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Dreizehntes Kapitel.
Idylle.

»Kokette,« hatte Jan gerufen, den Malvas unerwartetes Entschlüpfen verdroß. Aber vergebens hatte er zehn Tage lang Stunde für Stunde im grünen Weg gelauert. Malva war nie mehr allein erschienen, und wie er annahm, mit Absicht. Denn kaum erblickte sie ihn, so drehte sie den Kopf weg. »Wenn sie eigensinnig ist,« sagte er sich, »bin ich es auch. Wir werden schon sehen, wer das letzte Wort hat.«

Malva ihrerseits lebte in beständiger Angst; keines der Manöver des jungen Mannes entging ihr. Wenn Thekla das merkte! ... Und abends wie morgens flehte sie Gott in ihren Gebeten um Beistand an: Herr, da ich das Recht nicht habe, eine solche Freundschaft anzunehmen, hilf mir wenigstens, ihr aus dem Weg zu gehen, denn ich bin so schwach, daß ich nicht weiß, was ohne dich geschehen mag.

Drei Tage waren vergangen, ohne daß sie Effendi gesehen hätte. Am vierten hatte sie geglaubt, sich allein hinauswagen zu dürfen, als er an einer Biegung des Weges mit vorwurfsvollen Blicken dastand.

»Es muß ein großes Vergnügen sein, sich über einen Mann, der einem Sympathie bezeigt hat, lustig zu machen,« sagte er bitter.

Sie war darauf gefaßt, einem Zornausbruch zu begegnen. Diese schlichten Worte aber gingen ihr zu Herzen. Im Nu begriff sie, daß nichts sie ihrem Schicksal entreißen könne, wußte, daß, wenn er gelitten, ihr Herz nicht minder geblutet hatte, und daß Thekla, ihre dunklen Geheimnisse, ja die ganze Welt in nichts versanken, der unendlichen Zärtlichkeit gegenüber, die sie zu ihm hinzog.

Doch ihr Frauenstolz erlaubte ihr nicht, sich für besiegt zu erklären.

»Wie kann ich Ihre Freundschaft annehmen, wenn ich sie unmöglich teilen kann,« flüsterte sie.

»Sie können mich also gar nicht leiden?«

Sie errötete.

»Erlauben Sie mir wenigstens, Ihr Kamerad – wie Spiridon – zu sein.«

»O, der ... der ist ebenso einfach wie wir. Aber Sie ... Sie sind ein großer Herr ...«

Er lächelte. »Glauben Sie das nicht, kleine Malva. Ich bin nur ein Soldat und träume davon, ein Bauer zu werden. Augenblicklich unterhandle ich um ein Landgut. Bin ich in dessen Besitz, so werde ich an die Bestellung meiner Äcker denken. Ich habe einfache Neigungen, bin elternlos wie Sie, und der Rest meiner Familie kümmert sich nicht um mich. Ein großer Herr!« wiederholte er. »Sie kennen also meine Geschichte nicht? Ich bin ein Revolutionär; mein Vater, ein Insurgentenführer, hat mich im Haß gegen die Tyrannen erzogen. Ich habe seinen Grundsätzen gehorcht, und die Familie meiner Mutter hat mich aufgegeben. Heute stehe ich allein in der Welt.«

Seine warme Stimme war herbe geworden. Malva konnte ihre Rührung jetzt nicht mehr meistern, ihre ganze Seele flog ihm in einer Wallung tiefen Mitleids zu. Gewinnt der Mann die Frau nicht am sichersten, wenn er an ihr Mitleid appelliert?

»Sie weinen, Malva, ich bin Ihnen also nicht mehr so gleichgültig?«

Sie schüttelte den Kopf.

»Dann geben Sie mir Ihre kleine Hand.«

Sie tat es ohne Zögern.

Lange drückte er sie an seine Lippen. »Dies ist ein Pakt,« sagte er.

Und dieses Mal ließ er sie frei, denn er wußte, daß sie wiederkommen werde.

*


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