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XVII.
Philosophische Vertheidiger der Spekulation: Saisset, Jules Simon, Caro.

Wie der P. Gratry im Namen der Religion und der Philosophie, so haben sich der der Wissenschaft bedauerlicherweise zu früh entrissene Saisset, J. Simon und Caro im Namen der Philosophie die Aufgabe gestellt, den Theorien gegenüber, welche alle Realität in die Grenzen des relativen Seins einzuschliessen suchten, den Begriff des absoluten göttlichen Wesens aufrecht zu erhalten: der erste in seiner »Religionsphilosophie« (Philos. religieuse), der zweite in einem Abschnitte seiner »Naturreligion« (Religion naturelle), der letzte in seinem Buche »die Gottesidee und ihre modernen Kritiker« (L'idée de Dieu et ses nouveaux critiques).

J. Simon und Saisset haben sich eigentlich nicht damit abgegeben, durch die von der Metaphysik so oft wiederholten Argumente die Existenz Gottes zu beweisen. Beide zeigen sich geneigt, in Uebereinstimmung mit der Schule, zu deren hervorragendsten Vertretern sie gehören, die gewöhnlichen Beweise jener grossen Thatsache fallen zu lassen, hauptsächlich denjenigen, welcher nach Kant den Kern der anderen bildet, und der auf den Begriff des göttlichen Wesens gegründet ist. Beide neigen zu der Anschauung, dass das Dasein Gottes über jeden Beweis erhaben und so einleuchtend ist, dass ein Beweis die Sache nur verdunkeln kann. Zu beweisen suchen beide hauptsächlich, dass Gott eine Person ist. Saisset insbesondere sucht in den wichtigsten Philosophischen Systemen unserer Zeit und der Vergangenheit die Wurzel des Pantheismus herauszufinden, die Fehler desselben aufzudecken und die Beweisgründe klar zu legen, aus denen ihm, entgegen den pantheistischen Systemen, welche Gott mit der Natur und Menschheit verwechseln, die Notwendigkeit der Annahme eines höheren Wesens mit den Vorzügen der Intelligenz und des Willens zu erhellen scheint. Alle Beide haben die Unhaltbarkeit des gewöhnlichen Arguments der Gegner der Persönlichkeit Gottes nachzuweisen verstanden, dass die Persönlichkeit eine Bestimmung, dass jede Bestimmung nach Spinoza eine mit der Unendlichkeit unvereinbare Negation sei und, dass also das unendliche Wesen nichts Persönliches haben könne; oder auch, wenn man denselben Gedanken vom psychologischen Gesichtspunkte ausdrückt, auf den sich Hamilton und Stuart Mill gestellt haben, dass Bewusstsein, ein Attribut der Persönlichkeit, sich in Gott nicht finden könne, weil das Bewusstsein eine Dualität, also eine gegenseitige Beschränkung des Denkobjekts und des denkenden Subjekts einschliesst, welche der Einheit und Unendlichkeit Gottes widerspricht; dasselbe gelte in Bezug auf den Willen und die Liebe. Der Fehler dieses Arguments ist, dass es eine relative Bedingung dieses oder jenes bestimmten Zustandes unserer endlichen Natur für eine absolute Bedingung der Existenz ansieht. Das hat auch der Verfasser des »Ultimum Organum«, von dem weiter unten die Rede sein wird, und einer der ausgezeichnetsten deutschen Philosophen der Gegenwart, Lotze in seinem Mikrokosmus mit einer vorzüglichen Klarheit nachgewiesen.

J. Simon und E. Saisset hatten hauptsächlich den Glauben an die Persönlichkeit Gottes gegen die Anfechtungen verteidigt, welche sie in den Systemen Spinozas, Kants, Hegel's und selbst Descartes', Leibniz' und Malebranche's zu finden glaubten. Caro verteidigt denselben, wie schon der Titel seiner Schrift besagt, gegen neuere Theorien. Ausserdem hat Caro mit der Frage der Persönlichkeit Gottes diejenige der Unsterblichkeit der menschlichen Seele verknüpft. In seiner »Gottesidee« hat sich derselbe bemüht, das Oberflächliche, Irrtümliche und sogar Widersprechende in den Lehren nachzuweisen, welche aus dem Positivismus hervorgegangen sind, und die den Gott des Spiritualismus durch Naturkräfte, die mehr oder minder auf die einfache Materie hinauskommen, zu ersetzen suchen. Er hat in diesem Buche nicht versucht, die von ihm verteidigten Lehren von Grund aus durch eigene Untersuchungen zu sichern; jedoch kann man in den Entwicklungen, zu welchen er durch die Kritik geführt wird, Gesichtspunkte bemerken, die schon ausserhalb des Gesichtskreises jener Lehren liegen. Eine Idee, die wir schon in den angezogenen Stellen der gelehrten Mathematikerin Sophie Germain antrafen, hat Caro öfters in ihm eigentümlichen Wendungen sowohl in der erwähnten Schrift als in seinem neueren Buche über die Philosophie Göthe's wiederholt, dass nämlich für die Ordnung, welche uns die Erfahrung in den Dingen enthüllt, die Vernunft vor aller Erfahrung eigene Principien besitzt. In denselben hegt, so bemerkt er, der Grund der Induktion: »Wir fühlen und behaupten a priori, dass der Kosmos begreiflich ist, d. h. dass seine Erscheinungen auf eine rationelle Einheit zurückgeführt werden können. Ist nun diese im voraus bestehende Uebereinstimmung unserer geistigen Verfassung und der Verfassung der Welt, unseres Geistes und der Natur nicht eine merkwürdige Thatsache? Und was ist dies Gefühl für Regelmässigkeit anders als der Glaube an eine intelligente Ursache in dunkler und unbestimmter Form?«

Wenn wir aber einen natürlichen Begriff der Regelmässigkeit haben, der den natürlichen Glauben an eine intelligente Ursache einschliesst, die dieselbe denkt und will, so heisst das, dass die Regel nicht nur ein Gegenstand und das Ziel für die Erkenntnis ist, sondern im Wesen der Intelligenz liegt. In seinen neueren Vorlesungen über die menschliche Persönlichkeit hat sich Caro in der That geneigt gezeigt, statt des Halb-Spiritualismus der eklektischen Schule den wahren Spiritualismus anzunehmen, der selbst in der Materie ein Immaterielles findet, und der die Natur selbst durch den Geist erklärt.


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