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XIV.
Vachérot.

Vachérot trat zuerst hervor mit einer Ausgabe der Vorlesungen Cousin's über die Moral und das Naturrecht. Er machte sich bald darauf durch eine These über die Lehre des Aristoteles von den ersten Principien und später durch eine Geschichte der alexandrinischen Schule bekannt, die wir schon erwähnten, und der die Akademie einen Preis zuerkannte. In seiner These und seiner Geschichte kündigte er bereits Gedanken an, die sich von denen der Schule, aus der er hervorging, entfernten.

In dem umfangreichen Werk, welches er unter dem Titel: »Die Metaphysik und die Wissenschaft« veröffentlichte, ist V. zu einem System gekommen, in welchem man das Gemeinsame der Lehren von Taine, Renan und Renouvier antrifft. Man kann sagen, dass alle Genannten die Absicht hatten, nach verschiedenen Seiten hin und von bis zu einem gewissen Grade verschiedenen Gesichtspunkten aus die Vorstellung zu verbessern, welche sich Theologen und Metaphysiker von der Gottheit als einem unendlichen und vollkommenen Wesen, einem allmächtigen Willen und einer ganz ihrer selbst bewussten Persönlichkeit gemacht hatten. Wenn Renan insbesondere dem Gedanken eines über die Natur herrschenden Willens aus dem Wege zu gehen bemüht war, Renouvier dem einer unendlichen und vollkommenen Substanz, so findet Vachérot in Uebereinstimmung mit Taine den Gedanken einer vollendeten Persönlichkeit vorzugsweise unhaltbar. Eigentümlich für ihn ist, dass er die Vollkommenheit mit der Unendlichkeit und zugleich mit der Realität unverträglich findet.

»Die beiden grossen Gegenstände der Metaphysik, sagt Vach. in der Vorrede zur 2. Auflage seiner Metaphysik (1863), sind Gott und die Welt. Die Welt ist die Wirklichkeit, das Objekt der Sinne, und die Wirklichkeit ist unendlich; Gott ist die Vollkommenheit, das Objekt der Intelligenz, er ist das Ideale.« – »Der Grundgedanke dieser Schrift, bemerkt er weiter, ist die tiefe Unterscheidung zwischen dem Vollendeten und dem Unendlichen, indem das Erste als das oberste Ideal, das Letztere als die gesamte Wirklichkeit aufgefasst wird.« Und zu beweisen sucht er hauptsächlich sowohl durch die Analyse der wichtigsten philosophischen Systeme aller Zeiten als durch diejenige der Intelligenz und die kritische Prüfung unserer Erkenntnis, dass, wenn es einen Begriff der Vollkommenheit giebt, zu dem alles hinführt und der durch das Wort Gott zu bezeichnen ist, dieser Begriff doch seiner Natur nach die wirkliche Existenz ausschliesst. Alle wirkliche Existenz beschränkt sich also auf die Welt; die Welt ist die Gesamtheit alles Wirklichen, Gott ist das Ideal.

Das Wirkliche erkennt man, sagt Vachérot, das Ideale denkt man nur. Le réel se connâit, l' idéal se conçoit. Erkennen und bloss denken, in diesem Unterschiede liegt nach seiner Meinung die ganze Zukunft der Philosophie. Wie wir sahen stellte die schottische Schule hauptsächlich diesen Unterschied auf, und aus ihm entsprang unter dem Einfluss der gerade herrschenden ästhetischen Theorien die eklektische Lehre vom Idealen als unverträglich mit der Wirklichkeit. Nur machte Cousin eine Ausnahme für Gott: In Gott fand sich nach ihm das Ideal verwirklicht. Vachérot beseitigt die Ausnahme durch eine strengere Anwendung des allgemeinen Princips, dass nur das Wirkliche der Erkenntnis unterliegt, und dass das, was nur gedacht wird, ein Ideal ohne Wirklichkeit ist, womit er sich mehr der gewöhnlichen Lehre der empiristischen Schulen näherte.

Da nach Vach. das Leere ein widersprechender Begriff ist, so hält er die Wirklichkeit für ein continuirliches und unendliches Ganzes. Dieser kosmologische Lehrsatz ist, wie er sagt, die wichtigste Schlussfolgerung seines Buches. Und in der That, unendlich und allumfassend, wie sie ist, nimmt die Welt in diesem System den Platz ein, welchen viele andere der Gottheit einräumen: für Gott bleibt mit der höchsten Vollkommenheit verbunden eine rein ideale Existenz; auch giebt Vach., obwohl er Gott von der Welt unterscheidet, dieser häufig die inhaltsschwere Bezeichnung »Gott«. Er lobt den Ausspruch Renan's, dass Gott die Kategorie des Idealen ist, tadelt aber, dass Renan es zweifelhaft liess, ob Gott, der ein Ideal für das Denken ist, nicht auch noch etwas an sich Wirkliches bedeutet.

Bossuet, welcher die Lehren aller grossen Metaphysiker vor ihm und nach ihm zusammenfasste, wandte sich gegen die, welche damals die heutzutage von Vachérot erneuerte Ansicht hegten, mit folgenden Worten: »Man sagt, das Vollkommene ist nicht, es ist nur eine Idee unseres Geistes, abgeleitet aus dem Unvollkommenen, welches man vor Augen sieht. Man denkt nicht daran, dass das Vollkommene das Erste sowohl an sich als in unseren Gedanken ist, und dass das Unvollkommene in allen seinen Formen nur eine Abschwächung desselben ist.« Und weiter: »Das Vollkommene existiert vielmehr als das Unvollkommene, und dieses setzt jenes voraus.« Ferner: »Weshalb sollte das Unvollkommene existieren und das Vollkommene nicht? Deshalb weil es vollkommen ist? Ist die Vollkommenheit ein Hindernis des Seins? Im Gegenteil, die Vollkommenheit ist der Grund des Seins.« Aehnlich heisst es in der Monadologie: »Die Vollkommenheit ist nichts Anderes als der höchste Grad positiver Realität, wenn man die Schranken der Dinge bei Seite lässt, so dass da, wo keine Schranken sind, also in Gott, die Vollkommenheit absolut unendlich ist.« Und weiter: »Jedes Mögliche hat ein Recht zu existieren nach Massgabe der Vollkommenheit, die es einschliesst.«

Diese tiefsinnigen Aussprüche gelten dem Vach. für haltlos, und er hat es nicht einmal nötig befunden sie zu widerlegen, so offenbar scheint ihm ihre Sinnlosigkeit zu sein. Mit Beziehung darauf sagt Janet in seiner »Krisis der Philosophie«: »Vachérot nimmt durchgehends als ein selbstverständliches Postulat an, dass das Vollkommene nicht existieren kann, weil das Ideale nicht reell sein kann. Man könnte es den Cartesianern gegenüber bestreiten, dass die Existenz eine Vollkommenheit sei; doch wäre es seltsam, wenn sie eine Unvollkommenheit darstellte. Sie bedeutet in allen Fällen mehr als Nichtsein.«

Die Meinung Vachérot's scheint zu sein, dass die Existenz nicht sowohl geradezu eine Unvollkommenheit ist, sondern dass sie an Bedingungen geknüpft ist, welche die Unvollkommenheit einschliessen. Es entspricht dies seiner Voraussetzung, dass es nichts Wirkliches giebt ausser dem, was die Erfahrung uns kennen lehrt; wie Caro in seiner Schrift »Die Gottesidee und ihre neueren Kritiker« und Janet in seiner »Krisis der Philosophie« bemerkt haben, ist diese Voraussetzung das stillschweigend angenommene Grundprincip seiner ganzen Philosophie.

Der Beweis Vachérot's, sagt Caro, setzt voraus, dass alle Existenz veränderlich ist, dass sie sich in Zeit und Raum entwickelt und sich nur in der Natur und Geschichte darstellt; er bemerkt weiter: »Die rein empiristischen Definitionen sind es, welche die angebliche Unverträglichkeit zwischen Vollkommenheit und Realität bedingen; Definitionen wie diese: Alles Wirkliche ist eine vorübergehende Erscheinung.« Ebenso Janet: »Ich sehe allerdings sehr wohl, dass das sinnenfällige Wirkliche, welches mit meinem eigenen unvollkommenen Sein in Verbindung steht, selbst unvollkommen ist; aber weshalb soll man daraus schliessen, dass alles Wirkliche notwendig unvollkommen ist?« Die Gerechtigkeit erfordert vielleicht, hierzu noch Folgendes zu bemerken. Wenn Vach. statt materielle, sinnliche und andere nicht derartige Erscheinungen anzunehmen, anerkannt hat, dass alle Erscheinungen, auch die von der eklektischen Schule sogenannten psychologischen in gewisser Hinsicht sinnlich und materiell sind, so kann man ihm das nur als Verdienst anrechnen; von dem Princip der schottischen Philosophie ausgehend, dass es nichts unmittelbar Wahrnehmbares giebt, als die Erscheinungen, hat er mit gutem Recht gefolgert, dass in den sinnlichen Erscheinungen die ganze Wirklichkeit liegt; andrerseits ist es in der That schwer bei den Ausdrücken »Ideal« und »Vollkommenheit«, an denen die eklektische Schule sich leider nur zu oft genügen lässt, wenn es darauf ankommt, das zu bezeichnen, was übersinnlich ist, etwas Positives, Wirkliches, etwas anderes als einen abstrakten Begriff zu verstehen, der aus einer Vergleichung im Denken abgeleitet ist. Was ist denn das Ideale, das Vollkommene an sich? Das lässt man zu sehr im Dunklen. Die Sinne bieten uns wenigstens etwas Thatsächliches und Bestimmtes; also ist es ganz natürlich, wenn ihr Gebiet die ganze Wirklichkeit zu sein scheint. Es ist also ganz begreiflich, wenn an dem Stamme des Eklekticismus dieser von ihr nicht anerkannte Spross, die Philosophie Vachérot's entspringt.

Man definiere mit Aristoteles und Leibniz die Vollkommenheit als Thätigkeit, die Thätigkeit selbst durch den Willen, der nicht bloss ein Gedankending, sondern ein Gegenstand des unmittelbaren Selbstbewusstseins ist, und die Einwände Vachérot's werden fallen; man hat dann das Princip einer Philosophie, mit der er selbst jetzt vielleicht nahezu einverstanden ist. Sagt er nicht in einer kürzlich erschienenen »Abhandlung über die Psychologie« (Mémoire sur la psychologie), dass wir in uns selbst unmittelbare Erfahrung von einer Spontaneität haben, die nicht nur ein Wirkliches ist, wie die Empfindungen, sondern in der auch das eigentliche Princip der Realität jener liegt? Das ist aber eine andere Philosophie als die in »Metaphysik und Wissenschaft« enthaltene.

Nach dem in diesem Werke entwickelten Grundgedanken sind die einzigen wirklichen Gegenstände die Objekte der Sinne. Danach müsste man schliessen, dass es für Vach. streng genommen Nichts giebt als die verschiedenen Erscheinungen, aus denen die sinnliche Welt besteht. Doch ist er nicht gewillt, wie die Positivisten, in der Welt nur eine Summe von Erscheinungen zu sehen. In der Vielheit derselben, mit der sich die Wissenschaft beschäftigt, giebt es nach ihm eine Einheit, die den Gegenstand der Metaphysik bildet. Es besteht sowenig in den Dingen wie ausserhalb derselben eine Leere; die Wirklichkeit stellt ein Continuum dar, welches durch Nichts im Raum und Zeit begrenzt wird; die Welt ist unendlich, ewig, notwendig. Aus der Harmonie aller Dinge in Raum und Zeit erhellt überdem, dass im Grunde derselben eine Einheit besteht. Nicht nur sind also die Erscheinungen nicht Alles, sondern Alles ist nur ein einziges unbegrenztes Sein, von dem die Phänomene Modifikationen sind. Und weiter erfordert die Wirklichkeit, deren Gesamtheit zu dem einzigen und unendlichen Sein zusammengeschlossen ist, noch ein anderes Princip, mit dem sich die Theologie beschäftigt. Die Einheit der Dinge ist keine unveränderliche, starre; alles in der Welt ändert sich notwendig und strebt dabei vom Schlechteren zum Besseren, von der Verwirrung zur Ordnung, und von einer Form der Ordnung zu einer höheren überzugehen. Die Welt ist in beständigem Fortschritt. Dieser Fortschritt erfordert eine Ursache, diese Ursache liegt in dem Princip der Vollkommenheit. Jede Kategorie von Dingen ist nicht einfach, wie sich der Materialismus einbildet, eine einfache Combination von Elementen einer niederen Ordnung, sondern ein neuer Zustand, zu welchem das umfassende unendliche Sein vermöge seiner beständigen Tendenz zur Vollkommenheit fortschreitet. So vollendet sich der Begriff des unendlichen Seins durch den des Vollkommenen, welches das Sein bestimmt, und die Metaphysik durch die Theologie.

Vachérot erkennt, indem er seinen Blick auf das Ganze der Dinge richtet, dass man zu den einzelnen Objekten, welche gewissermassen das Detail der Welt bilden, einen Gott hinzudenken muss. Mit diesem Gott, den er vor allem nicht zu einem Individuum, einer Person machen will, nimmt er eine Zweiteilung vor: einerseits steht über den Dingen die Vollkommenheit, die Zweckursache; andrerseits liegt im Grunde der Dinge das absolute Sein, die wirkende Ursache, die den Zweck herbeiführt.

Rémusat hat in einer neuerlichen Publikation anlässlich des Werkes von Grote über Plato (Revue des Deux Mondes 1868) die Ansicht geäussert, dass die Platoniker in der Schule des Plotin, wenn nicht Plato selbst, ihren »Ideen« eine ganz besondere Existenz zuschrieben, die von der des Realen verschieden ist; und er zeigt sich geneigt, nicht bloss für die Ideen oder Typen der Dinge, sondern auch für »die Idee der Ideen«, mit Plato zu reden, also für Gott diese Art der Existenz anzunehmen. »Lässt sich nicht bemerken, so sagt er, dass Motive, welche Ideen sind, eine Kraft haben, eine Wirkung üben? man muss also zugeben, dass sie, wenn sie auch nicht Wesen sind, doch existieren«.

Es ist hierauf zu erwiedern, dass eine Wirkung und eine Wirklichkeit den Ideen nur in einem indirekten und bildlichen Sinne beigelegt wird, und dass darin nur ein Beweis für die Unbestimmtheit und Zweideutigkeit der abstrakten Ausdrücke Wirken und Wirklichkeit liegt. Gerade um diese Zweideutigkeit zu beseitigen, welche in der That einige Platoniker, wofern nicht den Plato selbst bestimmte, Qualitäten, Quantitäten und Verhältnisse als existierend im selben Sinne wie eigentliche Wesen zu betrachten, unterschied Aristoteles in seinen Kategorien das eigentlich Seiende, die Substanz, und das, was nur in ihr und durch sie ist. Und woran erkennt man Substanzen? Daran, dass sie wirken. Woran aber erkennt man das Wirken, da man es metaphorisch auch einer Idee, einem Motiv zuschreiben kann? An der Anstrengung, am Wollen, wie Leibniz hinzufügte. Damit ist die Antwort auf den Zweifel Rémusat's gefunden und dem Begriffe der Wirklichkeit seine notwendige Bestimmtheit verliehen. Ohne Zweifel wird man nicht soweit gehen, den Ideen ein Bemühen, ein Wollen unterzulegen, ohne sie als in einem Geiste realisiert zu betrachten.

Die Ansicht Rémusat's ist vielleicht die schärfste Formulierung der Lehre, welche statt die Ideen, das Ideale auf die Thätigkeit einer Intelligenz zurückzuführen, sie ausserhalb der Realität stellen will; sie bezeichnet die innerlich consequenteste Form des Idealismus. Im Gegensatz dazu nahm Vachérot mit Descartes, Leibniz, Bossuet und vielen Anderen, unter die wahrscheinlich auch Plato und Plotin zu zählen, an, dass die Ideen nur in einer Intelligenz existieren könnten; und da er die wirkliche Existenz einer göttlichen Intelligenz nicht zugab, so blieb ihm nur übrig, sie in die menschliche Intelligenz zu verlegen. Wenn nach dem Gesamtergebnis von »Metaphysik und Wissenschaft« das Ideale als Zweckursache das Leben und die Bewegung in der Natur erklärt, so ergiebt sich aus mehreren ausdrücklichen Aeusserungen, dass es nur im Geiste des Menschen existiert und folglich zufällig, wie der Mensch selbst, und vergänglich ist. Wenn man, so sagt Vach. einmal, den Menschen wegnimmt, so existiert Gott nicht mehr: keine Menschheit, kein Denken, kein Ideal, kein Gott, da Gott nur für das denkende Wesen existiert. Das umfassende Sein, der reelle Gott, wenn man so sagen soll, würde immer noch existieren, in Anbetracht dessen, dass das Sein notwendig ist und dass das denkende Wesen nur eine zufällige Form desselben bildet, so hoch diese auch sein mag; aber der wahre Gott hätte aufgehört zu existieren.«

Ohne von vielen anderen Einwänden gegen diese Lehre zu reden, so fragt man sich, wie das Ideale, wenn es nur in unserem Geiste existiert, auf die Natur wirken kann, wie es insbesondere auf dieselbe wirken konnte, bevor der Mensch entstand. In jedem Falle, wenn die bestimmte Ansicht Vachérot's ist, dass das Ideale nur im Geiste des Menschen besteht, so würde seine Lehre dahin gehen, dass die Natur streng genommen sich selbst genügt, und dass der reelle Gott, wie er es nennt, die einzige und ausschliessliche Ursache seiner eigenen Bewegung ist. Wenn man aber jetzt nachforscht, worin nach seiner Meinung die Existenz des umfassenden Seins besteht, so findet man, dass sie auf eine Virtualität hinausläuft, deren Verwirklichung die einzelnen Dinge sind. Man kann jetzt weiter fragen, wie ein virtuelles Sein durch sich selbst Wirklichkeit werden kann; man kann fragen, was es heisst nur virtuell sein und wirklich sein. Man wird endlich fragen, ob das unendliche Sein Vachérot's, in welches er alle die Wirkungsfähigkeit verlegen will, die er Gott abspricht, wenn auf eine blosse Virtualität zurückgeführt, nicht wie Gott nur ein Begriff ist, ähnlich den Substanzen der gewöhnlichen Metaphysik, an deren Stelle es treten soll; und ob es sich demnach nicht, wie Lachelier in einem bereits citierten Artikel der Revue de l'instruction publique sagt, auf den abstrakten Begriff des Seins im allgemeinen reduziert, die leerste aller Abstraktionen.

Wenn dem so ist, so wird vielleicht mancher denken, dass Vachérot in der weiteren Entwickelung seines Philosophierens die beiden Hälften der göttlichen Natur, in denen er bereits nur einfache Gedankendinge sieht, aufgeben, und sich wie die Materialisten auf die sinnlichen Erscheinungen, auf die Einzelheiten der physischen Welt beschränken wird.

Wenn man aber erwägt, dass er den materialistischen Erklärungen der Erscheinungen der Natur sehr fern steht, und dass es gerade der Gegenstand seines Werkes ist, zu zeigen, dass man die positiven Wissenschaften durch die Metaphysik ergänzen muss, und die geeigneten Hilfsbegriffe hierzu zu liefern; wenn man erwägt, mit welcher Kraft er darlegt, dass kein beschränktes und unvollkommenes Ding sich ohne das Unendliche und Vollkommene begreifen lässt; wenn man erwägt, dass er in seinen letzten Arbeiten sich geneigt zeigt, wie wir bemerkten, eine mehr als sinnliche Realität der Spontaneität zuzuschreiben, die Gegenstand des unmittelbaren Bewusstseins ist und ausserhalb des Kreises der Erscheinungen liegt; wenn man endlich erwägt, welche Hinneigung zu der höheren Moraltheorie er bekundet, die vom Spiritualismus nicht trennbar ist, so wird man vielmehr zu dem Glauben kommen, dass der Verfasser von »Metaphysik und Wissenschaft« von den beiden Wegen, zwischen denen er noch zu schwanken scheint, den einschlagen wird, welcher auf die Höhe der Wissenschaft führt, auf die Gipfel, wo sich jene Denker befriedigt fühlten, denen man heutzutage bisweilen das wahre philosophische Genie absprechen möchte: ein Plato, ein Aristoteles, ein Descartes, ein Leibniz, ein Pascal.


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