Fritz Müller-Partenkirchen
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Fritz Müller-Partenkirchen

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Falsche Namen

Der Übelacker Maxl und ich, wir hatten's immer mit dem Wasser. Als Realschulbuben hatten wir im Lech ein heimlich Sonntagsbadquartier. Heute noch, wenn einer Sonntag sagt, muß ich ans Wasser denken, und wenn einer was vom Wasser sagt, so wird mir's auf der Stelle sonntäglich.

Natürlich war das Baden dort verboten. Es ist ein Naturgesetz, was köstlich war in Jugendtagen, ist verboten. Sonst wär's vielleicht nicht halb so köstlich.

Und ebenso natürlich wurden wir erwischt. Wir sahen ihn von weitem kommen, den schweigenden Wachtmeister mit dem beredten Bart. Blitzschnell züngelte im Wasser unsre Überlegung hin und her: »Er schreibt uns auf – er zeigt uns an – weißt was? Falsche Namen! Verstehst?«

»Falsche Namen? Aber –«

»Der Bimpfinger sagt, wenn man so erwischt wird, muß man immer einen falschen Namen –«

»Ja, aber was für einen?«

»Ganz einfach, irgendeinen.«

»Also sag ein'.«

»Sag du ein'.«

»Jesses, du wirst wohl einen Namen wissen!«

»Xerxes.«

»So was Dumm's!«

80 »Weißt ein' bessern?«

»Stempfhuber.«

»Schaf, so heißt der Bürgermeister.«

»Dann – dann – Fliegen – Fliegenbrummer vielleicht?«

»Weißt nicht noch was Dümmer's!«

»Oder Hinterschustermeister?«

»Den gibt's ja gar nicht.«

»Dann vielleicht Rettichschwanz?«

»Den glaubt er nicht.«

»B'sinn du dich – g'schwind, g'schwind!«

Wir schwitzten. Gibt's doch hunderttausend Namen, und ein falscher ist so schwer.

»Jetzt weiß ich's – ich sag dein'.«

»Und ich?«

»Du? Du sagst mein'.«

»Haut scho'!«

Da stand er schon, der Schutzmann. Er sagte kein Wort. Nur sein Bart wackelte, und sein Bleistift schrieb.

»Müller Fritz,« sagte der Übelacker Max unaufgefordert.

»Übelacker Max,« sagte ich erzstirnig.

Ein Blick des Schutzmanns nach den Realschulmützen im Gesträuch. Und schweigend stapfte er von dannen, die Sache war erledigt.

Irgend etwas Dunkles, Ungeklärtes saß uns zwar den ganzen Sonntagnachmittag im Hinterkopf. Aber wir dachten immer scharf daran vorbei.

Krampfhaft zuversichtlich hatten wir den Montag angefangen.

Die erste Stunde verlief glatt, die zweite glänzend.

Um zehn Uhr stand der Rektor in der Klasse 82 und sagte: »Wegen verbotenen Badens im Lech eine Stunde Arrest haben die Schüler Müller Fritz und Übelacker Max.« Sprach's und schwand.

Der Übelacker Max und ich, wir sahen uns starr an. Die Geheimnisse göttlicher Unerbittlichkeit durchrannen uns. Auch die Gerechtigkeit hat dunkle Wege, dachten wir. Was nütze nun der ganze Aufwand falscher Namen? Nein, wir wollten nie mehr wieder . . .

Gott, in wieviel Flüssen mit und ohne Wasser haben wir seitdem gebadet trotz Verbots – wie oft blinzelten wir Brüder gleicher Kappen uns in diesem Leben zu: »Bscht, weißt was? Den legen wir herein . . .« Wieviel falsche Namen haben wir den Fragen dieses Lebens angegeben –

Nicht nur ich und der Übelacker Max. Du auch, mein Freund. Wir alle, Freunde. Ganze Völker selbst nicht ausgenommen.

Warum, warum?

Irgend etwas Dunkles, Ungeklärtes, sitzt uns freilich dann die ganze Zeit im Hinterkopf. Der Abend würde kommen, die Nacht . . . Krampfhaft zuversichtlich fangen wir da drüben unsern Montag an. Bis der Herrgott schweigend am Katheder steht, mit einem Blick dich umfassend und uns alle. Ja, uns alle. Nicht einer, der nicht falsche Namen angegeben hätte.

Wozu, wozu? Was nützte nun der ganze Aufwand, Freunde . . .? 83

 


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