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Abendgespräche auf der Burg Karthago

Gleich das erste von Ludwigen zu Untersuchung des afrikanischen Hafens ausgesandte Schiff brach die Gesetze des Friedens. Feindseligkeiten zogen Feindseligkeiten nach sich; der fromme König konnte nicht mehr steuern; er fand sich zum Kriege hingerissen, da er zum Frieden gekommen war. Alle Waffen wurden angelegt, alle Schwerter entblößt: Conrad von Feuchtwangen brauchte redlich das seinige; wenn, wie und wo, ist in der Geschichte eines Ritters von seiner Art unbedeutend; Wunden und Gefechte kommen, wenn sie sich nicht durch außerordentliche Vorfälle auszeichnen, bei Helden so wenig in Rechnung, als andere alltägliche Vorgänge bei gewöhnlichen Menschen. – Ludwigs Heer litt Mangel an frischem Wasser; Wassermangel in den afrikanischen Flächen voll brennenden Sandes ist eine andere Sache, als in unsern Gegenden. Der Durst brachte die schmachtenden Krieger der Verzweiflung nahe. Endlich fand man eine Quelle in einem Tale, voll alter Ruinen und merkwürdiger Denkmale der Vorwelt, die niemand achtete. Der kleine Bach, der zwischen Sand und Kieseln hervor rann, und schon durch sein leises Murmeln Erfrischung verbreitete, war denen, welche unter dem sengenden Sonnenstrahle dem Tode entgegen welkten, wichtiger, als alle Überbleibsel alter römischer Größe, als alle Inschriften, welche sie damals wohl noch um einige Grade deutlicher und zahlreicher gefunden haben möchten, als die Altertumsforscher, die jetzt diese Gegenden besuchen. – Die klare Silberquelle, von welcher man jetzt Besitz nehmen wollte, war indessen kein so gemeinnütziges Gut, als man an den Ufern der Seine und des Rheins denken mag; das Eigentumsrecht auf sie musste mit Blut erkauft werden. Die Nymphe des Brunnens ward durch ein stattliches Schloß verteidigt, das sich über ihr auf dem Felsen erhob: man musste abermals das Schwert ziehen. Ritter Conrad und Joinville fochten tapferer, als je, um eins der notwendigsten Lebensbedürfnisse; sie ersiegten noch oben drein ihrem Könige den Besitz jener Burg: aber beide waren so schwer verwundet, daß sie auf der gewonnenen Feste unter den Händen der Arzte zurück bleiben mußten, indessen ihre Brüder glorreich ins Tal hinab stiegen, dem durstenden Könige mit dem ersten Becher frisches Wassers die Freudenpost von einer nicht unbeträchtlichen Eroberung zurück zu bringen. – Es war das Schloß von Karthago, das man eingenommen hatte, da man nur gekommen war, einen kühlenden Labetrunk zu gewinnen; ein unbeträchtliches Überbleibsel der stolzen Stadt, welche einst mit Rom um den Vorzug rechten durfte. Joinville lächelte seinem Wundgefährten Conrad, den er im Gefechte lieber gewonnen hatte, als zuvor, traurig zu, da er den Namen der eroberten Burg vernahm. Vielleicht lag der Gedanke in seinen Zügen, daß die Eroberungen, welche jetzt das Gehirn des Königs von Frankreich erhitzten, einst für die Nachwelt auch so ein leichtes Spiel sein würden, als ihnen der heutige Sieg gewesen war; ein Sieg, der den Helden der Vorwelt unsterbliche Lorbeeren um die Schläfe gewunden haben würde. – Ob der deutsche Ritter die Meinung seines Gefährten verstand; ob er seinen viel sagenden Blick gar nur beachtet, weiß ich nicht; denn Conrad war schwerer verwundet, als der Herr von Joinville, und rang noch mit Schmerz und Mattigkeit, da dieser schon als ein Wiedergenesener an seinem Lager sitzen, und ihm durch Ernst und frohe Laune die Stunden kürzen konnte. –

»Herr von Feuchtwangen!«, sprach er einst in einer solchen Stunde freundschaftlicher Unterhaltung: »ich erinnere mich, vor einigen Monaten, da ich euch noch nicht genug kannte, um euch zu schätzen, oder euch einen Teil der mir kostbaren Zeit zu schenken, ich erinnere mich, damals von euch mit Ungestüm um Dinge gefragt worden zu sein, die ich weder wusste, noch sonderlich beachtete. Die Rede war von einem gewissen Hermann von Feuchtwangen, den ich nie gekannte habe, von einem verlornen Kinde, von welchem ich Nachweisung geben sollte, ohne daß man mir Zeit und Ort nannte, wenn und wo es verloren und gefunden sein sollte. Ich habe der Sache seitdem reiflicher nachgedacht, und so es euch gefiele, in den jetzigen Stunden der Muße eure Frage zu wiederholen, so könnte ihre Beantwortung euch, wenn auch kein Trost, doch vielleicht Zeitvertreib auf einige Augenblicke geben.«

»Ach Herr von Joinville!«, rief der schwache Conrad; »ihr wäret grausam gegen mich! Meine Unruhe betraf und betrifft noch jetzt einen Bruder, den ich vor zwanzig Jahren verlor, und von welchem mir die Königin von Frankreich schmeichelte, ich würde ihn durch eure Hülfe wieder finden.«

»Vor zwanzig Jahren?«, wiederholte der Freund König Ludwigs. »Ich dachte, die Rede sei hier von einem unmündigen Knaben.« –.

»Ein Knabe war Hermann von Feuchtwangen damals; ich gab ihn unter der Schutz der Königin Margarethe, und der ganze Trost, den ich bei der Nachfrage erhielt, war, dieses Kind sei von ihr in die Hofstatt Roberts, Grafen von Artois, gebracht worden, habe als Page den ersten Kreuzzug des Königs mitgemacht, und sei dann verschwunden, so daß man den Unglücklichen für tot oder in sarazenischer Gewalt achten müsse, wenn nicht Herr von Joinville die Sache anders erläutern könne.«

»Und warum ich, Ritter Conrad? ich, der ich mich nie um Graf Roberts Pagen sonderlich bekümmerte?«

»Weil euch eben um damalige Zeit der Zufall ein verlassenes Kind in die Hände gespielt habe, dessen Versorger ihr mit christlicher Milde geworden wäret, und um welches ihr jetzt, das es nun durch Jahre zum Manne gemacht worden sein mag, wohl noch einige Wissenschaft haben möchtet.«

»Ritter Conrad«, antwortete der Seneschall nach einem kurzen Nachdenken, »die Königin, Frau Margarethe, hat es mit euch gemacht, wie große Frauen, auch die besten, es immer zu machen pflegen. Eigene Vergessenheit hat sie dadurch zu beschönigen gesucht, daß sie euch mit eurem Gesuche an einen andern gewiesen hat. Von Rechts wegen hätte sie von diesem Hermann, der ihr empfohlen ward, die beste Rede und Antwort geben, oder hatte sie Verdacht, daß ich um ihn wüßte, mich selbst schon längst um ihn befragen sollen; aber ich versichere euch, dies hat die gute Königin, ungeachtet ich ihr Angesicht täglich sah, nie getan. Sie schickt euch zu mir; nun wohlan! was ich kann, das will ich tun: allerdings schwebt mir in diesem Augenblicke die Möglichkeit vor, daß ich euch vielleicht einige Befriedigung werde geben können.«

»Höret hier ein Bruchstück von meinen Abenteuern in den Ländern der Ungläubigen, und nehmt euch aus denselben, was ihr für euren Zustand dienlich haltet. – König Ludwigs Siege hatten vor zwanzig Jahren so schlechten Fortgang, als ich besorge, daß sie immer haben werden, wenn er sie außerhalb seinem Reiche ausbreiten, und die Gebiete der Muselmannen beunruhigen will. Wir siegten damals; wir gewannen einige nicht unbeträchtliche Plätze; aber zur Hauptsache tat dies wenig, und immer ward uns das Eroberte durch Zufall, Säumseligkeit oder Verblendung wieder entrissen. Es wäre von diesen Dingen gar viel zu sagen: ich denke sie noch einst in ein eigenes Buch zu verfassen, und der Nachwelt zu hinterlassen. – –

Wir waren auf einer Flucht begriffen, welche, weil sie durch mancherlei Fehler von unserer Seite veranlasst wurde, eben nicht unter die rühmlichsten zu rechnen ist. Graf Robert war tot, der Graf von Poitiers, der andre Bruder des Königs, gefangen. Der Feind war uns im Nacken; Ludwig, weniger um das Wohl der Christenheit, die in seiner Person gelitten haben würde, besorgt, nahm mit möglichster Vorsicht den Rückzug nach Damiette; ihm folgte, was nur noch halb gesund und fähig war, ein Schwert zu führen. Wir Schwachen und Kranken, deren jene heiße Gegenden viel machen, wie wir auch hier bald erfahren werden, mußten uns in die Fahrzeuge flüchten, welche in einer Bucht des Stroms verborgen lagen. – –

Gott weiß, mit welcher Unruhe ich mich von meinem Könige trennte! sie war Vorbedeutung des schrecklichsten Vorfalls, dessen ich mich in meinem verhängnisvollen Lebenslaufe zu erinnern weiß. – Eine qualvolle Nacht hatte ich in Angst und Fieberhitze durchträumt; immer hatte ich Ludwigen gefangen oder tot vor Augen gesehen, als ein fürchterliches Geräusch mich ein wenig aus meinem schweren Schlummer erweckte. – Was heißt Erwachen bei einem Kranken, wie ich damals war? Übergang aus einem Traume in den andern. Es war über Nacht schlimmer mit mir geworden: die Kälte des Wassers, die Unbequemlichkeit des Nachens, der Mangel an Wartung hatten mich manchen Schritt näher zum Grabe gebracht. Ich hatte von meinen Leuten niemand bei mir behalten, als einen, der nur wenig Grade stärker war, als ich; alles, was gesund und stark war, musste dem Könige folgen. – Mein kranker Wärter, der das, was meine stumpfen Sinne dunkel vernahmen, deutlicher sah, wählte wohl das rechte Mittel, mich aus meiner totenähnlichen Unempfindlichkeit zu wecken; er rief mir in die Ohren, Ludwig sei gefangen, und wir in der Gewalt der Feinde. Mit einer unnennbaren Empfindung fuhr ich auf; den ersten Teil der Nachricht fühlte mein Herz, den andern sahen meine Augen, die ich jetzt weit öffnete, und rund um mich den Strom mit feindlichen Fahrzeugen bedeckt, um und neben mir die Luft mit Pfeilen und Klumpen griechischen Feuers erfüllt sah. Ein Tropfen des tödlichen Regens, der auf meinen Diener fiel, stürzte ihn tot neben mir nieder. Dass der nächste Schlag mich treffen möchte, war mein Wunsch, indem ich zu neuer Bewußtlosigkeit auf mein elendes Lager zurück sank. – ›Hier gilt es Verlust der Freiheit oder Tod!‹ donnerte mir nach einer Weile eine andere Stimme in die Ohren. ›Herr von Joinville, was wählet ihr? Wir sind im Begriffe, den Tod in den Wellen zu suchen, und so vereint ins Paradies zu fahren. Wollt ihr unser Gefährte sein?‹ – Ich konnte nicht antworten, sondern deutete mit der Hand auf eine kleine Kapsel mit einigen heiligen Reliquien, die eine Spanne weit von mir lagen, ohne daß meine Hand sie erlangen konnte. Man reichte sie mir; ich küßte sie mit mehrerer Inbrunst, als ich vielleicht in meinem Leben getan hatte, und gab dann ein Zeichen, sie ins Wasser zu werfen. Das Behältnis umschloß noch verschiedene andere Sachen, welche mir zu teuer waren, als daß ich den Gedanken hätte dulden könne, sie in den Händen der Ungläubigen zu sehen. Der Mann, der mich zur Reise nach dem Paradiese einlud, verstand das, was ich tat, als Einwilligung in seinen Entschluss, bei welchem nur zwei oder drei lebensmüde Helden eingestimmt hatten; die andern zogen die Gefangenschaft dem Tode vor. Ich war allein mit denen, welche mich zum Sterbensgenossen erwählt hatten. Sie kehrten, ohne weitere Rücksprache mit mir, den Kahn so, daß er das Übergewicht nach dem Strome erhielt: er schwankte und sank. Ich fühlte die Kälte des Wassers; ich dachte zu sterben; aber auf einmal war's, als trügen mich hülfreiche Arme empor: die Kälte wich, und es schlang sich um meinem erstarrten Leib, wie sanfte, wärmende Gewänder. Was weiter mit mir vorging, weiß ich nicht. Als ich mich erholte, Gott weiß, nach wie vielen Stunden dieses geschah, sah ich mich in einem der feindlichen Schiffe, rund umher Geräusche und Unordnung, um und neben mir nichts, als wilde Gesichter der Ungläubigen. – Ein Mann, der mir der nächste war, zeichnete sich vor andern aus; er trug die Kleidung eines gemeinen Sarazenen; aber Mitleid und Milde, die aus seinen Augen sprachen, machten ihn zu einem Halbgotte unter wütenden Ungeheuern. Meine matten Augen hingen, so oft sie sich ein wenig öffneten, an ihm mit Liebe und Dankbarkeit; es war, als wüßte ich bereits, was ich ihm zu danken habe, mein Leben. Dass er es war, der mir es erhielt, erfuhr ich erst spät, erfuhr ich nicht aus seinem Munde. Als ich aus dem umgestürzten Nachen in den Strom gleitete, und von den Wellen hinab getragen wurde, da zog ein günstiges Geschick seine Augen auf mich, und erfüllte sein Herz, ich weiß nicht, mit welchem wohlwollenden Erbarmen gegen meine Hülflosigkeit. Er warf sich in den Strom, und schwamm mir nach, bis er mich erreichte. Darauf nahm er mich auf die Schultern, und trug mich an den Bord eines sarazenischen Schiffs. Ich traue es seiner uneigennützigen Vorliebe und seiner Kenntnis von der Grausamkeit seiner Gefährten zu, daß er mich gern noch besser geborgen hätte. – Er trug mich dem Tode in den Rachen: drei Mal berührte das Mordmesser bereits meine Kehle, um aus meinem Kopfe ein elendes Geld zu lösen, das auf das Haupt jedes Christen gesetzt war; und drei Mal rettete mich mein Schutzengel mit dem Vorgeben, ich sei ihm bekannt, sei ein Vetter des Königs, der sich mit großem Gelde lösen werde – Diesen klüglich erdachten Fund flüsterte er mir zu, so bald er mit mir allein war, und mich fähig glaubte, seine Worte zu verstehen. ›Herr‹, sagte er leise, ›bleibt bei dem was ich zu eurem Besten ersann, ihr seid des Frankenkönigs Bruder oder Oheim; je näher ihm verwandt, je besser! Dies erhält euch das Leben, und mir die Erlaubnis, euch zu bewachen.‹

›Wer bist du‹, fragte ich, indem ich ihm meine Hand dankend reichte, ›und was bewegt dich, um mich zu sorgen?‹

›Ei nun‹, sagte er lachend; ›ihr seid ein Mensch wie ich; dies ist mir genug! Wollte Gott, ich hätte alle eure Gefährten mit euch retten können! Bleibt ihr nur bei dem, was ich sage, und kümmert euch um nichts.‹

Am Abend brachte er mir einige Labung und etwas Arzenei, die ich ohne Bedenken von seinen Händen nahm, und dadurch sein Herz noch mehr gewann. – ›Ihr müßt ein guter Mensch sein‹, sagte er, ›weil ihr einem andern nichts Böses zutrauen könnt. Da sind viel von euren gefangenen Gefährten, welche in jedem Tropfen, den ihnen ein Muselman reicht, Gift und Tod zu trinken glauben!‹

›Billah‹, erwiderte ich, ›warum solltest du den vergiften wollen, dem du das Leben rettetest?‹

›Ihr habt Recht‹, sagte er; ›denn ich meine es gut mit euch: auch will ich euch, ehe mich der Kriegsdienst weiter ruft – Gott gebe, daß ihr bis dahin genesen seid – noch einen Beweis geben, daß ich viel auf euch halte.‹

Ich genas unter Billahs Wartung zusehends; auch wusste er zu leiblicher Labung mir Trost für meine bekümmerte Seele zu geben. Meinem Könige gehe es wohl, sagte er; er sei in Turanschahs Händen; ein königliches Lösegeld nebst einigen Festungen werde ihn bald frei machen.

›O ist Ludwig frei‹, rief ich, ›so werde ich auch frei werden!‹

›O, wäret ihr es schon!‹, sprach er. ›Macht euch indessen so wichtig, als ihr könnte, und versprecht zur Ranzion, was ihr nur halten könnt!‹

›Was aber gebe ich dir, du Edler‹, rief ich, ›für deine mehr als brüderliche Treue?‹

›Laßt das!‹, erwiderte er. ›Ehe wir scheiden, sollt ihr erfahren, womit ihr mir dienen könnt.‹

Billah blieb mein Hüter, bis wir nach Mansura kamen. Eine Stunde vorher, ehe ihn der Befehl seiner Obern weiter rief, trat er nach kurzer Abwesenheit in mein Zelt, mit einem kleinen Knaben an der Hand, den er mir zuführte, und ihm befahl, ein Knie vor mir zu beugen. ›Herr‹, sagte er zu mir, ›wenn ihr meint, daß ich mich eurer erbarmt habe, da ihr dem Tode nahe wäret, so erbarmt euch dieses hülflosen Kindes, das ich nicht weiter zu schützen vermag. An den Ufern des Nils ward es mir von einem alten Christen, der, nachdem ich ihm den letzten Labetrunk gereicht hatte, in meinen Armen verschied, anvertraut. Wer der Knabe ist, und wem er angehört, weiß ich nicht; ein Christenkind ist er einmal, und also bei einem Christen am besten aufgehoben.‹ – Mir drangen die Tränen aus den Augen ob den Taten des edlen Mannes: die Worte, welche mir mein Herz gegen ihn eingab, wurden durch die Bewegung, in welcher ich mich befand, gehemmt; auch hielt er sich nicht länger bei mir auf, drückte noch ein Mal meine Hand, und verließ das Zelt. Nie habe ich ihn seit der Zeit wieder gesehen. An jenem Tage werde ich ihn unter den frömmsten Bekennern des Christentums glänzen sehen.«

»O Gott!«, unterbrach hier Conrad den Erzähler; »ich ahnde in diesem Knaben meinen verlornen Bruder. Redet, redet, edler Joinville! was sagte er? nannte er sich nicht Hermann von Feuchtwangen?«

»Er nannte sich gar mit keinem Namen, der ihn kenntlich machen konnte; als der König frei ward, und wir andern auch frei wurden, machten verschiedene Umstände, welche ich und mein Freund uns zusammen reimten, daß wir dieses Kind für den Sohn eines Ritters von Montfaucon hielten, welcher in der sarazenischen Gefangenschaft gestorben war, und es nach dem Namen seines geglaubten Vaters nannten.«

»Und gar nichts, gar nichts sagte er von sich selbst? O diese kluge Zurückhaltung lehrt mich meinen Bruder Hermann kennen!«

»Ob bei diesem Kinde viel von kluger Zurückhaltung zu erwarten war, weiß ich nicht; wahr ist's indessen, daß ich ihn nie von etwas sprechen hörte, das sich auf seinen vorigen Zustand bezog: nur den Namen des alten Christen nannte er, der ihn sterbend Billahs Händen anvertraut hatte.«

»Und dieser war?«

»Arnold, wo ich nicht irre.«

»Arnold? Arnold von Winkelried? – Himmel! Himmel! nun wird alles klar; es ist mein Bruder! er ist es! – O redet, Herr von Joinville! sagt mir, lebt Hermann von Feuchtwangen? und werde ich ihn bald sehen?«

»Herr Ritter!«, lächelte der Seneschall König Ludwigs; »ich hatte da noch einen ganz artigen Rückstand hörenswürdiger Begebenheiten euch zu erzählen; aber ich merke wohl, ihr seid nun nach nichts begierig, als nach diesem Montfaucon, den ihr für euren Bruder haltet. Ob er es ist, das muss sich ausweisen. Er lebt, und ihr könnt ihn sehen, so bald ihr im Stande seid, dieses Schloß zu verlassen, und mit mir ins Lager zu gehen. Wahrscheinlich habt ihr ihn schon unter den Kämmerlingen des Königs mehr als ein Mal gesehen; und wenn er und euer Hermann eine Person sind, so halte ich von nun an nichts mehr von der gerühmten Stimme der Natur, da sie euch nicht bei seinem Anblicke sogleich den Brudernamen zurief.«

Conrad verlor sich in Gedanken, ob unter König Ludwigs Hofleuten einer sei, in dem er sich seinen Bruder denken oder wünschen könnte; er fand nichts, und musste die Befriedigung seiner unruhigen Erwartungen auf die Zeit aussetzen, die ihm Joinville angegeben hatte. – Von seiner Geschichte verlangte er nun freilich nichts weiter zu wissen; aber desto zahlreichere Fragen hatte er über den so genannten Montfaucon. Joinville wusste sie mit nichts zu beantworten, als daß dieser junge Fremdling sehr bald aus seinen Händen unter höhern Schutz gekommen sei. »Der König gewann ihn lieb«, fuhr er fort; »er nahm ihn unter seine Pagen, dann unter seine Kämmerlinge; auch unter seine Ritter würde er ihn aufgenommen haben, wenn der junge Mensch Lust zu den Waffen bezeigt hätte.«

»Hermann keine Lust zu den Waffen?«, wiederholte Conrad.

»Ihr seid so fest überzeugt, daß dieser junge Mann euer Bruder ist«, erwiderte Joinville, »daß ich nicht weiß, wie ich mich gegen euch erklären soll. Beruhigt euch indessen; ihr werdet ihn bald sehen, und euch überzeugen, daß ihr euch seiner nicht zu schämen habt, wenn es uns auch nicht gelungen ist, einen Helden aus ihm zu bilden; eine Sache, welche vielleicht euch vorbehalten war.«


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