Theodor Mügge
Afraja
Theodor Mügge

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24.

Eine Woche war vergangen und in Tromsöe Alles zum Abhalten des Gerichtes eingeleitet. Die Prozedur wurde eilig betrieben, große Vorbereitungen und Weitläuftigkeiten waren nicht nöthig. Die Missethäter, auf welche es abgesehen war, befanden sich im festen Gewahrsam, Zeugen genug waren vorhanden, die sechs Gerichtsbeisitzer ließen sich schnell finden, und die Stimmung der Bevölkerung war so 514 vortrefflich, wie man sie wünschen konnte. Der Gerichtstag, nach alter Sitte der Freitag, wurde mit Ungeduld erwartet. Erbitterung und Rachelust hatten eher zu- wie abgenommen, und die Kunde von den Ereignissen auf dem Lyngenmarkt verbreitete sich durch das ganze Land, mit Zusätzen, die wohl gemacht waren, um die normannische Bevölkerung auf's Aeußerste zu reizen.

Die Lappen sollten in großen Schaaren bewaffnet erschienen sein, um alle Kaufleute zu ermorden. Was Afraja's Gehirn mit sich umhergetragen, wozu er geheime, langjährige Vorbereitungen gemacht hatte, wurde als schon halb ausgeführt erzählt.

Die Verhöre der Gefangenen hatten Alles klar und gewiß gemacht, was man wollte. Zitternd vor Angst und Schrecken gestanden sie, was der Schreiber wünschte. Afraja hatte Zusammenkünfte abgehalten, hatte Haß und Verachtung gegen die fremden Eindringlinge ausgestreut, hatte die Lappen zu Widersetzlichkeiten verleitet, und endlich war die große Verschwörung dahin gelangt, daß sie auf dem Lyngenmarkt ausbrechen sollte.

Zu allen diesen Planen war Mortuno ein thätiger Gehülfe gewesen und nur sein jäher Tod hatte den Erfolg verhindert. Paul Petersen, der mit eigener größter Gefahr die Verschwörung aufdeckte und den gefährlichen Lappen fing, erschien überall im Lichte eines kühnen entschlossenen Mannes, der seinen Mitbürgern die größten Dienste geleistet hatte. Seiner Klugheit allein verdankte man die Rettung aus schweren Gefahren, seiner unerschrockenen Vaterlandsliebe die Verhaftung des dänischen Junkers, der mit den Verräthern gemeinschaftliche Sache gemacht hatte.

Was den letzten Punkt betraf, so gab es allerdings auch einzelne Ungläubige. Daß ein Edelmann, ein Offizier der Garde, sich gegen König und Krone erheben, mit einem elenden Volke sich auf ein Unternehmen einlassen sollte, das jeder Verständige Unsinn und Wahnsinn nennen mußte, schien doch Manchem unmöglich zu sein. Aber dieser Junker hatte, so lange er im Lande war, für die Lappen gesprochen. Er war jedenfalls ihr Freund und Beschützer. Er hatte eine Liebschaft mit einem Lappenmädchen angefangen und war, was die Verhöre als gewiß herausstellten, bei Afraja in der Kilpisjaure gewesen, als der kühne Sorenskriver dort erschien.

515 Ueber seine Verhältnisse zu Helgestad und von seinem Treiben am Balsfjord wurde das Abschreckendste erzählt. Der schändlichste Undank und die größte Tollheit wurden ihm vorgeworfen. Mit Verrath hatte er die Freundschaft belohnt, die ihm entgegenkam, Helgestad's Tochter suchte er in seine Netze zu ziehen, die Heirath Björnarne's zu stören und diesen endlich mit der Dirne, die ihm selbst heimlich anhing, in eine schmähliche Buhlschaft zu verstricken. So suchte man den Schandfleck zu bemänteln, der von Helgestad's Haus nicht fortzuwischen war; daß der verunglückte, einzige Sohn des reichen Gaardherrn eine verdammliche Leidenschaft für Gula gehegt hatte, war nicht ganz abzuleugnen.

Helgestad's Unglück gab dabei ein neues Feld von Anklagen, die hauptsächlich wieder auf Marstrand fielen, und wie viele Neider und geheime Widersacher der schlaue Kaufmann auch hatte, als er stolz auf seinen Füßen stand, jetzt kam allein der Schmerz und Jammer des Vaters in Betracht, der krank und tiefgebeugt darniederlag.

Gegen den Schluß der folgenden Woche waren in Tromsöe die Akten fertig, die Beisitzer einberufen, der nächste Tag der Tag des Gerichts. Paul Petersen saß am Abend noch in seiner Schreibstube im Amtshause und ordnete Hefte und Schriften. Dann und wann hielt er ein, horchte auf den Wind und fiel mit einem leisen Stöhnen in den Armsessel zurück; aber er unterdrückte dies sogleich und fuhr fort zu arbeiten, selbst als draußen Lärm entstand, als Menschen kamen, deren Stimmen er erkannte, und als Schritte dicht an seiner Thür vorübergingen, denen er mit einem düsteren, spöttischen Lächeln nachhorchte.

Endlich wurde die Thür geöffnet, und als er umblickte, stand sein Oheim vor ihm. Der Voigt hatte noch die Reisemütze auf dem Kopfe und seinen Mantel auf den Schultern.

Friede und Glück mit dir, Paul, sagte er. Sie sind alle hier. Komme vom Lyngenfjord mit Helgestad, Ilda und Hannah. Aber, wie siehst du aus! fuhr er besorgt fort, und kopfschüttelnd fügte er dann hinzu: Siehst übel aus, Paul, hast glühend heiße Hände und ein seltsam verzerrtes Gesicht. Was ist es?

Nichts, antwortete Petersen lachend. Ich habe viel gearbeitet, dazu die größte Plage mit den Schuften. Wie geht es Helgestad?

516 Leidlich gut, meinte der Voigt. Er spricht mit Ruhe über Björnarne's Tod. Sie haben den Körper im Kaagsund aufgefunden, aber so fest umklammert mit der Dirne, daß die Narren sie nicht trennen mochten. Haben sie Beide in ein Grab gelegt.

Also auf ewig vereint, sagte Paul spottend. Wie steht's mit Ilda?

Alles wohl. Das ist keine, die weint und klagt.

Nun, rief der Schreiber, warum soll sie weinen? Björnarne wäre er nicht ertrunken, würde ihr Gram genug gemacht haben, denn von der schwarzäugigen Hexe hätte er nie gelassen. Jetzt ist er hin und sie hat das Erbe allein.

Und wenn die nächste Woche kommt? nickte der Voigt.

Ja wohl, sagte Paul. Der Pastor hat die Hochzeit schon angekündigt. Wie sich Alles gut fügt, Onkel!

Onkel und Neffe sahen sich leise lachend an. – Bewahre dich nur, daß du munter bleibst, flüsterte der Voigt. Denke auch, Helgestad wird's nicht ewig mehr treiben. Wie er war, wird er nimmer mehr. Er sitzt und sinnt, grübelt und spricht wenig. Das Sprechen wird ihm auch sauer, ist ein Schlag gewesen, von dem er sich nicht erholt. Es kann nicht lange dauern, so muß er dir Alles lassen.

Paul hörte gleichgültig zu. – Wie benimmt sich Afraja? fragte sein Onkel.

Es ist kein Wort aus ihm herauszubringen, sagte Paul. Aber was habt Ihr am Balsfjord gefunden?

Nichts. Keinerlei Schrift oder was uns dienen könnte. Nur die Urkunde über den Besitz und ein paar Säcke mit Geld.

Die können doch als ein Beweis gelten, murmelte der Schreiber. Der stolze Junker verweigert jede Antwort; wir wollen ihm zeigen, daß wir die nicht brauchen. Gebt die Urkunde her, Oheim. So – er legte seine Hand darauf, betrachtete sie und seine Augen glänzten voll Hohn und Lust. Bei Gott! Der Narr soll sie niemals wiederbekommen.

Denke, nein! sagte der Voigt leise, aber was willst du mit ihm machen?

Paul sah vor sich hin, bis er nach einiger Zeit antwortete: Am Besten wäre es gewesen, ich hätte mich an der Lyngenkirche nicht 517 eingemischt, als die Quäner und Fischer ihre Messer aus den Scheiden zogen. Indeß, wer weiß was sich noch mit ihm machen läßt.

Und der Zauberer? flüsterte der Voigt.

Still! sagte der Schreiber, ich höre sprechen. Geht hinüber zu unsern Gästen, Oheim, ich komme nach.

Als der Voigt fort war, stand er auf, nahm das Licht und stellte sich vor den Spiegel. Sein Gesicht war hohl und obwohl mehr geröthet als sonst, sah es verzerrt und krank aus. – Meine Schönheit vermehrt sich nicht, rief er sich selbst verspottend, aber um so besser werde ich ihr gefallen. Er warf seinen Rock ab und entblößte seine Seite, wo er die Wunde erhalten hatte. Diese war nicht geheilt, sondern geschwollen, dunkel entzündet und bot einen widerlichen Anblick dar.

Verdammt! murmelte er, ich muß Etwas thun. Ich leide Schmerzen und mag mich doch Niemanden vertrauen. – Er strich eine Salbe darauf, wickelte eine Binde um und kleidete sich mit möglichster Sorgfalt an.

Als er in das Gastzimmer trat, saß Helgestad in dem großen Stuhl am Feuer, die beiden Mädchen am Tische und der Voigt zwischen Beiden. Helgestad hielt ein Glas in seinen Fingern, aber er war nicht wie sonst lustig dabei, um es unter allerhand Calculationen zu leeren. Vorgebeugt starrte er auf das dampfende Getränk, hob langsam dann den Kopf in die Höhe, als er des Schreibers Stimme hörte, und streckte seine sehnige, magere Hand aus. Sein ganzer Körper und sein Kopf schienen in's Schwinden gekommen zu sein. Die mächtigen Knochen traten überall hervor und die gelbe harte Haut legte sich wie Pergament daran fest.

Herzlich willkommen, sagte Paul, und dir, meine geliebte Ilda, meinen besonderen Gruß.

Ilda sprach ein paar Worte, dann wurde über die Herreise verhandelt, über Helgestad's Krankheit und Gesundheit, aber es klang Alles eintönig und abgebrochen, sie betrachteten sich gegenseitig und dachten über die Veränderung nach.

Auch Ilda sah anders aus. Das große starke Mädchen war freilich nicht abgefallen, aber der tiefe Ernst ihres Wesens hatte sich vermehrt. Sonst lachte sie wohl einmal, und dann wurde ihr Gesicht 518 wunderbar hell und schön, nun aber hatten sich ihre Lippen dicht geschlossen, ihre Hautfarbe war durchsichtig geworden und der Blick ihrer Augen war so starr, daß Paul ihn nicht aushalten konnte. Er bemühte sich, froh zu sein und strengte alle Kraft an, um seine alte gewandte Geselligkeit zu zeigen, doch es wollte ihm auf die Dauer nicht glücken. Er sah recht gut, wie Alle ihn betrachteten und Helgestad schüttelte den Kopf und sagte mit seiner schweren Zunge: War anders, Paul, wie Björnarne noch lebte. Schaff ihn wieder, wird dir auch wohl thun.

Wollte Gott! ich könnte es, antwortete der Schreiber, allein ich kann nichts, als die strafen, die an dem Unheil Schuld sind. Ich hätte Euch gern in Eurer Ruhe gelassen, doch kann es nöthig sein, daß Ihr selbst vor dem Gericht Aussage macht. Stärkt Euch daher dazu bis morgen und nehmt Eure Gedanken zusammen.

Will's thun! murmelte Helgestad, wäre aber doch besser, Björnarne wäre hier.

Spricht er immer so? fragte Paul, der sich zu Hannah wandte, mit welcher er überhaupt zumeist redete.

Zuweilen scheint sein Gedächtniß zu leiden, sagte diese, aber oft ist Alles klar und fest und er sieht weiter, als es früher der Fall war.

Paul dachte nach und blickte sie forschend an. Du wirst, nach dem was hier geschehen, wohl sobald wie möglich nach Bergen zurückkehren wollen? fragte er.

Vor der Hand werde ich bleiben, bis mein Vater darüber entscheidet, war ihre Antwort.

Meine süße Ilda kann keine schönere Brautjungfer bekommen.

Wie? sagte sie, mitten in der Trauer denkst du daran, Hochzeit zu halten?

Ich muß es thun. Ilda bedarf einer Stütze, der alte Mann dort verlangt Ersatz für seinen Sohn. Frage Ilda selbst, sie ist zu verständig, um nicht einzusehen, daß ich in diesem Unglück als ihr Gatte neben ihr stehen muß.

Lustig! Lustig! rief der Voigt. Was hilft es, über Dinge zu seufzen, die nicht zu ändern sind. Trinke dein Glas aus, Helgestad, ich gebe dir einen andern guten Sohn und bekomme dafür ein feines Töchterchen. Sieh nach dem Tische, Paul, bist Herr hier im Hause. 519 Kopf in die Höhe, Niels, bist dein Leben lang ein stolzer Mann gewesen, sei es auch jetzt.

Er schlug Helgestad auf die Schulter, daß dieser aufschreckte. – Wird Alles noch gut werden, Freund, fuhr er fort, wir werden im Glücke unserer Kinder leben und das Leid vergessen. Wenn der Gerichtstag vorbei ist, fahren wir Alle an den Lyngenfjord und feiern ganz in der Stille Paul's und Ilda's Verbindung.

Ist richtig, sagte Helgestad, erst muß der Gerichtstag vorbei sein. Habt den Afraja doch fest, daß er nicht loskann?

Sei ohne Sorge, der sitzt hier unten im festen Keller. Er ist zwar ein Hexenmeister, aber heraus kommt er doch nicht eher, bis die Knechte ihn holen.

Und wo ist Johann Marstrand? fragte Hannah.

Fein säuberlich unter dem Dach, antwortete der Voigt. Ein Junker muß immer oben sein. Wir haben dort auch ein paar feste Kämmerchen für Standespersonen.

Oben und unten Graus und wir in der Mitte im Braus, lachte Hannah. Was wird man mit den beiden Sündern machen?

Der Lappe wird ein gut Theil Holzkohlen kosten, sagte der Voigt. Lovmann Erichsen hat schon daran gedacht und den Theer besorgt. Hat der Junker Unglück, kann er leicht mit hinaufsteigen.

Bei diesen fürchterlichen Worten richtete sich Ilda starr von ihrem Stuhle auf. Sie war noch bleicher geworden, aber Paul öffnete eben die Seitenthür und sagte freundlich: Komm, meine Herzens-Ilda. Sitze zum ersten Male an deinem Tisch in deinem Hause und laß uns froh sein, so viel wir es vermögen.

Wie sollte aber Frohsinn an diesem Mahle Theil nehmen? Helgestad war munterer geworden, der Genuß starker Getränke brachte sein Blut in Bewegung und riß ihn aus seiner Schweigsamkeit. Es war natürlich, daß der bevorstehende Tag den meisten Stoff zu den Gesprächen bot und manche besondere Umstände kamen zur Sprache.

Es war Nachricht an den Lyngenfjord gekommen, daß Klaus Hornemann am Alten krank darnieder läge, und der Voigt meinte spottend, daß dies von Gottes Hand so gefügt sei, weil sonst der Priester nicht ermangelt haben würde, sich einzumischen.

520 Ich beklage es dennoch, antwortete Paul, und wünschte, er wäre zugegen, damit er selbst sich überzeugen könnte, daß Alles, was geschieht, nach Gesetz und Recht verläuft. Er hat auch einen Brief an mich geschrieben, worin er Aufschub und Bericht an den Gouverneur vorschlägt. Leider bin ich nicht im Stande, darauf einzugehen, wie gern ich es auch möchte.

Und warum bist du es nicht im Stande? fragte Ilda.

Frage meinen Oheim, sagte er. Das ganze Land fordert Gerechtigkeit, Jeder weiß, worum es sich handelt. Die Finnmarken haben ihren Gerichtshof, eine Appellation an den Gouverneur würde überall verdammt und verneint werden. Die Aufregung ist so groß, daß man uns als Verräther an des Landes Rechten und Sache betrachten würde.

Aber wie kann ein rechtes Urtheil da gefällt werden, rief Hannah, wo, wie du sagst, die Aufregung so groß und die Erbitterung so allgemein ist?

Paul zuckte die Achseln. Ich würde es aufrichtig bedauern, sagte er, wenn ich glauben könnte, daß ein ungerechtes Urtheil zum Vorschein käme. Afraja's Verbrechen sind jedoch so überwiesen klar, daß kein Gericht in der Welt sie bezweifeln könnte.

Verrath, Aufruhr, Mordanfälle und dabei Hexerei und heidnische Gräuel! rief der Voigt.

Helgestad riß seine Augen auf und grinste, wie in früheren Zeiten. Nuh! sagte er, kommt besonders darauf an, daß der Höllenkerl bekennt, wo seine Schätze sind. Kommt darauf an, aus ihm herauszupressen, was wir wissen wollen. Denke, du weißt Paul, was wir ausmachten. Calculire, wird mein Trost sein für alles Weh, das die Schelme mir angethan.

Dem Schreiber war diese Eröffnung unlieb. Er winkte Helgestad zu schweigen und sagte zugleich: Wenn er wirklich Schätze besitzt, so wird er bekennen müssen, damit sein Eigenthum Ersatz für den Schaden leistet. Von seinem Genossen ist ohnehin nichts zu bekommen.

Helgestad sah ihn lange und hämisch an. Bist ein kluger Bursche, sprach er, wirst festhalten, was du hast. Hast Loppen haben wollen, nimmst den Balsfjord jetzt dazu. Aber halt richtige Rechnung, Paul, richtige Rechnung. Hast den Dänen dahin gebracht, wo er ist, gibt Leute genug, die da meinen, geschieht ihm Unrecht. Pfeifen Vögel 521 umher, singen besondere Lieder. Hat einer mir ein Lied vorgesungen – nuh! murmelte er, den Kopf schüttelnd, hast mein Wort, kann nimmermehr geschehen.

Ich denke, wir kennen uns, sagte Petersen. Keines Vogels Lied kann Mißtrauen zwischen uns bringen.

Sage mir Eines, fragte Niels, indem er seine Augen groß aufmachte. Hat Björnarne niemals mit dir von ihr – von dem Mädchen – von dem verfluchten Balg gesprochen?

Von Gula – niemals. Auf mein Wort!

Der Priester will's behaupten. Sind Stimmen da, die meinen – Sein wilder Blick flog über den Schreiber hin, dann lachte er auf und schlug auf den Tisch. Ist höllische Lüge! Haben mich gebrandmarkt vor allem Volk! Hat's der falsche Däne ausgeschrieen. Denke, du hast ihn, Paul Petersen, wirst ihn nicht lassen – hast ihn!

Die rachsüchtige Glut in seinem Gesicht machte einer Erschlaffung Platz. Mitten in seiner Rede schien er den Faden seiner Gedanken zu verlieren und indem er sich in seinen Stuhl zurücklegte, murmelte er vor sich hin: Wollte aber doch, Björnarne wäre hier, möchte hören, was er dazu sagte.

Paul eilte, diese Scene zu beenden. Er sprach sanft und beruhigend, hoffte, daß ein guter ruhiger Schlaf helfen und stärken werde, und überließ Helgestad endlich der Sorge seines Onkels und der beiden Jungfrauen.

Als er allein dann in seinem Zimmer war, ging er auf und ab, warf sich in seinen Lehnsessel, und sprang wieder auf. Endlich stand er still und horchte, die schweren Schritte Helgestad's polterten über seinem Kopfe. Er sah hinauf und lachte. – Alter Narr, flüsterte er, du hast Recht. Was ich habe, halte ich fest und Rechnung will ich mit dir machen, richtige Rechnung. Mein ist jetzt Alles, was du erspart, erwuchert und ergaunert hast. Loppen, der Balsfjord und dein Wunder von Weisheit und Schönheit, deine Ilda. – Was haben sie dem Alten zugeflüstert? Was hat der verdammte Priester geschrieben? Ehe er sich rühren kann, muß Alles vorbei sein.

Und es wird vorbei sein, sagte er, indem er ein Licht nahm und in die Kanzlei ging.

522 Er öffnete einen großen düstern Schrank, der schwarz vor Alter war, und leuchtete hinein. Allerlei schreckliche Instrumente lagen auf den Brettern. Schrauben und eiserne Keile, rostige Ketten und verstäubte Schnüre. Endlich nahm er eines davon heraus, ein breites Eisenband, das durch ein Gewinde eng zusammengepreßt werden konnte.

Was der menschliche Geist erfinderisch ist, murmelte er, wenn es darauf ankommt, im Dienste Gottes und der Wahrheit sich anzustrengen.

Er hörte ein Geräusch, und als er umblickte, erschrack er. Ilda stand wenige Schritte vor ihm.

Was hast du da? fragte sie, ehe er reden konnte.

Ein probates Mittel gegen Falschheit und Verrath.

Das wäre, was du brauchst, antwortete sie.

Morgen kann es geschehen, sagte er.

Sie faltete die Hände wie in großer Angst und sah ihn starr an. Ich will mit dir sprechen, begann sie leise, es muß so sein.

So komm, sagte er den Schrank schließend. Wie gern, mein süßes Herz, plaudere ich mit dir.

Bleib, sprach sie, hier zur Stelle sollst du mich hören. Ich habe eine Bitte an dich.

Welche Bitte wäre es, die ich dir nicht gern erfüllte!

Ilda holte tief Athem, ihr Kopf schien einen Augenblick unter der Last niederzusinken, dann richtete sie ihn hoch empor, und mehr wie je sah sie geisterhaft in dem schwarzen Trauerkleide aus.

Rette ihn, sagte sie, mühsam die Worte vorzwängend, rette Johann Marstrand von der Schmach, die ihm droht, und ich will dich segnen!

Wie kann ich ihn retten, theure Ilda?

Du weißt, daß er unschuldig ist, fuhr sie fort. O! bei Gottes ewiger Gnade, thue dies falsche Lächeln ab, du weißt, daß auch Afraja die Schuld nicht hat, die du ihm beilegst.

Ich lege ihm keine Schuld bei, sagte Paul. Ich will freudig sein, wenn seine Richter ihn lossprechen.

Du lügst, du heuchelst! rief Ilda, und die zitternde Bewegung ihrer Hände verrieth ihre Verzweiflung. Es gibt ein Auge, das in jedes Herz sieht, es gibt ein Ohr, das jeden Gedanken hört. Sieh mich an, Paul, sieh mich an und richte über dich.

523 Das, antwortete er, will ich dir überlassen, und wie ich fürchte, ist dein Urtheil grausam hart.

Nein, sagte sie, indem sie seine Hand faßte, ich will bei dir stehen, was auch kommen mag. Dienen will ich dir, wie deine Magd, keine Klage sollst du hören. Nimm Alles, nimm, was ich habe, nimm mich selbst, wann du willst, ich bin dein Eigenthum. Aber rette den unschuldigen Mann, rette ihn! Auf meinen Knieen will ich dir Gehorsam schwören!

Wie sie vor ihm kniete, füllten sich seine Augen mit Wuth und Hohn. Du kniest vor mir, sprach er langsam, als wolle er seine Lust und ihre Qualen verlängern, warum kniest du? Keine Macht hätte dich beugen können. Sprich die Wahrheit, ich will sie hören. Warum kannst du kniend um diesen elenden Dänen bitten?

Sie beugte den Kopf tief nieder, dann hob sie ihn ruhig zu ihrem Verlobten auf. Weil ich ihn liebe! antwortete sie mit leiser fester Stimme.

Du liebst ihn – liebst ihn noch?

Noch und immer! sagte sie.

Er biß die Zähne zusammen und faßte nach seiner Seite. – O! du edle Seele, rief er dann, wie du aufrichtig sein kannst! Du liebst ihn, liebst ihn immer! Und wenn du an meiner Seite liegst, wirst du denken, seine Arme umfassen deinen Leib.

Nein! sprach sie, indem sie aufstand, mein Elend wird immer bei mir sein.

Wie leid thut es mir, daß ich es vermehren muß, fiel er ein, wie bedauerlich wäre es, wenn dein zärtlich geliebter Freund morgen mit dem Zauberer, seinem Spießgesellen, in Flammen zum Himmel führe.

Ilda hob ihre Arme flehend auf, aber hinter ihr an der Thüre sagte eine andere Stimme: Das wird er nicht; leicht aber könnte es sein, daß der Teufel dir selbst näher ist, wie du denkst.

Allerliebst, schrie Paul. Dachte ich es doch, daß die Komödie noch einen Akt hätte. Nur näher, Hannah Fandrem, du darfst nirgend fehlen, wo ich Spott und Schande zu tragen habe.

Ich hoffe dabei zu sein, wo dir all dein Heucheln nichts mehr hilft, sagte Hannah, indem sie neben Ilda trat. Zu ihrem Schutze bin ich 524 hier und will in meiner Weise ein Wort mit dir reden, da ich besser verstehe, dein Herz zu rühren.

Dies grausame, bethörte Volk will sein Opfer haben. Schlachtet den alten Mann, wenn ihr es wagt, die Rache wird nicht auf sich warten lassen. Viele Lappen werden nach Schweden hinüberziehen oder an das Eismeer, um sich von Eurer Grausamkeit zu befreien; der Handel wird sich verringern, die Märkte werden abnehmen, aber auch die Regierung wird Euch das Henkerhandwerk legen. Thue darin, was du für klug hälst, doch unklug bist du, wenn du in deinem Hasse nicht sehen willst, was geschieht, wenn du Marstrand zu opfern denkst. – Zu eines Edelmannes Tod wird die Regierung nimmer schweigen. Du wirst Rechenschaft geben müssen, das Schwert wird über deinem eigenen Haupte hängen.

Da wollen wir es hängen lassen, sagte er, bis du einmal eine Stecknadel brauchst und es abschneidest.

Unterbrich mich nicht, fuhr sie fort, und spotte nicht. Wäre Helgestad nicht mein Vetter, Ilda nicht meine Freundin, heute noch wollte ich meine Hand gegen dich aufheben, aber es wird kommen ohne mich. Wahre dich, du falscher Mann, ich denke, deine Tage sind gezählt. Zeugen werden gegen dich aufstehen, die dir beweisen, daß du all dies Unheil verschuldet hast. Krümme dich, wie du willst, du sollst es büßen. Du, der an Nichts glaubt, du, der Gott jeden Tag verspottet, du willst einen armen Greis verdammen, weil er kein Christ ist und Zauberkünste treibt? Verständest du dergleichen, dann wehe allen guten Menschen auf Erden! Aber Klaus Hornemann wird kommen und gegen dich aufstehen, und wenn es Niemand thut, so will ich es thun. Mache Johann Marstrand frei, oder morgen sollst du mich hören. In den Gerichtskreis will ich treten und laut ausrufen: Dieser da hat Björnarne gemordet, dieser da hat meinen Bräutigam verlockt und verführt, seine Leidenschaft zu Gula, dem Lappenmädchen bis zur Tollheit angeblasen, damit er verflucht, enterbt und verstoßen würde. Daß du es weißt, du gieriger Mann, dreißigtausend Thaler sollst du mir dann zahlen, die Helgestad als Reugeld gelobt hat, wenn Björnarne mich verschmähte, und verschmäht hat er mich mit Hülfe deiner Liste und Ränke. Gib den Herrn Marstrand los und gib ihm den Balsfjord zurück, den du ihm 525 stehlen willst, so kann es sein, daß du davon kommst, bis Gott dich findet. Mühe dich um den Schuldlosen, diene ihm, vielleicht schweigt er um Ilda's willen und was zu ihr gehört; um den Graus, der aufgeweckt würde, und überläßt die Rache dem allmächtigen Herrn. – Und jetzt ist's genug mit dir, jetzt laß uns gehen, Ilda. Laß ihn zeigen, ob er Klugheit genug besitzt, sich aus seinen eigenen Schlingen zu retten.

Petersen hatte mit Verachtung zugehört. Die Arme gekreuzt und Spott auf seinen Lippen, saß er da und ließ sie sprechen und gehen. Erst nach einiger Zeit stand er auf, kehrte in sein Zimmer zurück und strich dort behaglich durch sein langfallendes Haar.

Ihr seid nicht die, von denen ich zu fürchten habe, sprach er. Tretet auf, wenn Ihr wollt, tausend Stimmen werden Euch zum Schweigen bringen. Aber geschehen muß, was geschehen soll, und wer weiß, ob ich die heißen Wünsche dieser verliebten Närrin nicht erfülle, weil ich will.

Er nahm ein Licht, nahm Schlüssel aus einem Wandspind und trat auf den Flur hinaus. In einer Seitenkammer saß ein Gerichtsdiener, die Arme auf den Tisch gestützt, den Kopf in die Hände. Als der strenge Landrichter eintrat, sprang er auf.

Oeffne die Thür, sagte Petersen, und der Mann schob die schweren Riegel zurück und ließ seinen Vorgesetzten in einen Gang treten, zu welchem ein halbes Dutzend Stufen hinabführten. Das Amtshaus war ein Balkengebäude, wie alle hier; aber es ruhte auf mächtigen Felsenbruchstücken, die ein festes Gewölbe bildeten. Der Sorenskriver ging den Gang hinab, links und rechts waren Verschläge von dicken Bohlen. Einer derselben war mit einem großen Schlosse verwahrt; als er dies losgemacht hatte, trat er hinein.

Da saß ein gespenstisches Wesen in dem engen niedrigen Raume, in welchem Paul sich nicht aufrichten konnte. Er hielt das Licht hoch und ließ dessen Schein auf den unförmlichen Klumpen in der Ecke fallen, der sich nicht regte. Ein großer Stein lag dort, eine Kette war in der Wand befestigt und hing an einem Eisenring, der den Hals des unglücklichen Gefangenen umschloß, dessen Kopf und Gesicht unter langen abgemagerten Händen und wilden strehnigen Haaren verborgen war.

526 Der Sorenskriver setzte sich auf einen anderen Stein an der Thüre, stellte die Leuchte vor sich an den Boden und sagte dann in mildem Tone: Das ist ein schlechter Aufenthalt, Afraja, für einen Mann, der in der frischen Luft der Gamme alt geworden ist. Morgen ist Gerichtstag, und Gott erbarme sich deiner! Du hast bis jetzt jede Antwort verweigert, hast hartnäckig alle Ermahnungen verachtet, ich komme zum letzten Male zu dir, um zu fragen, ob du bereust und demüthig bist?

Sieh', fuhr er fort, als er keine Antwort erhielt, es könnte doch sein, daß ich Mittel wüßte, dir Gutes zu thun. Lebendig verbrennen ist ein fürchterlicher Tod, und jetzt ist der Herbst da, wo deine Thiere auf die Alpen wollen, wo der Wind kalt über die Haide streicht und sieben Sterne über dem Kilpis funkeln.

Ein langes dumpfes Stöhnen kam aus der düsteren Ecke, Petersen lächelte. Besser ist es zu leben, sprach er, als zu Asche zu verkohlen, besser um Gnade zu bitten, denn wie ein Thier stumpfsinnig sein Schicksal zu erwarten. Du bist ein Mann, der nachzudenken weiß. Du wirst nicht thöricht träumen, daß jemals dein Fuß frei über die Fjelder geht, daß deine Augen die braune Heerde wieder sehen. – Er hielt inne und sagte dann leiser flüsternd: Ich kann dich dahin bringen. Ich allein bin im Stande, dir die Freiheit wieder zu schaffen, und ich will es thun, wenn du klug bist.

Du willst es thun? fragte Afraja, der zuerst den Kopf aufhob und das Haar von seinem gelben, verfallenem Gesicht strich.

Armer alter Bursche, sagte Petersen, du bist blaß geworden, doch die feuchte Luft hat deinen Augen wohl gethan, sie sehen so groß und klar aus, wie niemals. – Ja, ich will es thun, ich wiederhole es. Du sollst frei werden, sollst deine Gamme und deine Thiere wieder haben, sollst beliebig im frischen Schnee statt in Flammen dein Haupt betten; nur klug mußt du sein und deine Ohren aufmachen.

Daß ich das, was ich thun will, nicht umsonst thue, fuhr er fort, indem er damit Afraja's starren Blick beantwortete, versteht sich von selbst. Mein Wort darauf, du sollst nicht brennen, wenn du reumüthig morgen auf deinen Knieen liegst, deine Zaubereien für Aberglauben und Lügen erklärst, deinen Jubinal sammt dem ganzen übrigen Götterpack verfluchst, um die heilige Taufe bittest und wegen 527 aller deiner begangenen Frevel um Erbarmen flehst. Du wirst eingesperrt werden und eine Tracht Hiebe bekommen, aber dein Rücken wird heil werden, und diese Thür werde ich dir selbst öffnen.

Und du? fragte der alte Mann.

Ich – ich komme zuletzt. Ich fordere nur Eines von dir. Du bist alt, hast keine Kinder. Mortuno, der wackere Bursche, ist todt, Gula liegt begraben – ich will dein Erbe sein, deine Dankbarkeit soll mich dazu machen. Das ist Alles, was ich von dir verlange, und gewiß sehr wenig. Du hast Geld, wo soll es bleiben? Oeffne dein Herz, Afraja, und vertraue mir. Bei Gott! du sollst es nicht bereuen. Sei aufrichtig, alter Schelm. Ich weiß, daß du Geheimnisse bewahrst, weiß, daß du verborgene Minen und Plätze, Silberadern, Höhlen kennst, wo das gediegene Erz funkelt. Lüge nicht, ich habe Beweise! Ist es so?

Ja, Herr, sagte Afraja, wer es dir sagte, hat recht gesagt. Es gibt Silber dort so viel, wie alle Rennthiere der Finnmarken nicht fortschaffen würden. Da hängen lange Trauben klingend, glänzend von den Decken, da springt es eckig aus allen Wänden, schiebt blitzende Stücke aus allen Fugen, steigt aus der Tiefe auf und senkt sich von oben. Jubinal sitzt in seinem Hause nicht besser, und im Meeresgrund, wo, wie ihr sagt, die Wassertrollen in ihren Grotten liegen aus glitzrigem Stein und goldenen Netzen, haben sie nimmer doch, was ich habe.

Der Schreiber hörte lauernd zu. Seine Augen öffneten sich gierig, er streckte den Kopf vor, seine Hände zitterten, glühend heißes Verlangen erfüllte ihn. – Und mehr als eine solche Höhle weißt du? fragte er, scheu umblickend, ob auch Niemand lausche.

Viele! Viele! sagte Afraja. So weit und groß, daß kein Fuß sie ausmißt; so gefüllt mit Silberblumen und Bäumen, daß es ein Garten ist, wie ihn kein Auge jemals sah.

Gut, murmelte Petersen hastig, du sollst mich dahin führen, nichts darfst du mir verschweigen. Schwöre bei deinem Jubinal, daß du mich führen willst, und ich will dir beistehen.

Willst du wirklich? flüsterte der Gefangene.

Verlaß dich darauf. Du sollst keinen besseren Freund haben.

Du, mein Freund?

528 Ich sage dir, daß ich dich schützen will bis an dein Ende. Sieh' hier, da ist eine Flasche Nektar für dich. Morgen sollst du aus diesem Loch, es soll dir wohl gehen. Täglich sollst du Speise und Trank bekommen, wie es dir gefällt, und keine zwei Wochen sollen vergehen, so bist du auf deinen Bergen.

Afraja hatte sich aufgerichtet, die Kette klirrte an seinem Halseisen, sein greiser, magerer Körper schwankte, aber seinen Kopf hielt er stolz in die Höhe und aus seinen Augen strömte ein wildes Entzücken.

Nimm und freue dich, sagte Petersen, aber erst schwöre bei Jubinal, denn solchen Schwur hälst du.

Sorenskriver, sprach der alte Mann, indem er seinen Arm ausstreckte, ich weiß Silber – Silberberge, Niemand weiß sie, aber könnte ich leben bis Jubinal's Reich kömmt, müßte ich brennen, bis Pekel die Welt vernichtet, du solltest Nichts davon erfahren.

Besinne dich, du Narr! antwortete Paul, finster lachend, besinne dich, Feuer thut weh.

Wohl thut es, wohl thut es mir! schrie Afraja, denn ich sehe, wie du dich krümmst. Wolf, der du bist, dein blutiger Rachen macht mir keine Furcht. Feuer ist in deinen Augen, brennend Feuer in deinen Adern. Heulen wirst du wie ein wildes Thier, ich lache dazu, ich lache! – Er lachte wie ein Besessener.

Der Schreiber stand eine Minute lang, er suchte mühsam seinen Zorn zu bezwingen. Dann sagte er: Warte bis morgen, dann sieh' zu, ob du noch lachst, elendes Geschöpf. Willst du vernünftig sein?

Sei verflucht! schrie Afraja, und solch ein langer schrecklicher Fluch hallte in dem Kerker wider, daß Paul in seiner ausbrechenden Wuth den Fuß nahm und den Lappen stieß, daß er niederstürzte.

Bis morgen! rief er, die Faust schüttelnd und mit unterdrückter Stimme, bis morgen, sonst ist es vorbei mit dir, und die Thür zuschlagend und schließend ging er fort; Afraja's gellendes Hohngelächter folgte ihm nach.

Oben im Hause stand Paul Petersen still. Sein Kopf war voll Fieberglut, sein Gehirn wollte sich ausdehnen und drückte gegen die Knochenwände. Es drehte sich mit ihm um, aber in seinem Herzen wühlte eine Angst, eine Gier, eine grimmige Wuth, zu wissen 529 und zu haben, was er nicht wußte und nicht hatte, die noch weit stärker war, als das Gefühl, daß er krank sei.

Er stieg die Treppe hinauf, dann noch eine und horchte an einer wohlverwahrten Kammer. Leise schob er die Riegel zurück, öffnete das Schloß und trat hinein. Es war auch ein Gefängniß, aber ein besseres als das, welches er eben verlassen hatte. Ein kleines vergittertes Fenster ließ Licht und Luft ein und auf dem Bett in der Ecke lag Marstrand ruhig athmend.

Da schläft er! murmelte Paul. Er kann schlafen, fest schlafen!

Er trat an das Lager, der Lichtschein fiel in Johann's Gesicht; ein Lächeln war darin und plötzlich sagte er vernehmlich laut: Du bist es, Ilda, du kommst zu mir.

Wacht auf! Wacht auf! rief Petersen, indem er den Schläfer beim Arm schüttelte. Ich habe mit Euch zu reden.

Marstrand ermunterte sich. Warum stören Sie mich mitten in der Nacht? fragte er unmuthig.

Wenn Jemand Einen, dessen Haus einstürzt, herausziehen will, ehe die Balken fallen, fragt er nicht nach Zeit und Stunde, antwortete der Schreiber.

Ihre Hand, Herr Petersen, würde doch dabei jedenfalls die letzte sein, sagte Johann.

Ich denke, antwortete Paul, wir haben Beide keine Zeit, uns deßwegen zu streiten. Beantworten Sie mir eine Frage, von der Vieles für Sie abhängt. Afraja hat, um Sie für seine nichtswürdigen Pläne zu gewinnen, Ihnen entdeckt, wo die Silberschätze sind, die er kennt.

Marstrand antwortete nicht.

Herr Marstrand, begann Petersen von Neuem, Mancherlei kann sich ändern, wenn Sie wollen. Ich beklage Ihr Schicksal, ich möchte gern etwas thun. Es gibt Jemand, fuhr er leiser fort, dem ich gelobt habe, Sie zu schützen.

Ich bedarf Ihres Schutzes nicht! rief der Gefangene, indem er heftig aufstand.

Petersen achtete nicht darauf. – Wir könnten uns verständigen, sagte er freundlich, selbst der Balsfjord könnte Ihnen wieder gehören.

Der ist mein und soll es bleiben.

530 Wenn Sie es nicht vorziehen, einen besseren Aufenthalt zu wählen. Gott weiß es, wohin mich mein Mitgefühl bringen könnte. Es ist nicht angenehm, vor ein offenes Gericht zu treten, umringt von einem fanatischen Volke; besser vielleicht, sich entfernen, und in einem stillen Hause abwarten, bis der Sturm sich gelegt hat.

Ich würde nicht gehen, auch wenn alle Thüren offen ständen, sagte Johann.

Gut, so bleiben Sie. Ich hoffe, daß bei einer geschickten Vertheidigung Ihre ehrenvolle Freisprechung nicht ausbleibt.

Ich hoffe, daß Lüge und Bosheit zu Schanden werden.

Nehmen Sie meinen Rath und meine Hülfe an und was ich immer vermag, soll geschehen. Hätten wir uns doch eher besser kennen gelernt, so würde es anders mit uns stehen.

Fort mit allem Schein, sagte der Junker, ich denke, wir kennen uns genau genug. Gerade heraus, Herr Petersen. Was wollen Sie?

Meine Frage wiederholen, erwiderte Paul. Wo ist die Silberhöhle, wohin Afraja Sie geführt hat?

Ich weiß von keiner Silberhöhle.

Sie wissen nichts? fragte Paul, indem er in seine Tasche faßte. Sehen Sie hier, dies Silberstück ist in Ihrem Rocke gefunden worden. Es ist aus den Steinen losgerissen, in denen es festsaß, und sieht auf ein Haar so aus, wie die Silberblumen, die zuweilen in reichen Schachten wachsen. Ist ihr Gedächtniß jetzt stärker geworden?

Der Gefangene sann einen Augenblick nach, dann sagte er: Nein, ich weiß nichts! Was ich weiß, könnte Ihnen nichts helfen, und wenn ich wüßte, was Sie wünschen, würde ich doch nimmermehr in Ihre Zumuthungen willigen.

Nicht? –

Nein, niemals!

Bedenken Sie, was Sie thun.

Betrug und nichts als Betrug, sagte Johann verächtlich. Ränke und gewissenloses Thun ohne Ende. Sie werden nichts von mir erfahren.

Wollen Sie meine Hand nicht annehmen? Soll Ilda vergebens auf ihren Knieen mich um Ihre Rettung angefleht haben?

Elender! schrie Marstrand; auf ihren Knieen vor dir? Du lügst! 531 Ich könnte dir das Gehirn einschlagen, wenn ich nicht wüßte, daß du der größte Schurke auf Erden wärest.

Er stieß ihn von sich und eilig zog sich der Schreiber zurück.

Nun ist es aus! murmelte er, als er die Treppe hinunter ging. Er soll sterben und wenn der König selbst sein Vetter wäre!


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