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Der Traum

Perkunos Priester mußten sich zufrieden geben: Svintarohas Feuer flammte von neuem; die Ritter sahen ihren Freund gerettet in ihren Armen, und Jeroschin hatte eine lange heimliche Audienz beim Könige, in welcher er ihm seinen Aufenthalt in der Hütte des königlichen Einsiedlers auf so einer Seite vorstellte, daß sie ihm vorteilhaft ward. Die meiste Nachfrage geschah von Germunden nach dem Traume, in welchem sein Vater seinem so genannten Gastfreunde warnend erschien; und es wäre in der Tat für den Träumer zu wünschen gewesen, daß derselbe etwas zierlicher und umständlicher gelautet hätte. Jeroschin war zu ehrlich, mehr in sein Nachtgesicht zu legen, als er darin fand; aber das konnte er dem schwärmerischen Könige nicht verwehren, mehr darin zu finden, als darin liegen mochte. – Jeroschins Traum machte bei all seiner Einfalt einen tiefern Eindruck auf Germunden, als die am buntesten ausgeschmückte Vision gemacht haben würde. Wahrheit ist überall unverkennbar. Es ließ sich fühlen, daß dies kein Traum war, wie sie die Fantasie wachend auskünstelte: im Schlummer ist sie sparsamer mit Farben und Bildern; aber bedeutungsvoll und energisch ist jedes ihrer Gemälde, jedes ihrer Worte für den, welcher Glauben hat an solche Dinge: und wo hätte sich wohl ein stärkerer Glaube dieser Art finden sollen, als bei König Germunden? Er war ein Mann in der Schule des Unglücks erzogen, von den kleinsten Hoffnungen, fast der Unmöglichkeit zum Trotze, auf den Thron gehoben; ein Mann, bei den zärtlichsten Freundschaftsgefühlen oft durch die bittersten Trennungen gekränkt, fromm, ohne weit umfassende Einsichten, gutmütig, oft auf Kosten des Verstandes, tapfer, tugendhaft und großmütig, mehr aus Gewohnheit, als aus Grundsätzen, und daher oft schwankend in seinen Handlungen. Man gebe Acht, ob in Seelen dieser Art nicht Aberglaube und Schwärmerei am liebsten ihren Wohnsitz aufschlagen.

Nachdem Jeroschin seinen Traum zum zehnten Male so kunstlos, wie das erste, erzählt hatte, musste er ihn auch noch schriftlich verfassen, und die Sage berichtet, König Germund habe, nachdem er sieghaft von den Reußen zurück kam, und sich in ruhiger Muße allein der Beglückung seiner Länder widmete, über diese kleine Anzahl von Worten einen Kommentar verfertigt, der für einen Schriftsteller, wie er, ziemlich voluminös war, und der seinem Volke lange Zeit zu einem Kompendium der tiefsinnigsten Wissenschaften diente: denn der fromme Sohn fand in jedem Worte des Schattens seines Vaters, in jedem Teile seiner Erscheinung alles, was er darin finden wollte, und das Volk folgte hierin seinem Beispiele. Germund war wohl zufrieden, daß der Gastfreund seines Vaters, den er ehedem, weil er ihm die Bewohnung von Svintarohas Einsiedlerhütte eben übel auszulegen beliebte, lieber getötet gesehen hätte, er war wohl zufrieden, sage ich, daß Jeroschin Ulrichen von Magdeburg zum versprochenen Zuge wider die Reußen begleitete. Dieser Heereszug war alles, was der alte preußische Held wünschte: er scheute den Tod nur unter den Händen wütender Priester; im Schlachtfelde scheute er ihn nicht; ihn dort, ihn an der Seite seines Freundes, des deutschen Ritters, zu finden, dieses war sein süßester Wunsche, der Wunsch, mit welchem er sich von Conraden beim Abschiede auf nimmer Wiedersehen trennte. – Auch mit Ulrichen, auch mit seinem neu gewonnenen Freunde, König Germunden, letzte sich Feuchtwangen, und darauf zog jeder seines Weges, der König und seine Freunde mit dem Heere dem Könige der Reußen entgegen, und er – des Weges, den meine Leser im folgenden Abschnitte sehen werden.


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