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8

Da Cayetana ohne Leibeserben starb, fiel der Titel eines Herzogs von Alba an einen entfernten Verwandten, den greisen Grafen von Berwick. Die Eröffnung ihres Testamentes ergab eine Extravaganz, die schönste ihres Lebens: sie hinterließ dem Marqués von Villafranca, der selbst reich war, nur eine verhältnismäßig geringe Summe und setzte als Erben alles übrigen, auch der Güter, ihre Dienerschaft ein.

Die Hofgesellschaft nannte das jakobinisch und fand solches Jakobinertum doppelt verfehlt, da sich doch selbst Frankreich, wenn auch nicht der Monarchie, so doch wenigstens der Diktatur eines Konsuls unterworfen hatte. Das Volk aber sprach in tiefer Ehrfurcht von dem Testament, und die heimlichen Revolutionäre begrüßten es als ein Signal, das die Morgendämmerung einer neuen Zeit ankündige.

Die Freude währte nur wenige Tage.

Denn der Ministerpräsident, Generalissimus und Großadmiral Manuel Godoy, Marqués de Alvarez, Duque de Alcudia, Principe de la Paz y de Basano, kassierte das Testament als das einer Geistesgestörten und zog Geld und Güter der Erbschaft ein – angeblich für den Staat, in Wahrheit für sich selbst.

Die Königin nahm sämtliche Juwelen an sich.

 

Gerade in der Zeit, da die beiden großen Verbrecher ihren Raub ungestört in die Taschen steckten, hängte man einen kleinen: Bavi erstach im Streit, vom Wein erhitzt, einen Nebenbuhler und wurde dazu verurteilt, den grausamen Todeskampf am Galgen zu kämpfen.

»Alle haben es bis jetzt ausgehalten, den letzten Seufzer zu tun«, sagte er zu dem Priester, der ihn in der Nacht vor der Urteilsvollstreckung besuchte, »nur sind sie eben daran gestorben. Das wäre nicht schlimm. Aber was nachher ist, hab ich trotz hundertfältigem Bemühen noch keinem angesehen; keiner hat wieder die Augen und den Mund aufgemacht und mir erzählt, was er erlebt hat. Und wenn ich es nun in ein paar Stunden selber wissen werde, kann ich's auch euch, die ihr es sowenig wißt wie ich, nicht sagen.«

Der Priester entsetzte sich und beendete den Besuch so schnell als möglich.

Dafür stellte sich gegen Morgen ein Gefängniswärter ein mit einem Kännchen Branntwein, das Bavi nicht zurückwies. Es war verboten, den Verurteilten nach der Henkersmahlzeit noch etwas zu reichen. Aber Bavi hatte der Frau des Wärters, als sie – es war zwei Jahre her – ihren Abschied von der Erde zu bestehen hatte, kräftigen Beistand geleistet, und das vergaß ihm der Mann nicht.

So trug dem Todeskämpfer eine Tat seiner besseren Zeit doch noch in der letzten Stunde Zinsen ...

Francisco wußte vom Endschicksal des ehemaligen Mönchs, aber er wußte nicht, um welcher Frau willen es über ihn gekommen war. Als dann freilich eines Morgens jene, die ihm Bavi als Modell zugeführt hatte, bleich und trotz der warmen Jahreszeit fröstelnd in ihren schwarzen Mantel gehüllt in sein Atelier trat und nichts sagte als: »Jetzt sind sie beide tot« – da brauchte er nicht weiter zu fragen.

Er fragte auch nicht, weshalb sie hier sei. Doch gab sie selbst die Erklärung: »Ich muß ein wenig Ruhe haben vor den Menschen, die immer auf mich einreden. Hier bei Ihnen darf man schweigen.« Er stimmte bei, als sie bat, sich in dem kleinen Raum nebenan niederlegen zu dürfen. Sie schlief lange und wurde, als sie erwachte, von Agustín mit Essen versorgt.

So blieb sie ein paar Tage, ohne mehr viel zu sprechen. Francisco hatte einen hohen Hofbeamten zu porträtieren, aber da wurde einfach die Tür zum Nebenzimmer geschlossen.

»Was wird jetzt aus dir?« fragte er sie, als sie sich anschickte wegzugehen.

Sie zuckte die Achseln. »Bisher habe ich immer nur einem oder höchstens zweien gehört. Von jetzt ab werde ich wohl allen gehören.« Das kam mit Lachen heraus, aber Francisco sah die resignierten Mundwinkel.

»Wieviel Geld brauchst du, damit das verhindert werden kann?« fragte er heftig.

»Beunruhigen Sie sich nicht für mich. Ich habe Zeit gehabt, meine Gedanken an die Veränderung zu gewöhnen. Was jetzt geschieht, geschieht mit meinem Willen.« Sie rief noch ein Wort des Dankes, während sie behend zur Tür hinausschlüpfte.

»Sie hat Mut«, sagte Francisco zu Agustín und nickte ein paarmal rasch mit dem Kopf. Und nach einer Pause: »So etwas passiert alle Tage. Aber wenn man es zufällig aus der Nähe beobachtet ...« Er vollendete den Satz nicht, sondern warf einen gerade im Bereich seiner Hand stehenden Teller in eine Ecke, daß er krachend zersplitterte.


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