Paul Schreckenbach
Michael Meyenburg
Paul Schreckenbach

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VI.

Justus Jonas hatte soeben einen Brief an Eobanus Hessus vollendet, in dem er ihm schilderte, wie bisher die Dinge in Worms verlaufen waren. Er verschloß und versiegelte ihn und legte ihn dann in eine Truhe, denn erst am anderen Morgen ging ein sicherer Bote nach Thüringen und Sachsen ab, dem man einen Brief voll wichtiger Nachrichten schon anvertrauen konnte. Nun legte er den Mantel an und schickte sich an, in den Johanniterhof zu gehen, in dem Doktor Martin Luther seit vorgestern wohnte. Da knarrte draußen die hölzerne Stiege unter den starken und eiligen Tritten eines heraufstürmenden Mannes, die Tür flog auf, und vor ihm stand in Panzer und Eisenhut sein Freund Michael Meyenburg. Er war ganz außer Atem und sah so verstört aus, daß Jonas erschrocken auf ihn zutrat. »Was ist geschehen? Was ist dir begegnet?« fragte er hastig. Meyenburg faßte ihn so fest am Arm, daß er beinahe aufgeschrien hätte, und schrie ihn dann heftig an: »Ist's wahr? Hat er widerrufen?«

»Wer? Was redest du?«

»Nun, der Luther. Die Leute sprechen davon auf den Gassen.«

Jonas schüttelte erstaunt den Kopf. »Geschwätz des Volkes! Er denkt nicht daran, wird auch nie daran denken.«

Meyenburg atmete tief auf und ließ sich auf einen Schemel nieder. »Ich komme eben an, frage nach deiner Herberge, komme ins Gespräch mit einigen Bürgern und höre von ihnen, Luther sei gestern verhört worden und habe widerrufen. Heute werde er noch einmal vor den Kaiser geführt und werde seinen Widerruf noch einmal wiederholen.«

Justus Jonas lachte hell auf. »Davon ist nur dieses wahr: er ist gestern vor dem Kaiser erschienen und wird nachher in einer Stunde wieder vor ihm und den versammelten Ständen des Reiches erscheinen. Denn er hat gestern um Bedenkzeit gebeten.«

»Bedenkzeit?« rief Meyenburg laut. Es klang fast wie ein schmerzliches Stöhnen. »Was will er denn bedenken? Weiß er nicht, was er will? Ach Freund, ich habe ihn in Frankfurt getroffen, und er hat mit mir geredet allein in der Nacht. Er sprach so große Worte, daß mein Gemüt ihm ganz zugeneigt ward. Es war mir, als spräche Gott aus ihm. Und es sollte mir ein Zeichen sein: bliebe er fest hier in Worms, so wollt' ich ihn halten als einen, den Gott gesendet hat.«

»Bist du soweit?« unterbrach ihn Justus Jonas hocherfreut. »Laß dich umarmen, Freund, und dir Glück wünschen!« Aber Meyenburg wehrte ihn mit einer müden Gebärde ab. »Nun sinkt wieder alles dahin,« klagte er. »Nun nimmt er Bedenkzeit, statt klar und offen zu bekennen, was er glaubt. Ich ahne wohl, was das bedeutet. Er tritt den Rückzug an. Ich kann's nicht glauben. Ich hätte darauf geschworen, ja ich hätte meinen Kopf dafür eingesetzt, als er zu mir sprach in der Nacht, er werde fest bleiben.« Er wandte sich finster ab und murmelte Worte, die, wie ein Fluch klangen.

»Du bist ein Tor,« sagte Justus Jonas ruhig. »Ich will dir sogleich beweisen, daß es sinnlos ist, was du dir zusammenreimst. Ich will dir sagen, was sonst niemand zu wissen braucht, und ich sage dir's, weil ich weiß, daß dir der Schnabel nicht lang gewachsen ist. Merke: es hat unendliche Mühe gekostet, Martinum zu bewegen, daß er um Bedenkzeit bäte. Er wollte, wie immer, stracks geradeaus rennen. Aber der Kanzler Brück beredete ihn, daß er um Bedenkzeit bitten sollte. Er sagte: Herr Doktor, sie werden Euch fragen: Willst du widerrufen oder nicht? Antwortet Ihr darauf: Ich will nicht, so werden sie sagen: Dann hebe dich auf der Stelle von hinnen, und Ihr werdet in der nächsten Stunde auf Eurem Wäglein wieder aus der Stadt gebracht. Sagt Ihr aber: Ich will mir überlegen, gebet mir Bedenkzeit, so müssen sie Euch wohl oder übel hierlassen und müssen's leiden, daß Ihr redet, so Ihr anders nur dürftet ja oder nein sagen. Das leuchtete unserm Martinus wohl ein, und er erkannte, daß der Rat des klugen Kanzlers ein guter war, und handelte danach.«

Meyenburg hatte sich ihm wieder zugekehrt. Die Wolken auf seiner Stirn waren verschwunden, und er sah aus wie ein Mensch, dem eine schwere Last von der Seele genommen ist. »Ha!« rief er, »hier erkenne ich die sächsische Kanzlei. Die Herren nehmen zu jeder Sache ein Bedenken und kommen oftmals zu nichts vor lauter Bedenken. Aber klug war's gehandelt. Der Kanzler Brück ist ein schlauer Fuchs. Wie hielt sich Luther, da er vor dem Kaiser stand?«

»Er hielt sich so, Freund, daß wir uns alle wunderten. Meinst du, er habe irgend eine Angst oder Schüchternheit gezeigt? Nicht einen Augenblick. Er stand steif und aufrecht da, und als er die römischen Pfaffen sah an der Seite des Thrones, da lachte er, als sähe er ein Possenspiel. Alexander, der päpstliche Nuntius, erbleichte und wurde gelb vor Ärger, was unseren Martinus baß erfreute. Der Kurfürst aber hat ihn lassen verwarnen, er möge nicht wieder lachen, wenn er vor dem Kaiser stünde. Martinus war den Herren gar zu kühn.«

»So wird er's machen! Er wird's machen!« rief Meyenburg erfreut und schlug sich kräftig mit der Hand aufs Knie. »Und nachher, sagst du, tritt er noch einmal vor den Reichstag?«

»In weniger denn einer Stunde. Ich muß jetzt zu ihm. Wo ist deine Herberge?«

»Ein paar Häuser weit von hier.«

»So eile dich, wenn du noch zurecht kommen willst. Das Gedränge gestern war fürchterlich. Es wird dir schwer werden, noch in den Saal hineinzukommen. Laß dir von deinem Wirte die Pfalz des Bischofs zeigen. Dort wird Martinus verhört. Der Saal ist groß, aber er faßt nicht die Hälfte von denen, die hinein wollen.«

In fliegender Hast eilte Meyenburg nach dem Hause, wohin Melchior von Aachen, der Ober-Stadtschreiber von Nordhausen, ihn empfohlen hatte. Er wurde dort länger aufgehalten, als ihm lieb war. Das Unterbringen seines Pferdes machte Schwierigkeiten, denn der Wirt war schon nach der bischöflichen Pfalz gelaufen, um womöglich Doktor Luther vorüberwandeln zu sehen. Auch mußte er sich von Kopf zu Fuß neu kleiden, denn wie ein berittener Landsknecht konnte er auf dem Reichstage nicht erscheinen. Es dunkelte schon stark, als er endlich fertig war, und als er sich durch das Volk hindurchgearbeitet hatte, waren in der zur ebenen Erde gelegenen Halle des Palastes bereits Fackeln angezündet und der große Saal droben schon von Kerzen erleuchtet.

Der Raum war stark überfüllt. Die Fürsten waren alle da, auch die Gesandten der Städte und alle die Herren von hohem Adel, die den Reichstag besucht hatten. Der Kaiser saß auf seinem erhöhten Throne, aber die Gesandten des Papstes verließen eben den Saal und schritten an Meyenburg vorüber die Treppen hinab. Sie hatten an der Beratung teilgenommen, die man über andere Dinge gepflogen hatte. Martin Luther wollten sie nicht wiedersehen, denn sie waren voller Gift und Galle darüber, daß der Gebannte nicht einfach verurteilt, sondern über seine Lehre befragt werden sollte. Hinter ihnen schritt der Reichsmarschall von Pappenheim, der auch heute wieder, wie schon gestern, den großen Ketzer vor des Kaisers Angesicht geleiten sollte.

Meyenburg konnte bei dem Gedränge nur noch an dem Ausgange des Saales einen Platz gewinnen. Er stand eingekeilt in einer Schar spanischer Herren, die sich fortwährend in ihrer Sprache unterhielten. Sie taten das um so lauter, als der Kaiser, gefolgt von zwei Kurfürsten und mehreren Räten, jetzt den Saal verließ. Offenbar sprachen sie von dem ketzerischen Mönche, denn der Name »Luther« schlug immer wieder an Meyenburgs Ohr. Im übrigen verstand er von der Unterhaltung kein Wort, aber der Ausdruck ihrer Mienen und Gebärden sagte ihm, daß sie wütende Feinde des Wittenbergers waren.

Nach einer Weile kehrte der Kaiser zurück und nahm wieder auf seinem Throne Platz. Er gab dem neben ihm stehenden Ritter von Dalberg einen leisen Befehl, worauf dieser sich durch eine Seitentür schleunigst entfernte. Ein großer vierschrötiger Mann, der kurtrierische Offizial Eck, erhob sich von einem mit Schriftstücken bedeckten Tische, der einige Schritte vom kaiserlichen Throne seitwärts stand, und rief mit lauttönender, scharfer Stimme in den Saal hinein: »Martinus Luther, Augustiner, wird vorgeführt, um sich vor Kaiserlicher Majestät und des Reiches Kurfürsten, Fürsten und Städten zu verantworten.«

Eine gewaltige Bewegung ging bei diesen Worten durch die Versammlung. Dann wurde es mit einem Male totenstill. Alle, die saßen, hatten sich erhoben, alle stellten sich auf die Zehen und reckten die Hälse, um den Mann zu sehen, der dem Papste und der ganzen Klerisei Fehde angesagt hatte auf Tod und Leben.

Langsam kam er die Treppe herauf und betrat den Saal. Vor ihm schritt der Ehrenhold des Kaisers, hinter ihm der Reichsmarschall von Pappenheim. Einige seiner Freunde und Berater, Hironymus Schurf, Nikolaus von Amsdorf, Justus Jonas, beschlossen den kleinen Zug. Meyenburg brauchte sich nicht besondere Mühe zu geben, seiner ansichtig zu werden, denn über die kurzen Gestalten der vor ihm stehenden spanischen Edelleute konnte er mit Leichtigkeit hinwegblicken. Wenige Schritte vor ihm schritt Luther vorüber, aber er bemerkte ihn nicht, da er gerade vor sich hin schaute. Hatte er gestern gelacht, als er den Saal betrat, so war heute von solcher Fröhlichkeit nichts an ihm zu bemerken. Aus seinen Zügen sprach stahlharte Entschlossenheit, so daß jeder den Eindruck gewinnen mußte: Der wird nimmermehr nachgeben, nimmermehr widerrufen.

Als er vor dem Kaiserlichen Hochsitze angekommen war, ließ er sich halb in die Knie sinken, wie die Mönche zu tun pflegten, wenn sie ihre Oberen begrüßten. Dann aber richtete er sich auf und erwiderte auf die Frage des Offizials, ob er seine Bücher widerrufen wolle, in einer längeren lateinischen Rede. Jeden Widerruf lehne er ab, man beweise ihm denn aus der Heiligen Schrift, daß er geirrt habe. Dann werde er selbst seine Bücher mit Füßen treten und dem Feuer übergeben.

Als er geendet hatte, rief eine helle Stimme: »Wiederholt Eure Worte auf Deutsch, Herr Doktor! Es sind viele hier, die des Lateins nicht kundig sind!«

Es war der junge Landgraf Philipp von Hessen, der den Ruf hatte erklingen lassen. Der Offizial wollte Einspruch erheben, aber noch lauter rief der Landgraf: »Ich bestehe darauf, daß hier deutsch geredet wird!«

Eck wandte sich nach dem Kaiser um und blickte ihm fragend ins Antlitz. Aber die bleichen Züge des kaiserlichen Jünglings blieben völlig unbeweglich, es war aus ihnen nicht zu ersehen, ob er die Worte des Landgrafen billige oder mißbillige. So zuckte er die Achseln und winkte dem Mönche finster mit der Hand zum Zeichen der Gewährung. Den aber schien in der Hitze und dem Gedränge ein Schwindel anzukommen, denn er fuhr sich mehrmals mit der Hand über die Stirn, und es war, als finde er die Worte nicht.

»Könnt Ihr's nicht tun, so ist's genug, Herr Doktor!« rief der sächsische Ritter von Thun.

Luther jedoch hatte die Schwäche bereits überwunden. Er reckte sich hoch auf, und mit lauter, klarer Stimme, die bis in den fernsten Winkel des Saales deutlich zu vernehmen war, wiederholte er seine Worte.

Als er geendet hatte, murmelten die deutschen Herren sehr vernehmlich Beifall, einige riefen ihm laut anerkennende Worte zu. Der Kaiser blieb so schweigsam und verschlossen wie vorher. Einige Bischöfe und Äbte schrien, es sei genug, was der Mönch vortrüge, sei Lästerung, man solle ihn abführen, und die im Saale befindlichen Spanier des kaiserlichen Gefolges brachen in ein wütendes Zischen aus.

Meyenburg sah, wie der eine der vor ihm stehenden Spanier nach dem kurzen Dolche fuhr, den er im Gürtel trug, seinen Nachbar anstieß und diesem einige Worte zuraunte. Der nickte ihm zu, und die beiden sahen einander an. Niemals in seinem Leben hatte Meyenburg einen solchen Ausdruck des Hasses und der unterdrückten Wut im Antlitze eines Menschen gesehen, wie in den Gesichtern der beiden.

Jetzt trat mit einem Male wieder eine tiefe Stille ein, denn Eck wandte sich von neuem an Luther. In grobem Tone redete er und schrie ihn an: »Wäre deine Ketzerei neu von dir aufgebracht, so könnte der Heilige Vater gelehrte Männer einsetzen, sie zu prüfen. Aber deine Lehren sind die der alten Ketzer, des Huß, des Wiklef und der Waldenser, und sind längst durch die Heiligen Konzilien verdammt und verurteilt. Deshalb ist nicht nötig, darüber zu streiten, sondern es ist schon entschieden von Gottes und Rechts wegen. Jetzt handelt sich's darum: willst du die verdammten Sätze widerrufen und insbesondere zurücknehmen, was du gegen das Kostnitzer Konzil geschrieben? Darauf gib endlich eine klare Antwort ohne Hörner und Mantel!«

Nach diesen Worten entstand ein Gemurr unter den deutschen Herren. Der Ton, in dem der Diener des Pfaffen zu Trier mit dem Mönche redete, verdroß viele. Luther aber wendete sich ganz von ihm ab und dem Kaiser zu. Er faltete die Hände und sank wieder halb in die Knie, und laut tönte seine Stimme, als er erwiderte: »Weil denn Eure Kaiserliche Majestät und Gnaden eine schlichte Antwort begehren, so will ich eine unstößige und unbrüchige Antwort geben, diesermaßen: Es sei denn, daß ich durch Zeugnis der Schrift überwunden werde, oder aber durch scheinliche Ursachen, denn ich glaube weder dem Papst noch den Konzilien allein, weil es am Tag ist, daß dieselben zu mehrmalen geirrt und wider sich selbst geredet haben, sintemal ich von Schriften, die von mir angeführt, im Gewissen an Gottes Wort gefangen bin, so mag und will ich nicht widerrufen, weil wider das Gewissen zu handeln beschwerlich, unheilsam und fährlich ist. Gott helfe mir! Amen.«

Totenstille folgte diesen Worten. Dann brach ein Sturm los von allen Seiten ohne Rücksicht auf die Gegenwart der Kaiserlichen Majestät. Das Beifallsgemurmel von vorhin ward zu einem brausenden Beifallsjubel, und dazwischen erklang das Zischen und Hohngeschrei der Gegner.

Meyenburg sah, wie der Kaiser durch Eck noch eine Frage an Luther richten ließ, und wie er nach Luthers Antwort aufsprang und mit einer Gebärde des Unwillens und der Ablehnung schnellen Schrittes den Saal durch dieselbe Türe verließ wie vorhin. An den kühnen Mönch aber traten zwei Reisige heran.

»Führen sie Euch ab?« brüllte eine laute Stimme, und drohend, die Hand am Schwert, traten deutsche Ritter den Söldnern entgegen.

»Sie geleiten mich nur!« rief Luther und wandte sich dem Ausgang zu. Er trug das Haupt hoch, und in seinen Augen stand wieder das hohe Leuchten, das Meyenburg in Frankfurt an ihm gesehen hatte, und das ihm überirdisch däuchte.

Als er sich der Tür näherte, griff der spanische Edelmann, der vor Meyenburg stand, blitzschnell nach seinem Gürtel. Aber mit eisernem Griffe umfaßte Meyenburg sein Handgelenk und hielt es fest. Ein kleines Stilett glitt auf den Boden, und ein von wahnsinnigem Haß verzerrtes Antlitz fuhr nach ihm herum. Die schwarzen Augen glitzerten ihn an, als wolle ihm der Spanier an die Kehle fahren.

Da reckte sich ein langer, kräftiger Arm über Meyenburg hinweg, und eine gewaltige Hand legte sich auf des Wütenden Schulter. »Ich gebiete Frieden im Namen der Majestät,« sagte eine tiefe, markige Stimme und fügte noch ein paar Worte in einer Sprache hinzu, die Meyenburg nicht verstand. Sie hatten die Wirkung, daß der Spanier sich auf der Stelle umdrehte, und wenige Augenblicke später war er im Gedränge verschwunden.

Erstaunt wandte Meyenburg sich um. Er war von hoher Gestalt, aber zu dem Ritter, der hinter ihm stand, mußte er noch emporblicken. Er sah in ein Antlitz, das wohl geeignet war, zugleich Vertrauen und Ehrfurcht einzuflößen. Gewinnende Freundlichkeit lag auf den starken Zügen, aber die leuchtenden dunkelblauen Augen hatten etwas Befehlendes, Zwingendes. Ein mächtiger, halb ergrauter Bart floß auf die Brust hernieder.

Der große Ritter winkte ihm bedeutsam zu und zog ihn in eine dunkle Nische, während der Saal sich langsam leerte. »Wer seid Ihr, Herr?« fragte er.

Meyenburg nannte Namen und Heimat.

»Ihr seid der freien Stadt geschworener Fähnleinführer?«

»Nein, ich bin der Stadtschreiber von Nordhausen.« Ein Laut kam von des Ritters Lippen, der fast wie ein Bedauern klang. Dann sagte er halblaut: »Der Vorfall, dessen Zeuge ich war, ist von niemandem gesehen worden. Versprecht mir, darüber zu schweigen bis morgen früh gegen jedermann.«

»Warum soll ich Euch das versprechen, Herr?« erwiderte Meyenburg verwundert.

»Ich sag's Euch morgen früh. Ihr kommt in meine Herberge. Euer Schade soll's nicht sein,« rief er.

»Ich komme gern, wüßt ich nur, wo sie ist und wer Ihr seid.« »Wie?« rief der Ritter halblaut. »Ihr kennt mich nicht? Ich bin der Jörg Frundsberg, des Kaisers Feldhauptmann. Mein Quartier ist das Haus zum schwarzen Eber.«

Meyenburg neigte sich tief. »Vergebt mir, Herr, wenn ich zu dreist mit Euch sprach. Ich werde kommen und verspreche Euch zu schweigen, auf Handschlag.«

Frundsberg nahm seine Hand und drückte sie fest. »Morgen früh in der neunten Stunde,« sagte er, nickte ihm bedeutsam zu und trat dann auf den Pfälzer Kurfürsten zu, der eben vorüberschritt.

Als Meyenburg ins Freie getreten war, hatte er das kleine Abenteuer schon fast vergessen. Inmitten des hocherregten, jubelnden Volkes kam ihm das Große, Gewaltige, was er mit angesehen und gehört hatte, wieder überwältigend zum Bewußtsein. In die Schrift hatte ihn Luther hineintreiben wollen, und er war entschlossen, sich ganz in sie zu versenken. Aber auch ohne die Schrift wußte er seit dieser Stunde, daß seine Lehre von Gott war. Der Mann, der droben im Bischofspalaste zu Worms seinen Glauben bekannt hatte vor Kaiser und Reich, war ein Prophet, den Gott gesandt hatte, sein Volk aus all dem Irrtum zu erlösen. Das stand ihm fest, und in seiner Seele war ein brausendes Frohlocken.


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