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Der Tempelherr

Wie oft sind wir doch Ursache an unsern Fehlschlagungen! wie oft können wir durch ein wenig Sanftmut, Nachgeben und Klugheit uns aus den verwickeltsten Händeln reißen! Humbert von Ronnay war wohl allerdings einer der sonderbarsten seines geheimnisvollen Ordens; aber derjenige, für welchen Conrad ihn hielt, war er nicht, war nicht der Feind des gesuchten Hermanns, nicht ein boshafter Alter, der mit Vorsatz den Bruder um die Umarmung des Bruders betrog. Conrad machte sich, indem er die Burg Sidon verließ, und niemand auf derselben der weitern Ansprache würdigte, gleich eine ganze Geschichte, die zur Erklärung dessen dienen sollte, was hier Widriges und Rätselhaftes begegnet war; Humbert war in derselben der Tyrann, Hermann das Schlachtopfer der Bosheit. – Er irrte weit: Hermann, ein alter Verbündeter des Tempelordens, ward von allen Mitgliedern desselben geschätzt, und von dem alten Humbert wie ein Sohn geliebt; eben diese Liebe war der Grund seines seltsamen Verfahrens gegen Conraden; auch er beurteilte gern die Dinge voreilig. Conrad war ihm aus verschiedenen Gründen verdächtig, und er hätte sich auf eine andere Art bei ihm ankündigen, aus einem andern Tone mit dem wunderlichen Alten sprechen müssen, hätte er sein Vertrauen gewinnen wollen. – Die Gefahr, vor welcher Feuchtwangen auf Arnolds Geheiß seinen Bruder warnen wollte, war hier längst bekannt, und man hatte bereits alle möglichen Vorkehrungen getroffen, Hermannen vor seinen mächtigen Feinden zu verbergen und zu schützen. Schon seit mehreren Monaten hatte er mit seiner Gemahlin und einem kleinen Sohne Sidon verlassen, um an Orten Sicherheit zu suchen, die nur ihm und den Tempelherren bekannt waren. – Jetzt erschien Conrad von Feuchtwangen, dessen Name wirklich hier ganz unbekannt war, ein deutscher Ritter, gegen welchen die Templer, als ihre gefürchteten Nebenbuhler in Macht und Hoheit, immer ein kleines Vorurteil hegten, ein Mann, der, wie hier jedermann wusste, gerades Weges vom Hofe des ägyptischen Statthalters kam, er fragte nach Hermann, gab sich für seinen Bruder aus, wusste gleichwohl so wenig von ihm, daß er nicht einmal seinen Namen nennen konnte: sollte dies nicht Verdacht heimlicher Nachstellung erregen? Wäre es nicht Unvorsichtigkeit gewesen, den kühnen Nachfrager auf Hermanns Spur zu leiten? und konnte Humbert von Ronnay wohl anders handeln, als er tat?

Es waren Vorkehrungen getroffen, daß der deutsche Ritter mit seinem Nachfragen in der ganzen Gegend nicht weiter kam, als auf der Burg Sidon. Voll Unmut entschloss er sich, gar nicht mehr zu fragen, sondern den Zufall für Entwicklung dieser undurchdringlichen Geheimnisse sorgen zu lassen, oder vielmehr hier Gelegenheit zu suchen, ein Leben rühmlich zu endigen, dessen er nach so vielfachen Fehlschlagungen endlich von Herzen müde war.

*

Was er suchte fand er sehr bald. Auf dem Wege nach Akra, auf den er sich mehr maschinenmäßig in der Betäubung streitender Gefühle als absichtlich gelenkt hatte, gesellte sich zu ihm ein Tempelherr, dessen einnehmende zuvorkommende Freundlichkeit, mit welcher er ihm die Hand bot, den Widerwillen, den ihm die Unterhandlung mit Humbert von Ronnay gegen seine Ordensbrüder eingeflößt hatte, ganz überwand, und ihn mit einem unnennbaren Wohlwollen zu seinem Gefährten hinzog.

»Ritter!«, sagte der Fremde; »der Weg, den wir gehen, ist einsam; ahndet ihr in mir den guten Gesellschafter, den ich in euch zu finden glaube, wir gingen mit einander.«

»Ich würde wahrscheinlich hierbei mehr gewinnen, als ihr«, versetzte der traurige Conrad, indem er dem Templer die Hand schüttelte; »wem Gram am Herzen nagt, von dessen Umgange läßt sich wenig Vergnügen hoffen.«

»Gram? – guter Ritter! – o daß ich euch zu trösten vermöchte! aber ich selbst bin nicht ohne Kummer. Doch, hinweg mit Sorgen, die die allwaltende Vorsicht des Himmels beleidigen! – Nennt mir euren Namen, damit ich den kennen lerne, in dessen edlen Gesichtszügen ich einen künftigen Freund ahnde.«

»Meinen Namen? – Man ist in diesem Lande so geheimnisvoll mit Namen, daß ich billig den meinigen gegen einen neuen Bekannten verschweige. Ihr würdet wenig mit demselben gewinnen; man hat mir diesen Morgen gesagt, er sei in diesem Lande nie gehört worden; was ich euch also offenbarte, wären nichts, als einige fremde Töne, durch die ihr mich nicht kennen lernen würdet.«

»Auch gut! – Was mich anbelangt, ich nenne mich Bartholomäus von Ronnay.« –

»Von Ronney?«, unterbrach Feuchtwangen den Tempelherrn; »ein Verwandter Humberts, der mich die unfreundlichste Begegnung erfahren ließ?«

»Beurteilt den Mann nicht falsch, lieber Ritter! Kann sein, daß ihr ihn in einer seiner Launen trafet.«

»Ha! was gelten Launen, wenn es darauf ankommt, einem Mitbruder Auskunft über Dinge zu geben, an welchen sein Herz und sein Leben hangt.«

»Was er versah, kann vielleicht ich verbessern. Fraget mich, lieber Fremdling! ich fühle, daß ich euch keine Beantwortung versagen könnte!«

»Guter, mildherziger Mann! wie unähnlich seid ihr eurem Verwandten! Doch was meine Frage anbelangt, so habe ich sie zu oft vergebens wiederholt, um euch damit beschwerlich zu fallen. Der Letzte, dem ich sie vorlegte, sagte mir treuherzig genug, daß sie sonderbar wären, und daß ich mich mit denselben verdächtig machte. Euch verdächtig zu werden, durch irgend einen falschen Schein ein edles Herz von mir zurück zu scheuchen, das sich mir ungesucht darbietet, das wünschte ich wohl nicht; lasst mich also von meinen Angelegenheiten schweigen, und unterhaltet mich lieber mit den eurigen.«

»Ritter! Ritter! eure Vorsicht lehrt mich Behutsamkeit! Vor der Hand nichts auch von mir, bis wir uns näher kennen; und eine solche Gelegenheit möchte wohl nahe vor der Tür sein.«

»Welche?«

»Der Krieger lernet den Krieger nicht besser kennen, als im Streite: wollt ihr morgen mein Waffengenosse sein? Einen Mann, wie euch, möcht ich gern für meinen Orden werben. Das schwarze Kreuz auf eurem Mantel hindert euch nicht, für die Sache des roten Kreuzes zu fechten; wir sind alle Diener eines Glaubens!«

»Das sind wir! – Hier meine Hand! Ich fechte an eurer Seite! Mein Schwert ewig für, nicht wider euch! Mein Leben für das eurige!«

Die Ritter umarmten sich, und Tränen traten in ihre Augen. Conrad, ein Mann bereits von vierzig, ein Mann, der nie in seinem Leben viel von schnell geschlossenen Freundschaften hielt, zog sich am ersten zurück; doch blieb seine Hand in der fest geschlossenen Rechten des Herrn von Ronnay: man wandelte erst stille schweigend, dann in unaufhaltsam strömenden Gesprächen fort, und ward sich in wenig Stunden so teuer, daß jeder tief im Herzen den Wunsch ewiger Vereinigung fühlte.

Sie langten bei einem Vorwerke nahe vor Akra an; ein einsames, mit dichtem Gebüsche umgebenes Gebäude, in welchem das Geheimnis zu wohnen schien. Die Nacht begann einzubrechen; die Schatten, welche hier schon alles bedeckten, da rund umher die Gegend noch in rötlicher Dämmerung schwamm, hätten vielleicht einem andern an der Hand eines unbekannten Mannes Furcht und Besorgnis heimlicher Aufsätze eingeflößt; Conrads furchtloses, mit zutraulicher Liebe zu seinem neuen Freunde erfülltes Herz fühlte nichts, als allenfalls ein wenig Neugier, da sich jetzt, auf ein gegebenes Zeichen, um den Tempelherrn eine ziemliche Schar Krieger mit rot bekreuzten Mänteln versammelte, die durch die volle Rüstung unter den Wappenröcken zeigten, daß sie sich hier nicht um friedlicher Ursache willen verborgen hatten.

»Brüder«, sagte Ronnay, nachdem er sie begrüßt und ihre Zahl vollständig gefunden hatte; »ihr wisst unser Vorhaben; es ist gewagt, und Verstärkung unserer Macht ist nicht zu verachten; mir hat das Glück so wohl gewollt, euch eine solche Verstärkung zu bringen. Und ob ich euch gleich diese Nacht etliche hundert Mann zugeführt hätte, unsere eingeschlossenen Brüder zu Akra entsetzen zu helfen, so hätte ich wohl nicht so viel getan, als da ich euch diesen einzelnen Mann zuführe, den ich unter Weges kennen lernte. Seht ihn an; genießt seines Umgangs etliche Stunden, wie ich ihn genossen habe, und ihr werdet urteilen, wie ich. Er ist ein geistlicher Ritter, obwohl nicht unsers Ordens. Er hat in Europa wider die Ungläubigen gefochten, und Heldentaten verrichten helfen, von welchen das Gerücht zeitig zu uns herüber kam, und bei deren umständlicher Erzählung er mir nur den Anteil verschwieg, den sein Name, der mir noch unbekannt ist, daran genommen hat: diese edle Bescheidenheit charakterisiert den Mann ganz; es ist Verletzung derselben, daß ich ihn vor seinen Ohren gegen euch rühme; aber die Not heischt es: wir haben nicht zu säumen, und ich will, daß ihr ihn mit eben den Augen ansehet, mit welchen ich ihn betrachte. Fasset seine Hand, wie ich sie fasse! Schwört ihm, ob mich bei unserer nächtlichen Aktion ein Unfall treffen sollte, ihn für euren Anführer zu erkennen, und bei ihm zu leben und zu sterben, wie ihr mit mir gelebt haben und gestorben sein würdet!«

Es war etwas Feierliches in der Art, mit welcher der Ritter von Ronnay diese Worte an die Templer richtete: sie traten nach der Reihe hinzu, und schworen, was er ihnen vorsagte; nur einige Alte murrten, und meinten, es sei zu viel, daß dieser Fremde, der selbst nur noch das halbe Ordenskreuz trüge, sich unterstehen dürfe, ihnen noch einen andern Fremdling, den er selbst nicht kenne, an seiner Statt aufzudringen; – ein kleiner Mißlaut, der von der Harmonie des Ganzen verschlungen wurde, und der beiden Hauptpersonen nicht einmal zu Ohren kam.


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