den Zutritt zu ihr verschaffte? – Göthe war es. Kopfschüttelnd stehst du da, und ich gebe deinem Kopfschütteln meinen Beifall, denn es lehrt mich, künftig nie Menschen rasch und nach gefaßten Vorurtheilen zu beurtheilen. Göthe ist wahrlich ein guter Mensch, und mag er auch Manches gegen sich haben, so kommt doch dieses nicht aus ihm selbst.«
Nur wenige Lebensbeschreiber Schillers haben meines Wissens von diesem Briefe Gebrauch gemacht, dessen Aechtheit, obgleich er nicht in die geschicktesten Hände gerathen war, kaum bezweifelt werden kann. Freilich scheint derselbe einen Widerspruch zu enthalten. Noch ein Dreiviertelsjahr später (2. Mai 1788) wurde, nach Schillers eigner Versicherung, Göthe erst aus Italien erwartet, und doch war unser Dichter in dem Cirkel der Herzogin Amalie damals, wie es scheint, schon lange eingeführt. »Die verwittwete Herzogin,« sagt er, »ist eine Dame von Sinn und Geist, in deren Gesellschaft man nicht gedrückt ist.« Wie lassen sich diese widerstreitenden Aeußerungen vereinigen? Entweder ist Schiller mit Göthe (den er vorher nur einmal, noch in der Akademie, von ferne gesehen hatte) und mit der Herzogin Amalie schon vor seiner Reise nach Weimar, in Frankfurt oder in Darmstadt zusammengetroffen, wovon man aber nicht die mindeste geschichtliche Spur hat, und wogegen seine Aeußerungen, nachdem er später in Rudolstadt den berühmten Dichter von Angesicht zu Angesicht gesprochen, zu zeugen scheinen; oder aber Göthe hat aus der Ferne an Schillers literarischer Erscheinung schon einigen Antheil genommen und ihm den Zutritt zu der Herzogin auf brieflichem Wege bewirkt. Und für diese Empfehlung dankte dann Schiller dem großen Mann in jenem Brief an seinen Freund und Landsmann im Herzen und von Herzen.
Wie dem auch sey, er war in den prunklosen Zimmern zu Tieffurth, dem romantischen Dorfe an der Ilm, wo, eine Viertelmeile von Weimar, in dem herzoglichen Lustschloß und Park, so viel Geist, Bildung und Herzensgüte leuchtete, schon damals kein Fremdling mehr. Dennoch versichert uns seine Schwägerin, daß Schillers Stimmung im Ganzen eine trübe war, und daß er sich, vielleicht aus eigener Schuld, sehr isolirt fand. Nur bei Wieland und bei Frau von Kalb, die ihn wohl mit anderen Hoffnungen nach Weimar gerufen hatte, war ihm wohl; hier und da genoß er auch einen heitern Abend mit Riedel, dem Erzieher des Kronprinzen, und einem jezt verschollenen Schriftsteller Namens Schulz; in einem wöchentlichen Club der Familien Bode, Bertuch und Anderer sah er auch größere Gesellschaft und unterhielt sich hier mit einer Partie Whist; mit dem Geheimen Rathe Schmid, der früher mit Klopstock verbunden war, führte er oft interessante Gespräche über Richardsons Clarisse, welche beide Männer sehr hoch hielten.Ein verbindliches Gedicht Schillers an Schmids Tochter findet man bei Boas I, 67. Das Theater beschäftigte damals seinen Geist wenig.
»Sein guter Genius hatte indessen für eine neue Richtung des Lebens gesorgt. Am Ende des Oktobers machte er eine Reise nach Meiningen zu seiner dort an seinen Freund Reinwald verheiratheten ältesten Schwester, und zu der treuen Freundin Frau von Wolzogen, die sich eben der Anwesenheit ihres Sohnes erfreute. Diese Reise führte ihn in neue Verhältnisse.«Fr. v. Wolz. I, 225. ff.