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Die Reise nach Afrika

Conrad von Feuchtwangen endete hier seine Geschichte. Die Königin hatte auf Schilderung anderer Abenteuer gerechnet, als sie hier erhielt; sie wünschte aufgeheitert, und nicht durch schwermütige gleichgültige Bilder von Dingen, die sie wenig interessierten, noch mißmutiger gemacht zu werden. Dass der Ritter seine Geschichte am Ende abkürzte, dankte sie ihm vielleicht so sehr, als meine Leser. – Die dadurch gewonnene Zeit ward angewendet, ihm tausend Aufträge an den geliebten Gemahl mitzugeben, welcher aus Eifer zu seinem heiligen irrenden Ritterzuge, den Armen der Liebe zu zeitig entflohen war, und den Pflichten der Freundschaft Stunden entrissen hatte, die er ihr noch ohne Nachteil für seine Plane, ohne Verzögerung derselben ganz hätte schenken können.

Der deutsche Ritter reiste von Vincennes ab, und kam zu Aiguemortes an: er hatte gute Weile, alle Aufträge seines Ordens, alle Aufträge der Königin auszurichten; denn Monate vergingen, ehe man in See gehen, Monate, ehe man ganz einig werden konnte, wohin sich eigentlich der Zug der heiligen Abenteurer wenden sollte. –

Die Königin hatte Conraden bereits die Begierde, den König von Tunis zu taufen, als den Hauptantrieb zu der größten Reise bekannt gemacht; Conrad hatte davon geglaubt, was er wollte, hatte dieses Vorgeben für nichts gehalten, als für einen der mystischen Nebel, in welchen große Herren so gern ihre Anschläge hüllen. Seine Überzeugung, Ludwigs Fahrt könne nirgends hingehen, als zu Eroberung Jerusalems, nach dem Lande, wohin er sich sehnte, leuchtet noch aus den letzten Worten seiner Erzählung hervor, und man urteile also von seinem Unwillen, von seiner Ungeduld, als er fand, daß man noch schlechterdings gar nicht einig war, wohin man wollte, und daß allenfalls für Tunis noch mehr Wahrscheinlichkeit sei, als für Jerusalem. –

Seinen Unmut aufs Höchste zu treiben, fand er auch lange keine Gelegenheit, seine persönlichen Angelegenheiten zu berichtigen. Den Herrn von Joinville fand er nicht bei dem Könige; er traf ihn erst zu Cagliari: aber ihn festzuhalten, ihn, den Mann von immer reger Tätigkeit, ihn, den die Liebe für seinen König und die Sorge um ihn bei den mannigfaltigen Bedenklichkeiten der gegenwärtigen Lage immer mit tausend wichtigen und unwichtigen Dingen beschäftigte, dies gelang Conraden erst unter den Ruinen von Karthago: doch, bis wir dahin kommen, wird es nötig sein, dem Leser, welchem Ludwigs Hof vielleicht noch unbekannter ist, als uns, einige vorläufige Kenntnis von einigen Hauptpersonen desselben zu geben, damit die Züge einiger künftigen Begebenheiten, in welchen sie ihre Rolle spielen werden, desto eher einiges Interesse für ihn haben mögen.

Sollen wir von ihm, von Ludwig dem Heiligen anfangen, oder ist dieser verehrens- und bedauernswürdige Fürst dem Leser schon genugsam bekannt, um diese Schilderung unnötig zu machen? Patriarchalische Frömmigkeit nebst echtem Heldenmute vereinigte sich in seinem Charakter mit mittelmäßigem Verstande und einem Grade von Schwärmerei, der diesen zweifelhaften Führer oft ganz verblendete. Man rechne, so viel man will, auf den Charakter seines Zeitalters; die heiligen Abenteuer, auf welche dieser gute König nun schon zum zweiten Male auszog, zeigen doch immer, daß sein Herz besser war, als sein Geist, und die schlechten Mittel, welche er meistens wählte, geringe Endzwecke zu erreichen, drücken diesem Urteile das Siegel auf.

Jerusalem zu erobern, wäre nach unserm heutigen Urteile kein großer Gewinn gewesen; und doch würden wir ihm diesen Irrtum verzeihen, hätte er nur seinen Endzweck ernstlich verfolgt und endlich erreicht, worin ihm – man lese seine Geschichte – meistens nur seine Verblendung hinderlich war. Auch jetzt ließ er sich durch ein Hirngespinst von dem Pfade ableiten, und während man in Palästina wirklich nach seiner Hilfe schmachtete, hielt er es für glorreicher, den gefährlichen Zug nach dem todatmenden Gegenden von Tunis zu nehmen, um dort einen Prinzen zu taufen, der nicht getauft sein wollte, und ihn mit seinen lockenden Gesandtschaften zum Besten hatte.

Joinville, die zweite Person an Ludwigs Hofe, die wir für unsere Leser aus zwanzig merkwürdigen Charakteren ausheben, sah die Fehler seines Herrn mehr als irgend einer, ohne fähig zu sein, durch Zureden oder beißende Satire, welche ganz in seiner Gewalt war, das Schlimme besser zu machen. Die Zeit romantischer Tatensucht war auch für ihn gewesen; aber zwanzig Jahre hatten seinen Geist gereift, und er begleitete Ludwigen freilich mit mehr heiligem Eifer auf seinem ersten irrenden Ritterzuge in die Gebiete der Ungläubigen, als auf dem zweiten. Joinville war jetzt vierzig, ein schöner, hoch gebildeter Mann, wie sein König, bieder und rechtschaffen, wie er, fromm, aber nicht allzu andächtig, tapfer, und doch ein Feind unnützer Wagnisse, die er nur dann zu billigen im Stande war, wenn sie zur Rettung seines königlichen Freundes nötig waren, und bei den strengsten Grundsätzen doch kein Feind der Freude.

Unter seiner Zucht herangewachsen, war der junge Montfaucon der Letzte, den wir von Ludwigs Hofe zu schildern vorgenommen haben, weil er der Einzige ist, der noch einigermaßen in unsere Geschichte eingreift. Wie er unter Joinvilles Vormundschaft kam, davon ein anderes Mal; jetzt nur so viel, daß es ihm auf keine Art gelang, den jungen Menschen nach seinem Sinne zu bilden. Gut und edel ward er, wie sein großmütiger Erzieher, aber für seine Wünsche zu andächtig und zu wenig tapfer; er zog das Schwert nur im höchsten Notfalle, und liebte mehr, mit dem Könige, dessen Kämmerling er war, zu beten und Messe zu hören, als an seiner Seite zu fechten. Seine wahre Herkunft wusste niemand, selbst der Her von Joinville nicht; seinen Namen hielten die meisten für angenommen, und dies gab Anlass zu dem Mißverständnisse, dessen wir nun bald gedenken werden.

Der Herr von Joinville mochte spotten, oder ernste Vorstellungen machen; der Zug nach Palästina wurde doch mit dem nach Afrika verwechselt: noch rieten einige auf Ägypten, wo mächtige Bündnisse dem Könige von Frankreich ansehnliche Vorteile versprachen; umsonst: die große Tat, den König von Tunis zum Christen gemacht zu haben, überwog in Ludwigs Augen die wichtigsten Eroberungen. Seltsam genug war es, daß man sich zu einer friedlichen Taufhandlung mit gewaffneter Hand einstellte; Ludwigs gehoffter Pate konnte das leicht in Ungutem vermerken; doch der König von Frankreich dachte, wie er versicherte, hierbei nichts, als den hohen Täufling desto mehr zu ehren, nicht den zu zwingen, den er ohnedies zur Annahme des Christentums willig glaubte. Dass andere, welche sich nach Plünderung der Schätze von Tunis sehnten, im Stande waren, ohne seinen Willen den Weg zu Feindseligkeiten einzuleiten, das bedachte er nicht, bis die Tat vor Augen lag, und ihn nötigte, wider seinen Wunsch das Schwert zu ziehen.


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