Paul Schreckenbach
Michael Meyenburg
Paul Schreckenbach

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III.

»Ich will in die heilige Messe gehen, Mutter,« sagte der Landsknechtshauptmann Heinrich Busch und trat in die Küche, wo die greise Frau Margarete Busch damit beschäftigt war, das Morgensüpplein herzurichten. Er war am späten Abend des vorhergehenden Tages nach jahrelanger Abwesenheit wieder einmal in seine Vaterstadt Nordhausen eingeritten, und seine Mutter schlug vor Erstaunen die Hände zusammen, als sie ihn in so früher Morgenstunde schon gestiefelt und gespornt vor sich sah. »Wie?« rief sie, »du bist schon wach und auf? Ich dachte, du würdest bis in den Tag hinein schlafen. Als Junge warst du doch nie aus den Federn zu kriegen.«

Der hochgewachsene, bärtige Kriegsmann lachte. »Das ist lange her, Mutter. In meinen Jahren schläft man nicht mehr wie ein Junge. Ich wollte, ich könnte das wieder einmal, aber ich kann's nicht mehr. Ich hatte auch vergessen, den Vorhang zuzuziehen, und die Sonne schien mir grell aufs Bett. Da fühlte ich ein Gelüste, wieder einmal in den Dom zu gehen. Ich bin lange nicht drüben gewesen.«

»Das muß wahr sein,« seufzte die Greisin. »Fünf Jahre warst du fort in Ungarn wider den Türken, und Jobst und Ludwig sind auch fort, jeder in eines großen Herrn Dienst. Ich alte Frau habe wenig von meinen drei Söhnen. Manchmal weiß ich nicht, ob sie noch leben oder tot sind. Von dir hatte ich fast ein Jahr nichts gehört und war in großer Angst, du wärest etwa gestorben, oder der Türke hätte dich gefangen.«

»Wir sind nun einmal so. Das Abenteuern liegt uns im Blute!« erwiderte der Sohn und strich sich den langen, glänzend schwarzen Bart. »Es ist Euer Blut, Mutter. Die Busche sitzen am liebsten still, aber die Führer sind ein unruhiges Volk. Auch Eure beiden Brüder sind nach Welschland gezogen, weil sie es nicht aushalten konnten in der Enge.«

»Und sind auch beide in Welschland begraben,« sagte die alte Frau herbe. »Der eine wurde bei Pavia erschossen, der andere schon zehn Jahre früher in Rom erstochen. So kann es dir auch gehen, denn du bist der Wildeste. Woher hast du denn die schreckliche rote Narbe auf der Stirn? Ich erschrak bis auf den Tod, als du gestern den Hut abnahmst.«

»Von einem Türkensäbel,« lachte er. »Sie sieht gefährlicher aus, als der Hieb war. Ich trage sie nun schon vier Jahre. Da sieht man, wie lange ich fort war, daß Ihr sie noch nicht kanntet. Wie ist es Euch nun eigentlich ergangen nach des Vaters Tode? Ihr habt doch nicht etwa Not gelitten?«

»Not nicht. Aber knapp ist's hergegangen.«

Heinrich Busch zog die Stirn in Falten. Diese Antwort hatte er nicht erwartet. »Knapp? Das nimmt mich wunder. Der Vater sagte doch immer, er hätte noch große Forderungen an die Stadt? Er sprach von mehreren tausend Gulden, die er ausgelegt habe für Werbung von Knechten und für Pferde und Geschütze und andere Dinge. Habt Ihr das nicht geltend gemacht?«

»Geltend gemacht habe ich es gar wohl, aber der Rat hat's nicht anerkannt.«

»So? und warum nicht?« rief Busch, und sein Antlitz bedeckte sich mit dunkler Röte.

»Ich sollte ihnen die Rechnungen und Papiere vorlegen, und das konnt ich nicht. Ich habe deines Vaters Schrank immer wieder durchwühlt und das ganze Haus durchsucht von oben bis unten, aber es war nichts zu finden. Jobst bot ihnen an, er wolle es beschwören, daß wir wenigstens noch zweitausend Gulden zu kriegen hätten. Aber sie wiesen ihn ab, sagten, ein Eid gelte ihnen nichts, den könnte jeder schwören.«

»Wer hat das gesagt?« fuhr Heinrich Busch auf.

»Das hat der Syndikus Meyenburg deinem Bruder ins Gesicht gesagt. Und als dein Bruder gegen den Syndikus das Schwert zückte, um die Schmach zu rächen, da haben sie ihn um fünf Goldgulden gebüßt, und es fehlte nicht viel, und er kam in den Turm. Das haben sie ihm erlassen, aber er hat müssen auf zwei Jahre aus der Stadt weichen und schwören, daß er sich nicht wolle rächen.«

»Was?« rief Heinrich Busch, und die Ader auf seiner Stirn schwoll zu einem dicken Strang an. »So schandbar hat sich der Rat erzeigt? Euch will er Euer Recht nicht geben, und meinen Bruder weist er aus der Stadt? Wie geht das zu? Der Vater hatte doch manchen Freund im Rate. Nun jagen sie seinen Sohn aus der Stadt, wohingegen sie hätten den Syndikus strafen sollen um fünf Goldgulden, weil er so freche Worte gesprochen hat.«

Frau Margarete Busch lachte bitter. »Du weißt nicht, wie es jetzt in Nordhausen zugeht. Der Mann darf alles. Er regiert die ganze Stadt. Hätt' er denen im Rathause gesagt: zahlt den Erben des Reichsschultheißen das Geld, denn ich meine, wir sind's ihm schuldig – es hätte sogleich auf dem Tische gelegen. Aber er hat ihnen gesagt: zahlt nicht und laßt es auf einen Prozeß ankommen vor des Kaisers Gericht. Sie haben keine Schriften, auf die sie sich stützen können. Darum hat sich der Rat geweigert, und wir kommen um das Geld. Denn ein Prozeß beim Reichskammergericht, – du lieber Heiland – du weißt, wie lange der dauert. Ich mit meinen vierundsechzig Jahren erlebe den Tag nicht mehr, an dem das Urteil gesprochen wird, und dann weiß man auch noch nicht, wie es ausfällt. Der Meyenburg soll ja mächtige Freunde und Fürsprecher haben, daß ihm niemand etwas anhaben kann. Das Domkapitel hat ihn dreimal schon hart verklagt beim Kaiser, aber jedesmal ist er ohne Strafe davongekommen. Sprich einmal darüber mit deinem alten Freunde, dem Domherrn Heune. Der wird dir sagen, was der Meyenburg für einer ist. Du wirst wunderliche Dinge zu hören kriegen.«

»Das werd' ich tun, Mutter. Ich gehe jetzt in den Dom und dann zu Christian Heune. Den hätt' ich sowieso aufgesucht heute oder morgen, und mit ihm will ich mich bereden, was zu tun ist. Das wäre ja des Teufels, wenn dieser hergelaufene Schelm, der Syndikus, Euch sollte um Euer Recht bringen dürfen! Das will ich hindern. Bei Gott und den Heiligen! Das gelobe ich Euch! Lebt wohl, Mutter!«

»Weißt du auch, daß man jetzt in Nordhausen von den Buben auf der Straße kann beschimpft und verhöhnt werden, wenn man aus dem Dom kommt?« sagte Frau Margarete Busch. »So weit ist es hier gekommen, und auch dahinter steckt der Meyenburg. Nur ein paar Leute halten sich noch zum alten Glauben, es mögen ihrer nicht mehr hundert sein. In allen Kirchen predigen die Prädikanten, die sich Pfarrherren nennen. Die ganze Stadt ist verluthert.«

»Auf dem besten Wege dazu war sie schon, als ich das letzte Mal hier war,« gab er finster zurück. »Aber es kommt noch die Zeit, da das anders wird, und Ihr könnt sie erleben. Sowie der Kaiser seiner Feinde Herr geworden ist, macht er der Ketzerei ein Ende, und der Tag ist wohl nicht mehr allzu fern. Gehabt Euch wohl, Mutter.«

Er verließ das Haus und schritt durch die Straßen, in denen das Leben des Tages noch nicht erwacht war, dem Dome zu. Als er in die Barfüßergasse einbog, stockte plötzlich sein Fuß, und seine Augen weiteten sich vor Erstaunen und Erschrecken. Aus einem niedrigen Hause zerrten bewaffnete Stadtknechte einen Mann und eine sich heftig sträubende Frau heraus. Das Weib war die Ehefrau eines Bürgers, er entsann sich dunkel, sie früher als Mädchen gesehen zu haben, denn ein so auffallend hübsches Gesicht vergaß er so leicht nicht. In dem Mann erkannte er zu seinem wahren Entsetzen den Domherrn Ferer.

Er trat rasch an die Gruppe heran und rief: »Was ist das? Um des Himmels willen, Herr, wie kommt Ihr hierher, und was tun sie mit Euch?«

Der Domherr schlug die Augen nieder und wandte sein Gesicht zur Seite. Der Anführer der Knechte aber rief mit einem breiten Lachen: »Das will ich Euch sagen, Herr Busch. Jedesmal, wenn der Hans Kühne über Land reist in seinen Geschäften, da nistet dieser lockere Vogel sich die Nacht in seinem Hause ein, um mit der Frau zu singen und zu beten. Das hat ein Nachbar dem Herrn Syndikus Meyenburg gesagt, der hat ja ein scharfes Auge auf die Dompfaffen. Und der Rat will nicht dulden, daß solche Büberei in unserer Stadt geschieht, und hat uns befohlen, das Nest auszunehmen und die beiden hinter den Roland zu setzen. Das tun wir jetzt, und nun vorwärts!« Er gab dem Domherrn, der sich nicht vom Flecke rührte, einen derben Rippenstoß. »Sollen wir Euch etwa tragen?« schrie er ihn an.

Busch faßte unwillkürlich an sein Schwert. »Wie könnt Ihr so tun an einem Manne, der nicht unter des Rates Gericht und Herrschaft steht?« rief er. »Wenn er gesündigt hat, so hat ihn der hochwürdige Erzbischof von Mainz zu richten.«

»Das geht Euch gar nichts an, Herr Busch,« erwiderte der Fähnleinsführer patzig. »Ich rat' Euch, laßt Eure Klinge in der Scheide, sonst könnt's Euch ergehen wie Eurem Bruder. Wir machen hier kein Federlesen mit den Pfaffen und ihren Freunden.«

Knirschend vor Zorn wandte Heinrich Busch sich ab, und mit einem schweren Fluche setzte er seinen Weg fort. So wenig er das Vergehen des Domherrn billigen konnte, so sehr empörte sich alles in ihm gegen diese Behandlung eines Mannes, der ein geweihter Priester war und also nur von seinesgleichen gerichtet werden durfte. Die Verhaftung des Domherrn erschien ihm als frevelhafter Übergriff des Rates in geistliche Rechte, und wieder war ihm der Name des Mannes entgegengeklungen, mit dem sein Bruder Jobst einen Zusammenstoß gehabt hatte, der seiner Mutter ihr Recht verweigerte, und der zurzeit der eigentliche Regent Nordhausens sein sollte. Bei seinem letzten Aufenthalte in Nordhausen hatte er sich wenig um den Menschen gekümmert, obgleich ihm schon damals gesagt worden war, er übe in Sachen der Religion einen sehr unheilvollen Einfluß aus. Jetzt aber begann er ihn zu hassen.

Mit düsterer Miene betrat er den Dom, wo das Hochamt eben begonnen hatte, und was er da erblickte, erschütterte ihn im Innersten. In seiner Kinderzeit hatten die frommen Männer und Frauen Nordhausens die Gewohnheit gehabt, ihr Tagewerk durch den Besuch der Frühmesse einzuweihen. Damals wohnten oft mehrere hundert Leute im Dome der heiligen Messe bei. Jetzt waren es kaum ein Dutzend – Greise und Greisinnen, die nicht lassen konnten von dem, was sie ein Leben lang geübt hatten. Das schmerzte und erbitterte ihn gewaltig, denn er war ein treuer und überzeugter Anhänger der alten Lehre, und das neue Evangelium, das jetzt siegreich durch die Lande schritt, war in seinen Augen eine Erfindung des Teufels.

Er sagte das seinem alten Freunde Heune, den er gleich nach der Messe in seiner Kurie aufsuchte. »Du kannst dir denken,« erwiderte der Domherr, »was es heißen will, inmitten eines solchen Volkes Priester zu sein. Als ich geweiht wurde, waren wir die Herren über die Seelen. Jetzt sind wir die Verspotteten und Verhöhnten, die nur noch geduldet werden. Wir leben wie auf einer Insel. Um uns her ist alles dem Wittenberger zugefallen. In der Stadt sind nur noch wenige, die der heiligen katholischen Kirche anhängen, und noch wenigere wagen es, ihren Glauben offen zu bekennen.«

»Haltet nur noch ein paar Jährlein aus, vielleicht nur noch eins!« rief Busch. »Dann wird der Kaiser dem lutherischen Unfug ein Ende machen.«

»Freund, er muß bald kommen, sonst kommt er zu spät,« erwiderte Heune seufzend. »Es wächst ein Geschlecht heran, dem der Haß wider den Papst und unsere heilige Kirche von klein auf eingeflößt wird. In der Stadt sind jetzt Schulen für die Kinder der Bürger. Da lernen die Jungen und sogar die Mädchen den Katechismus des Wittenbergers. Und im Predigerkloster haben sie eine Lateinschule, und da wird das lutherische Unkraut in die gesät, die einst im Leben studieren und hochkommen sollen. Der verzweifelte Bube, der Meyenburg, hat gesagt: wir wollen machen, daß unsere Kinder und Kindeskinder an die alte Abgötterei nur mit Lachen denken.«

Busch stieß einen leisen Pfiff aus. »Auch dahinter steckt er? Ich bin erst eine Nacht und ein paar Stunden in Nordhausen und höre den Namen nun schon zum dritten Male und jedesmal so, daß er mir die Galle aufregt.«

Er erzählte seinem Freunde, was seine Mutter ihm gesagt, und was er vorhin in der Barfüßergasse mit angesehen hatte. Heune sank auf einen Stuhl und ward gelb vor Ärger, so daß Busch über die Wirkung seiner Worte erschrak. »Trink ein Glas kaltes Wasser, Freund, das wird dir gut tun,« sagte er. »Hätt' ich gedacht, die Sache werde dich so aufregen, so hätt' ich dir nichts davon erzählt.«

»Ach Ferer, Ferer!« stöhnte Heune. »Wie oft habe ich dem Menschen gesagt, er solle ablassen von der Eva Kühne, sollt' auch nicht mehr heimlich ihre Beichte hören. Er hat nicht auf mich gehört, und nun geschieht uns ein ungeheures Ärgernis. Einer von uns sitzt als Ehebrecher hinter dem Roland! Der Schimpf muß auf uns alle fallen, und ich sehe schon, wie der verdammte Meyenburg darüber eine Schandschrift ausgehen läßt und das Höhnen und Spotten anhebt im ganzen Lande.«

»Der Teufel auch!« rief Busch. »Ich verstehe dich nicht. Das Kapitel muß, so meine ich, sogleich vom Rate fordern, daß der Domherr entlassen wird, denn er gehört nicht unter des Rates Gericht. Dann muß auf der Stelle die Klage beim Kaiser angebracht werden über die Gewalttat, die der Rat wider euch begangen hat.«

Heune lachte grell auf. »Um unsere Forderung und um unsere Rechte kümmern sie sich nicht, und wie können wir die Schande unseres Konfraters dem Kaiser klagen? Das ist es ja! Sie können uns mit der Sache einen Schimpf antun, den wir kaum verwinden, und wir müssen doch schweigen, damit wir das Ärgernis nicht noch größer machen. Fein eingefädelt! Daran erkenne ich den satanischen Menschen, der auch Spottmünzen hat prägen lassen auf unseren heiligen Vater in Rom.«

»Hat er das getan?« Heune nickte. »Das und noch manches andere.« »Und niemand zieht ihn deshalb zur Rechenschaft und verklagt ihn beim Kaiser?«

»Das ist mehrfach geschehen. Aber was haben wir erreicht? Nichts. Einmal sind wir mit unserer Klage abgewiesen worden, zweimal haben wir keine Antwort bekommen. Ich sage dir, Heinrich Busch, es geht vieles in der Welt nicht mit rechten Dingen zu, und damit muß man sich abfinden. Aber unbegreiflicher als alles andere ist mir die Gunst, die der Erzschelm beim Kaiser und beim römischen Könige genießt. Er hat im Augustinerkloster eine Handschrift des Galenus gefunden und nachher gestohlen, oder einem, der sie gefunden hat, für ein paar Groschen abgekauft. Die gibt er heraus mit Anmerkungen, nicht ohne Witz, wie denn der Halunke klug und wohlgelehrt ist, und widmet sie dem römischen König. Und der römische König nimmt sie sehr gnädig an und verleiht ihm eine goldene Gnadenkette. Auf dem letzten Reichstage hat der Kaiser ihm einen Wappenbrief gegeben. Das neue Meyenburgische Wappen prangt schon über der Tür seines Hauses, da hat er es in Stein hauen und bemalen lassen. Und alles glückt diesem Menschen, alles! Bei den Mansfeldern, den Hohnsteinern, den Schwarzburgern ist er lieb Kind, der Stolberger liebt ihn wie seinen Bruder. Daß er an dem Erzketzerhofe in Torgau hohes Ansehen genießt, versteht sich von selber. Und hier in der Stadt – du glaubst nicht, was sie für ein Wesen mit ihm machen. Zum Ratsherrn haben sie ihn schon gewählt, daneben führt er die Geschäfte des Syndikus fort, was eigentlich gegen die alten Ordnungen ist. Aber bei ihm fragt niemand nach den alten Ordnungen. Was er tut, das muß recht sein. Gibt es einen gerechten Gott im Himmel? so frage ich mich zuweilen, wenn ich sehe, wie es diesem Menschen des Verderbens so wohl ergeht. Nichts Übles hat er erlitten in seinem Leben, als daß ihm voriges Jahr sein Weib starb – die entlaufene Nonne, weißt du, die er aus dem Kloster geholt hat. Aber er soll sich ja getröstet haben.«

»Er hat eine andere geheiratet?«

»Nein, das nicht. Aber er hat eine bei sich im Hause, die ihm die Wirtschaft führt, eine feine Jungfer, wie man mir gesagt hat. Mit ihr soll er in heimlicher Ehe leben.«

»Warum heiratet er sie nicht?«

»Das weiß ich nicht. Es ist ihm wohl noch zu bald nach dem Tode der ersten. Es jährt sich erst im nächsten Monat, daß sie starb.«

»Und niemand dreht ihm einen Strick daraus, daß er mit dem Weibe in heimlicher Ehe lebt?«

»Ich sage dir ja: was er tut, das muß recht sein. Auch sind beide vorsichtig und schlau, es ist ihnen nichts zu beweisen. – Aber jetzt warte hier eine kleine Weile auf mich. Ich will ein paar Augenblicke hinüber zum Dechanten und will ihm sagen, was mit Ferer geschehen ist.«

»Halt! Noch eins!« rief Busch dem Abgehenden nach. Heune wandte sich um.

»Der Meyenburg hat meinem Bruder Jobst einen schweren Schimpf angetan. Weißt du auch mit Gewißheit, daß er den Rat beredet hat, meiner Mutter das Geld zu verweigern?«

»Das weiß jeder in Nordhausen, und er selbst brüstet sich damit. Er hat gesagt, ihr wäret längst abgefunden und hättet nichts mehr zu fordern.«

»Dann laß mich eine Weile darüber nachdenken, was ich tun werde.«

Als Heune nach etwa einer Viertelstunde wieder ins Gemach trat, war Heinrich Busch mit seinen Gedanken ins reine gekommen. »Ich werde,« sagte er, »zuvörderst noch einmal mit dem Rate gütlich verhandeln.«

»Damit wirst du gar nichts erreichen,« versetzte Heune. »Die Diebsgesellen bestehen darauf, daß deine Mutter ihnen die Schriften vorlege, die der verstorbene Bürgermeister Oethe geschrieben hat, und diese Schriften hat deine Mutter nicht.«

»Gleichviel. Ich werde es versuchen. Geben sie mir aber mein Recht nicht im guten, so nehme ich mir's mit Gewalt. Dann soll der Hund daran glauben, der den Rat zu seiner Büberei angestiftet hat.«

Heunes Augen glänzten. »Was willst du tun?«

»Ich erkunde, wann er ausreitet, und komme über ihn auf der Landstraße. Dann mag er sehen, wie er sich aus der Schlinge zieht.«

»Gelobt sei Gott!« rief Heune. »Endlich findet sich einer, der diesem Bösewicht heimzahlt, was er verbrochen hat. Dein Bruder Jobst dachte auch schon daran, doch im letzten Augenblicke entsank ihm der Mut. Aber du brauchst Leute dazu.«

»Zwei Knechte. Einen hab' ich schon, auf den kann ich mich verlassen.«

»Den anderen zeige ich dir. Reite nach Sondershausen. Dort wohnt in der Kreuzgasse Heinz Kehner, der haßt Meyenburg auf den Tod. Seinen Vater hat der Rat gerichtet und hat ihm den Kopf abschlagen lassen. Die Herren wollten Gnade üben, aber Meyenburg sagte, es wäre ihnen allen eine ewige Schande, wenn dieser Rädelsführer am Leben bliebe. Das will der Sohn rächen, der ein gerade so verwegener Geselle ist wie sein Vater.«

»Woher kennst du ihn?«

»Ich sage dir's vertraulich: er hat sich mir angetragen gegen den Meyenburg, weil er weiß, daß ich ihm feind bin. Aber mir war's zu gefährlich. Ohne einen Knecht reitet der Schelm ja nie aus. Es müssen mehrere über ihn kommen.«

»Du hast recht, erwiderte Busch. »Ich gehe nach dem Frühstück stracks aufs Rathaus und erbiete mich zum Eide. Dann werde ich bald wissen, woran ich bin. Für jetzt gehab dich wohl!«

Heune geleitete ihn nicht nur aus dem Zimmer, sondern aus dem Hause und bis ans Tor der Domfreiheit. Dann blickte er ihm mit einem triumphierenden Lächeln nach. »Nimmt er den Kehner mit,« flüsterte er vor sich hin, »so kommt der Hund nicht mit dem Leben davon!«


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