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Geschichte des Verlornen

»Es sind heute einundzwanzig Jahre«, begann Arnold seine Erzählung, »daß ich euch nebst dem zehnjährigen Hermann, in Begleitung der schönen Adelheid von Wälschneuenburg, eine Reise antreten sah, die, ihr werdet es doch nicht vergessen haben, mir nicht allerdings gefiel. Hättet ihr doch lieber den Knaben in der Gewalt des Abts von St. Gallen gelassen, oder noch mehr, hättet ihr ihn lieber mir anvertraut, als ihn in solcher Gesellschaft nach einem solchen Lande übergebracht!

Ich will dem schönen Gallien nichts zu nahe geredet haben, aber, wenn ihr nicht selbst allda bleiben wolltet, was konntet ihr dort für teilnehmende Sorge für einen fremden Knaben erwarten? Auch will ich mich nicht erkühnen, eure angebetete Adelheid herab zu setzen: aber daß sie bei weitem nicht das war, wofür ihr sie hieltet, das leuchtete jedem Unbefangenen in die Augen, und das werdet ihr aus der Folge dieser Geschichte gar bald erfahren, wenn euch nicht die Geschichte jenes unglücklichen Mädchens, das, wie ihr mir sagtet, unter dem Namen Montfaucon in euren Armen starb, bereits auf gewissen Mutmaßungen gebracht hat.«

»Mutmaßungen?«, fiel hier Conrad etwas unwillig ein; »Mutmaßungen schweigen, sobald sie mit der Unmöglichkeit zu tun haben.«

»Unmöglichkeit?«, erwiderte Arnold mit Lachen: »wenn ihr noch gesagt hättet, Unwahrscheinlichkeit. Unwahrscheinlichkeit lag allerdings in Adelheids geglaubtem Alter und ihrer gerühmten Truglosigkeit, daß sie, als man sie zur Gemahlin Friedrichs von Toggenburg machen wollte, schon Mutter eines zweijährigen Kindes sei; aber die Künste des Putztisches machen die Jahre unserer Damen immer zweifelhaft; und bei einer Ratgeberin, wie Adelheid an ihrer Schwester Gertrud fand, lernte sie vielleicht manches verschweigen, manches über ihr Gewissen bringen, wozu sie sonst unfähig gewesen sein möchte.

Höret, was ich in der Folge von diesen Dingen erfuhr. Adelheid war bereits in sehr zarten Jahren am französischen Hofe mit einem gewissen Ritter von Montfaucon in Liebe verstrickt worden, welchem sie die Hand heimlich gab, weil ihre stolze Schwester Gertrud, und einige andere Verwandten, unter deren Aufsicht sie lebte, eine Verbindung mit einem gemeinen Ritter ihrem hohen Stande ungemäß gehalten, und nimmermehr zugegeben haben würde.

Das Geheimnis der armen Liebenden ward entdeckt: man trennte sie, schickte den Gemahl nach dem heiligen Lande, und die junge Gemahlin in ein Kloster, wo jene Adelheid, die Namensträgerin ihrer Mutter, das Licht der Welt erblickte.

Man wusste Mittel, Montfaucons unglückliche Gemahlin mit der Zeit auf unverdächtige Art zu überzeugen, sie sei Witwe; ihr Geliebter sei in Verteidigung des heiligen Grabes gefallen. Man gönnte ihr einige Zeit ihre Tränen, trennte sie dann von ihrem Kinde, und brachte sie in ein anderes Kloster, wo sie bei der Miene von Unschuld und sanfter Schwermut, bei ihrer großen Jugend, die noch wenig Abenteuer vermuten ließ, sehr gut für das gelten konnte, was sie nicht war.

Ihr seid Zeuge von dem Widerstreben gewesen, mit welchem sie die heiligen Mauern verließ, als ihr und Graf Friedrich von Toggenburg von Adelheids Schwester abgeschickt wurdet, sie aus dem Kloster zu holen. Ich will glauben, daß sie wirklich die klösterlichen Schatten, die ihrem Zustande so wohl ziemten, damals ungern verließ: ob ihre Gesinnungen sich immer gleich blieben; ob nicht Friedrich von Toggenburg oder der zärtliche Conrad von Feuchtwangen sehr bald einen Eindruck auf ihr Herz machten, welches Montfaucons Andenken nachteilig war, dies kann ich weder bejahen noch verneinen. Ihr, wären eure Augen nicht von Leidenschaft verblendet worden, ihr hättet hierin, so wie in vielen andern Adelheids Charakter betreffenden Dingen, viel richtigere Bemerkungen machen können, als ich, der das meiste von dem, was ich sage, nur vom Hörensagen habe, welches sich aber freilich in der Folge durch den Augenschein bestätigt hat.

Das blutige Ende des Romans mit dem jungen Grafen von Toggenburg, und die regensbergischen Geschichten, welche euch besser bekannt sind, als mir, verleiteten Adelheiden, ihr Vaterland und das Haus ihres unglücklichen, verbrecherischen Schwagers zu verlassen; sie entschloss sich, zu fliehen, zu fliehen an eurer Hand. Mütterliche Sehnsucht nach ihrer kleinen, in Frankreich zurück gelassenen Tochter zog sie in dieses Land: die Treue, mit welcher ihr sie begleitetet, würde vielleicht eurer Liebe Vorteil gebracht haben, ihr würdet vielleicht das Glück gehabt haben; dereinst der Gemahl der ältern, und der Vater der Jüngern Adelheid zu werden, hätte die erste nicht an dem Orte, wohin ihr sie brachtet, eine Nachricht vorgefunden, welche eure Hoffnungen mit einem Male zerstörte.

Die Änderung in Adelheids Gesinnungen, die hartnäckige Zurückweisung eurer Liebe, hattet ihr das der Post zu danken, der tot geglaubte Gemahl eurer Geliebten, daß Montfaucon noch lebte. Die alte Liebe erwachte; die Treue gegen den Vater der kleinen Adelheid forderte ein Opfer. Plane und Entschlüsse wogten in der Seele der ältern Adelheid auf und ab, deren Entwicklung ihr nicht für gut hieltet, abzuwarten, da euch von dem ganzen geheimen Romane eurer Dame nichts bewusst war. Man schützte sich gegen euer Eindringen mit dem Vorgeben unsterblicher Liebe gegen den ermordeten Friedrich von Toggenburg. Voll Verzweiflung verließet ihr Frankreich, und kehrtet in euer Vaterland zurück, kehrtet einsam zurück, ohne euren Bruder mit euch zu nehmen, den ihr unter dem Schutze eurer Adelheid und der Königin von Frankreich recht wohl aufgehoben hieltet.

O Conrad! in was für Händen ließet ihr dies verlassene Kind! in den Händen einer Königin, welche an nichts dachte, als an den irrenden Ritterzug ihres sonderbaren Gemahls, den sie mitmachen wollte; in den Händen einer jungen Frau, welche selbst für ein Kind zu sorgen hatte, und die mit weit aussehenden romantischen Planen umging, den ersten Geliebten ihres Herzens aus der sarazenischen Gefangenschaft, in welcher er sich befinden sollte, in eigener Person frei zu machen.

Die beiden Damen konnten sich der lastenden Sorge für den jungen Hermann nicht besser entledigen, als indem sie ihn unter den Hofstaat es Grafen Robert von Artois brachten, der ihn mit sich zum Heereszuge nach dem heiligen Lande nahm, wohin er seinen Bruder, König Ludwigen, begleiten musste. Um doch auch etwas für eure Freundin zu tun, welche ihr der Königin Margarethe so angelegentlich empfohlen hattet, brachte sie sie in das Frauenzimmer der Königin Blanca, ihrer Schwiegermutter, und tat damit der guten Adelheid keinen sonderlichen Dienst, welche lieber sogleich dem Heereszuge des heiligen Ludwig gefolgt wäre, um ihren Montfaucon desto eher wieder zu sehen.

Adelheid befand sich unter den Damen der Königin Blanca noch aus einer Ursache nicht an einem gewünschten Orte. Man sagte sich hier von ihrem Abenteuer viel ins Ohr, das sie mit dem undurchdringlichsten Schleier des Geheimnisses zu bedecken glaubte. Der Verdruss über die mannigfaltigen Anspielungen auf heimliche Liebesbündnisse, in welchen man euch, guter Conrad, eine Rolle gab, die Montfaucon gespielt hatte, zehrte die arme Adelheid fast auf: je mehr sie stritt, und in Rücksicht auf euch mit Recht streiten konnte, je hartnäckiger ward man in seinen Behauptungen. Weil man Adelheids Roman nicht recht wusste, so schmiedete man Geschichten, in welchen Adelheid, Conrad von Feuchtwangen, und der schöne Knabe, den sie mit herüber gebracht hatte, wider alle Wahrscheinlichkeit aufs wunderlichste durcheinander gemischt wurden. Die Sagen behaupteten sich bei ihrem Rechte, kamen auch in der Folge vor die Ohren der Königin Margarethe, und wurden vielleicht der Grund von dem Kaltsinne, gegen Adelheids Andenken den ihr ihr so sehr zur Last legtet.

Adelheid, des Geschwätzes endlich überdrüssig, und voll Sehnsucht nach dem Gemahle, den sie aus der Gefangenschaft der Sarazenen befreien wollte, entschloss sich, Frankreich heimlich zu verlassen. Der Graf von Poitiers sollte seinem Bruder, dem Könige, noch einen ansehnlichen Rückstand von Völkern nachführen; Adelheid nahm ihre kleine Tochter aus dem Kloster, begab sich unter erdichtetem Namen in den Schutz des Grafen, der sie nicht kannte, und trat auf diese Art eine Reise an, die sie statt des erhofften Endzwecks zu ihrem Unglücke führte.

Während sie die langweilige Schifffahrt begann, welche, durch widrige Winde verzögert, die Ursache von dem gehemmten Kriegsglücke des heiligen Ludwigs ward, hatte dieser König mit dem ersten Heere der Kreuzfahrer Ägypten erreicht. Damiette war bereits sein, Scherinschah und verschiedene andere, Plätze; die Siege noch weiter auszudehnen, erwartete man nur noch den langsamen Grafen von Poitiers, und versäumte darüber kostbare Augenblicke, welche, nach dem Urteile der Verständigen, hätten genutzt werden sollen.

Niemand fand das Säumen des frommen Königs, niemand die verträumten Tage, mit Beten und Wallfahrten ausgefüllt, lästiger, als der feurige Graf Robert von Artois, in dessen Gefolge sich unser Hermann befand.

Robert war ein junger feuriger Herr, für welchen selbst die fliegende Zeit einen zu trägen Schritt ging, und der nicht den kleinsten Teil derselben ungenutzt, mit Taten unbereichert verstreichen lassen wollte.

Während Ludwig den säumenden Grafen von Poitiers mit Gebet Durch dreitägige Wallfahrten ward, so sagen einige Geschichtsschreiber der damaligen Zeit, seine Ankunft endlich vom Himmel errungen. und Fasten herbei zu ziehen suchte, wagte er wider des Königs Willen, wider aller weisen vorsichtigen Krieger Rat, eine kühne Tat, bei welcher er den Nachdruck des ganzen Heeres hätte haben müssen, wenn sie hätte ganz glücken sollen.

Roberts Hofstaat bestand aus lauter jungen feurigen Leuten, die sich seinem Charakter näherten. Die kühnsten Ritter waren in seinem Gefolge; wer sich zu lange überdachtem weisen Zögern neigte, und überall der guten Gelegenheit erwarten konnte, der fand keine Gnade vor seinen Augen: alles was sich frühzeitig hervor drängte, und die reifende Zeit einzuholen strebte, das hatte Anspruch auf seine Aufmerksamkeit: urteilt hieraus, mit was für Augen er unsern Hermann angesehen haben müsse, diesen Knaben, der im zehnten Jahre schon Jüngling zu sein glaubte, und den auch wirklich die Natur, diesen Wahn zu begünstigen, über sein Alter gebildet hatte. Sein Gesicht zeigte die volle Schönheit und Blüte der zarten kindischen Jugend, indes sein Wuchs sich hoch empor streckte, und die Stärke seiner Glieder ihm immer einige Jahre mehr gab, als er wirklich hatte. – Wie sein schönes Äußeres, so war auch seine Seele. Sanftmut, Zärtlichkeit, Festigkeit und hoher Mut waren in seinem Charakter in dem Grade vereint, der die vollkommenste Liebenswürdigkeit ausmacht. – So wie er war, musste er das Herz seines Herrn gewinnen; so wie Graf Robert war, musste er die heiße, schwärmerische Anhänglichkeit seines jungen Dieners ganz auf sich ziehen. Hermann hat mich in der Folge oft versichert, seine Liebe zu Friedrichen von Toggenburg sei nichts gegen diejenige gewesen, mit welcher er an dem Prinzen von Frankreich hing; keine Wunder; der sanfte Friedrich bei all seinen Vorzügen war auch kein heldenmütiger Artois.

Graf Robert begünstigte nichts lieber, als frühe Tatensucht; dem jungen Hermann, der bereits ein leichtes Pferd tummeln, und ein mäßiges Schwert schwingen konnte, war schon verschieden Mahle verstattet worden, seinem Herrn ins Treffen zu folgen. Nur kleine Scharmützel waren vorgefallen; doch Hermann rühmte sich einiger Wunden, die er erhalten hatte, mit so vielem Stolze, als ein alter Krieger seiner Siege. Das eine dieser Ehrenzeichen schmerzte noch, als Graf Robert den gewagten Streich unternahm, dessen ich eben gedacht habe, und welcher nichts Geringers betraf, als die Eroberung von Mansure. Dass es bei dieser Aktion heiß zugehen würde, fühlte selbst der kühne Graf von Artois: er versammelte um sich nur die Ritter, welche nicht allein die kühnsten, sondern auch die geprüftesten waren. Dem jungen Hermann den Mitzug zu verstatten, war kein Gedanke; seine Gegenwart würde nutzlos, und für seine zarten Jahre so viel als gewisser Untergang gewesen sein. Auch durfte sich der Prinz gar keiner unüberlegten Bitte in diesem Stücke von dem Knaben besorgen. Hermann war noch unter den Händen der Wundärzte, und der Endzweck des gegenwärtigen Zugs wurde gar nicht vor seine Ohren gebracht. ›Lebe wohl, mein Sohn!‹ sagte Robert, der sich nicht entbrechen konnte, den jungen Feuchtwangen, ehe er zu Pferde stieg, noch ein Mal zu besuchen; ›lebe wohl, und rechne darauf, mich morgen um diese Zeit wieder zu sehen!‹ ›Ich hoffe dieses Glück noch eher!‹, stammelte Hermann. ›Lebet wohl, großer Prinz! Sieg oder rühmlicher Tod sei der Lohn eurer Waffen!‹

O Hermann! ruhte der Geist der Weissagung auf dir? Sieg oder Tod, sagtest du? Sieg und Tod ward dem heldenmütigen Artois zuteile. Durch die seltenste Wagnis, die nur der schlechte Erfolg mit dem Worte tollkühn, brandmarken kann, ward Mansure an diesem Tage von dem christlichen Heere erobert; Robert triumphierte schon über diejenigen, welche nichts gespart hatten, ihn von der glänzenden Tat zurück zu halten; ach! seine treuen Ratgeber, die Tempelritter und einige erfahrnere Helden als er, sahen voraus, daß diese Eroberung schwer, aber doch nicht so schwer, als die Behauptung derselben sein würde!

Während die Christen in Mansure den Meister spielten, kam den bestürzten Sarazenen Hülfe von außen. Dem unglücklichen Artois, welcher mit den Seinen schnell wie ein Sturmwind vorgedrungen war, hatte fast niemand folgen können, als der Graf von Salisbury und die tapfern Tempelritter, die ihn nicht verlassen wollten, ungeachtet sie heute durch Hohn und verschmähten Rat vielfach von ihm beleidigt worden waren. Von dem übrigen christlichen Heer waren die kühnen Überwinder abgeschnitten, eingeschlossen in der eroberten Stadt mit dem Tode und ihren Feinden. An diesem Tage fielen der Ritter vom Tempel zu Jerusalem mehr als zweihundert, auch der Bruder ihres unvergleichlichen Großmeisters, auch Richard von Sonneck fiel, und Salisbury und noch mehr der edlen Helden, durch die Verwegenheit des jungen Robert von Artois unaufhaltsam in das Verderben hinab gerissen.

Der Streit war hart in den engen Gassen der Stadt und auf den Mauern: Prinz Robert lag blutend in einem Winkel bei einer Moschee, auf deren Türmen die Hüter des Gebets, die sich durch das Blutbad unten in der Stadt nicht von der Verwaltung ihres Amts abhalten ließen, eben den noch lebenden Muselmanen die dritte Stunde der Andacht zuriefen. Der klare tönende, seinen Ohren ungewohnte Laut erweckte den tödlich Verwundeten aus dem Todesschlummer, in welchem sich seine Seele allgemach von den Banden des Leibes los zu machen strebte. Er öffnete mit Mühe die Augen: es war einsam um ihn; nur ein einziger Kriegsknecht kniete an seiner Seite, und beschäftigte sich mit seinen Wunden: eine zarte jugendliche Gestalt, nur durch das hoch behelmte Haut und die drohenden Federn zu gewöhnlicher Mannsgröße erhoben.

›Wer bist du, mein Helfer?‹, stammelte Artois; ›ich sah dich heute unablässig an meiner Seite.‹

›Da will ich auch sterben!‹, schrie Hermann, welcher den Helm abwarf, und mit Tränen, die seinem Alter besser ziemten, als die übrigen Taten des heutigen Tages, die Hand seines geliebten Herrn an sein Herz drückte.

›Hermann! Hermann!‹, röchelte Robert, ›warum mußtest du mir folgen?‹

Hermann antwortete nicht: mit der letzten Tat, die ihm die Treue für seinen Herrn eingegeben hatte, schwanden seine Kräfte; er legte sich zum Todesschlummer an Roberts Seite, und die Stille, die vorher ihre Flügel über diesen grauenvollen Winkel ausgebreitet hatte, kehrte wieder.

Nach einer Stunde, da die Sarazenen ihre Überwinder völlig überwunden hatten, und sich nun beschäftigten, die Leichname der vornehmsten Erschlagenen aufzuheben, kam man auch an diese Stelle, und fand den erstarrten Körper des Prinzen, und neben ihm den jungen Hermann, in welchem noch ein Lebensfunke zu glimmen schien. Die Feinde stellten sich größere Dinge von diesem Funde vor, als mit der Wahrheit bestand. Die prächtige Rüstung des Grafen von Artois war ihnen das Abzeichen königlicher Hoheit. Zu dem Gerüchte, das sich gleich Anfangs verbreitet hatte, König Ludwig habe hier in Person gefochten, gesellte sich nun der Ruf, er, der gefürchtete Feind der Ungläubigen, sei erschlagen. Den jungen Hermann hielt man für einen der französischen Prinzen, und diesem Wahne hatte er die Sorgfalt zu danken, mit welcher man bemüht war, ihn für dieses Leben zu erhalten.

Während der Waffenrock des vermeinten Königs in der Stadt unter dem lauten Zujauchzen des Volks zur Schau getragen, und öffentlich über den Fall des sarazenischen Erbfeindes triumphiert wurde, brachte man den geglaubten Prinzen in den Palast des Emirs Fackreddin, des feigherzigen Fackreddin saß eben im Bade, da Mansure von den Christen überfallen wurde. Es war schon über, ehe er sich noch waffnen konnte; und von ihm wäre es wohl ungerettet geblieben, wenn sich nicht Bonduckdari mit Hülfe von außen eingefunden hätte. Verteidigers von Mansure, der sich nicht schämte, den heldenmütigen, kaum noch atmenden Knaben vor sich bringen zu lassen, und ihn mit Hohn und Beschimpfungen anzureden.

Hermann antwortete nichts, weil er zu matt war zu sprechen, vielleicht zu matt, das zu verstehen, was der Übermütige zu ihm sagte. Ohnmächtig brachte man ihn aus dem Vorsaale in das Frauenzimmer, in welches ihn Fackreddin, um ihn, wegen seiner zarten Jahre zu verspotten, zur Heilung bringen ließ.

Von dem weitern Fortgange der sarazenischen und christlichen Waffen, von den Bemühungen König Ludwigs, das Blut seines Bruders zu rächen, und tausend andern hierher gehörigen Dingen schweige ich, um meine Geschichte nicht zu weit auszudehnen. –

Laßt uns bei Hermann bleiben, über dessen unvermutete Erscheinung bei der Eroberung von Mansure ihr euch wohl nicht werdet gewundert haben, da euch der Mut und die Schlauigkeit des Knaben noch erinnerlich sein wird. Nachricht von der diesmaligen Unternehmung seines Herrn zu erhalten, und seine Wächter zu betriegen, musste ihm ja so leicht geworden sein, als es seinem edlen Herzen leicht ward, mit Überwindung aller Todesfurcht, mit Hintansetzung aller Schwachheit und Schmerzen, Roberten nachzueilen ins Waffengetümmel.

Er blieb in Emir Fackreddins Frauenzimmer, und fühlte, weil er die morgenländische Sitte nicht kannte, nichts von der Beschimpfung, die für ihn in diesem Aufenthalte liegen sollte. Er ward eher geheilt, als man erfuhr, daß man sich in seiner Person geirrt, und in ihm, statt eines französischen Prinzen, nur einen gemeinen Edelknaben erbeutet hatte.

Der Wert, den man auf seine Person setzte, schwand hierdurch freilich, aber mit demselben auch ein Teil des Zwanges, unter welchem er bisher gelebt hatte: zurück gesetzt ward er darum unter seinen Pflegern und Pflegerinnen nicht; er hatte sich durch das geduldige Leiden bei seiner schmerzhaften Heilung, und durch tausend gute Eigenschaften, besonders aber durch die Schönheit seiner Person aller Herzen erworben, und ward nach wie vor bedient, wie ein Prinz, ob er gleich nicht mehr dafür gehalten wurde.

Um diese Zeit war es, daß Fackreddins Harem, der billig für den glänzendsten in ganz Orient gehalten wurde, eine neue Schönheit sah; eine junge christliche Sklavin, welche man für den wichtigsten Teil der Beute hielt, die einer fliegenden Schar des endlich einrückenden Grafen von Portiers bei einem Scharmützel abgenommen worden war.

Ich habe euch den Grafen von Portiers genannt, und ihr erratet bereits, welches die Dame war, die aus seinem Schutze in die Hände der Barbaren fiel. Die unglückliche Adelheid! Fesseln zu zerbrechen, war sie in ein Land gekommen, wo selbst Fesseln ihrer warteten! Einen gefangenen Gemahl wollte sie befreien; die Nachricht von den Gegenden, in welchen er der Sklave eines harten Herrn war, hatte sie nicht irre geleitet; der hohe Preis, ihn los zu kaufen, war in ihrer Hand; der Graf von Portiers hatte sie zu Vollziehung der Sache mit einer gewaffneten Bedeckung versehen: aber ehe sie Rosette, wo Montfaucon in der Gefangenschaft schmachtete, erreichen konnte, kam ihr die bestätigte Post von dem Tode des Geliebten entgegen; sein treuer Diener, bisher sein Mitsklave, überbrachte sie ihr nebst wenigen mit Blute auf die Leinwand eines Turbans geschriebenen Abschiedsworten, die der Unglückliche fast im Augenblicke des Todes an seine treue Befreierin abgefaßt hatte, um sie über fehl geschlagene Hoffnungen zu trösten, und sie auf Freiheit und Wiedersehen in lichtvolleren Welten hinzuweisen.

Welch ein Trost konnte in einem solchen Abschiede liegen? Adelheid rang mit der Verzweiflung; so nahe dem Wiederfinden, nach langer Trennung, den gehofften Endzweck zu verfehlen, war mehr, als sie ertragen konnte. Ihre Person war ihren Begleitern von dem Grafen von Portiers, der nicht blind für Adelheids Reize war, ganz besonders empfohlen worden. Sie in den Ohnmächten zu unterstützen, welche sie nach der Schreckenspost mehr als ein Mal an die Pforten des Todes brachten, verweilte man in einem Gehölze, dessen Gefahren man nicht kannte. Da fielen Fackreddins Leute, deren einige Kohorten in diese Gegenden verlegt waren, heraus; ihre Anzahl war der kleinen christlichen Schar überlegen; sie siegten, und eure Adelheid, mein teurer Conrad, ward eine Sklavin, da eben ihre Seele von der Freiheit in himmlischen Welten träumte, deren ihr Gemahl bereits genoss.

Mit ihr geriet ihre kleine Tochter, die sie nicht aus den Armen lassen wollte, in die Gewalt der Sarazenen; und während ihren Begleitern, so viel deren lebendig blieben, gleichfalls die Fesseln angelegt wurden, brachte man sie zu leichterer Gefangenschaft in Fackreddins Frauenzimmer.

Nichts war wohl, das das Elend der unglücklichen Dame ganz hinweg nehmen konnte, als der Tod; aber Linderung war leicht, und sie sollte sie noch an dem nämlichen Tage erhalten. Krank zum Tode ward Adelheid nach Mansure gebracht; krank war auch das schöne Kind in ihren Armen, welches das Interessante ihrer Erscheinung noch vermehrte. Das allgemeine Mitleid war rege bei dem Leiden der reizenden Frau: selbst Fackreddins Weiber bemitleideten ihre Schmerzen, und wünschten ihr zu helfen: aber dies war unmöglich, da sie aus Unkunde der Sprache nicht mit einem Worte zu verstehen geben konnte, was ihr oder ihrem Kinde fehle.

Da besann sich schnell eine der Morgenländerinnen auf den europäischen Knaben, welcher eben die Sprache zu reden schien, die man aus Adelheids Munde hörte. Hermann ward Adelheiden vorgestellt; er sah, er erkannte sie; ihr matten Augen öffneten sich, auch ihn zu erkennen, und ihr mögt urteilen, ob ihr sein Anblick Trost war in diesem fremden Lande, mögt urteilen, ob Bekanntmachung ihrer Bedürfnisse, die man aus seinem Munde erwartete, der einzige Vorteil war, der ihr aus der Wiederfindung ihrer jungen Freundes zuteile ward!

*

In großen Leiden, wo wir wähnen, die ganze Welt sei zu arm, uns Trost zu bringen, ist's oft eine Kleinigkeit, die uns Linderung schafft. Adelheids Zustand ward durch Hermanns Erscheinung um nichts gebessert; sie blieb Witwe und Sklavin, ungeachtet ihr ihn das Schicksal entgegen führte: auch war ihre Zuneigung für ihn in Europa nicht so glühend gewesen, daß man hier außerordentliche Freude des Wiedersehens hätte erwarten können; gleichwohl war es eurer Freundin, als sie euren Bruder sah, als fiele ein großer Teil ihrer Leiden von ihren Schultern. Auch Hermanns Entzücken war groß, und man schloss sich gegenseitig mit solchen Ausbrüchen der Freude in die Arme, daß sich jedermann überzeugte, Mutter und Sohn, oder Bruder und Schwester haben sich hier wieder gefunden.

Der Wahn von dieser Verwandtschaft und die gemeinschaftliche Sprache, die hier sonst niemand verstand, ward das Mittel, den jungen Hermann von seiner alten Bekannten unzertrennlich zu machen. Ihr habt viele Winke von diesen Dingen in der Geschichte der jüngern Adelheid erhalten; die meinige kann euch zum Schlüssel jener Rätsel dienen, welche ihr aus dem Munde des unglücklichen Mädchens vernahmt, das das Schicksal euch so wunderbar entgegen führte, um in euren Armen zu sterben.

Sie war damals der Hauptgegenstand der Sorge ihrer bekümmerten Mutter; für ihre eigene Person würde die ältere Adelheid eher Licht in der Zukunft erblickt haben, als für dieses beklagenswürdige Kind, welches Erbe von allen widrigen Schicksalen seiner Eltern zu sein schien.

Adelheid hatte, so lange sie krank war, nur Mitleid und zärtliche Teilnahme erregt: bei ihrer Wiedergenesung, bei Erneuerung ihrer ehemaligen Blüte zog sie Bewunderung und Neid auf sich. Fackreddins Favoritin, die schöne Zulima, sah schon im Geiste das klägliche Glück, von ihm vorgezogen zu sein, auf eine andre übergetragen, und suchte diesem Unfälle vorzubeugen. Hermann, welcher bei Zulima so wohl gelitten war, als bei allen Damen des Serails, merkte der Favoritin bald den Wunsch ab, Adelheiden zu entfernen, und säumte nicht, seiner Freundin, deren Vertrauter er, ungeachtet seiner großen Jugend, geworden war, Nachricht davon zu geben. Auf dieselbe gründeten sie sich eine Reihe ernster Beratschlagungen, deren Resultat endlich war, Zulima in den geheimen Vorteil zu ziehen, und durch sie zu bewirken, was ihr eigener Wunsch sein musste, die Befreiung der schönen Gefangenen.

Noch war die Sache, die man durch sie zu erlangen suchte, nicht allzu schwer. Adelheid war noch von niemand gesehen worden, als von den Hütern des Harems, welche zu bestechen waren, und den andern Frauen, welchen das schnelle Verschwinden einer Schönheit, von welcher sie verdunkelt wurden, gleichfalls am Herzen lag: der Emir wusste noch nichts von dem köstlichen Schatze, den er in seinen Mauern verschloß, und konnte also ohne Mühe um denselben betrogen werden. Zulima war entzückt, als ihr Hermann den ersten Wink von Adelheids Wünschen gab; sie, welche kein größeres Glück kannte, als in dem goldenen Gefängnisse, das sie einschloß, immer die Königin zu spielen, konnte sich es kaum als möglich denken, daß die schöne Fremde ihr ihre Siege willig aufopfern würde. Sie eilte, die als Freundin zu umarmen, die sie schon als ihre ärgste Widersacherin zu betrachten begann. Man ging zu Rate: die Hüter wurden mit einem Teile von Adelheids Kostbarkeiten bestochen; ein anderer wurde zu Geschenken an die übrigen Frauen verwendet, und unsere Dame sah sich so leicht, so schnell am Ziele ihrer Wünsche, daß sie, wenn sie sich auf dergleichen Berechnungen verstanden hätte, leicht hätte denken können, irgend eine Widrigkeit stehe ihr noch im Augenblicke des Glücks bevor. Ach, es war die höchste, welche die zärtliche Mutter betreffen konnte! Ihr selbst ward die Freiheit ohne Bedenken zugestanden, man war froh, sie entfernen zu können: aber keine Möglichkeit war, für ihre kleine Tochter ein ähnliches Glück von der strengen Zulima zu erhalten.

Ach dies war's, was Adelheid, welche die Grundsätze des Serails jetzt ein wenig kannte, vom Anfange besorgt hatte! Die kleine Adelheid war ein sehr schönes Kind, und versprach in reifern Jahren ihre Mutter noch an Reizen zu übertreffen. Zulima, eine Schwester der berühmten Sultanin Dschegeredur, Dschegereddur, nachmals regierende Sultanin von Ägypten, kam als Sklavin in das Frauenzimmer des Sultans Nedsjuneddin; aber sie ward sehr bald seine Beherrscherin. Die höchste Gewalt des Reichs war in ihren Händen: sie gab sie nach des Sultans Tode in die Gewalt seines Sohnes Turanschah; aber bald stürzte sie ihn, um sich selbst auf den Thron zu setzen. Von ihr weiter unten. war das, was sie war, nach Grundsätzen, war Beherrscherin von Fackreddins Serail, und wünschte es immer zu bleiben. Sie, die freilich jetzt noch keine Nebenbuhlerin in Fackreddins Gunst dulden mochte, sah doch so viel ein, daß die Herrschaft eigner Schönheit nicht ewig dauern könnte. Sehr richtig berechnete sie, daß die Reize der kleinen Adelheid ungefähr um die Zeit aufblühen würden, da die ihrigen für alle Hülfe der Kunst unwiederbringlich verloren sein würden; sie dann an ihre Stelle zu schieben, durch die Macht fremder Reize das verlorne Ansehen wieder an sich zu reißen, dies war ihr Plan, dessen weit hergeholte Anlage ihrem Verstände und ihrer Vorsichtigkeit Ehre machte, wenn wir sie nach den Grundsätzen ihres Vaterlandes beurteilen, wo ähnliches Verfahren nichts Seltnes Die Frauen der Patriarchen, welche ihre Mägde zu ihren Nebenfrauen machten, hatten im Grunde vielleicht nichts anders zur Absicht, als hier Zulima. ist.

Adelheid, welche von diesen Dingen aus Zulimas besonderer Zärtlichkeit gegen ihre kleine Tochter, aus dem Bestreben, dieses Kind immer um sich zu haben, viel mutmaßte, hatte gehofft, durch List zu siegen, indem sie ihrer bei dem Freiheitsvertrage gar nicht gedachte; sie hoffte, sie in dem Augenblicke, da sie das Serail verlassen würde, durch Überraschung davon zu bringen. Dass die Tochter der Mutter folgen müsste, verstand sich ja von selbst; wer sollte hiergegen in der Eile eine Einwendung machen? – So klug indessen die Sache veranstaltet war, so schlecht glückte sie. Zulima nahm der scheidenden Adelheid am Tore des goldenen Palasts ihr reizendes Kind nur auf einen Augenblick aus den Armen, um den schlafenden Engel noch ein Mal zu küssen. Die Kleine erwachte, und drohte, durch ihr Geschrei diejenigen rege zu machen, welche nicht um den heimlichen Handel wussten. Schon hatte sie einer der Kämmerlinge, um sie zu begütigen, aus Zulimas Armen genommen, und sie wieder nach dem innern Palaste gebracht. Man trieb die klagende Mutter von dannen: man versprach ihr, das Kind solle in der nächsten Stunde nachgebracht werden; aber daß dieses nicht geschah, werdet ihr euch aus der Erzählung erinnern, die ihr in dem Lager von Tunis von diesen Dingen vernahmt.

Hermann war über den nur halb geglückten Anschlag seiner Freundin vielleicht so voll Verzweiflung, als sie selbst. Er äußerte seinen Unwille, Wut möchte ich es fast nennen, mit aller Unbefangenheit, die seinem Alter und seinem Charakter eigen war; er beteuerte, er wolle, wenn man noch verzöge, der Mutter ihr Kind wieder zu geben, dem Emir die ganze Kabale entdecken, die man in Rücksicht auf Adelheiden gespielt habe, und dadurch Zulima unausbleiblich stürzen. – Diese Drohung, deren Erfüllung man ihm zutrauen konnte, würde vielleicht dem unvorsichtigen Knaben den Tod gebracht haben, wenn sich nicht eben um selbige Zeit Mittel gezeigt hätten, seiner auf andere Art los zu werden. – Ihr wisst, Ritter Conrad, wie ungern ich meinen Liebling, eben den Hermann, von welchem ich alle diese Zeit über geredet habe, aus meiner Obsicht ließ; wie unzufrieden ich mit eurer Reise nach Frankreich war, und wie wenig Gutes ich mir von derselben für euch und für euren Bruder versprach; – müßig bei dem zu bleiben, was mir Sorge machte, war meine Sache nicht. Ich war euch unverzüglich gefolgt, um selbst Zeuge von dem Schicksale des geliebten Knaben zu sein, und es notfalls zu verbessern. Leider hatte mich Krankheit unter Weges so lange aufgehalten, daß ich erst nach Gallien kam, da ihr schon nach Deutschland zurück wäret, und Hermann im Gefolge des Königs von Frankreich den Zug nach Orient schon angetreten hatte.

*

Sonderbares Geschick, das Kind, das ich liebte, und das ich nicht zu verlassen geschworen hatte, auf dem Wege nach dem Lande zu wissen, nach welchem meine ganze Seele strebte! Ihr wisst meine Geschichte, Ritter Conrad – Mein Gewissen folterten noch nicht genugsam gebüßte Vergehungen. Vor dem Auge der Welt waren sie längst abgetan, vor einem strengern Richterstuhle nicht. Mich der innern Qual zu entledigen, hatte ich eine Wallfahrt nach dem heiligen Grabe gelobt, und durch sonderbare göttliche Schickung fand ich mich auf ein Mal in dem Falle, durch Erfüllung des einen Gelübdes auch dem andern, das mich an meinen Liebling, meinen jungen Lebensretter, Hermann, band, Genüge zu leisten.

Der erste Transport der christlichen Heere war hinüber. Mich zu dem Grafen von Poitiers zu gesellen, war ebenfalls zu spät; ich begann einsam die weite Reise, und legte sie vielleicht darum desto glücklicher zurück. Mein guter Engel leitete mich richtig: alle Nachrichten, die ich unter Weges einzuziehen wusste, trafen pünktlich zu, ich suchte meinen Hermann zu Mansure, und fand ihn. Zum Glücke hatte ich meine Reise nicht mit der gewöhnlichen Armut der Pilger angetreten; Gold genug war in meinen Händen, den geliebten Knaben aus Fackreddins Gefangenschaft los zu kaufen. Es wird zu Zeiten den Christen verstattet, Brüder, die in der Sklaverei schmachten, mit großen Kosten zu lösen: der Emir und seine Sklavenhüter kannten den Wert des Kindes nicht, das er in seinen Harem gesteckt hatte; sie wussten nichts weiter von ihm, als daß es ein gemeiner Edelknabe, kein Prinz von Frankreich sei; der Preis für seine Freiheit ward mir leicht gemacht, Es war Klage über ihn aus dem Frauenzimmer gekommen: man war froh, ihn ohne gewalttätige Mittel, die auch der Boshafteste ungern gebraucht, los zu werden; ich zahlte mein Geld auf die gewöhnliche Art, und ward auf die gewöhnliche Art angewiesen, meinen Befreiten zur bestimmten Stunde in Empfang zu nehmen.

Eine Zusammenkunft ward mir vor dem Augenblicke, den ich nicht erwarten konnte, mit Hermannen verstattet, und sie war auch der einzige Lohn, den ich von dem kleinen Undankbaren für meine Treue erhielt. Es ist wahr, das geliebte Kind wieder zu sehen, es so vollkommen, so ausgebildet wieder zu sehen, sich an seinem Entzücken über mich, über meine treue Liebe, an seinen Tränen, an seinem rührenden Danke zu weiden, dies lohnte schon die Mühe und Kosten, die ich für ihn angewendet hatte; aber der Genuss dieser einzigen Stunde war auch alles. Als ich mich einstellte, meinen Befreiten in Empfang zu nehmen, ward mir an seiner Statt ein kleines in Knabenkleider gehüllte Mädchen aufgedrungen, um dessen Befreiung ich wohl keinen Schritt aus der Stelle gesetzt haben würde.

Ihr wisst die ganze Begebenheit aus der Geschichte derjenigen Adelheid: sie war eine Probe von Hermanns kindischer Großmut, der lieber selbst Sklave bleiben wollte, um der Tochter seiner Freundin die Freiheit zu verschaffen; vielleicht mischte sich auch etwas Knabenschalkheit ins Spiel, die es ihm zur Freude machte, der Zulima, die er haßte, und ihren Kreaturen einen Streich zu spielen. Wie es ihm gelang, bei der ganzen Sache so eigenmächtig zu verfahren, weiß ich nicht; nur so viel ist mir bekannt, daß er mich durch sein holdseliges Bitten, durch den dringenden Zwang seiner Tränen endlich nötigte, das Kind unter dem Namen, den er selbst als seinen wahren angegeben hatte, anzunehmen, und ihm zu geloben, es zu seiner Mutter zu bringen, die, wie er meinte, vielleicht noch nicht zu Schiffe gegangen sein möchte.

Ich brachte die Beute, welche ich nicht gesucht hatte, glücklich davon, und tröstete mich mit der Möglichkeit, daß ein zweiter Versuch, meinen Liebling loszukaufen, glücklicher, und mein Vermögen dazu hinreichend sein würde. Mir lag jetzt nichts heftiger an, als die Gräfin Adelheid bald zu finden, mich meines Auftrags zu entledigen, und dann zu neuen Unternehmungen nach Mansure zurück zu kehren. – Wie schlecht mir dieses gelang, wisst ihr bereits. Adelheid war längst über Meer; man hatte nicht gesäumt, den Willen der schönen Zulima durch eine schnelle Einschiffung zu erfüllen. Bekannt wird euch gleichfalls sein, daß ich am Ufer des Nils einem Trupp Sarazenen in die Hände fiel, welche mich in den Zustand setzten, in welchem Billah mich fand. Ich fühlte mich dem Tode nahe: der großmütige Musulman tröstete und labte mich, so gut er vermochte; das hülflose Kind, das meiner Sorgfalt anvertraut war, lag mir schwer auf dem Herzen: ich empfahl es ihm, und setzte, so viel ich mich erinnere, mit gebrochner Stimme etwas von der Herkunft der kleinen Adelheid und dem Orte hinzu, woselbst sie am ersten hoffen konnte, Unterstützung und Nachricht von ihrer Mutter zu erhalten; er scheint mich nicht verstanden zu haben, oder die Todesangst hatte bereits meine Zunge dermaßen gelähmt, daß es mich zu verstehen Unmöglichkeit war; ein Zufall, welcher dem verlassenen Kinde lebenslängliches Unglück und Ungewißheit zuzog. –

Ich ward von den Armen des edlen Billah unterstützt: ich sah seine tröstende Gestalt vor meinen brechenden Augen, so lange ich so noch zu öffnen vermochte. Er verließ mich wahrscheinlich nicht eher, bis er meines Todes gewiss zu sein glaubte, der auch wohl wirklich erfolgt sein würde, hätte mir der Himmel nicht eine Hülfe gesandt, die ich wohl übernatürlich nennen möchte.

Verzeihet, Ritter Conrad, daß sich hier meine Geschichte in einige Dämmerung hüllt: Zeit und Umstände verbieten mir, weitläuftig zu sein; und das müsste ich werden, wenn ich mich euch vollkommen verständlich machen wollte. – Ich lag am Ufer des Nils in Todesschlummer: der Lebensfunke, der noch in mir glimmen mochte, war so schwach, daß ihn kein gewöhnlicher Hauch zu finden und aufzublasen vermocht hätte. Gleichwohl fühlte ich nach langer Bewußtlosigkeit etwas in mir, das der ersten Empfindung eines Menschen gleicht, welchen eine äußere Macht aus tiefem Schlafe erweckt. Wärme und Atem kehrten allmählich wieder; ich kam endlich so weit, die Augen aufschlagen zu können. – Es war Nacht um mich; neben mir kniete ein Mann, den mir eine kleine Leuchte, die er neben sich stehen hatte, sichtbar machte; seine linke Hand lag auf meinem Herzen; die Rechte war beschäftigt, mich mit einem stark riechenden Öle zu netzen, das mich je mehr und mehr mit neuer Lebenskraft durchdrang. Ich vermochte bald einige Worte zu stammeln, und das zu verstehen, was er mir antwortete. – Er tat einige Fragen an mich; wie konnte ich sie dem Retter meines Lebens mit Nein beantworten? Ich willigte ein, ihm zu folgen, wohin er mich führen würde; wie konnte ich dem, der mir die Kraft gab, mich zu erheben, das Recht versagen, meine Schritte zu leiten? – Er führte mich wenige Tage nach meiner völligen Herstellung nach Kahira, von da noch weiter nach jenen bewunderungswürdigen Gebäuden, die bis an das Ende der Tage ein Denkmal von den Geheimnissen der Vorwelt bleiben werden.

Ich ging ein in das Dunkel der Pyramiden, um dort in der Gesellschaft der weisesten und besten Menschen das wahre Leben kennen zu lernen; um dort in den Armen meines Freundes, den ich glaubte ermordet zu haben, Loszählung von meinem lange beweinten Verbrechen zu finden. Jahre wurden mir zu Tagen: ich vergaß im eigentlichen Verstande die Vergangenheit, um nur in der Gegenwart und Zukunft zu leben, vergaß auch Hermannen, dich! Verzeihe, verzeihe, Geliebter, daß ich meinen Vorsatz, dich zu befreien, Jahre lang hintansetzen, und dadurch vielleicht deinem ganzen Schicksale eine widrige Wendung geben konnte!

Auf einer der Wanderungen, Die damaligen Zeiten begünstigten sehr die Sage von einer Gesellschaft heiliger, mit übernatürlichen Geheimnissen bekannter Männer, die, als Abkömmlinge der alten ägyptischen Priester, in den Pyramiden wohnten, und von da zuweilen wie wohltätige Gottheiten herab stiegen, Besserung und Glück unter den Menschen zu verbreiten. welche wir aus unserm unbeunruhigten Zufluchtsorte fleißig in die Gebiete der Menschen tun, um Leiden zu lindern, und diejenigen, welche von der Hand des Unglücks unheilbar verletzt sind, in unsere friedliche Stille einzuladen, geriet ich an den Ufern des Nils gerade auf die Stelle, wo vor mehreren Jahren einer unserer weisesten Väter, Ritter Bernard, mich ins Leben zurück rief. Tränend dankte ich hier dem Himmel meine Auferstehung zu einem bessern Dasein; aber zugleich kehrte auch Andenken und Gefühl des Vergangenen so lebhaft zurück, daß ich mein gegenwärtiges Glück nur halb fühlte, und Wünsche zu bilden begann, deren Erfüllung, weil sie mich zu weit von der Gesellschaft, deren Mitglied ich war, entfernt haben würde, ich nicht für möglich hielt. – Ich dachte an den verlassenen Hermann, und seine unterbliebene Befreiung, sehnte mich nachzuholen, was versäumt war, sehnte mich zu wissen, was aus dem geliebten Kinde, das nun die Zeit schon zum Jünglinge gemacht haben musste, geworden sein möchte. – Traurig kehrte ich in die geweihten Schatten zurück, und grämte mich lange in der Stille, bis Ritter Bernard, den das Schicksal mir besonders verbunden hatte, mir mein Geheimnis entriß, und mir lächelnd zeigte, daß ich vergebens getrauert habe. – ›Ist es dir darum zu tun‹, sagte er, ›daß du wissen möchtest, wie es dem jungen Deutschen ergeht, so kannst du hier davon, so wie von allen Begebenheiten der Erde, die richtigste Kunde erhalten. Willst du ihn von Banden befreien, in denen er wirklich gegenwärtig, ich fürchte unrettbar, schmachtet, so ist dir, wie ich hoffe, ein Versuch nicht verwehrt; verziehe bis morgen, und du sollst Einwilligung oder Abschlag haben.‹

Ich erhielt das Erste. Ich letzte mich mit meinen Brüdern, und stieg in die Ebene hinab, und fand das wörtlich wahr, was ich aus dem Munde der Alleswissenden schon vor meiner Abreise vernommen hatte.

Der Streich, welchen Hermann vor nunmehr fast zehn Jahren der Königin von Fackreddins Serail durch Befreiung der kleine Adelheid gespielt hatte, machte ihn zum Gegenstande ihres lebhaftesten Widerwillens. War er vorher hier von jedermann angebetet worden, so haßte und verfolgte man ihn nun aufs äußerste; er hatte Mut, allen die Stirn zu bieten: das Ärgste, was ihm der Zorn wütender Frauen antun konnte, den Tod, fürchtete er entweder nicht, oder er hoffte, mich, seinen unermüdeten Freund und Befreier, bald wieder zu sehen. – Ich kam nicht, und Gott weiß, was aus ihm geworden sein möchte, hätte ihn das Schicksal nicht auf eine andre Art in eine glücklichere Sphäre versetzt. Zulimas Schwester, die Sultanin Dschegereddur, hatte eben damals das Zepter von Ägypten in die Hände Turanschahs übergeben, und für ihr kluges Verhalten Diese außerordentliche Frau, die dem Sultan Nedsjuneddin ins Lager gefolgt war, weil er keine Stunde ohne sie leben konnte, sah ihn in ihren Armen sterben; sie trocknete schnell ihre Tränen, um mit wahrer Staatsklugheit zu tun, was zur Ruhe des Reichs nötig war. Sein Tod ward verheimlicht. Sie und einige vertraute Minister ordneten alles so, gaben alle Befehle so, als ob er noch gelebt hätte, bis Turanschah, des Sultans Sohn, aber nicht der ihrige, von ihr herbeigerufen, erschien, den Thron seines Vaters zu besteigen. zum Lohne Verdacht heimlicher Kabalen eingeerntet. Sie konnte sich desselben nicht besser entbrechen, als dadurch, daß sie, die vor kurzem noch in einer höhern Sphäre geglänzt hatte, ganz in den gemeinen Wirkungskreis der Ägyptierinnen zurückkehrte. Ein Leben aus Essen, Trinken, Putzen, Spazierengehen, und Abstattung unbedeutender Besuche, versteckte die großen Anschläge, die wirklich in ihrem Gehirne reifen mochten. Auch Fackreddins Geliebte, Zulima, genoss die seltene Ehre, ihre königliche Schwester bei sich zu sehen. Man unterhielt sich auf die gewöhnliche Weise; man wiegte sich in den von Ambra und flammenden Aloeholz duftenden Zimmern auf weichen Küssen; man plauderte; man lachte; man sagte sich Süßigkeiten; man mischte sich unter die tanzenden Sklavinnen; man genoss Erfrischungen. – Unter den Sklaven, welche die letztern auftrugen, war Hermann. Er zog das Auge der Sultanin auf sich. Zulima sprach viel zu seinem Nachteile, das die kluge Dame noch aufmerksamer machte: Zulima wünschte seiner los zu sein, und gestand, daß sie am Ende sich des seidenen Stricks würde bedienen müssen. Dschegereddur erbot sich, sie der drückenden Last zu entnehmen, die sie an diesem jungen Verräter zu haben glaubte. Gern willigte man ein, und von diesem Augenblicke an war Hermann der Sklave der Sultanin von Ägypten.

*

Es würde zu weitläuftig sein, euch das neue Los des jungen Menschen zu schildern: es war unvergleichlich besser, als das alte, um so vieles besser, als Dschegereddur auf alle Weise unter den Frauen einen höhern Rang behauptete, als ihre Schwester Zulima, ungeachtet beide so ziemlich nach einerlei Grundsätzen handelten.

Hermann war noch kurze Zeit unter dem Hofstaate der Sultanin gewesen, als die Notwendigkeit, ihr eigenes Leben zu schützen, sie zu einer Handlung bestimmte, welche sich schon manche große Frau erlaubt hat: Turanschah musste fallen, weil er Dschegereddur stürzen wollte, und sie ward Sultanin von Ägypten.

Zehn Jahre lang war nun Hermann an ihrem Hofe von einer Stufe zu der andern gestiegen. Tugend hatte ihn hier gehalten und erhoben, wo andere, die ihr Glück auf entgegen gesetzten Wegen suchten, längst zu Grunde gegangen waren. Ob er gleich seine Pflicht zu gut kannte, um sein Schwert wider die Hauptfeinde der Sarazenen, die Christen, zu brauchen, so hatte es ihm doch nicht an Gelegenheit gefehlt, sich von andern Seiten den Ruhm der Tapferkeit zu erwerben. Dies machte sein Ansehen unerschütterlich: Reichtum und Größe ward ihm zu Teile, endlich selbst die Freiheit; und er hätte nur einen einzigen Schritt zu tun gebraucht, um einen noch schönern Lohn mit der Hand der schönen Esbee, der Tochter der Sultanin, einzuernten. – Ich sah ihn in dem Glanze, der ihn umgab, und ward mit Entzücken von ihm erkannt. Er dankte mir meine Treue; er hörte meine Anerbietungen; aber – sie anzunehmen war ihm unmöglich. Ach, Esbees Liebe hielt ihn fest! Dies waren die Bande, in welche der arme Jüngling, wie Vater Bernhard sagte unrettbar schmachtete, aus welchen er nicht einmal befreit zu werden wünschte!

Ich ließ es nicht bei einem Versuche: noch manches Jahr verfloß über mehreren derselben. Ich ging und kam, so oft es mir erlaubt war, in die Welt zu gehen, und in die heilige Einsamkeit zurückzukehren. Ich schilderte dem verlornen Hermann die Gefahren des ägyptischen Hofs, die Seligkeiten unserer geheimnisvollen Stille; aber er war ein Jüngling, konnte noch nicht Geschmack an demjenigen gewinnen, was dem Greis wünschenswert dünkt. Er schwor mir tausend Mal zu, den Besitz der schönen Esbee nie auf unerlaubte Bedingungen anzunehmen; eben so wenig war er gesonnen, seine Fürstin mit Undank zu lohnen, und eine geliebte Tochter aus ihren Armen zu verlocken; aber – ihr kennt ja die Möglichkeiten, welche in dem Gehirne des feurigen Jünglings schwärmen, deren eine sich das Glück zuweilen die Mühe nimmt, zu erfüllen.

Dschegereddur hatte den Thron von Ägypten lange genug besessen, um zu besorgen, er möchte einst unter ihr wanken. Sich auf den ärgsten Fall in Sicherheit zu setzen, hatte sie bereits alle möglichen Vorkehrungen getroffen; nur für das Kostbarste, das sie besaß, für ihre Tochter, war noch nicht gesorgt, oder vielmehr, dem Anschlage, der schon längst in dem mütterlichen Busen reifte, fehlte noch die Ausführung. – Worin derselbe bestand, das mutmaßte wohl niemand weniger, als der, den er vornehmlich betraf, euer Bruder. – ›Hermann‹, sagte die Fürstin eines Tages zu ihm, als sie alle Lauscher von sich entfernt hatte, und sich ganz einsam mit ihm wusste; ›du liebst Esbee! Du hast dir ihren Besitz auf keine Art erkaufen wollen, der deinen Grundsätzen widerspricht; ich billige das, was du tatst: es ist edel! Du bist ein Christ, und willst es bleiben; noch mehr: du hast deine junge Geliebte zu dem nämlichen Glauben übergezogen, den du bekennst. – Erröte nicht! denn auch dieses kann ich nicht tadeln: ich war in den glücklichen Tagen unbefleckter Jugend selbst das, was Esbee nun ist, und was sie, meinen Wünschen nach, ewig bleiben mag. – Aber was soll nun aus der Unglücklichen werden? Sie ist für ihr Vaterland verloren! Ich bin sterblich; Hermann wird nach meinem Tode hier nicht bleiben. – Wem gehört sie an, wenn du und ich sie verlassen haben? – Nimm sie, nimm deine Esbee! bei meinem Leben, sie ist dein! Ziehe mit ihr in dein glücklicheres Vaterland; an Schätzen, fürstlich zu leben, soll es euch nicht fehlen.‹ Hermann wusste nicht, ob er träumte: er war zu den Füßen seiner Königin gesunken; seine Tränen dankten ihr mehr, als seine Worte. Sie hob ihn auf, und empfahl ihm Eile und Behutsamkeit. ›Wisse‹, sagte sie, ›diese Nacht umarme ich Esbee zuletzt als mein Eigentum; von Mitternacht an ist sie dein. Diese Nacht, aber nur diese Nacht allein wirst du die Zugänge zu ihren Zimmern offen finden. Siehe, daß du sie davon bringest. Der Hindernisse sollen dir nicht viele in den Weg gelegt werden, doch immer genug, daß die Sache das Ansehen einer Entführung trage. Führe deine Beute, so eilig du kannst, an einen Ort der Sicherheit; denn obgleich die Mutter in dein Glück willigt, so kannst du doch wohl denken, daß die Sultanin von Ägypten genötigt ist, den Räuber einer Prinzessin zu verfolgen. – O, daß es deinen Verfolgern nicht glücke, dich zu ereilen! Unglücklich wärest du, unglücklich wäre auch ich, wenn ich den strafen müsste, den ich liebe, und gern mit dem Liebsten, was ich habe, belohnen wollte. – Stehe auf, Hermann! vielleicht werden wir beobachtet. Vorsicht und Eile ist alles, was ich dir empfehlen kann!‹

Hermann war genötigt, den entzückten Dank in seinem Herzen zu verschließen; auch hat er ihn der edlen Sultanin nie abstatten können. Esbee war von allem unterrichtet. Die Liebenden flohen, und die Nähe des Zufluchtsorts, den Hermann für seine schöne Beute fand, war Ursache, daß sie schon geborgen waren, als die Sultanin den Raub ihrer Tochter laut werden ließ, und sich die Ebenen von Kahira mit Hermanns Verfolgern bedeckten.

Kaum werdet ihr, Ritter Conrad, wenn ihr die Gegenstände, von welchen ich euch unterhalte, genau kennet, den Ort erraten können, der euren Bruder und seine Geliebte aufnahm. Der Umkreis der Pyramiden ist heilig; nie sah ihr Innerstes das Auge eines Weibes; gleichwohl trug die Gesellschaft der Weisen, die dort im Stillen wohnen, kein Bedenken, ein Paar verfolgte Liebende im Schutz zu nehmen. Ich, der eben in jener Nacht der seltsamen Flucht auf die Fliehenden stieß, wagte bei meinen Brüdern für sie die Bitte um Sicherheit, und ward nicht zurück gewiesen. Man liebte hier Hermannen; man schätzte in der Sultanin von Ägypten eine mächtige Beschützerin unserer Geheimnisse, und verehrte in der jungen Esbee die zarte jungfräuliche Unschuld. Neugier, vorwitziges Forschen nach dem, was ihr nicht gezeigt ward, oder kühne Zudringlichkeit, konnte man von einer Seele, wie die ihrige, gar nicht gewärtig sein: so blieb sie in den Vorhöfen unsers Heiligtums, sie genoss hier des Unterrichts der Weisen mehrere Jahre, indessen Hermann, nachdem draußen das Ungewitter vorüber gerauscht war, hinaus ging in die christliche Welt, sich auch da einen Namen zu machen, wie er bereits unter den Ungläubigen getan hatte.

Esbee war achtzehn, und Hermann siebenundzwanzig Jahr, als er sie aus unsern Händen empfing, und nach Akra führte, um im Angesichte seiner Freunde, der Tempelherren, daselbst sich öffentlich zum christlichen Glauben zu bekennen, und dann seine Gemahlin zu werden. Ich begleitete das Paar, das ich liebte, und welches mich den Schöpfer seines Glücks nannte; aber ich sah den Anblick desselben nicht lange: ich sah Esbee eine Christin, sah Hermannen durch ihren Besitz beglückt, sah beide die Einwohner einer herrlichen Burg, welche die Templer Hermannen zum Danke für die Hilfe seines Schwerts schenkten: aber als ich die Glücklichen mit dem Versprechen verließ, bald wieder umzukehren, und neue selige Stunden an ihrer Seite zu zählen, da lauerte auf mich im Tale das Unglück. – Ich fiel in Räuberhände: ich ward, nachdem ich verschiedne schwere Ketten getragen hatte, der Sklave des Statthalter von Ägypten, dem ich nun über ein Jahr diene, und dem ich noch zweimal so lange zu dienen verbunden bin, um frei zu werden, und zu meinen Brüdern zurück kehren zu dürfen.

Ebn Aibeck liebt mich, das seht Ihr schon aus der leichten Bedingung, unter welcher mir meine Freiheit versprochen ist. Die Beweise seiner Zuneigung sind unzählig; und ich rechne die Erlaubnis, euch zu sehen, für keinen der geringsten.

O Conrad, mein Herz brannte, als ich euren Namen hörte! Ich ahndete, was ihr in diesen Landen suchtet; mein Herz brannte, euch auf den rechten Weg zu leiten. Jetzt wisset ihr, wo ihr Hermannen zu suchen habt: auf der Burg Sidon, nicht weit von Akra. Glaubt ihr, daß ihr die Verlängerung eurer Reise bei eurem Orden verantworten könnt, so lasset die segelfertigen Schiffe morgen ruhig in die mittelländische See stechen, und nehmt eilig den Rückweg, den ich euch bezeichnen werde. Nicht allein die Freude des Wiedersehens hängt hiervon ab, sondern auch Warnung vor Gefahr! Sagt eurem Bruder im Namen seines alten Warners: obgleich fünf Jahre seit Esbees Entführung verflossen wären, so habe man doch zu Kahira die Tat noch nicht vergessen. Seine Feinde wissen seinen erborgten Namen, und den Ort, wo er lebe. Die starke Burg Sidon sei für List und Gewalt nicht unüberwindlich; er solle eilen, und wenigstens seine Gemahlin retten, ehe Rettung zu spät sei.«


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