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Sechzehntes Kapitel.
Der Sachverständige.

»Endlich! Das ist nicht von selbst gegangen,« hatte Pik gerufen, als er im Fiaker an Jan Korabs Seite einherrollte. »Gleichviel, ich glaubte einen Augenblick, die reizbare Dame würde alles zu nichte machen. Aber Ende gut, alles gut, Effendi; und trotz der großen Provision, die wir leider unserm Vermittler zahlen müssen, ist es ein famoses Geschäft. Es handelt sich jetzt nur noch darum, die Vormundschaftsrechnung mit Ihres Onkels Anwalt in Lemberg so rasch als möglich zum Abschluß zu bringen, um die erste Barzahlung zu leisten. Was die beiden andern Zahltermine betrifft, so wird die Landschaftsbank in Wien Ihnen jede beliebige Summe auf den Wald hin vorstrecken. Der Verkauf des Holzes bringt das dann in Zukunft reichlich wieder ein. Übrigens, vergessen wir nicht, daß der Czernowitzer Bankier, an den Sie sich in meinem Namen gewandt, weiter zu Ihren Diensten steht ... Ihnen das nötige Geld zu Ihrer ersten Einrichtung gerne borgen wird.«

Jan erging sich in Danksagungen.

»Wenn Sie heute den Abendzug nehmen, sind Sie morgen in Lemberg. Nach Ihrer Rückkehr, in acht Tagen etwa, besichtigen wir dann das Gut mit einem Sachverständigen,« sagte Pik.

Der Gedanke an diese plötzliche Abreise war Jan unangenehm, und zwar um Malvas willen.

Was würde sie denken, wenn er nicht mehr käme? Aber dabei konnte er sich in einem so wichtigen Moment nicht aushalten.

Als sie sich dem Platze näherten, sprang Pik aus dem Wagen: »Ich verlasse Sie, mein Lieber, um noch einen Besuch für Sie zu machen.«

Er verschwand in einer krummen Straße und betrat ein dürftiges Haus, wo ein bärtiges Individuum, dessen unsteter Blick von einer blauen Brille verdeckt wurde, ihn erwartete. Auf einer kleinen Karte an der Tür stand mit der Hand geschrieben: »Herr Soroka, Sachverständiger.«

Zwei Stunden lang berieten die Männer leise miteinander. Von Zeit zu Zeit erhob der Sachverständige die Stimme: »Oft kann man die Fäulnis der Stämme an einer Art Krone erkennen, die sich am Wipfel bildet ... aber ein Laie merkt das nicht ... Außerdem werden wir Jonas, der in so etwas sehr geschickt ist, mitnehmen, und der führt den Käufer an die guten Stellen, da, wo er sicher ist, gesunde Stämme zu finden. Da schlägt er rechts und links die Rinde an und prüft. Manchmal, wenn der Käufer gar zu schlau sein will, führt er ihn auch, ganz unbemerkt, in den Wald des Nachbars, was, da es keine Grenzzeichen gibt, sehr leicht ist.«

Pik lachte zu jedem Wort des Sachverständigen.

Er lachte noch, als er schon wieder auf dem Platz war, und in seiner großen Befriedigung dachte er sofort daran, seiner teuren Diotima und seinen geliebten Töchtern etwas Gutes angedeihen zu lassen. So trat er in die große Konditorei, die gerade vor ihm lag, und machte einen Monstereinkauf.

Mit Süßigkeiten und Leckereien beladen, begab er sich nach Hause, als eine grelle Jungenstimme ihn in dem Augenblick, wo er sich der Wohnung näherte, anrief, und er Tymofte, seinen Ältesten, erblickte.

Der Bub schaute ihn schief von unten herauf an.

»Immer Leckereien für die Fräulein, und für uns nichts.«

»Weißt du denn nicht, daß die Frauen wie die Fliegen sind, die man mit Honig und Süßigkeiten fängt,« sagte der Vater gutgelaunt, »während man die Männer ...«

»... mit Geld ködert,« schloß der Junge zynisch.

»Na, ich glaube, du brauchst dich nicht zu beklagen, habe ich dir doch diesen Monat zehn Gulden gegeben.«

»Ich brauche aber mehr.«

»Das gibt es nicht.«

»Doch, denn ich werde Papa etwas von Effendi erzählen, was ihn interessieren wird.«

»Ach, wieder ein Kniff, um mir Geld abzuknöpfen ...«

»Wenn ich nicht die Wahrheit sage, kann Papa seine Gulden wieder haben.«

Der Vater, der neugierig wurde, sagte: »Es gilt, aber nimm dich in acht, wenn du mich zum Narren hältst ...« Und er öffnete seine Brieftasche.

Des Jungen Augen glänzten, als er den Schein im Fluge auffing.

»Also, Effendi ist in Malva verliebt!«

»Du flunkerst.«

»Nein, wahrhaftig nicht. Alle Tage treffen sie sich im Laubengang. Manchmal gehen sie den kleinen Bergpfad hinunter, dann legt sie ihre Hand auf seinen Arm, und er trägt ihr den Violinkasten.«

»Du hast sie ausspioniert, Bengel?«

»Ich habe die Augen überall und weiß alles, was ich wissen will. Ich kenne ja die Zeit, wo Malva zu ihren Stunden geht, dann verstecke ich mich hinter der Umzäunung des unbebauten Platzes, der den Gang begrenzt, und schleiche ungesehen neben ihnen her. So höre ich alles, was sie sagen.«

»Kleine Kanaille!« rief der Vater mit unbeschreiblichem Lächeln. »Und was erzählen sie?«

»Ach, Liebesgeschwätz.«

»Und von Heiraten ist nie die Rede?«

»Nein, aber einmal hat er sie gefragt, ob sie eine gute Hausfrau sei und einem Haushalt vorstehen könne. Darüber hat sie gelacht und gesagt, dafür sei Thekla da, sie habe ja ihre Violine ...«

Pik war nachdenklich geworden. Ja, die Nachricht war ihre zehn Gulden wert. Diese Idylle, die sich da zur rechten Zeit anspann, sollte von ihm vortrefflich ausgenutzt werden. Denn ist ein Verliebter nicht ein Halbblinder?

Tymofte aber würde zu etwas kommen, was auch seine Lehrer sagen mochten, die ihn einen Nichtstuer schalten.

Pik machte sich darüber von jetzt an keine Sorgen mehr, denn dieser geniale Bursch hatte ganz allein das wunderbare Geheimnis entdeckt, das darin besteht, ohne Arbeit die Worte zu Geld zu machen. Das war mehr wert als Griechisch und Latein!

Pik fand sich mit Stolz in seinem Erben wieder.

*


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