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13

Francisco ging durch den Hof des maurischen Hauses.

Draußen ertönte ein Geräusch, das ihm von Pferden herzurühren schien. Er freute sich, daß sein Ohr für diese Wahrnehmung noch taugte, und trat in die Vorhalle, um zu beobachten, was vor sich ging. Da er sich für die Arbeit noch immer nicht frisch genug fühlte, schien ihm die Befriedigung der Neugier ein guter Zeitvertreib.

Es waren zwei Pferde. Ein Diener half den Reitern absteigen. Gleich darauf erschien auch Alfonso, der Haushofmeister, zum Empfang.

Während der eine Reiter, offenbar ein Bedienter, einiges Gepäck ablud, wurde der andere in die Halle geführt. Francisco, der keine Lust zu Gesprächen mit einem Unbekannten verspürte, drückte sich in eine dunkle Ecke. Ein anmaßendes Gesicht, das mir gar nicht gefällt, dachte er einen Augenblick lang – um im nächsten zu wissen, daß er es sehr genau kannte. Es war das des Stierkämpfers Costillares, den er vor gar nicht langer Zeit porträtiert hatte.

Und schon hatten sich die Augen des Torero an die Dämmerung des Raums gewöhnt: er erblickte Francisco und ging lächelnd auf ihn zu, indem er ihm die Hand entgegenstreckte.

Er wundert sich keineswegs, daß er mich hier trifft, fuhr es Francisco durch den Kopf. Woher weiß er von meiner Anwesenheit? Nun ja – vielleicht kommt er von Madrid: dort spricht man darüber ...

»Ich freue mich, Sie zu sehen, Señor de Goya – ich bin hier, um Ihrer Exzellenz der Herzogin meine Aufwartung zu machen, ich habe gehört, daß sie zur Zeit hier wohnt.« Er sagte es höflich und gewandt.

Francisco verstand kein Wort. Das irritierte ihn sehr. Er beschränkte sich auf eine Redensart, von der er sicher war, daß sie sein Leiden nicht verraten konnte.

»Sind Sie schon längere Zeit in Andalusien?« fragte Costillares.

»Sie haben wohl einen langen Ritt hinter sich«, sagte Francisco.

»Ich komme aus der Gegend von Sevilla.«

»Ich bin gespannt, von Ihnen Neuigkeiten aus Madrid zu hören ... Doch jetzt sind Sie sicherlich müde ... Sie werden mir später erlauben, Fragen an Sie zu richten.«

»Es sind gut drei Monate, daß ich nicht in der Hauptstadt war. Aber ich kann Ihnen allerlei Neuigkeiten erzählen, falls es für Sie noch solche sind. Wann haben Sie Madrid verlassen?«

»Es ist sehr still hier, man hört wenig von der Welt.«

»Wann haben Sie Madrid verlassen, Señor de Goya?«

»Ja, ja, Sie haben recht – aber Sie wollen sich sicher ein wenig erfrischen.«

Alfonso trat herbei, flüsterte dem Gast etwas zu, dessen befremdeter Gesichtsausdruck sich alsbald glättete. Costillares bat fast schreiend, ihn zu entschuldigen, und stieg mit dem Haushofmeister eine Treppe empor. Der Bediente folgte mit dem Gepäck.

Francisco zuckte zusammen, als er die letzten Worte plötzlich überdeutlich verstand. Natürlich hatte Alfonso dem Torero das Geheimnis mitgeteilt. Keine fünf Minuten kann diese Schwäche verborgen bleiben, knurrte er in sich hinein.

Wieso kommt er überhaupt mit Gepäck an? Das sieht nach Absicht aus, sich hier häuslich niederzulassen. Unsinn – natürlich kann er eine größere Reise vorhaben und morgen wieder aufbrechen. Aber hat es nicht den Anschein, als sei ein Zimmer für den Gast vorbereitet? Als sei er erwartet worden? Warum hat Cayetana nicht davon gesprochen? ...

Einsame Gartenwege gehend, steigerte er sich weiter in dieses unbestimmte Mißtrauen hinein, raffte sich daraus auf, ernüchterte sich, lachte über sich, schalt sich: Solche Grämlichkeiten sind eine Beleidigung für Cayetana – ich verwirke das Geschenk ihrer Liebe, wenn ich mir über einen solchen Besuch überhaupt Gedanken mache, ich werde heute besonders aufmerksam gegen sie sein ...

Als er zur Abendmahlzeit ins Speisezimmer trat, befand sich Cayetana schon dort und Costillares mit ihr. Sie empfing ihn mit einer Erklärung: »Señor Costillares hat in den Stierzüchtereien der Umgegend Geschäfte, will uns aber das Vergnügen machen, eine Zeitlang in San Lúcar zu bleiben. Ich bin darüber besonders auch für Sie erfreut.«

Und an den Torero sich wendend: »Für einen Genesenden bietet dieses Haus sehr wenig Zerstreuung. Señor de Goya ist ein Kenner Ihrer Kunst, Sie wissen es ja, er wird Sie sicherlich bitten, ihn Ihre großartige Veronica zu lehren. Wir haben leider einige Sorgen mit diesem Gast gehabt ... eine starke, sehr starke Erkältung ... die Ohren sind immer noch etwas geschwächt ... Es wird sich natürlich schnell vollends beheben.«

Francisco gab in Worten von unanfechtbarer Höflichkeit seiner Genugtuung über den Besuch Ausdruck und wies die Behauptung der Herzogin, San Lúcar biete keine Zerstreuung, ritterlich zurück: »Sie kennen die Herrin des Hauses genügend, Costillares, um zu wissen, daß ihre Gesellschaft weder in einem Kranken noch in einem Gesunden den Wunsch nach anderweitiger Zerstreuung aufkommen lassen könnte.« Er fürchtete, diesem Satz nun doch einen unbehaglichen Unterton beigegeben zu haben, und zog sein Gesicht in eine freundliche Grimasse.

Costillares lächelte, ohne zu antworten.

Francisco fand dieses Lächeln unverschämt.

Er fand während der Mahlzeit noch manche Einzelheiten im Benehmen des Stierkämpfers unverschämt. Aber er war über jeden kleinlichen Ärger erhaben, fühlte sich ruhig und beherrscht, ja glücklich – einfach durch Cayetanas Gegenwart: durch das Bewußtsein der heimlichen Verbundenheit, die ihn als Gewißheit des gesicherten Besitzes erfüllte, durch ihren Anblick, ihre Bewegungen, ihre Worte.

Als man sich trennte, wußte er es einzurichten, ihr zu folgen. Der Blick, mit dem sie ihn dann empfing, befremdete ihn für Sekunden, ihn dünkte, er komme aus einem rätselhaften Hintergrund heraus, vielleicht aus einer dumpferen Form der Erregung, als er sie an ihr kannte. Aber sogleich wußte er nichts anderes mehr als dies: sie ist tausendfach ...

In den folgenden Tagen glaubte er an eine deutliche Besserung seines Gehörleidens. Den Gast Costillares behandelte er mit einer überlegenen Freundlichkeit, auch mit ein wenig Ausgelassenheit – als der Ältere, der dem Jüngeren Beweise der Sympathie gibt.

Der Torero seinerseits ließ es sich angelegen sein, dem Kammermaler Seiner Majestät, der sein ausgezeichnetes Porträt gemalt hatte, das berühmte, von ihm erfundene Täuschungsmanöver, Veronica genannt, beizubringen, und legte dabei eine erst höfliche, dann vertraulichere Kollegialität an den Tag: die des Stierfechters gegen den Amateur, aber auch die des Künstlers gegen den Künstler. Sie übten im Garten mit dem Mantel, der mit beiden Händen oder auch über den ausgestreckten Degen gebreitet gelenkt wurde, und trieben den Eifer so weit, daß sie abwechselnd den Stier markierten. Nach einigen Tagen war der Lehrer schon sehr zufrieden mit seinem Schüler und schlug ihm vor, demnächst gemeinsam nach einer benachbarten Züchterei zu reiten, wo Señor de Goya die Übung an einem jungen Stier praktisch erproben könnte. Und Francisco hatte Lust dazu.

Es war kurz danach, daß er aus seiner Ruhe gerissen wurde durch ein Spiel, das die Herzogin mit dem Torero begann – sprühend und unverhüllt. Hatte sie bisher Costillares kleine Huldigungen mit anmutiger Gleichgültigkeit hingenommen, so schien es jetzt, daß sie Feuerbrände nach ihm warf. Es war, als habe sie bis zur Stunde auf seinen Angriff gewartet und nun plötzlich die Geduld verloren. Sie lockte ihn mit den Augen, dem Körper, der Stimme, zog sich wieder zurück – aber nur, um nachher die Lockung zu steigern.

Francisco saß bleich, mit zusammengebissenen Zähnen da, sich gegen sie auflehnend und doch voll glühender Bewunderung für das Kaleidoskop ihrer Verführungskunst, fassungslos darüber, daß sie es ohne Hemmung vor seinen Augen zu Ehren eines anderen spielen ließ. Es kann, kann nichts anderes sein als ein übermütiger Scherz, redete er sich vor, sie will mich eifersüchtig machen und lacht mich nachher aus.

Costillares schien keineswegs damit zu rechnen, daß es sich um einen Scherz handeln könnte. Er kam dem Angriff bewußt und überlegen entgegen, als sehe er darin nichts als einen neuen Beweis seiner eigenen Unwiderstehlichkeit, kam immer nur so weit entgegen, daß Cayetana sich genötigt sah, ihr Spiel fortzusetzen. Der spöttische, genießerische, grausame Ausdruck seines Mundes war Francisco sehr zuwider. Ich habe diesen Mund viel zu sehr geschont, dachte er – würde ich dich heute wieder malen, müßte das Bild jedem zeigen, was für ein peinlicher Bursche du bist. Auch Cayetana möchte ich so malen, mit ihrem jetzigen Ausdruck ... Dies Porträt würde gleichfalls mancherlei enthüllen ... Der Anblick wäre erregend, zu sinnloser Glut erregend: kein Mann, der noch Mark in den Knochen hat, könnte das Bildnis sehen, ohne dich zu begehren. In hundert, in tausend Träumen würdest du wiederkehren – es wäre eine wundervolle Rache für deine Laune. Du willst mich glauben machen, du werdest dich dem Torero schenken, und ich – schenke dich hundert und tausend andern ...

Als sie ihre Varianten erschöpft zu haben schien, hob Cayetana die Tafel auf und zog sich zurück. Sie grüßte Costillares kameradschaftlich, Francisco wie einen entlassenen Minister. Er wußte nicht, war es Stolz oder das Sich-nicht-rühren-Können des Getroffenen, was ihn von jedem Versuch abhielt, mit ihr unter vier Augen zu sprechen.

Eine schwere, tiefe Müdigkeit überfiel ihn. Er hatte seine Nerven mit ganzer Kraft angespannt und fühlte nun den Rückschlag. Froh, daß er der Qual seiner mit geschliffenen Waffen gegeneinander kämpfenden Gedanken entfliehen konnte, gab er sich dem Schlaf hin.

 

Zwei ganze Tage bestanden für ihn nur noch aus dem Warten auf die gemeinsamen Mahlzeiten und den Mahlzeiten selbst. Dabei konnte er der Unterhaltung der beiden schwer mehr folgen: sie hielten es nicht für nötig, ununterbrochen Rücksicht auf sein Leiden zu nehmen. Manches von dem, was er auffing, peinigte ihn durch den vertraulichen Ton, der im Mund des vom Wein angeregten Stierkämpfers zu allem hin noch frech und geschmacklos klang. Cayetana selbst war in Wort und Gebärde verwandelt, schien plötzlich Geschmack am Derben, Handgreiflichen zu finden.

Als er ihrer gegen Abend des zweiten Tags ansichtig wurde, wie sie in Begleitung ihrer Zofe in den Garten hinaustrat, wurde all das, was ihn aufwühlte, von dem plötzlichen zornigen Wunsch überflackert, sich zu rächen. Im Glauben, so könne er sie reizen, kam er herzu und sagte lächelnd: »Carmencita ist heute noch hübscher als sonst! Fast habe ich Lust, sie zu malen.«

Cayetana faßte das mehr aus Erziehung als aus Verlegenheit zu Boden blickende Mädchen um die Hüfte und antwortete gleichfalls lächelnd und obenhin: »Nicht wahr, was für eine entzückende Figur sie hat! Und die Augen!... Du müßtest sie einmal sehen, wenn sie tanzt.«

»Sie wird bald einen Geliebten haben.« Francisco sagte es, um irgend etwas zu sagen. Dabei überlief ihn eine leise Wärmewelle im Anblick des reizvollen Geschöpfs.

Als Cayetana, nachdem sie das Mädchen ins Haus geschickt hatte, das Thema weiterspann, war es ihm peinlich, sich dieser flüchtigen Abirrung des Gefühls erinnern zu müssen. »Soll ich sie dir schenken?« warf sie in einem lustigen Ton hin, und er schaute sie forschend und unsicher an. Sein Aussehen war sehr bäurisch in dieser Minute.

Sie zog ihre Brauen noch höher als sonst und kniff die Lippen so klein, daß sie beinahe verschwanden, fing seinen Blick mit fast lauernder Ruhe auf und sagte, ohne seine Antwort abzuwarten: »Im Ernst. Wenn dir die Kleine gefällt ... es kostet mich ein Wort. Ich finde, es würde sich sehr geschickt treffen.«

Wieder blickte er sie unsicher und bäurisch an.

»Ich habe bemerkt«, fuhr sie in plauderndem Ton fort, »daß dir mein kleines Intermezzo Unbehagen bereitet. Das verstehe ich nicht ganz. Aber wenn du wirklich Ablenkung brauchst, so ist es doch das richtige, du fädelst gleichfalls ein kleines Intermezzo ein. Ein besseres Mittel gegen die Eifersucht kann ich dir nicht empfehlen. Und nun biete ich mich gar noch als Vermittlerin an. Kann ich besorgter um dich sein?«

Francisco kämpfte gegen ein Schwindelgefühl. Schwieg.

»Nun machst du eine Amtsmiene wie ein Großinquisitor. Schon bei Tisch hast du solch grämliche Gesichter geschnitten ... Komm – gehen wir noch ein paar Schritte zusammen. Nur darfst du nicht denken, ich habe so etwas wie eine Absicht, mich zu rechtfertigen. Du bist wirklich ein wenig kindlich. Laß doch diese Dummheiten!« Sie stampfte dazu mit ihrem zierlichen Absatz auf den Boden.

Dann setzten sie sich in Bewegung – auf die Korkeichen zu, deren geschälte, rötliche Stämme durch die ersten Schleier des Abends hindurch immer stärker leuchteten.

Wieder redete Cayetana. »Ich weiß, du warst krank, bist noch abgespannt. Aber du hast dich doch nicht verändert, kannst doch nicht ernsthaft wünschen, daß ich meinen Privatangelegenheiten heimlich nachgehe? Würde es dir wirklich besser gefallen, wenn ich einen Liebhaber in deiner Gegenwart als eine Person behandelte, die mich nichts angeht – bis du schließlich aus irgendeinem unvorsichtigen Wort Verdacht schöpfst und ihm an der Leiter, über die er in mein Zimmer steigen will, auflauerst, um mit dem Degen auf ihn einstechen zu können? Ich weiß, mein Freund, daß du im Grunde deines Herzens ein Raufbold von dieser alten spanischen Sorte bist, aber ich habe keinen Sinn für Ritterkomödien.«

Seine rechte Schläfe hämmerte: Beständigkeit, Beständigkeit ... Die linke hämmerte: Wie leicht bricht sie ihr Wort! Sein Herz schrie dazwischen: Dies ist eine andere Frau – die, die ich liebe, liebt auch mich noch! Und eine Aufwallung drängte sich vor wie mit Ellbogen: Kämpf um sie!

Und so stieß er, den gesenkten Kopf aufrichtend, die allerersten Worte hervor: »Du glaubst – ich gebe dich einfach preis?« Die Frage klang dumpf, wie aus der Tiefe heraus.

Sie änderte ihren leichten Ton keineswegs: »Preisgeben ... Was ist das für ein Wort? ... Übrigens erinnere ich mich nicht, von dir verlangt zu haben, daß du mich – preisgibst. Ich glaube, ich muß dir armem Jungen zum Trost sagen, daß meine Intermezzi selten sehr lange dauern.« Das strich sie ihm nun sanft hin wie einem Kinde oder – einem Kranken.

Das Herz schrie: Sie beleidigt und quält mich! Sie läßt die Welt über mir einstürzen! Der Verstand spannte alle Kraft an, zu besänftigen: Sie weiß ja gar nicht, was sie tut! Man muß sie an ihr Versprechen erinnern? Nein, rief das Herz, das wäre so plump wie dumm: man kann nicht beständige Liebe bewahren aus einem Versprechen heraus – versprochene Liebe schmeckt schlecht.

»Ein letztes Wort, Francho: Erinnere dich – aber bitte mit Lachen und Vergnügen! – erinnere dich, wie du von deiner siebzehnten Frau ein klein wenig gelangweilt nach der achtzehnten die Angel warfst und wie du zur siebzehnten zurückgekehrt bist, weil dir die achtzehnte nicht mehr gefiel ... Und erinnere dich an die gleiche Geschichte mit der dreiundzwanzigsten und der vierundzwanzigsten ... Daß ich genau so viel Freiheit für meine Launen beanspruche wie ein sehr freier Mann, weißt du ... Nein, nein! ich habe durchaus nicht die Absicht, mich zu rechtfertigen! Dieses fürchterliche Gesicht langweilt mich!« Sie wurde zornig.

Welch furchtbarer Irrtum, riefen wieder die Stimmen in ihm, dies zusammenzuwerfen: die achtzehnte und vierundzwanzigste Frau und sich selbst, Cayetana, den – achten oder zehnten Mann und mich. Das ist doch gerade das Große, das Neue, daß alles anders ist. Daß etwas in mein Leben und in ihr Leben gekommen ist, was vorher nicht da war, in keiner Form. Aber wie soll ich ihr das deutlich machen, wenn sie es noch immer, noch immer, noch immer nicht weiß? Oder sich stellt, als wisse sie es nicht? Ihre Seele hört nicht – das ist schlimmer als alles andere ...

Inzwischen war sie zurückgegangen – sie ließ ihn einfach stehen.

Ihre Seele hört nicht – welchen Sinn hat es, wenn meine Seele zu ihr redet? Ein ungeheurer Druck preßte und lähmte ihn. Sein krankes Gehör fühlte er wie umkrallt, wie völlig ertaubt. Er rührte sich nicht.

Zwing sie, daß sie dir gehört! Kämpf um sie!

Er raffte sich auf. Wird sie noch zu erreichen sein, ehe sie sich einschließt? Er lief, warf Rufe hinter ihr her wie Steine.

Sie ging zierlich, spöttischen Gesichts, beachtete seine entfesselte, atemlose Erregung nicht.

Er verlegte ihr den Weg. Keuchte die Worte heraus: »Wir sind zusammengeschmiedet. Die Kette bleibt. Ich gebe dich nicht frei.«

Sie verzog nur den Mund.

»Ich flehe dich an: Schick ihn fort – noch in dieser Stunde! Schick ihn fort!« Er flehte mit den Händen. »Es mag sein, daß du den Gast nicht wegschicken kannst. Also gehen wir. Laß für uns einen Wagen anspannen – wir kommen heute nacht noch in die Stadt. In diese oder in eine andere. Fort von hier, das ist das beste.«

Sie sah sehr kühl an ihm herunter. »Du bist kindisch«, sagte sie.

Er umfing ihre Gestalt mit der ganzen Kraft seines Blickes, als könne er die um sie geschlungenen Ketten verzehnfachen. Sie wandte sich ab, ließ ihn abermals stehen. Doch sie fühlte den Blick auf ihrem Rücken brennen wie Feuer.

Die Dämmerung sank in die Bäume, während Francisco, dem schmalen Fußweg ohne es zu wissen folgend, weiter den Hügel hinanstieg. Allein sein, klar und reinlich allein, Raum zwischen sich und Cayetana bringen, nicht nur im Stehenbleiben, während sie weggeht, sondern mit eigenen Schritten!

Er hielt inne, eine leere Stille erfüllte ihn, es war ein kurzes Atemholen der Seele. Dann begann ein Brodeln und Wogen, das ganz körperlich von innen heraus an die Wände des Schädels, der Brust, der Adern preßte. Er versuchte die Gedanken zu ordnen, aber er wurde ihres Dunkels nicht Herr, nur dann und wann blitzte ein Schein auf, der mehr blendete als erhellte. So sieht die Wende aus, von der ich geträumt habe – diese Vorstellung tauchte auf und kam wieder. Dies ist eine Rolle in einer Eifersuchtskomödie, kein Wiederanfang – die Rolle des Getäuschten ist jammervoll, für die anderen Mitspieler aber lächerlich. Was ich von diesem Aufschwung mitnehme als sicheren Besitz, das ist im Körper: das Leiden.

Er wußte in dieser Stunde ganz sicher, daß dieses Leiden niemals geheilt werden würde. Hier fühlten seine Gedanken nun festen, unheimlich vertrauten Boden, hier spann er sie weiter. Sah sich abgeschnitten vom Verkehr mit den Menschen, sah über seiner ganzen Zukunft, wie immer sie sich außen und innen gestalten würde, diesen Druck grau und fratzenhaft lasten: schwerhörig – taub. Die wenigen Menschen, die sich noch die Mühe nehmen werden, mir ein Wort zu widmen, werden mir dieses Wort zeitlebens, den kurzen oder langen Rest meines Lebens, ins Ohr brüllen.

Bei Hof, wenn man mich nicht in Pension schickt, werde ich nur gnadenhalber und überzählig geduldet werden. Maella, der gutmütige Stümper, wird mich überflügeln. Die laute Stimme des Königs – ja, die wird wahrscheinlich noch zu mir dringen. Das Kreischen der Königin wird Schmerzen verursachen. Manuel Godoy – mein Gott, warum verwende ich ernsthafte Gedanken auf diese Menschen? Eines weiß ich: wenn ich zu euch zurückkomme, werde ich euch noch schärfer als bisher sehen, so wie ihr wirklich seid – in eurer ganzen aufgeblasenen Windigkeit. Unter dieser Gesellschaft leben zu dürfen, von ihr geduldet, meinethalb sogar geachtet zu werden – das ist immer noch das traurige Ergebnis meines Lebens. Seid ihr nicht allesamt wert, weggefegt zu werden, so wie eure Standesgenossen in Frankreich weggefegt werden? Und mit euch – – Cayetana?? Nein! nein! sie nicht!

Es war ein stummer Aufschrei. Er führte ihn an den Anfangspunkt seiner Pein zurück.

Er wanderte weiter, trat auf eine Lichtung. Kleine Schatten schnellten an ihm vorüber, einander kreuzend und verfolgend. Fledermäuse, eine ganze Schar. Einzelne streiften ihn fast. Er konnte sie nicht hören, dachte darüber nach, ob er mit gesunden Ohren je den Flug von Fledermäusen als Geräusch vernommen habe. Die Erinnerung versagte.

Das sind die richtigen Genossen für mich, redete er zu sich selber. Fledermäuse und Gespenster. Wenn jetzt zwischen den Stämmen Gespenster sich zu bewegen begännen, auf mich zukämen – ich hätte nicht die geringste Furcht, würde mich ausgezeichnet mit ihnen verstehen. Sie wissen auch, aus wieviel Schein und Betrug das Leben der Menschen besteht, daß die letzten, reifsten Früchte unseres Bemühens immer Lächerlichkeiten, Schmerzen, Elend sind.

Es war sehr grau um ihn. Die Schatten bewegten, formten sich ... Ihm schien, als stehe ein Kobold mit riesigem Wasserkopf vor ihm. Aus welcher Welt stammst du, fragte er ihn, ohne die Lippen zu bewegen, gibt es Liebe in deiner Welt? Was hältst du von ihr? Sind dir die Frauen treu? Was heißt dein Achselzucken? Ah – du meinst, das sei ganz gleichgültig? Dahin hast du dich schon durchgerungen ... Ich sage dir: ich bin noch nicht so weit, mich schmerzt es noch. Ich meine ja auch eigentlich gar nicht die Frauen ... nur eine einzige ... Seltsam, wie groß die Fledermäuse geworden sind ... was für Köpfe sie haben ... Du – flieg zu der einzigen Frau, setz dich auf ihre Schulter und schrei ihr meinen Namen ins Ohr ... Nein, nein! wenn du dich an sie heranwagst, schlag ich mit dem Degen nach dir! Ich schütze sie gegen jeden, der sie berühren will!

Die Schatten wogten, verflochten sich. Ein Riesengesicht grinste, zerfloß. Er blickte in die Höhe, sah Sterne. Und die Luft wurde wieder klarer um ihn.

Im Weiterwandern kam er vom Weg ab, strich hin und her durch Gebüsch und Gras, ließ sich auf einen Stein nieder. Und versuchte zu überdenken, was nun zu geschehen hätte.

Morgen die Rückreise nach Madrid antreten ... das wäre Verzicht auf jeden Kampf um das Neue, wäre der Wiederbeginn des alten Lebens – schon hatte er wieder soviel Kraft, den Verzicht von sich zu weisen – nein, es würde etwas viel Schlimmeres bedeuten: das Ende jeder Arbeit, ein flügellahmes Vegetieren. So nicht nach Madrid zurück, nur so nicht! Also das Haus verlassen, für die nächste Zeit eine andere Unterkunft suchen – in Sevilla vielleicht ... Das würde heißen: arbeiten wollen, aber Cayetana preisgeben. Aber davon ist doch alles ausgegangen: ich gebe dich nicht preis! War dieser Entschluß falsch? Muß er umgestoßen werden? Wer ist Cayetana? Oh, sie ist – sie ist nicht nur diese heillose Laune und Gier. Sie ist mehr, viel, viel mehr. Also bleiben. Bleiben? Weiter mich lächerlich machen neben diesem frechen Burschen? Nicht eine Stunde mehr! Mit der Waffe gegen ihn kämpfen ... Ritterkomödie hat Cayetana das genannt. Sie hat recht. Das ist keine Lösung. Mit dem Degen will ich sie nicht erobern, von einem Toten will ich sie nicht zurück.

Nicht bleiben, nicht gehen – nicht gehen, nicht bleiben! Er sprang auf, stampfte wütend, niedergeschlagen, voll glühender Vorsätze, voll bleicher Hoffnungslosigkeit, anklagend und liebend durch die Nacht, die nun vom Mond erhellt war.

Erst nach Mitternacht dachte er daran, ins Haus zurückzukehren. Schließlich fand er den Weg.

Zwei Laternen brannten auf der Terrasse. Als er an ihnen vorüberging, schnellten kleine Schatten hin und her, einander überkreuzend und verfolgend. Fledermäuse.

 

Als ob Mars, das Kampfgestirn, auch in ihrem Horoskop das Haus der Liebe schlecht bestrahlte – das hier ein Haus der dumpfen Brunst war –, verlangte in Madrid am gleichen Abend die Königin von ihrem Günstling Rechenschaft.

Sie hatte keineswegs zum erstenmal schlagende Beweise in Händen, daß Manuel sie betrog. Diesmal waren es die Frau eines Offiziers, eine Schauspielerin und ein Zimmermädchen, die ihr der eine Woche umfassende Bericht des Überwachungsdienstes meldete. Beweise? Überwachung? Im Grunde höchst überflüssige Dinge. Das Infame war, daß Manuel sich gar keine ernsthafte Mühe gab, seine Abenteuer zu verbergen.

Drei Frauen. Der Gedanke an solche Vielseitigkeit kitzelte ihre Nerven und verdoppelte zugleich ihre Wut, sie wußte, daß der Hof über diese Lendenkraft Witze riß. Und suchte sich sogar vorzureden, sie beklage die den Staatsgeschäften entzogene Energie.

Sie machte ihm eine Szene.

Er leugnete gar nicht, behauptete vielmehr mit frecher Stirn, ihre Liste sei nicht vollständig. Gab ihr den Rat, ihr Ohr solchen Zuflüsterungen zu verschließen, dann behalte sie das schöne Bewußtsein, seine einzige Geliebte zu sein. Nannte das Verlangen, daß keine anderen Frauen für ihn existieren sollen, absurd, unnatürlich, lächerlich. Und spielte auf ihre Jahre an.

Sie kreischte auf, vergoß Tränen, wimmerte. Und als sie ihn nicht zu rühren vermochte, hielt sie ihm in verhalten drohendem Ton, aus dem doch mitunter der Zorn schlug, die ganze Liste der Abrechnung vor, wie sie sich nackter, brutaler nicht aufstellen ließ: daß er ohne sie ein lumpiger Gardeleutnant wäre, ein Bettelhidalgo – sie aber habe ihn zu dem und dem gemacht, habe ihn mit Millionen überschüttet, ganz Spanien ihm geschenkt – und nun laufe er den Huren nach.

Manuel saß in einem Samtfauteuil, mit den Fingern auf die von Lederhosen umschlossenen prallen Schenkel trommelnd, und schaute die Königin aus seinen verschleierten Augen mit phlegmatischer Ruhe an. Es war nicht oder nicht mehr so, daß er in ihr nur ein Werkzeug seines Ehrgeizes und seiner Habsucht sah: da er sich an der Fülle seiner Triebe erfreute und sie in möglichst vielen Spielarten kultivierte, mußte sich einer davon auch mit ihrer hemmungslosen Gier treffen, diese Frau reizte ihn von Zeit zu Zeit. Aber er blieb keinen Augenblick im Zweifel, daß sie ihn mehr brauchte als er sie.

»Es ist das schöne Vorrecht der Monarchen«, bemerkte er kühl, »Begabungen zu entdecken. Die Geschichte wird entscheiden, daß dir Spanien Dank schuldet, weil du mir den Aufstieg ein wenig erleichtert hast. Ich stehe an der Stelle, die mir gebührt.«

»Ich weiß nicht, was größer ist: deine Aufgeblasenheit oder deine Frechheit!«

»Ich aber weiß, daß zornige Menschen über nichts so leicht stolpern wie über die Ruhe ihres Opfers. Ich kann dir den Gefallen nicht tun, gleichfalls aufzubrausen. Ich schulde« – er lächelte boshaft – »der Königin von Spanien Respekt.«

»Es wäre besser«, zischte sie mit gerötetem Kopf heraus, während sie sich dicht vor ihn stellte, »es wäre besser, du besännest dich auf die Dankbarkeit, die du mir schuldest.«

»Dankbarkeit? Schulden? Ich glaubte diese Musik vorher schon zu vernehmen ... Die kleinen Menschlichkeiten, die zwischen uns gespielt haben, sollen wahrhaftig mit meinen Ämtern zusammenhängen? Eure Majestät haben – haben das – bisher als bezahlte Dienste aufgefaßt? Ich muß mich gegen die Annahme verwahren, als statte ich mit meinen Umarmungen Dank ab.« Er erhob sich mit einem Gesicht, das Ekel ausdrücken sollte, und schob sie beiseite.

Diese eiskalte Unverschämtheit brachte ihre Wut nochmals zum vollen Ausbruch. »Dies ist dein Sturz«, schrie sie, »du wirst degradiert, enteignet, erschossen!«

Er warf sich schweigend in die Brust, die Muskeln dehnten sich, als wüßten sie, daß sie die einzige Ursache seiner Erfolge seien.

Sie änderte den Ton. Wie aus einem zitternden Frösteln heraus sagte sie ihm, das Unheil lasse sich noch abwenden, wenn er ihr Treue verspreche.

»Der Handel wird mir zu schmutzig«, war seine einzige Antwort.

Sie verließ das Zimmer mit kurzen bösen Schritten.

Als ihr die Kammerfrauen die Perücke geradegerückt und das Gesicht zurechtgepudert hatten, begab sie sich zum König.

»Ich komme mit einer peinlichen Sache, Carlos«, begann sie wie aus tiefer Besorgnis heraus, »sie betrifft Manuel.«

Carlos schaute aus irgendeinem Grund auf seine goldene Taschenuhr und verglich sie mit den beiden Standuhren.

»Peinlich?« fragte er dann mit lustigen Fältchen um die Augen. »Habt ihr euch gezankt?«

Daß er ihrem geplanten Pathos so in die Parade fuhr, erschütterte ihre ÜberIegenheit; dergleichen war sie wenig von ihm gewöhnt.

»Ich bitte dich, mein Anliegen ernst zu nehmen«, blitzte sie, »ich spreche als Königin.«

»Es handelt sich also um meinen Ersten Minister. Du hast Beschwerden gegen ihn?«

»Er hat sich seiner Ämter durchaus unwürdig gezeigt. Hat mich beleidigt. Hat mir unerhörte Unverschämtheiten gesagt. Ich bin außerstand, sie zu wiederholen. Er hat die Krone Spaniens mit Schmutz beworfen. Ich verlange, daß man ihn auf der Stelle wegen Majestätsverbrechens verhaftet.«

Über das rote, glänzende Gesicht des Königs huschte etwas wie Schadenfreude. Er zuckte schweigend die Achseln.

Ihr Ton wurde persönlicher, eindringlicher: »Du hast in den Fragen von Manuels Laufbahn immer auf mich gehört. Gesteh dir: er hat seinen Aufstieg nicht zum wenigsten meiner Fürsprache zu verdanken. Nun – ich finde, wir haben ihn zu hoch steigen lassen. Damit soll es nun zu Ende sein. Erspar mir doch peinliche Einzelheiten. Wenn ich dir sage: es ist Zeit, ihm den Prozeß zu machen, so kannst du mir ruhig vertrauen. Wie ich seinen Aufstieg gewünscht habe – ein Irrtum, den ich bereue –, so wünsche ich jetzt seinen Abstieg. Seinen raschen und gründlichen Abstieg. Aus dem, was er sich heute gegen mich herausgenommen hat, erwächst dir die Pflicht, deine Hand von ihm zurückzuziehen.«

Er wiederholte in größter Ruhe sein schweigendes Achselzucken.

Das brachte sie dazu, ohne jede Klugheit vollends den Rest ihrer Trümpfe auszuspielen: »Ich gebe zu, man darf den Skandal nicht öffentlich werden lassen, er würde in ganz Europa Aufsehen erregen. Laß den Ministerpräsidenten in aller Stille verhaften und nach Afrika deportieren. Man verbietet den Zeitungen, darüber zu berichten, und bald ist alles vergessen. Ich rate es dir. Ich bitte für ihn um diese glimpfliche Behandlung– schließlich gehörte er ja zu unseren Freunden.«

Carlos hustete, um ein Lachen zu unterdrücken. »Verhaften? Deportieren? Was soll er denn in Afrika? Ich hab ihn lieber hier. Er regiert ganz gut für mich. Denk dir bloß die Mühe aus, einen anderen Minister an unsere kleinen Eigenheiten zu gewöhnen! Ich verstehe mich wirklich ausgezeichnet mit ihm.«

»Du verweigerst der Königin von Spanien deinen Schutz?«

»Ihr habt euch also gezankt, und ihr werdet euch wieder vertragen. Das geht auch ohne Polizei. Schließlich könnte sich Manuel ja bei dir entschuldigen. Und wenn du dich wirklich nicht mehr mit ihm vertragen willst, so laß ihn deine Ungnade fühlen. Entzieh ihm die Verwaltung deiner Schatulle, ignoriere ihn beim nächsten Empfang. Aber verlange dergleichen nicht von mir. Ich kann auf diesen wirklich ausgezeichneten Burschen nicht verzichten.«

Während sie ihn verblüfft anstarrte, schloß er mit starken, unmißverständlichen Worten: »Ich habe mich an Manuel gewöhnt. Er ist mir unentbehrlich. Und er ist mein Freund. Ich lasse ihn unter keinen Umständen fallen.«

Es gelang ihm selten, gegenüber einer Forderung dieser Frau fest zu bleiben. Aber im Bunde mit Manuel fühlte er sich ihr gewachsen.

»Du tust, als ob ich überhaupt nichts mehr zu sagen hätte.«

Es war schon ein Rückzugsgefecht. Nach ein paar letzten Einwänden ähnlicher Art, denen er seine gepolsterte Ruhe entgegensetzte, verließ sie wütend das Zimmer.

 

Cayetana glaubte zu Beginn dieser Nacht, Franciscos Verbleib kümmere sie nicht, ja sie sei zufrieden, nichts darüber zu wissen. Ihr Selbstgefühl, ihr Lebensdurst verstanden sehr gut, abzuschütteln, zu vergessen.

Doch als sie zu später Stunde ein Geräusch hörte, wußten ihre hellen Ohren, ob sie wollten oder nicht: Es ist eine Tür, es sind Schritte, Francisco kehrt zurück.

Was auf der Welt konnte sie, die freie ungefesselte Herrin jedes, jedes Entschlusses, verhindern, das Abgeschüttelte, Vergessene von neuem hervorzuholen, turmhoch zu heben, zu hegen, zu lieben? Sie nahm sich nicht die Zeit, abzuwägen – in solcher Plötzlichkeit der Entscheidung gefiel sie sich sehr –: den gerade jetzt mit dem verabredeten Zeichen sich ankündigenden Costillares ließ sie zwar eintreten, erklärte ihm aber ohne Umschweife, ohne Begründung, sie wünsche jetzt allein zu sein, könne ihm übrigens auch nicht weiter gestatten, sich ohne Anmeldung durch die Dienerschaft in ihren Zimmern einzufinden.

Sie hatte mit ihm leichteres Spiel, als sie hoffen konnte. Schon im ersten Morgengrauen verließ er mit seinem Bedienten das Haus.

 

Sie saß auf einem Randstein des Wasserbeckens, über dem der springende Strahl in der Sonne funkelte, als Francisco, von Alfonso gebeten, zu ihr trat. Ihr offenes Lockenhaar bewegte sich im Wind, ihr Lächeln entblößte ein wenig die Zähne zwischen den schmalen Lippen.

»Dein Wunsch ist erfüllt«, sagte sie, und er hörte, mehr mit den Fingerspitzen als mit den Ohren, daß ihre Stimme zitterte. »Ich habe ihn weggeschickt.«

Sein bleiches Gesicht bewegte sich nicht. Er sah an ihr vorbei.

»Weißt du«, fuhr sie fort, »ich habe einmal von einer orientalischen Königin gelesen, die sich mitunter einem ihrer jungen Beamten oder Sklaven schenkte, aber jeden, der nachts bei ihr war, am Morgen töten ließ. Ich kann diese Königin sehr gut verstehen.«

Er sah noch immer bleich an ihr vorbei.

»Hast du gehört? Ich habe ihn weggeschickt.«

»Nun – dann kann ich ja bleiben«, sagte er endlich. Aber seine Worte klangen müde und fern.


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