Hjalmar Johansen
Durch Nacht und Eis - Band 3
Hjalmar Johansen

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Zweites Kapitel.

Zum nördlichsten Punkte der Alten Welt

Bald fanden wir lockeres Eis und gingen unter Segel und Dampf weiter. Pettersen und ich, die wir stets zusammen die Wache im Maschinenraume haben, fanden, daß wir jetzt viel zu viel Haar auf dem Kopfe hatten, und schoren uns daher gegenseitig so kurz, wie es irgend gehen wollte. Am 12. August stoppten wir die Maschine und benutzten nur noch die Segel. Es ging ausgezeichnet, und wir freuten uns alle darüber, da wir die Kohlen soviel wie möglich sparen wollten.

14. August. Den Hunden auf dem Deck bekommt der Seegang schlecht; wir haben sie nun nach dem Achterdeck bringen müssen, da sie jedesmal, wenn eine See über die Rehling schlug, ganz naß wurden und dann heulend die Pfoten aufhoben und an den Ketten rissen. Einige von ihnen sind auch sehr von der Seekrankheit geplagt; im übrigen aber sind sie sehr zutraulich und fügsam geworden.

Während meiner Wache sprang einmal an der Maschine das Wasserstandsrohr. Glücklicherweise kam ich mit einer Douche kochenden Salzwassers davon, ohne daß mir Glassplitter ins Gesicht flogen.

Am 16. August hatten wir schlechtes Wetter, und die Hunde litten sehr darunter. Das Petroleumboot wäre beinahe ins Wasser gefallen; die großen, massiven Eisendavits, in denen es hing, bogen sich wie Stahldraht, als die See an ihnen zerrte, und immer wieder drohten die Wogen, uns das Boot zu entreißen, bis es uns endlich gelang, es festzubinden.

Jedesmal, wenn wir auf diesem schlingernden Schiffe eine Kuhlte haben, geht es an Bord lebhaft zu. Die Gewehre klappern in ihren Ständern, die Sessel im Salon rutschen auf dem Fußboden hin und her, das Küchengeschirr rasselt und macht entsetzlichen Spektakel, und im Maschinenraume müssen wir uns sehr in Acht nehmen, daß wir nicht in die Maschinentheile hineingeschleudert werden.

Am 20. August ankerten wir bei den Kjellman-Inseln, da wir den Wasservorrath für unsern Kessel erneuern mußten. Dabei bemerkten wir, daß es auf den Inseln Renthiere gab. Nun wurde es lebendig; fast alle, die schießen konnten, wollten an Land, und nur fünf Mann blieben an Bord zurück. Wir ruderten nach der größten Insel und begaben uns dort auf die Jagd. Die Thiere waren außergewöhnlich scheu, sodaß wir lange Strecken auf allen Vieren kriechend zurücklegen mußten. Das Terrain war zum Anschleichen ungünstig; das Wild wurde uns, noch ehe wir zielen konnten, gewahr und entfloh mit Blitzesschnelle. Dann mußten wir unsere beschwerliche Wanderung über Moor und Steppe von neuem beginnen, um die Thiere wieder mit demselben Resultate zu beschleichen.

Hendriksen und ich waren beisammen. Müde und hungrig hatten wir uns auf einen Stein gesetzt, als Peder plötzlich die Pfeife aus dem Mund nahm und sagte: »Dort ist ein Bär!« Und richtig, nicht weit vom Strande ging ein Eisbär spazieren.

»Zum Teufel auch, daß wir so kleine Kugeln haben«, sagte Peder, der in das Krag-Jörgensen-GewehrDas Krag-Jörgensen-Gewehr ist ein kleinkalibriges Repetirgewehr, welches außer von Dänemark und den Vereinigten Staaten von Nordamerika auch im norwegischen Heere eingeführt ist. Die Patronen sind zu je 5 Stück in einem Blechkasten enthalten, aus welchem sie in das Magazin geschüttet werden.] kein Vertrauen setzte.

Vorsichtig krochen wir hinter einen Felsblock, aber schon hatte uns der Bär gewittert und kam gerade auf uns zu. Wir legten die Gewehre an – Peder hatte eine lange Büchse, ich einen Karabiner – und drückten gleichzeitig ab. Aber Peder mußte wol mit Vaseline zu splendid gewesen sein, denn beide Schüsse versagten. Ein zweiter Schuß verwundete den Bären an dem einen Vorderbein.

Jetzt wandte er sich von uns ab der See zu. Er erhielt einen Schuß ins Hintertheil, was ihn aber im Laufen durchaus nicht zu hindern schien. Peder rief mir zu: »Lassen Sie das Schießen und laufen Sie dem Bären nach!«

Ich lud in aller Hast mein Gewehr und lief ihm den mit Steinen bedeckten Abhang hinunter nach. Es gelang mir, ihm eine Kugel durch den Leib zu schießen, sodaß er stürzte und liegen blieb.

»Nun hat er wol genug«, sagte ich zu Peder, der mir inzwischen nachgekommen war.

»Nein«, meinte dieser, »der verträgt noch mehr.«

Und wirklich, der Bär richtete sich auf und drehte sich um, sodaß Peder ihm auch von der andern Seite eine Kugel in den Leib schicken konnte. Dann trat er dicht an ihn heran und gab ihm noch einen Schuß gerade hinter das Ohr. Ich erlaubte mir die Bemerkung, daß dies nicht nöthig gewesen, aber Peder antwortete mir:

»Doch, Sie wissen nicht, wie schlau sich so ein Schwein verstellen kann.«

Ich mußte mich vor seiner Autorität beugen, denn Peder hatte in seinem Leben schon 40 oder 50 Bären geschossen, und dieser hier war mein erster. Wir zogen ihn ab und machten uns dann auf den Weg, um wieder zu den andern zu stoßen.

Unterwegs hörten wir vereinzelte Schüsse. Die Sonne erhob sich gerade über der Ebene, als wir auf einmal bemerkten, daß zwischen uns und der Sonne etwas auf der Ebene stand und ab und zu das Licht verdunkelte. Dann gewahrten wir das große vielästige Geweih eines Renthiers, das uns entgegenhinkte. Schnell warfen wir uns nieder. Das Thier kam immer näher, witterte uns aber und eilte in Sprüngen dem Strande zu; das eine Bein war abgeschossen und hing nur noch an der Haut. Wir sprangen auf, um ihm den Weg abzuschneiden; doch ehe uns das gelang, knallten mehrere Schüsse, und dann sahen wir Nansen dem Thiere den Genickfang geben. Er hatte schon eins geschossen; dafür erzählten wir ihm von unserm Bären.

Nachdem wir den Rückweg über die nassen Moore mit großer Mühe zurückgelegt hatten, versammelten wir uns alle bei den Booten und ließen uns unser Butterbrot gut schmecken. Es wurde bestimmt, daß Sverdrup, Jacobsen und Scott-Hansen nach der »Fram« zurückrudern und sie uns ein wenig näher bringen sollten, während wir Uebrigen mit dem andern Boote den Bären und die Renthiere holen wollten.

Als wir uns der Stelle näherten, wo der Bär lag, erblickten wir einen zweiten, der ein wenig mehr landeinwärts am Boden lag und schlief. Er wurde sehr unsanft geweckt. Wir gingen ganz lautlos näher, einer immer in die Fußspuren des andern tretend, bis wir in gute Schußweite gekommen waren, stellten uns dann, ohne ein Wort zu sagen, auf und schickten dem Bären eine Kugel in den Kopf und diverse andere in den Leib, wodurch er bald in noch tiefern Schlaf versenkt wurde. Es war ein hübsches langhaariges Thier und so naß, daß es eben aus dem Wasser gekommen sein mußte; wahrscheinlich hatte es am Ufer gesessen und den jungen Weißwalen aufgelauert. Wir fanden dort die Ueberreste von solchen.

Die beiden todten Bären lagen ziemlich weit vom Strande entfernt, und es kostete uns einige Mühe, sie zu zerlegen und die einzelnen Theile ins Boot zu tragen. Müde und hungerig waren wir schon vorher gewesen, und besser wurde es dabei natürlich nicht. Es fing jetzt an, frisch zu wehen, und während wir noch mit dem Fleische beschäftigt waren, warf die See unser Boot auf die Seite und füllte es so mit Wasser, daß unsere Gewehre und unser Brotvorrath ganz durchnäßt wurden. Wir mußten uns lange plagen, ehe es uns gelang, das Boot wieder aufzurichten und ans Land zu ziehen, wobei wir natürlich erst recht naß wurden. Als wir das Fleisch und die Felle mit Hülfe einer Leine endlich an Bord gebracht hatten, begannen wir nach dem Schiffe zurückzurudern. Das war aber ein hartes Stück Arbeit. Wind und Strömung waren gegen uns, und wir kamen beinahe gar nicht von der Stelle.

Wir legten uns in die Ruder, soviel wir konnten: Nansen, Blessing, Mogstad, Hendriksen und ich. Erst ging es am Lande entlang, bis wir ungefähr die Höhe des Schiffes erreicht hatten; dann hielten wir auf das Schiff zu. Das Boot war schwer belastet, und die Wellen schlugen beständig hinein. Die Strömung und der Wind gingen uns stark entgegen; bald trieben wir ab, bald wieder in die rechte Richtung hinein. Nach den Anstrengungen auf der Renthier-Insel waren wir müde geworden, aber alle Mann arbeiteten noch aus Leibeskräften.

Endlich sahen wir, daß wir uns der »Fram« genähert hatten. Vom Schiffe aus wurde eine Boje für uns abgefiert, die gar nicht weit von uns auf dem Wasser tanzte. Peder, der auf der vordersten Ruderbank saß, sollte sie greifen, sobald er sie erreichen konnte.

»Hast du sie, Peder?«

»Nein, noch nicht.«

Nansen trieb an, und wir thaten, was wir vermochten. Endlich ertönte es von Peder's Lippen: »Nun hab' ich sie.« Das war gut!

Aber noch waren wir nicht an Bord; die Leine konnte reißen, wir mußten die Boje noch schlaff mitnehmen. Endlich kamen wir, das Fleisch und die Felle an Bord. Ach, wie köstlich war es, trockene Kleider anzulegen und warmes Essen zu bekommen und dann ins Bett zu kriechen!

Am 22. August machten wir einen Versuch, aus diesem Stromloche bei den Kjellman-Inseln herauszukommen, doch trotz des höchsten Dampfdrucks glückte es uns nicht, vorwärts zu kommen. Wir müssen wieder Anker werfen und bleiben mit angeheizter Maschine liegen. Es ist Schneegestöber und kalt. Wir essen jetzt Bärenfleisch zu Mittag und finden großen Geschmack daran; besonders das Herz steht hoch im Kurs. Es sind auch keine Kleinigkeiten diese Herzen, zwei Stück reichen für dreizehn Mann.

Am 24. August lichteten wir die Anker und versuchten mit allem Dampfe, den wir aufbringen konnten, loszukommen; es glückte uns diesmal auch, und wir segelten nach Norden.

Peder zieht den Speck von den Bären- und Seehundhäuten ab. Die Bärenschnitzel schmecken uns ebenso gut wie ein saftiges Beefsteak im Grand Hotel zu Christiania.

Der Wind, der so lange gegen uns gewesen ist, hat jetzt angefangen, sich zu legen. Am 27. August segelten wir wieder an Holmen und Inseln vorbei, die auf Nordenskjöld's Karte nicht angegeben sind; wir befinden uns also in unbekanntem Fahrwasser und müssen es deshalb alle Augenblicke auslothen. Die Hunde scheinen sich jetzt an Bord wohler zu fühlen, sie sind auch viel liebenswürdiger geworden.

Der 28. August ist ein bemerkenswerther Tag gewesen. Mit der Maschine ist heute ein größeres Unglück passirt. Bei der Theerölfeuerung entdeckten wir nämlich heute Vormittag, sozusagen im letzten Augenblick, daß das Oel den Kessel derartig angegriffen hatte, daß er über dem Feuer zu bersten drohte. Es hatte sich in der Stahlwandung eine größere Beule gebildet, die nur noch aufs Platzen wartete, um verderbenbringenden glühenden Dampf ausströmen zu lassen und Pettersen und mich, die die Wache im Maschinenräume hatten, zu verbrennen. Glücklicherweise entdeckten wir diese Scheußlichkeit noch. In Zukunft werden wir das Heizen mit Theeröl sein lassen, werden aber auch wol mit dem Kohlenheizen vorsichtig sein müssen.

Heute Nachmittag haben wir an einer ziemlich großen Eisscholle gelegen und unsere Behälter mit Süßwasser gefüllt. Es war ein Vergnügen, auf dem Eise spazieren zu gehen, und in den Süßwasserpfützen wurde allgemeine große Wäsche gehalten. Auch die Hunde durften sich ordentlich satt trinken, denn wir haben in der letzten Zeit nicht gerade reichlich Wasser gehabt.

29. August. Es geht nicht immer so, wie man es gern hätte. Wir haben anderthalb Tage mit dem Versuche verloren, den Eisgürtel zu durchbrechen. Aber es ist schwer, dergleichen vorherzuwissen. Wir trafen auf Eis, hatten auf der einen Seite Land, ob Inseln oder Festland konnten wir nicht wissen, und es war uns, als gewahrten wir auf der andern Seite offene Stellen, die weiteres Vordringen gestatteten. Wir werden wieder nach dem Lande zurückkehren und dort einen Versuch machen müssen. Augenblicklich aber liegen wir des Nebels wegen still.

Leider ist uns heute einer der Hunde crepirt. In der letzten Zeit sind mehrere von ihnen krank geworden; auf dem kalten, feuchten Deck haben sie es ja auch nicht gut, da sie jeder Unbill des Wetters ausgesetzt sind. Wenn sie sich nur vertragen wollten, würden wir sie unter die Back bringen, aber sie beißen einander und sehen ihr eigenes Bestes nicht ein, accurat wie die Menschen.

Am 30. August ankerten wir an einer eisfreien Stelle vor der Taimyr-Insel. Jetzt sind uns schon zwei Hunde eingegangen. Blessing, der sie secirt hat, sagt, daß sie am Bärenspeck, der irgendwie giftig gewesen sein muß, gestorben sind.

Nansen, Sverdrup und ich waren mit zwei Hunden an Land hinter einer Bärin mit ihren Jungen her; wir verfolgten die Fährten ein paar Stunden und mußten dann sehen, daß die Thiere wieder ins Wasser gegangen waren. Auf dem Deck liegen jetzt Haufen von frischem Fleisch, Speck und Fellen.

Bei der Taimyr-Insel lagen wir bis zum 2. September. Während dieser Zeit hatten wir Kesselreinigung und andere Arbeit an der Maschine, Gewehrputzen und allerlei Veränderungen mit den Hunden vorgenommen. Wir verfertigten für alle Halfter aus Tauen, damit sie frei umherlaufen und es besser haben könnten. Es stellte sich jedoch bald heraus, daß die Halfter ihren Zweck nicht erfüllten. Nachts ist es jetzt recht kalt, und wir haben daher angefangen, uns mit Renthierfellen zuzudecken.

Am 4. und 5. September waren Nansen, Juell, Nordahl und ich auf Recognoscirung aus. Wir ruderten 17 Stunden, ohne etwas anderes zum Essen zu haben als ein bischen gedörrtes Renthierfleisch und Brot, die Butter hatten wir vergessen. Die erste Landspitze, an der wir Rast machten, tauften wir darum »Kap Butterlos«. Wir ruderten und lotheten uns vorwärts, mußten uns hier und da sogar mit dem Bootshaken fortstoßen und das Boot über das Eis ziehen. Dabei schössen wir fünf Seehunde, die jedoch alle versanken. Unsere Schneeschuhe, Kleider und Persennings zum Zeltaufschlagen hatten wir mitgenommen, überhaupt waren wir, die Lebensmittel leider ausgenommen, gut ausgerüstet.

Die Recognoscirung ergab, daß wir allerdings ein ziemliches Stück in dem Sunde vordringen konnten, daß uns dann aber auch dort ein Eisgürtel von der See trennte, die nach unserer Vermuthung in der Ferne unter dem blauen Horizonte liegen mußte.

Es ist merkwürdig, daß wir jedesmal, wenn wir das Schiff zu irgendeinem Zwecke verlassen, auf dem Rückwege schlechtes Wetter bekommen und müde, naß und hungerig, wie wir sind, alle unsere Kräfte aufbieten müssen, um wieder zurückzukommen; und wenn wir uns nach der noch immer so fern liegenden »Fram« umsehen, scheint es uns stets, als ginge es trotz aller Anstrengung entsetzlich langsam.

Es war die Rede davon gewesen, daß wir auf einer der im Sunde liegenden Inseln übernachten sollten; doch hatten wir es glücklicherweise nicht gethan, denn als wir an Bord waren, ging der Wind in Sturm über. Während wir vor beiden Ankern lagen, schaufelten wir die Kohlen um. Später versuchten wir auch auf mehrern andern Stellen durchzukommen, aber stets ohne Erfolg.

Am 7. September machten wir jedoch ein »brillantes Geschäft«. Wir haben uns durch das schlimmste Eis, das uns dem Anscheine nach vom offenen Wasser trennt, hindurchgearbeitet.

Nansen und Sverdrup waren im Ausguck, und der mit der Maschine verbundene elektrische Signalapparat befand sich in voller Thätigkeit; der Anker war bis vor den Bug herabgelassen, um jeden Augenblick zum Fallen bereit zu sein, und ein Mann lothete fortwährend. So konnte die »Fram« heute einen guten Schritt thun und uns wahrscheinlich davor bewahren, ein Jahr bei der Taimyr-Insel liegen bleiben zu müssen, um vielleicht auch dann nicht einmal durchzukommen.

Am 9. September machten wir, nachdem wir dem Eise aufs neue entronnen waren, eine brillante Fahrt – 60 Kilometer in 4 Stunden unter Dampf und vollen Segeln. Es hat den Anschein, als werde Jacobsen seine Wette, daß wir in diesem Jahre nicht über Kap Tscheljuskin hinauskommen, an mich und mehrere andere verlieren.

Jacobsen ist nämlich sehr aufs Wetten versessen. Er wettet mit uns allen. Mit dem einen auf das eine und mit dem andern auf das gerade Gegentheil, sodaß sich die Sache meistens ausgleicht.

Es geht an Bord überhaupt außerordentlich gemüthlich zu. Gutes Essen gibt es immer. Wir haben frisches Renthier-, Bären- und Seehundfleisch und brauchen unsern eigentlichen Proviant kaum anzugreifen. Mogstad ist aus der Küche zur Maschine gekommen, und Nordahl ist als Koch angestellt worden, wozu er sich als außerordentlich geeignet erweist.

Das Kartenhaus ist in der wachefreien Zeit nach den Mahlzeiten unser Sammelplatz; dort rauchen wir unsere Pfeifen und plaudern in aller Gemächlichkeit. Während der einen Wache waren Sverdrup, Bentsen und Blessing auf Deck, Amundsen mit Nordahl und Mogstad bei der Maschine, während der andern hatten Jacobsen, Juell und Hendriksen auf Deck, Pettersen und ich im Maschinenraume Dienst. Nansen saß früh und spät im Ausguck, und Scott-Hansen stellte seine Beobachtungen an.

Sonntag, 10. September. Endlich, kann ich sagen, haben wir ein Ziel erreicht, das in der Geschichte der Expedition gewissermaßen einen Abschnitt bildet. In den letzten drei Wochen hat das Eis, dem wir begegnet sind, unberechenbar ausgesehen, und mehrmals haben wir, wenn wir auf einer Stelle vor Anker gelegen, geglaubt, daß hier wol leider unser Winterquartier sein würde.

Kap Tscheljuskin ist die ganze Zeit über in aller Munde gewesen. Wenn wir doch nur dorthin kämen! Heute Morgen um 4 Uhr sind wir endlich dort angekommen.

Große Feier an Bord. Schlag 4 Uhr, als die Sonne aufging, wurden auf ein gegebenes Signal die norwegische Flagge und die »Fram«-Standarte gehißt. Gleichzeitig wurde mit drei Schüssen salutirt, von denen der letzte übrigens Fiasko machte, weil die Kartusche naß war. In dem festlich erleuchteten Salon wurde aus der Punschterrine ein Getränk servirt, das wir später Tscheljuskin-Punsch nannten, außerdem gab es Früchte und Cigarren, und wir leerten unsere Gläser auf unsere Ankunft hier. Auf dem ganzen Schiffe herrscht festliche Stimmung; auch Jacobsen ist seelenvergnügt, obgleich er seine Wetten verloren hat.

Am 12. September gingen Nansen, Juell und Peder auf die Walroßjagd. Auf einer Eisscholle lagen eine ganze Menge Walrosse, von denen sie zwei schossen. Es kam ordentlich Leben in die Kolosse, als Nansen, sobald das Boot an die Scholle stieß, abfeuerte und Peder die Harpune schleuderte; wir konnten vom Schiffe aus sehen, wie die Thiere ins Wasser fuhren, und hörten die Männchen brüllen. Die Jäger erbeuteten jedoch nur zwei, weil es ihnen an Harpunen fehlte, sie festzuhalten. Nachmittags wurden noch zwei geschossen.

Am 15., 16. und 17. September ging es meistens unter Dampf und Segel weiter mit wechselndem Kurse, je nachdem das Eis es nothwendig machte. Am 18. hielten wir im Westen der Neusibirischen Inseln, die wir in der Dunkelheit allerdings nicht sehen konnten, Kurs nach Norden. Auf diesen Inseln befanden sich Depots für uns, die von Baron Toll, demselben, der der Expedition auch die Hunde besorgt hatte, dort angelegt worden waren.


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