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Einundzwanzigstes Kapitel

Das sozusagen ein angehängtes ist und nichts weiter enthält als einen kurzen Briefwechsel aus den hinterlassenen Papieren des Herrn von Schmalzendorf Aus denen überhaupt dieses ganze Buch, wie es sich eben fügen mochte, zusammengestoppelt ist! Der Herausgeber.

Auszug aus einem
Brief der Mutter Regine an ihren Sohn Alexander Schmälzle vom 8. April 1875.

Was Du in Deinem letzten Brief von Deinem Musikwesen schreibst, das mag die Katz verstehen. Du machtest eine Messe, schreibst Du. Zunächst, lieber Alexander, solltest Du als guter Katholik nur von der heiligen Messe reden, denn sonst denkt man gar an den Königshofer Jahrmarkt, den manche Leute auch die große Messe nennen.

Was aber die heilige Messe anlangt, ist die nicht eingesetzt und gemacht von unserm Herrn Jesus Christus selber als eine ewige unblutige Erneuerung und Gedächtnis seines heiligen Opfertodes am Kreuz für uns arme Menschen und von der dann der garstige Dickkopf Luther gesagt hat, daß sie gar eine teuflische Götzendienerei sei. Und da weiß ich nun nicht, was ich denken soll, wenn Du schreibst, daß du eine Messe machst und schreibst nicht einmal eine heilige. Aber das klingt ja wie Gotteslästerung, nimm mir's nicht übel, lieber Alexander.

Und dann steht da alle drei Zeilen das Wort »komponieren«. Was soll nun dabei eine Christenseele sich wieder denken? Musik, habe ich immer gemeint, werde geblasen oder gestrichen, gepfiffen oder getrummelt. Ich weiß wohl, daß Ihr Gestudierte andere Ausdrücke habt, als man in Hinterwinkel braucht. Aber sogar der Vater hat keinen blauen Schein, was das mit dem Komponieren bedeuten soll.

Vielleicht hätt's der Nepomuk gewußt, aber der ruht nun auch schon, Gott hab' ihn selig, seit zwei Jahren auf dem Kirchhof drüben, in der vierten Reihe links vom großen Kreuz und hat zu Nachbarn die Kreszenz Gramlich einerseits und auf der andern Seite der Cölestine Bächle ihren kleinen Bankert, von dem du aber wohl gar nichts gehört hast.

Der gute Nepomuk. Und denk' nur, was für eine Neuigkeit. Seine Olga hat sich verheiratet. Du weißt ja, was ich immer im geheimen gewünscht habe. Ja, was so eine alte Mutter sich alles erwünscht. Also kurz, sie hat geheiratet, und zwar den Kapellmeister, wie man sagt, von den Schwolleschehr. Dragonern zu Ludwigsburg. Hat also doch noch einen Musikanten genommen und hab' immer gemeint, daß sie höher hinaus wolle, da hätt' sie auch dich heiraten können.

*

Aus einem Brief des Herrn Alexander Schmälzle zu Wien an die Mutter Regine zu Hinterwinkel, am 14. April 1875.

... So, hab' ich mich nun deutlich ausgedrückt? Kannst Du Dir nun einigermaßen denken, was für ein Ding das ist, das Komponieren. Und was es heißen will: eine Messe machen, verzeih, eine heilige Messe. Ja, mein liebes Mütterlein, Du wirst recht krittlig in Deinen alten Tagen, und was man schreibt, Du findest immer ein Haar darin. Du bist wahrhaftig schlimmer als die Herren Musikkritiker von Beruf, mein Freund Ferdinand Hiller mit eingeschlossen. Und doch bin ich, wenn ich mir's offen gestehen will, mit meinem Komponieren nur darum auf die Messe verfallen, weil ich glaubte, Dir damit eine große Freude zu machen.

Sehr hat mir der Rest Deines Briefes gefallen. Ja, ja, wenn die Olga nun doch nichts weiter als so einen Musikanten und Schnurranten gekriegt hat, Du hast ganz recht, da hätt' sie zur Not auch mich heiraten können.

*

Brief des Alexander Schmälzle an Mutter Regine.

Ungefähr ein Jahrzehnt später aus Prag datiert.

Mein liebes Mütterle!

Dieser Brief wird Dich nun wieder gar nicht befriedigen. Was soll ich sagen? Wenn andere grad' etwas nach ihrer Meinung von mir hören wollten, bin ich allzeit stumm geworden. Und auch heut muß ich mich karg zeigen. Jedes Wort, wie es erwartet werden könnte, kommt mir dumm und abgeschmackt vor.

Der gute Vater ist tot. Ihr habt ihn begraben. Er war 86 Jahre alt und hat wohl verdient, in die Ruhe einzugehen. Aber freilich Du, nun so allein. Nicht wahr, Du weißt, wie mir's ist, wenn ich's auch nicht schreibe.

Und also die Hinterwinkler haben gehässig von mir gesprochen, weil ich nicht zum Begräbnis meines Vaters gekommen bin. Wie der Blessenvogtbauer, der einstmalige Finzer, sich ausgedrückt hat, magst Du gar nicht schreiben.

Nun, siehst Du, die Leute haben ja so unrecht nicht. Ich hätt' freilich kommen müssen. Aber, der Mensch ist kein freies Tier. Wie Du aus der Überschrift meines Briefes siehst, bin ich hier in Prag. Der hiesige Erzbischof wollte zu Weihnachten meine Messe aufgeführt haben und wollte, daß ich sie selber dirigiere. Darum mußt' ich statt nach Hinterwinkel nach Prag fahren. Es hätt' ja noch schlimmer sein können, es hätt' sich ja auch fügen können, daß ich gezwungen gewesen wäre, eine komische Oper zu dirigieren, während Ihr den Vater begrubt; nein, der Mensch ist kein freies Tier.

Aber nun will ich ein Requiem schreiben und das will ich an seinem Todestag jedes Jahr in einer andern großen Stadt aufführen lassen zu seinem heimlichen Gedächtnis und will mir dabei vorstellen, daß er noch im Grabe lächelnd seinen Ring umdreht. Du hast ihn doch hoffentlich nicht ohne sein Kleinod begraben lassen?

*

Postkarte der Mutter Regine.

Diesmal hast Du unrecht, das war ein schöner Brief und hat meinem Mutterherzen wohlgetan. Ich habe auch all das Gedruckte gelesen, das Du mitgeschickt hast. Aber hör' einmal, nach dem Geschreib der Zeitungen hast Du ja die Messe, ich meine natürlich die Musik zur heiligen Messe, gar nicht gemacht, sondern ein ganz anderer?

*

Postkarte Alexanders an seine Mutter.

Wahrhaftig, liebes Mütterle, das hatt' ich vergessen.

Oder seien wir aufrichtig, ich hab' es gar nicht vergessen, ich hab' mich nur geschämt, meinen alten ehrlichen Namen abgelegt zu haben wie ein gewisser Herr Schlemihl seinen Schatten, und Dir das zu gestehen.

Also kurz, sie haben mich zu Wien in den Adelsstand gesetzt, der Fürst Salm, der Duckmäuser, mag's verbrochen haben ... basta. Wegen Änderung meines Namens haben sie mich gar nicht erst gefragt, wie auch nicht wegen dem andern, und so bin ich halt in Zukunft wie immer ganz für Dich

Dein dankbar getreuer

Lexel oder auch Xander
vulgo Alexander von Schmalzendorf.

*

Postkarte der Mutter Regine an ihren Sohn Alexander.

Mein lieber Sohn, das begreif' ich nun schon wieder nicht. Wie kann man jemand in den Adelsstand setzen, den Gott nicht hineingesetzt hat, und ist meine Meinung, daß einer, der Schmälzle heißt von der Mutter Schoß weg, auch immer so heißen wird, die Leute mögen ihn von Dingskirchen oder Tripsdrill heißen, oder wie es ihnen sonst beikommt.

Aber das überlaß ich Ihrer Apostolischen Majestät, wie man euren lieben Kaiser heißt und was ich einen schönen christlichen Titel finde. Nur wie Du so despektierlich von einem Fürsten redest, hat mir ganz und gar nicht gefallen wollen. Der Salm, der Duckmäuser, schreibst Du. Das dünkt mich nun gar zu hochmütig. Bedenke, Hochmut kommt vor dem Fall und lose Reden sind dem Herrn ein Greuel.

*

Postkarte des Herrn Alexander an seine Mutter Regine.

Salve, Regina. Gegrüßt seist Du, Regina. Weißt Du noch, wie ich das als ein ganz kleines Büble in der Kirche zum erstenmal gehört habe?

Ja, es muß sein, daß Gott Dich gegrüßt hat, Mutter; aber über Deine letzte Karte habe ich doch gelacht. Und dann habe ich sie dem Salm gezeigt (dem Duckmäuser) und der hat auch gelacht. Mein lieber Herr Schmälzle – denn seitdem er dazu geholfen, daß man mir den Namen genommen, gibt er ihn mir täglich hundertmal wieder – lieber Herr Schmälzle, sagte er, Ihre Frau Mutter ist ein famoses Frauerl, aber eine richtige ...

– Hinterwinklerin, ergänzte ich ...

– Deutsche, ergänzte Seine Durchlaucht.

Und also: Salve Regina, Salve!

*

Schmaelzleanorum Finis.


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