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Dritter Teil. Sieg

1

Die Stimmung des Volkes gegen Fernando schlug um, so sehr sich die Sendboten der hohen Geistlichkeit, die Tausende von Mönchen und kleinen Priester bemühten, ihn ihren Beichtkindern als den verehrungswürdigen Hort des wahren Glaubens zu preisen. Schon jener erste Zugriff des Königs hatte nicht bloß Männer erfaßt, die der großen Masse als Französlinge verächtlich waren, sondern auch beliebte Freunde des Volkes; und je mehr sich die Einkerkerungen und Verurteilungen häuften, desto mehr Familien wurden betroffen. Einer sprach es dem andern zu, wieviel Willkür und rachsüchtige Angeberei im Spiel war.

Auch dachten viele Bürger und Bauern anders als in der Zeit, da man mit Begeisterung gegen die Jakobiner als die Feinde der geheiligten Majestät des Königs von Frankreich zu Feld gezogen. Es bedurfte kaum der – durch strenge Verfolgung fast unmöglich gemachten – Tätigkeit von Aufwieglern, die Ideen einer für alle geltenden politischen Freiheit und des Rechtes aller, an den staatlichen Entscheidungen durch Vertrauensmänner beteiligt zu sein, arbeiteten für sich selbst. Tropfenweise nur drangen sie in die unteren Schichten, aber so langsam die Wirkung sich ausbreitete – die Gärung erwies sich als unaufhaltsam.

Man erörterte jetzt in den Kneipen die Artikel der von Fernando aufgehobenen Verfassung und begann zu begreifen, was man verloren hatte – doppelt schnell unter dem Druck harter Steuerbeamter und rücksichtsloser Polizei. Die Kriegsverwundeten und die, deren Väter, Brüder, Söhne im Kampf für das spanische Königtum ihr Leben verloren hatten, fluchten dem verhaßten Unterdrücker, dem spanischen König, der sich keines ihm dargebrachten Opfers mehr erinnerte.

Ein kleiner Kreis von Offizieren bereitete die Revolution vor, weil er sich für berufen hielt, ihr die Bahn vorzuschreiben. Aber die Verschwörung wurde dem König verraten. Die Gefängnisse füllten sich noch dichter ...

Diese Welle brandete auf, während Francisco im Fieber lag. Eine andere, Ausläufer längst zur Ruhe gekommener Stürme, verebbte weit draußen: Carlos der Vierte und Maria Luisa, die sich von Fontainebleau nach Rom zurückgezogen hatten, starben kurz hintereinander. Manuel Godoy lebte, aber die Menschen um ihn wußten kaum mehr, wer er gewesen war.

 

Während sich Leocadia und der Pfleger wacker mit den greifbaren Krankheitserscheinungen herumschlugen, standen Javier und Gumersinda unter dem Eindruck, Francisco weile in Bezirken, von denen sie sich selbst keinen rechten Begriff machen konnten, die sie aber doch geradezu als etwas Räumliches empfanden, als etwas wirklich Seiendes, nicht bloß symbolisch Unterstelltes – er sei dort ihrer Gegenwart, ihrer seelischen Berührung entzogen. Es war nicht nur das, daß er phantasierte und seine Umgebung nicht erkannte: sie konnten sich manchesmal von der ganz sinnfälligen Vorstellung nicht befreien, mehr als der Körper des Kranken sei nicht im Zimmer anwesend und die zur Wortformung führenden Organbewegungen dieses Körpers würden ihm von einem Willen eingegeben, der augenblicklich an einem ganz anderen Ort seinen Sitz habe. Dachten sie mitunter, dieser Ort befinde sich in weiter Ferne, so kamen sie, im Krankenzimmer leise miteinander sprechend, ein andermal zu der freilich wie von einem Schwindelgefühl umwitterten Meinung, es könne sich um eine Welt handeln, die dieses Zimmer durchdringe und es als ein Nichts beiseite schiebe.

Der Arzt, dem gegenüber Javier darauf anspielte, erwies sich als ein Anhänger der französischen Aufklärung. Mit etwas müdem Lächeln legte er dar, daß, selbst wenn man eine Seele annehmen wolle, diese sich auch bei Bewußtlosigkeit des Patienten in ihm befinden müßte, weil andernfalls der Tod einträte – daß aber in Wahrheit das, was man gemeinhin die Seele nenne, sich dem scharfen unvoreingenommenen Auge der Wissenschaft leicht in eine Reihe rein körperlicher Funktionen auflöse, die im Fieber und bei verwandten Zuständen mechanisch gestört seien, Don Javier möge es ihm nicht übelnehmen, aber diese Art, sich der Krankheit seines Vaters gegenüber einzustellen, sei von der nebulosen Mystik versinkender Anschauungen beeinflußt.

Javier zuckte höflich die Achseln.

Die abgerissenen Worte des Kranken waren oftmals verständlich, ebenso die zusammenhängenden Sätze ihrem Wortsinn nach, aber auch Javier, der den Vater kannte, vermochte sich selten klarzumachen, worauf sie sich bezogen. Mitunter wurden offenbar Personen angeredet, die nicht mehr lebten ...

Als sich nach langen Wochen entschied, daß Francisco gesunde, und er plötzlich wieder mit seiner Umgebung in Berührung stand, schien es Javier und Gumersinda mehr als deutlich, wie sehr den Genesenden das Gefühl einer Rückkehr, einer verwandelten Rückkehr sogar, durchströme. Von einem bestimmten Zeitpunkt ab umfaßte er die ihn betreuenden Menschen, jeden Trank, jede Speise, ja seine Kissen, die Wände, das Fenster mit einer milden Wärme des Blicks, in der sich Dankbarkeit, Erstaunen, Wiedersehensfreude und Entdeckerfreude zu erkennen gaben.

Schneller, als Arzt und Pfleger es erwarteten, gewann er seine Kräfte wieder, ja es ergab sich das Merkwürdige, daß an der Erneuerung der Gesundheit auch das Gehör teilnahm: er vermochte sehr laut gesprochene Worte wieder aufzunehmen. Nachdem die Stunde festgesetzt war, zu der dem Genesenden erstmals gestattet sein sollte, das Krankenzimmer zu verlassen, kam Leocadia auf den Gedanken, die dämonischen Wandgemälde mit Leintüchern zu verkleiden, Javier, der sie schon bei der Ausführung betraf, erhob keinen Einspruch.

Francisco, bei diesem ersten Gang durchs Haus sehr müde, nicht ohne greisenhaften Zug, tat, als bemerke er den Behang nicht. Und so auch beim zweitenmal. Am dritten Tag, als er sich schon viel frischer fühlte, lächelte er: »Ihr glaubt, ich sehe sie nicht ... das ist ein Irrtum – mein Auge dringt durch. Gebt ihnen nur Luft und Licht wieder. Bemerkt ihr nicht, wie ungefährlich sie geworden sind? Völlig zahm. Bald sind sie nur noch ein Kindergespött.«

Es kamen die Gänge durch den Garten, durch die Wiesen und Felder des Manzanarestales, durch die Straßen der Stadt, auch hier war alles ein verändertes Wiedersehen, eine Neuentdeckung. Die Lebensfreude strömte ihm durch die Adern und mit ihr eine starke Dankbarkeit für den Arzt, der ihm den Körper gesund gemacht hatte. Der Wunsch, für Don Gaspar ein dreifaches Porträt zu malen: den im Bett halb aufgerichteten Genesenden, den ihn stützenden Arzt, den im Hintergrund sich sorgenden Pfleger, beschleunigte den Wiederbeginn der Arbeit.

Unsicher und sehr neugierig griff er zu den Pinseln: er stand verändert einer veränderten Welt gegenüber, meinte sich sogar den Gebrauch der Glieder und Sinne frisch angeeignet zu haben, in einem sehr eilig fortschreitenden, sich selbst überlassenen Lehrgang gewissermaßen – wie wird das nun gehen mit dem Malen?

Vom ersten Augenblick an gehorchte ihm die Hand. Eine ungekannte Empfindung beglückte ihn: die, daß sein künstlerisches Formen geradezu unabhängig vom Körper dem Geist entquelle. Und so riß er alle Stufen der äußeren Arbeit, vom Aufstreichen der reinen, saftigen Farben auf die Palette und dem Mischen der Töne, vom Nebeneinandersetzen der aufbauenden Pinselstriche und der die Wirklichkeit umschmelzenden Zeichnung bis zur Abstimmung der Licht- und Schattengrade, zur Modellierung, zur harmonischen Ausgleichung des Ganzen schließlich – er riß sie in den Vogelflug des Schöpfungsaktes, in eine Kette von tausend glücklichen Flügelschlägen hinein.

»Früher habe ich wie Tizian neunundneunzig Jahre alt werden wollen aus Angst vor dem Tod«, sagte er zu Gaspar, »jetzt will ich es, weil mich das Leben reizt.«

»Die künstlerische Produktion ist ein Vorgang, der mir einigermaßen fremd ist, Don Francisco, die Wissenschaft hat da noch nicht genügend hineingeleuchtet – aber Sie hängen sicherlich am Leben, um zu schaffen, und mir scheint, das sei auch in früheren Jahren so gewesen.«

Franciscos tiefliegende Augen stellten sich scharf auf eine Ferne ein, als ob sie die Wände der Werkstatt durchbohrten. »Meine Arbeit«, gab er dann zur Antwort, »war nie etwas anderes als ein Selbstbekenntnis. Würde ich alle meine Bilder und Zeichnungen, dazu noch die Skizzen und Entwürfe in langer Reihe nebeneinanderstellen: ich könnte mein ganzes Leben – Handlungen, Leiden, Gedanken – wie aus einem vielbändigen Tagebuch wieder ablesen. Selbst aus den Bildnissen, jeden Menschen, den ich abgebildet habe, konnte ich doch nur mit meinen eigenen Augen sehen, ich glaube, wenn ich scharf hinblickte, könnte ich hinter manchem Hidalgo und hinter mancher Dame mich selbst stehen sehen, mein damals eingefangenes, ein wenig grinsendes Spiegelbild.«

»Das schliefst die Richtigkeit meiner Meinung nicht aus, daß Ihr Lebenswille sich mit Ihrem Drang zur künstlerischen Arbeit beinahe gedeckt hat und heute noch deckt.« Don Gaspars schmales Gesicht ließ eine Spur seiner Zufriedenheit mit dieser Formulierung sichtbar werden.

»Ob ich wirklich deshalb am Leben gehangen habe, weil ich mich gelockt fühlte, eine möglichst ausgiebige Reihe von Bekenntnissen hinter mir zu lassen?«

»Vergessen Sie nicht, Don Francisco, daß nicht so ganz wenige Ihrer Bekenntnisse eine Tendenz hatten: die Absicht, andere von der Richtigkeit Ihrer Ideen zu überzeugen, sie vielleicht sogar zu veranlassen, die von Ihnen übernommene Meinung in Taten umzusetzen. Selbst unter den mir bekannten Bildnissen befinden sich solche mit Tendenz.«

Francisco lächelte vergnüglich – so wie jemand lächelt, dem es Freude macht, sich durchschaut zu wissen. »Die schaffenden Künstler«, sagte er nach einer Pause, »sind Menschen, die das Leben stärker erleben als die andern, im Genuß und im Abscheu, ihre Sinne umarmen jeden Eindruck stärker, sprudeln ihn mit mehr Hitze in sich umher, saugen ihn bis in die feinsten Adern und Sehnen und Nerven hinein, sie würden an dem Erlebnis verbrennen oder ersticken, besäßen sie nicht die Fähigkeit, es wieder aus ihrer Mühle herauszuzwängen, bis es losgelöst als ihr Werk vor ihnen steht. Dies ist unsere Form zu leben – und wenn eine Idee in uns Lärm macht, so nehmen wir sie sehr wichtig und wollen die Menschheit damit beglücken. Ob uns nun dieses Leben mit gesteigerter Blutwärme oder aber unsere Arbeit mehr am Herzen liegt – wer weiß es? Es gibt Künstler, die vor Lebenswärme nicht zur Arbeit kommen, und andere, die vor geschäftiger Arbeit vergessen zu leben ... Von mir selbst weiß ich nur, daß meine heutige Anhänglichkeit an das Leben sich sehr von der früheren unterscheidet. Eigentlich müßte ich auf mein nächstes Bekenntnis gespannt sein.«

»Ich bin sehr stolz darauf«, sagte der Arzt, auf das gemeinsame Bildnis weisend, »daß auch dies ein Bekenntnis ist.«

Francisco erschien bei den höfischen Veranstaltungen häufiger als in der Zeit vor seiner Krankheit, und fühlte die mit Unterwürfigkeit, Frömmelei, Gedankenarmut und gegenseitigem Mißtrauen geladene Atmosphäre um König Fernando jedesmal so körperlich, als seien die Säle mit üblem Brodem angefüllt. Zwar fand er wieder Vergnügen daran, die Menschen zu beobachten, beurteilte manchen Granden und Prälaten milder als früher, entdeckte versöhnliche Züge an ihnen, war, auch wo er innerlich spottete, weniger mit Zorn und Ingrimm belastet – aber wenn er diese Gesellschaft im Ganzen übersah und überdachte, so wußte er noch immer, daß sie schnittreif war.

Er zeichnete einen Bauarbeiter, der mit der Hacke eine Bildsäule zertrümmert, und schrieb darunter: Volk, wenn du wüßtest, was du vermagst! Doch es blieb bei dieser einen Zeichnung. Die politischen Einzelereignisse hörten auf, für ihn große Erlebnisse zu sein, sie zwangen ihn nicht mehr, sich im Werk zu Gedanken über sie zu bekennen.

Auch nicht, als sich bald darauf das Volk wirklich auf seine Kräfte besann. Eine neue Offizierserhebung unter dem Obersten Rafael Riego wäre gescheitert, hätten nicht in mehreren Provinzhauptstädten Aufstände bewaffneter Bürger die Forderung erhoben, daß die Verfassung wieder in Kraft trete, ein General und Grande, den der König gegen die Rebellen aussandte, ging zu ihnen über, Madrid selbst wurde unruhig. Fernando versuchte es mit ein paar leeren Versprechungen, aber das Volk rottete sich vor dem königlichen Schloß zusammen.

Es war nicht das erstemal, daß er auf eine meuternde Menge niederblickte. Damals in Aranjuez hatte er den Mut gehabt, zu ihr zu sprechen, weil ihr Haß sich gegen einen anderen richtete, und damals hatte er sich von ihr mit der Krone beschenken lassen. Heute, noch ehe eine Drohung ausgesprochen war, zitterte er vor Furcht, dasselbe Volk, andere Einzelwesen zwar, doch die gleiche, durch dauernde Erneuerung unsterbliche Masse, werde ihm die Krone wieder vom Haupt reißen.

Dagegen half nur Nachgiebigkeit in allen Punkten. Die Augen böse, feig, lauernd auf den Tisch gesenkt, besprach er mit seinen Räten das Manifest der Freiheit: »Wir werden, sobald die Stunde es erlaubt, den Gegenvorschlag vorbereiten. Es wird gut sein, sich heute schon alle die zu merken, die im Vordergrund des Unternehmens stehen.«

In den nächsten Stunden schon fiel dem aufständischen Volk alles in den Schoß, was es begehrte: Anerkennung der Verfassung, Einberufung der Cortes, Pressefreiheit, Amnestie für die politischen Gefangenen, Vertreibung der Jesuiten, Beseitigung der Inquisition, alle spanischen Klöster bis auf vierzehn wurden aufgehoben. Ein vorläufiger Cortes-Ausschuß wurde gebildet, in die Hände seines Präsidenten, des Kardinal-Infanten Don Luis Maria, sollte der König den Eid auf die Verfassung leisten.

Mit einem Gesicht, in dem sich Herrschsucht und Feigheit mischten, sprach er die Formel.

Das Volk aber machte reinen Tisch. Es stürmte die Gebäude der Inquisition und verbrannte die Akten, riß selbst die Tore der politischen Gefängnisse auf und gab Tausenden die Freiheit wieder. Ja, es erzwang, daß eine Anzahl revolutionärer Führer unmittelbar aus der Haft zu den höchsten Staatsämtern berufen wurde.

Dann feierte Spanien ein Freudenfest, das volle fünf Tage und Nächte dauerte. An zwei Tagen war Corrida: vierzehn Stiere wurden allein in Madrid dem Tod geweiht.

Francisco besorgte sich für den ersten Tag einen Platz in einer der vorderen Zirkusreihen. Seine sehfreudigen Augen ergötzten sich an der Wildheit der Stiere, an der flackernden Buntheit der Menschenmauer, dem Wirbel des Schauspiels in der Arena, wo die Capeadores zwischen vom Stier aufgerissenen Staubwolken geschmeidig die roten Mäntel schwangen und Banderilleros mit Tanzschritten sich von der Gefahr einschlürfen ließen.

Doch plötzlich – es war, als der Matador mit spielerischer Heldengebärde den Degen entblößte – sah er die Augen des gehetzten Tieres, fühlte sie auf sich gerichtet, einen hilfeflehenden Blick, als habe gerade er die Macht und die Pflicht zu einer gewaltsamen Handlung, die der Quälerei ein Ende setzte. Er schämte sich. Ist, was hier geschieht, besser als die Folter der Inquisition, deren Abschaffung dieses Volk feiert? Blut lassen sie fließen, um sich voreinander zu rühmen, ihr Vaterland habe die Inquisition überwunden, Blut für Verfassung und Freiheit ... Ich kann ja nichts ändern – man sperrt mich ins Narrenhaus, wenn ich protestiere ...

Nichtbegreifen der menschlichen Niedertracht, eine von innen an die Schädelwände pressende Verzweiflung, großartige Ergebung schließlich sprachen aus den Augen des sterbenden Schlachtopfers. Jedes frei lebende Tier, blitzte es durch Francisco, sucht, wenn es den Tod nahen fühlt – und es fühlt ihn nahen –, den verborgensten Winkel auf, um dort zu sterben. Es macht den Tod mit sich allein ab. Dies ist noch das Schlimmste, daß dem Stier keine Verborgenheit offensteht, daß er verurteilt ist, in schamloser Öffentlichkeit zu sterben, beleidigt und beschmutzt durch Tausende von Blicken.

Die Gewohnheit hielt ihn auf seinem Platz fest. Doch als das zweite Opfer gefallen war, verließ er den Zirkus. Es war das erstemal, daß er sich vorzeitig von einer Corrida entfernte.

Nach Einbruch der Dunkelheit mischte er sich am Rande der Stadt unter die Feiernden. Seltsam, dachte er, und kaum zu glauben, daß dies dieselben Menschen sind, die um die Arena gestaut und wie ineinander verfilzt den Tod der Stiere fordern. Nicht ein Hauch von dieser Gier hängt mehr an ihnen. Aber – hing sie denn an mir? Ich habe ja zu ihnen gehört ...

Ohne viel Absicht weiterschlendernd, sah er sich schließlich auf dem Festplatz der Vorstadt Lavapiés – zwischen flanierender Jugend, Tänzern, Musikanten, Spießbürgern, Weintrinkern, Gaffern, verschlungenen Paaren, Abenteuerlustigen, Fruchtverkäufern, Marktschreiern, Bettlern ... Der Mond leuchtete und allerlei Laternen leuchteten, doch die Gruppen tauchten immer wieder in schwarze Schattenwellen.

Francisco wird im Lichtschein zwei-, dreimal erkannt und höflich gegrüßt.

Ein halbes Dutzend junger Paare schickt sich an, die aragonische Jota zu tanzen, und drängt sich in den Ring der Zuschauer. Am Anfang geht nicht alles glatt, und Francisco ruft wahrhaftig ein paar Worte dazwischen, die den Tanzenden Anhalt geben sollen. Die Musik der Gitarren und Mandolinen hört er nicht, aber er sieht den Rhythmus der Finger, die die Saiten zupfen, und den der Füße, die den Boden schlagen. Wie das durch den Körper zuckt!

Mittanzen, mittanzen! Nein – das doch nicht – es ist besser, nicht ... Aber der Takt, der Takt läßt ihn nicht los. Er klatscht ihn mit den Händen. Als ob sie auf das Zeichen gewartet hätten, fallen die Zuschauer einer um den andern in das Klatschen ein. Das geht so laut, daß es für Francisco wohl zu hören ist.


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