Fritz Müller-Partenkirchen
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Fritz Müller-Partenkirchen

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Statt einer Vorrede

Lieber Freund!

Endlich kommt einmal in dir einer, der wirklich berechtigt und berufen ist, uns Schulgeschichten zu schenken.

An Schulgeschichten und Schulgedichten ist ja unser Schrifttum wahrhaftig nicht arm. Kein Wunder. Denn dazu glaubt sich jeder berufen, der nur einigermaßen die Feder führen kann und der früher einmal in eine »Penne«, wes Nam und Art sie auch sei, gestiegen ist. Aber die allermeisten dieser Schulgeschichtenschreiber – ich wüßte augenblicklich überhaupt keine Ausnahme – geben doch nur schiefe, unvollkommene oder gar verzerrte Bilder vom Schulleben. Sie kennen es eben nur von der Schülerseite her, und von dieser Seite müssen sie es ihr ganzes Leben betrachten.

Bei dir ist es anders: du kennst auch die Lehrerseite.

Aus deiner Münchner Schulbubenzeit kennst du die Knabenseele bis in ihre Winkel hinein, als 6 Vater hast du in deinen vier Kindern die Schulzeit zum zweiten Male durchgemacht, als Lehrer und Leiter von Handelsschulen hast du auch des Schulmeisters Leid und Freud gekostet; mehr Freud als Leid, du Glücklicher! Du weißt also, daß weder Schüler noch Lehrer reine Engel oder reine Teufel sind. Du kennst genau »das verhängnisvolle Mißverstehen unserer Schulen«.

Weißt du, welche deiner Schulgeschichten den tiefsten Eindruck auf mich, den Schulmann, gemacht hat? Jene ernste Stelle in deiner Geschichte »Stumm«, wo dem vom Lehrer überraschten »Klassenviech« Welz zum erstenmal eine Ahnung aufgeht,

»daß Lehrer keine Feinde sind. Daß sie Menschen sind mit Freud und Qual. Daß ihre Fehler unsere Fehler sind. Daß sie in harten Stunden ihre Hand herüberreichten. Daß sie nicht verstanden wurden. Daß sie seitdem, verhaltener Angst voll, längs des Grabens laufen. Das verzogene Antlitz deuten, die am drübren Grabenrande laufen, als Feindschaft gegen ihre Jugend. Und dazwischen gähnt der Graben – jahrelang.«

Siehst du, das ist's. Fast alle anderen Verfasser von Schulgeschichten (von der »Meyeriade« bis zu Thomas »Lausbubengeschichten«) haben diesen Graben nie übersprungen, konnten ihn auch nicht überspringen, weil sie keine Lehrer waren. Du kennst beide Grabenseiten. Darum ist in deinen Schulgeschichten keine gehässige Verzerrung, keine Schminke und keine Verhimmelung, alles ist echt, 7

Nichts verzierlicht und nichts verkritzelt,
Nichts verlindert und nichts verwitzelt.

Es ist nicht ganz unmöglich, daß ein überängstlicher Kollege bei dem Gedanken, daß die eine oder andere deiner Geschichten auch der Schuljugend in die Hand kommt, mit bedenklich hochgezogenen Brauen sagt: »Jaaa, aber die Autorität des Lehrers –!«

Glaub's nicht. Wie oft habe ich schon manche deiner Schulgeschichten meinen Schülern vorgelesen. Nicht nur, z. B. bei Schulausflügen, meinen Primanern, sondern auch den jüngeren, die doch laut Oskar Jäger im »autoritätsbedürftigen Alter« stehen. Glaubst du, ich hätte dadurch nur eine Spur meiner »Autorität« eingebüßt?

Wem's um seine Autorität bange ist, der hat nie eine gehabt.

Ich wünsche sogar deine Schulgeschichten in die Hände recht vieler Schüler. Manche ist drunter, die einen Bubenspiegel, ja einen Klassenspiegel abgeben könnte.

Sicher aber wirst du mit deinen Schulgeschichten auf die Gesichter aller Alten ein behagliches Schmunzeln zaubern, selbst wenn sie nicht immer die ersten Bänke geziert und ein »stets tadelloses Betragen an den Tag gelegt« haben.

Jeder wird in irgend einer deiner vielen Bubengestalten sich selbst wiedererkennen und nach dem Lesen so mancher Geschichte aus dem alten Studentenlied zitieren:

Sei vergessen, was bedrückt
Mich mit Sorg und Plage,
Heut ein Hoch dem, was beglückt
Meine jungen Tage!

8 Denn du hast vieles, was unsre jungen Tage beglückt hat, in deinen Schulgeschichten wieder aufleben lassen.

Darum begleite ich dein neues Buch bei seinem Gange in die Welt mit einem herzlichen Glück auf!

In treuer Freundschaft

Professor Konrad Meyer (Nürnberg).

 


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