Gustav Schwab
Schiller's Leben
Gustav Schwab

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Rückkehr nach Weimar.

1788.

Indessen kam die Stunde der Trennung heran. An seinem Geburtstage, den Schiller mit aller Welt am 10. November feierte, dankte er für den freundlichen Antheil der Schwestern und sagt von dem Tage: »Mir wird er immer vor vielen andern merkwürdig seyn, weil Ihre Freundschaft in diesem Jahre für mich aufblühte. Ich hoffe, er ist auch nicht der letzte, den ich unter Ihnen erlebe; . . . ich denke mit Verwunderung nach, was in Einem Jahre doch Alles geschehen kann. Heute vor einem Jahre waren Sie für mich so gut als gar nicht in der Welt – und jetzt sollte es mir schwer werden, mir die Welt ohne Sie zu denken.«

Und nun erscheint schon ein Augenblick, wo die Freundschaft, die Liebe ihn zur Forderung der Unsterblichkeit nöthigt, und in feierlicher Geburtstagsstimmung ruft er aus: »Denken auch Sie immer wie heute, so ist unsre Freundschaft unzerstörbar, wie unser Wesen

Der Scheidende nahm eine Blumenvase, eigentlich einen Potpourri, zum Andenken mit. »Sie haben aus meiner Seele gestohlen, was mich freut. Sie haben mir den Rudolstädter Sommer in dieser Vase mitgegeben. Adieu! Adieu!«

In Weimar war sein erster ruhiger Augenblick (14. November) wieder für die geliebten Wesen, und er ruft ihnen sein Lebewohl nach Erfurt nach, wohin sie am Tage zuvor gleichzeitig mit Schiller verreist waren: »Ich kann mir nicht einbilden, daß alle die schönen, seelenvollen Abende, die ich bei Ihnen genoß, dahin seyn sollen; daß ich nicht mehr, wie diesen Sommer, meine Papiere weglege, Feierabend mache und nun hingehe, mit Ihnen mein Leben zu genießen. – Alles ist mir hier fremd geworden; ein Interesse an den Dingen zu schöpfen muß man das Herz dazu mitbringen, und mein Herz lebt unter Ihnen. Ich scheine mir hier ein abgerissenes Wesen; in der Folge, glaube ich wohl, werden mir einige meiner hiesigen Verbindungen wieder lieb werden, aber meine besten Augenblicke werden doch diejenigen seyn, wo ich mich des schönen Traums von diesem Sommer erinnere, und Plane für den nächstfolgenden mache.«

In Rudolstadt wurde er nicht weniger vermißt. Denn Charlotten v. Lengefeld war durch ihn neue Lebenshoffnung und Freude im Herzen aufgegangen, und auch Caroline v. Beulwitz hatte sich wieder mehr dem wahren Genusse des Lebens im Glück einer neubeseelenden Freundschaft zugewendet.Fr. v. Wolz. I, 271 f.

Noch am 14. November eilte Schiller zu Wieland, und fand da vielerlei Dinge vor, die seine Gegenwart verlangten, die den Merkur betrafen, und durch welche er in Verbindung mit einem uns unbekannten PlaneWahrscheinlich ein projektirtes Journal. Vergl. F. v. Wolzogen I, 345. den Freundinnen nahe zu bleiben und ihnen zu gehören hoffte.

Von Herder hörte Schiller, daß er in Rom sehr aufgesucht, sehr geschätzt werde; der Sekretär der Propaganda, Borgia, der auch Göthen gut kenne, habe ihn einigen Kardinälen als »den Erzbischof von Weimar« vorgestellt. Von diesen Nachrichten war unsrem Dichter die liebste, daß Herder bald wieder kommen wolle. Göthe war aus dem Ministerium getreten und hatte alle Geschäfte abgegeben, doch hieß es, er werde in Weimar bleiben. Man sprach von ihm, wie Schiller den Freundinnen erzählt, mit ungemeiner Achtung. »Er soll weniger Härten haben, als ehemals.«

Unser Dichter war jetzt ganz mit dem Euripides beschäftigt. Man klagte in Weimar viel über ihn, daß er seiner Gesundheit durch vieles Arbeiten und zu Hause Sitzen schaden werde. »Aber so sind die Leute! Sie können es einem nicht vergeben, daß man sie entbehren kann. Und wie theuer verkaufen sie einem die kleinen Freuden, die sie zu geben wissen! Wenn die völligste Indifferenz gegen Clubs und Cirkels und Caffeegesellschaften den Menschenfeind ausmacht, so bin ich's wirklich in Rudolstadt geworden.« (19. Nov.) »So viele treffliche Menschen reißt der Strom der Gesellschaften und Zerstreuungen mit sich dahin, daß sie erst dann zu sich selbst kommen, wenn sich die Seele aus dem Schwall von Nichtigkeiten nicht mehr emporarbeiten kann. Es sieht vielleicht misanthropisch aus; aber ich kann mir hier nicht helfen, ich bin Kleists Meinung: Ein wahrer Mensch muß fern von Menschen seyn.« (20. Nov.)

Die Liebe und Freundschaft hatte sein Geselligkeitsbedürfniß, das bei'm Einzug in Leipzig vor drei Jahren noch so groß gewesen war, für den Augenblick absorbirt. Die Schwestern lobte er, daß sie sich durch den Plutarch über diese platte Generation erheben, und sich so zu Zeitgenossen einer bessern, kraftvolleren Menschenart machen. Die Geschichte des Königs von Preußen empfahl er ihnen und sich zum Lesen und verlangte die Gedanken der Freundinnen darüber. Im Momente beschäftigten ihn Dinge, die »sein Herz nur flach berührten,« der Geisterseher und dergleichen. Er sah mit Sehnsucht der Epoche entgegen, wo er seine Beschäftigungen für sein Gefühl besser sollte wählen können.

Der 22. November war der Geburtstag Lottchens v. Lengefeld. Schiller beschloß diesen Tag auf eine gar angenehme und wohlthätige Art. Er genoß in heiterer Stille sich selbst. Seit seiner Rückkehr nach Weimar war er von Arbeiten, die ihm noch gar nicht recht ans Herz wollten, gespannt und zusammengedrückt. Dieß war der erste Tag, wo er sein Wesen wieder in einer lebendigen Bewegung fühlte: er überließ sich süßen dichterischen Träumen: alte erwärmende Ideen wachten wieder bei ihm auf. Er war

– in der schönern Welt,
Wo aus nimmer versiegenden Bächen
Lebensfluthen der Dürstende trinkt,
Und gereinigt von sterblichen Schwächen
Der Geist in des Geistes Umarmungen sinkt.

Diese Verse, mit welchen der Dichter Charlotten v. Lengefeld, »als der Heiligen dieses Tages,« dankt,Fr. v. Wolz. I, 323. standen, wie sein eignes Zeugniß lautet, damals in den Künstlern. Da sie von dem Versmaße dieses Gedichts gänzlich abweichen, und auch nicht einmal den Gedanken nach darin zu finden sind, so schließen wir daraus mit Recht, daß jenes Gedicht eine wesentliche Umarbeitung vor dem Druck erfahren habe, und sie sind Reliquien der ersten Version.

Gegen den Schluß dieses Monats hatte Schiller Nachrichten von seinem Freunde Wilhelm v. Wolzogen aus Paris. »Wer Sinn und Lust für die große Menschenwelt hat, muß sich in diesem weiten Element gefallen,« schreibt Schiller darüber; »wie klein und armselig sind unsre bürgerlichen und politischen Verhältnisse dagegen! Aber freilich muß man Augen haben, die von großen Uebeln, die unvermeidlich mit einfließen, nicht geärgert werden. Der Mensch, wenn er vereinigt wirkt, ist immer ein großes Wesen, so klein auch die Individuen und Details ins Auge fallen. Aber eben darauf, dünkt mir, kommt es an, jedes Detail und jedes einzelne Phänomen mit diesem Rückblick auf das große Ganze, dessen Theil es ist, zu denken, oder, was eben so viel ist, mit philosophischem Geiste zu sehen. Wie holpericht und höckericht mag unsere Erde von dem Gipfel des Gotthards aussehen! aber die Einwohner des Monds sehen sie gewiß als eine glatte, schöne Kugel.Dieser Gedanke ist die Seele eines Liedes, die seitdem ihren schönen Leib in einem Gedichte Rückerts gefunden hat, das entstanden ist, lang ehe dieser Dichter Kunde von Schillers Aeußerung haben konnte. Wer dieses Auge nun entweder nicht hat, oder es nicht geübt hat, wird sich an kleinen Gebrechen stoßen, und das schöne große Ganze wird für ihn verloren seyn. Paris dürfte auch dem philosophischen Beobachter vielleicht einen widrigen Eindruck geben, aber einen kleinen gewiß nie; denn auch die Verirrungen eines so fein gebildeten Staates sind groß. Was für eine prächtige Erscheinung ist das römische Reich in der Geschichte, auch bei seinem Untergang! – Mir für meine kleine stille Person erscheint die große politische Gesellschaft aus der Haselnußschale, woraus ich sie betrachte, ungefähr so, wie einer Raupe der Mensch vorkommen mag, an dem sie hinaufkriecht. Ich habe einen unendlichen Respekt vor diesem großen drängenden Menschenocean; aber es ist mir auch wohl in meiner Haselnußschale. Mein Sinn, wenn ich einen dafür hätte, ist nicht geübt, nicht entwickelt, und so lange mir das Bächlein Freude in meinem engen Cirkel nicht versiegt, so werde ich von diesem großen Ocean ein neidloser und ruhiger Bewunderer bleiben.«An Karoline von B., Fr. v. Wolz. I, 327–329.

Die oben von uns ausgezogenen Ideen sind sehr verwandt mit dem, was der Dichter, durch den Umgang mit Moritz aufgeregt, der um diese Zeit nach Weimar gekommen war, ein paar Wochen später, im Dezember, an dieselbe Freundin schreibt. »Ueber ein Lieblingsthema von mir, davon auch im Juli, Spuren enthalten sind, über das Leben in der Gattung, das Auflösen seiner selbst im großen Ganzen, und die daraus unmittelbar folgenden Resultate, über Freude und Schmerz, über Tugend und Liebe, über den Tod, hat er (Moritz) außerordentlich klare und erwärmende Begriffe.«F. v. Wolz. I, 344. Und noch viel später hat Schiller jene Gedanken in dem Distichon zusammengefaßt:

Vor dem Tod erschrickst du! du wünschest unsterblich zu leben?
  Leb' im Ganzen, wenn du lange dahin bist, es bleibt.

In diesen Glauben stimmt auch Göthe ein, und das Leben in der Gattung ist seitdem ein unermüdlich besprochenes Thema und in der neuesten Zeit von den Vertheidigern des Diesseits gleichsam als Unsterblichkeitssurrogat dem Glauben an die individuelle Fortdauer untergeschoben worden. Mag es die neueste Theorie damit halten wie sie will, so hat sie wenigstens kein Recht, diejenigen, welche an der letztern Ueberzeugung noch festhalten, für Egoisten zu erklären, die sich von dem Wirken für die Gattung lossagen. Derjenige unsres Geschlechtes, dessen ganz und gar der Gattung gewidmetes Leben und dessen Martertod für die Gattung wenigstens sich nicht in Mythe verwandeln läßt, hat darum nicht weniger uneigennützig für sie gewirkt und gelitten, daß er es nur gethan hat, weil er für eine Gattung unsterblicher Einzelwesen zu leben und zu sterben das Bewußtseyn hatte.

Von Göthe ist es notorisch, daß er mit seiner Begeisterung für das Gattungsleben den unerschütterlichsten Glauben an die Monadennatur der Seele verblieb, und er hat mit Lorenzo von Medici gesagt, »daß alle diejenigen auch für dieses Leben todt sind, die kein anderes hoffen.«Eckermann I, 121. Schiller war unstreitig in seinen Ueberzeugungen schwankender, und in der Zeit, als er jene zwei Briefe schrieb, wahrscheinlich dem Glauben an persönliche Unsterblichkeit ferner als vor und nach; aber doch wollte er sicherlich seinen Gedanken nicht und nie so verstanden haben, als ob das Ganze, der Geist der Gattung, das allein wahrhaft Persönliche wäre; und wie fern er vollends von dem Aberglauben war, in der Menschengesellschaft als Staat seinen Gott zu suchen und mit dem Staate einen Götzendienst zu treiben, dafür mögen die nachstehenden Worte seines Novemberbriefes von 1788 an Caroline v. Beulwitz zeugen:

»Und dann,« schreibt er, durch seine Bemerkungen über Paris weiter geführt, »dann glaube ich, daß jede einzelne ihre Kraft entwickelnde Menschenseele mehr ist, als die größte Menschengesellschaft, wenn ich diese als ein Ganzes betrachte. Der größte Staat ist ein Menschenwerk; der Mensch ist ein Werk der unerreichbaren großen Natur. Der Staat ist ein Geschöpf des Zufalls; aber der Mensch ist ein nothwendiges Wesen; und durch was sonst ist ein Staat groß und ehrwürdig, als durch die Kräfte seiner Individuen? Der Staat ist nur eine Wirkung der Menschenkraft, nur ein Gedankenwerk; aber der Mensch ist die Quelle der Kraft selbst und der Schöpfer des Gedankens.«Fr. v. Wolz. I, 330.

1788 bis 1789.

Carl Philipp Moritz, der geistreiche und bizarre Mann, den man sehr bezeichnend den Schauspieler eines fremden Lebens genannt, nur zwei Jahre älter als Schiller, beschäftigte die Aufmerksamkeit des Dichters mehr als vorübergehend, und ihr Einfluß war ein gegenseitiger. Moritz war, im harten Weiter dieses Jahrs, ohne Geld und Kleider, aus Italien in Weimar angekommen, wo ihn Göthe bei sich wohnen ließ, und ihm Mittel zur Weiterreise nach Berlin verschaffte. Sein Anton Reiser, eine Art von Selbstbiographie in Romansform, war damals etwa zur Hälfte erschienen. Schiller sah ihn von Zeit zu Zeit. »Ich kenne ihn,« sagt er, »schon aus einer Zusammenkunft in Leipzig, ich schätze sein Genie; sein Herz kenne ich nicht; sonst sind wir übrigens keine Freunde.« (4. Dez.) Einige Tage drauf fand er sich von Moritz sehr angenehm unterhalten, weil sie auf Schillers Lieblingsideen geriethen: »Von Göthe ist Moritz nun ganz durchdrungen und enthusiasmirt. Dieser hat ihm auch seinen Geist mächtig aufgedrückt, wie er überhaupt Allen zu thun pflegt, die ihm nahe kommen. Aber ich finde, daß er auf Moritz gut gewirkt hat. Moritz hat viel Tiefe des Geistes und Tiefe der Empfindung; er arbeitet stark in sich, wie schon sein Reiser beweist, der einen Menschen voraussetzt, der sich gut zu ergründen weiß. Seine Ideen bringt er zu einer anschaulichen Klarheit. Was ihn interessirt, ist ernsthaft und von Gehalt. Er scheint sehr an sich selbst zu verbessern. Ich fürchte nur, er wählt sich Muster, nach denen er sich bildet, und so vortrefflich auch seine Wahl seyn wird und schon ist, so ist doch Nachahmung ein niedrer Grad von Vollkommenheit. Von Göthe spricht er mir zu panegyrisch. Das schadet Göthen nichts, aber ihm.« Vier Wochen später hatte er die Schrift dieses Gelehrten über bildende Nachahmung des Schönen flüchtig durchlesen. »Das Buch,« sagt Schiller, »ist schwer zu verstehen, weil es keine feste Sprache hat, und sich mitten auf dem Wege philosophischer Abstraktion in Bildersprache verirrt, zuweilen auch eigene Begriffe mit anders verstandenen Wörtern verbindet. Aber es ist vollgedrängt von Gedanken.« Darin tadelt er daraus die übertriebene Behauptung, »»daß ein Produkt aus dem Reiche des Schönen ein vollendetes rundes Ganzes seyn müsse; fehlte nur ein einziger Radius zu diesem Cirkel, so sinke es unter das Unnütze herab.«« »Nach diesem Ausspruch,« sagt Schiller, »haben wir kein einziges vollkommenes Werk, und sobald auch keines zu erwarten . . . Es scheint, daß er keinen Dichter erkennt, als Göthen und allenfalls noch einen, H . . [Herder?] vielleicht; da doch Göthe (von H . . mag ich gar nicht reden) bei diesen Forderungen sehr zu kurz kommen würde. Aber Moritz rechnet den Egmont sogar unter diese vollendeten Produkte, welchen Göthe selbst hoffentlich nicht für vollkommen hält.« Es ist merkwürdig, mit welchen scharfen Blicken Schiller dieses Halbgenie von allen Seiten betrachtet, und den literarischen Freibeuter bei vielem Guten doch in ihm erkennend, sich seine Fehler recht deutlich macht, um ja nie in dieselben zu verfallen.

Außer jenem damals schon berühmten Manne ging in diesem Winter an Schiller auch sein Landsmann Schubart der SohnUeber diesen Ludwig Schubart s. »Pahls Denkwürdigkeiten aus meinem Leben und meiner Zeit« (Tüb. Fues 1840) S. 425–429. vorüber (11. Dec. 1788), der von Berlin nach Mainz reiste, wo er bei der preußischen Gesandtschaft angestellt war. Schiller nennt ihn einen Dichter, aber keinen geborenen, sonst einen guten, redlichen Charakter, »der besonders viel vom schwäbischen Provinzialcharakter an sich hat. Er hat den Tag vor seiner Abreise den Carlos in Berlin aufführen sehen, der auf Befehl des Königs mit vielem Pomp schlecht gegeben worden ist. Die Scene des Marquis mit dem König soll gut gespielt worden, und Sr. Maj. sehr ans Herz gegangen seyn.« »Ich erwarte nun,« fügt Schiller launig hinzu, »alle Tage eine Vokation nach Berlin, um Herzbergs Stelle zu übernehmen und den preußischen Staat zu regieren.«

Dieser Scherz beweist übrigens, wie ganz er sich mit seinem Posa identificirt hatte. Daß seine Antagonisten Engel und Ramler als Theaterdirektoren nicht einmal so viel Festigkeit besaßen, um ihren Geschmack bei der Wahl der Stücke zu behaupten, und daß Engel den Schauspielern die Rollen im verhaßten Don Carlos auslegen und einlernen helfen müsse, daran weidete er sich.

Vom weiteren Umgange mit Geistern, die Zeit oder Raum von ihm trennte, findet sich in Schillers damaliger Korrespondenz auch einige Spur. Er freut sich auf die Muße, sich Montesquieus Geist der Gesetze recht in den Kopf zu prägen, und bewundert seine Kunst, mit steter Rücksicht auf gewisse allgemeine Principien, als Grundsäulen seines Systems, die Resultate vieler Lektüre und eines philosophischen Denkens in kurze geistreiche Reflexionen voll Gehalt zusammenzudrängen. An Ossians Geist wird die feine Bescheidenheit, und das leichte Hinschweben über die eignen Thaten, die er uns nur in den Folgen merken läßt, gerühmt. Von Zeitgenossen liebt Schiller Jakobi's (des Dichters) niedliche und sanfte Seele, dessen edler Charakter in Alles einfließt, was er hervorbringt. Gibbons Genie und kräftiger Pinsel läßt ihn doch die schöne Leichtigkeit der Franzosen vermissen, und er findet in ihm die Kürze der Alten etwas affektirt. Von diesen Alten selbst hielt ihn Horaz durch die Satiren in Wielands Uebersetzung mit seinem feinen Reize fest.

Fast scheint es, Schiller habe die Annäherung an Göthe gescheut, als drohete auch seiner geistigen Eigenthümlichkeit von ihr eine Gefahr. An einem Tage, wo er sich viele Besuche vorgenommen hat, will er endlich auch (12. Dec.) zu Göthe gehen: »Göthe ist so gar selten allein, und ich möchte ihn doch nicht gern bloß beobachten, sondern mir auch etwas für mich aus ihm nehmen. Der Herzog ist die Abende fast immer da, und den Vormittag belagern ihn Geschäfte.« Aber am 28. December hatte Schiller den großen Meister doch erst Einmal besucht.

Sonst sind seine Briefe voll Klagen über die entsetzliche Kälte, von welcher die alten Leute noch auf den heutigen Tag zu erzählen wissen. »In diesem grimmkalten Winter,« schreibt er an Lottchen (11. Dec.), »habe ich Sie schon öfters bedauert. Ich weiß, wie ungern Sie sich in Ihr Zimmer einsperren lassen, und daß freie Luft und heiterer Himmel gewissermaßen zu Ihrem Leben gehört. Die schönen Berge werden jetzt traurig um Rudolstadt liegen, aber auch in dieser traurigen Einförmigkeit immer groß – und daß ich sie nur vor meinem Fenster hätte! Mir macht dieses winterliche Wetter mein Zimmer und meinen stillen Fleiß desto lieber und leichter, und läßt mich die Entbehrungen, die ich mir auflegen muß, desto weniger empfinden.«


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